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Mnzeiger für öas Erzgebirge Nr. l31 Ireitag» äen S. Juni i924 l9. Jahrgang Nitttelparteidn.) Das getan zu haben, nehmen wir uns in Anspruch. (Große Unruh« itnd Zurufe bet Nationnlsoz. und Teutschnativnalen, Beifall bet Mittelparteien.) Abg. Graf Westarp (Dtschn.): Die Regierung Hütte feststellen müssen, das, das Schuldbekenntnis des Artikels 232 des Versailler Vertrages unwahr war und nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Auch die Er. örterung des Sachverständigengutachtens hätte dazu An laß .geben können. Eirre Negierung, die zu diesem Gut achten Stellung nimmt, muß Widerspruch liegen die Schuld lüge erheben. Wir haben daö zu einer Bedingung unseres Eintritts in die Regierung.gemacht. Ob diese Bedingung angenommen worden wäre, .ist uns nicht mitgeteilt worden. Tie Rücksicht auf das Ausland darf nach unserer Auffassung nicht hindern, gerade in diesem Punkte den Forderungen der Wahrheit und der Ehre gerecht zu.werden. (Sehr richtig rechts.) Ta» Wahlrcsultat vom 4. Mat verlangt einen vollständigen Umschwung der Gcsamtpolitik. Der Verlust pon über loO Sitzen der großen Koalition war ein Ereignis, an dem die Regierung nicht vorübergehen durfte. Die Auf. gäbe unserer Partei, die jetzt 105 Mitglieder zählt, war discho Kredite zu erhalten, phne Annahme de» Gut achtens gibt es keine Rückkehr der Gefangenen, keine Auf. hebuna der Mtcumverträge. Tie Lasten aus dem Gut- achten müßten allerdings gerecht verteilt werden. Der Redner kritisiert dann scharf.die Haltung >der Komm», nisten und gibt der Hoffnung Ausdruck, döst die wirk, lichen Arbeiter in dieser Partei doch noch, einmal Mr Besinnung kommen werden. Auch Ln den Reihen der Deutschvölkischen seien manche Leute, die früher stolz waren auf ihre weiße Weste und die setzt diesen Schmutz mitmachcn. (Stürmischer Widerspruch! bei den Natsoz.) Hinter diesen Leuten zieht sich eine Spur von Blut. (Stürmische Unterbrechungen bet den Natsoz.) Sie schimpfen auf .Sozialdemokraten und Juden und Herr Hennina bittet um eine Schutzeskorde für Ludendorff. Die deutschvülkische Bewegung Hat aber bereits in Thü- ringen und Bayern an Boden verloren. Mit ihren Fahnenweihen verlängern diese Leute die Militärkon- trolle. Die Sozialdemokratie wird diesen Kundgebun gen republikanische Kundgebungen entgegensetzen. Sie steht auf der Schanze für die Republik. (Beifall bet den Sozialdemokraten.) Abg. Frau Golke (Komm.) nennt den Reichstag eine Maskerade der kapitalistischen Diktatur, daS Ber- halten der Sozialdemokraten als Lug .und Trug. Nur ! in Rußland würden die Arbeiterinteressen vertreten. Abg. v. Gräfe (Natsoz.) sieht in den Tumultsze- nen der letzten Taae den völligen Bankerott des Barla- zu blasen, .sich daheim am warmen Ösen zu wärmen und dem Atusketier es M überlassen, wie es auSgche. (La. chen rechts.) Er bearüßt es, daß die Teutschnationalcn nicht in der Regierung.sitzen. Tas sei erfreulich in Hin. sicht auf das Ausland. Tie Deutschnattonalen hätten da» Gutachten in ihrer Bresse ziemlich milde beurteilt so daß man annehmen könnte, daß es nicht ohne weite res abgelehnt werden würde. Ohne Annahme de» Gut. achtens hätten wir keine Aussicht, Amerika noch ein- mal au den Verhandlungstisch L« bringen und auSlän- die Sicherheit geschaffen werden, daß eine unzweideutige Erklärung dem Ausland« kundgab, daß an der Richtung j der bisherigen Außenpolitik sich auch nicht das ge. riugste ändern würde. (Lebhafter Widerspruch rechts.) Der Reichskanzler erklärt, er habe den größten Wert dar auf .gelegt. Dr. Stresemann in der Negierung zu.er halten. Aber scheitern sollte die Koalition nicht an dieser Personenfraae, auch nach dem Willen .Strcse* i mannö nicht. Der Kanzler lehnt öS ab, .Einfluß auf ! preußische Verhältnisse zu nehmen. Er schließt mit den Worten: Herr Graf Westarp! Ihre Politik schützt die Nheinlande nicht! (Lanaandaucrnder Beifall in der Mitte und bei den Sozialdemokraten. Widerspruch recht».) Abg. Löbe (Soz.) erinnert daran, daß Bismarck und ist cs einen grundlegenden Nmschtzvung Herbeizu- einmal gesagt habe, es sei leicht, in die KriegStrompete 'ühren. Wir sind entschlossen, alles zu tun, um zu einer Regierungsbildung ^u gelangen, wo auch wir ent scheidend unserer Stärke entsprechenden Einfluß ge winnen. Bet den Verhandlungen haben wir, da» kön nen wir mit ehrlichem Gewissen fügen, ein Entgegen- gcgenkommen gezeigt, da» bi» an die äußerste Grenz« ging. Ich habe mich dem Eindruck nicht entziehen können daß da» gestrige RegterungSprvgramm de» Retch»kanz. ler» an den großen Problemen borübergegangen ist. ES tionalversammlung gelangt sei, sei Lis auf.ein kümmer liches Häuslein zusammengeschmolzen. Dasselbe gelte von der anderen Nachbarpartei in der Mitte. Ter UN» ausgezwungene Parlamentarismus, so erklärte der Redner, ist ein Wahnsinn. Wir wollen feststellen, wer den Mut hat, dieser Gesellschaft hier auf der Rvgje- rungsdank das Vertrauen auszusprechen. (Große Un ruhe in der Mitte, Vizepräsident Dir. Bell rügt den Ausdruck.) Tie Regierungsparteien haben nicht den Mut, .selbst ein Vertrauensvotum einzubringen. Wir iverdcn ihnen daher die Schreibarbeit abnehmen und ein j solches vorlegen, um Sie alle zu zwingen, Farbe zu be kennen, auch die Sozialdemokratie. .(Lebhafte Aha- rufe.) Aus diesem Grunde bringe ich folgenden An- traa ein: Der Reichskanzler und die RetchSmtnister besitzen das in Artikel 54 der RetchSverfassung gefor derte Vertrauen des HauseS. Abg- Leicht (Bahr. Bp.) warnt die Nationalsozialisten dringend davor, noch weiteren Haß zu säen. Damit würden sie das deutsche Volk auseiuniiderspreilgen. Die Antwort der Regierung auf den Vorschlag des Gutachtens sei erfreulich. Sie hat diese Grundlage zur Lösung der Reparationsfrage augeuvunueu. In dem Gutachten werden allerdings die Ver- häiiuisse in Deutschland viel zu günstig beurteilt- Der Red ner erklärte, daß seine Partei sich ihre Stellungnahme vorbe. halte, sie werde prüfen, welche Gesetzentwürfe zur Dnrchsüh. rnug des Gutachtens notwendig seien. Von der Gestaltung dieser Vorlagen werde ihre Gesamthnltung abhängen. Wg. Hampe (Wirtschaft!. Vereinigung) fordert Auf. Hebung der Zwangswirtschaft. Abg. Kunze (dentsch-svz.) wirft der Negierung Marx. Stresemann vor, daß sie Deutschland in den Abgrund der Erfüllungspolitik stürze. Auch er versage ihr das Vertrauen. Die Parteien zur Regierungs erklärung. Neichstagrsitzung vom S. Juni. Präsident Wallraf eröffnet die Sitzung um 10,20 Uhr. Tas Wort erhält zuerst Ab«. Dr. Scholz (D. Vsn), der im Namen des ZentruMh, der Deut sch- D'eüiokrvten und der Deutschen Volkspartei folgende Erklärung abgibt: Die drei genannten Fraktionen haben seit Beginn der Verhandlungen über die Regierungsbildung /einen Zweifel darüber gelassen, daß ihr Ziel die Einigung des ReichStaaS auf möglichst breiter Front zur Erledigung der augenblicklich im Vordergrund stehenden außenpo litischen Fragen war. Sie haben dieses Ziel in langen, immer wieder erneuten Verhandlungen zu erreichen ver sucht. Dabei stand für sie von vornherein unverrück bar fest, baß bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Not lage des gesamten Vaterlandes und bei der Lage der be setzten Gebiete im besondern, die schleunige An- nah'ine des Sachverständigengutachtens als Grundlage für eine schnelle Lösung .der Neparattons, frage unbedingtestes Erfordernis sei. Nur eine solche Haltung der Regierung.wird unserer Wirtschaft die not wendigen ausländischen Kredite zusühren können, ohne die die wirtschaftliche Katastrophe kaum auszuhalten ist. Dieser Standpunkt bedeutet: Festhalten an der bisher von der Negierung eingeschlagenen Richtung der aus. würdigen Politik. Olme ein klares und eindeutiges Be» kennlnis hierzu, war eine materielle Grundlage für die Regierungsbildung -richt zu gewinnen. Eine solche eindeutige Erklärung war zum lebhaften Bedauern der drei Parteien von der Teutschnationalcn Volkspartei trotz stets erneuter Versuche nicht zu erlangen. Die mit ihr geführten Verhandlungen mußten daher als geschei tert angesehen werden. Einen anderen Weg zur schlen» nigen Bildung einer aktiouSfähigen Negierung, als die Einigung auf der Basis der bisherigen Koalition, gab eS nach Lage der Dinge nicht mehr. Die drei Parteien haben infolgedessen im Interesse des Vaterlandes das Opfer auf.sich nehmen müssen, zur Bildung der gegen wärtigen Negierung zusammenzutreten. Wir sprechen der Regierung das Vertrauen aus!, daß sie im Verfola ihres Programms nunmehr schleu nigst alle Vorbereitungen trifft, die auf Grund des Sach verständigengutachtens erforderlich sind. Wir erwarten, daß sie gleichzeitig diejenigen politischen Forderungen durchsetzt, die sie selbst als unerläßlich für die Aus führung deö Sachverständigengutachtens bezeichnet hat. Nur ein solches Verhalten der Regierung entspricht den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, aber auch den polni schen Forderungen des Volkes. (Sehr wahr bei den Mittelparteien, Widerspruch rechts, Rufe bei den Na- tlonalsoz.: Das Volk hat mit dieser Regierung nichts zu tun!) Wer sein Vaterland liebt, der muß im Augen blick höchster Not national fühlen und muh den inneren Zwang empfinden, nattonal zu handeln. (Beifall bet den fitr den den /luer Tageblatt Anzeiger für öas Erzgebirge »mtUch« z,u, « LU,gram*,., Lag.diatt Enthalt»«* »l« amtliche« V»Ioaat«achoagr« ö<» Kotes s»> Statt oas se» Amtsgericht» Aus. p.flsch,ftmt L,i„is n». 1»,, steht im Vordergrund ein energischer Kampf.gegen die moskowitische Sowjetpartet. Die Partei will Deutsch land ausltefern einer Herrschaft deS Schreckens und nach! ihrem eigenen Geständnis geht sie dazu den Weg HeS Bürgerkrieges (Widerspruch und Lärm bei den Komm.). Nur ein starker Reichspräsident und ein starker Wille kann dieser Gefahr vielleicht Herr werden. Das Bür gertum wird sich dieser Gefahr entgegensetzen. Und M diesem Bürgertum gehören auch Millionen deutscher Arbeiter, die bereit sind, die Gefahr abzuwehren. Dazu gehört vor allem, daß die Regierung, an der wir uns beteiligen würden einen entschiedenen und klaren Tr'enstu'npsstrich gegenüber der Sozialde mokratie zieht. (Sehr richtig.) Die immer wieder- kehrende Behauptung aus den letzten fünf.Jahren, in Deutschland könne nicht mehr ohne oder gegen die So zialdemokratie regiert werden, trifft nicht zu. Es kann nur gegen sie regiert werden. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Deshalb verlangen wir auch eine Aenderung der Negierungsverhältnisse in Preußen als Ergebnis der Wahl vom 4. Mat. Eine Annahme des Sachverstän digengutachtens im ganzen scheint mir verfrüht zu sein. Die Laiw in Deutschland ist wesentlich dadurch ver schlechtert, daß die Sozialdemokratie von vornherein verlangte, daß das Gutachten, so wie eS-ist, angenom men werden müsse. Der Redner schließt mit einer ErklärUn g^in der cs heißt: Der Reichspräsident hat unter völliger und ....... offenbar planmäßiger Außerachtlassung des in dem mentarismus. Mit der Demokratie sei man nun Wirk- Wahlergebnis zum Ausdruck gelangten Willen des Vol- lich gm Ende angelangt. Die stattliche Schar der .De- keS nicht den Führer der stärksten Partei, sondern den ! mokraten, die durch Volksbeschwindelung in die Na- zurückgetretenen Reichskanzler mit der Regierungsbil dung .beauftragt 'und damit den Gang der Verhandlun gen in die Hände der bisherigen Minderheitsregierung gelegt. Dennoch 'hat die Deutschuativnale Vulksparlet von Anfang an ihre volle Bereitwilligkeit zur Mitar beit an Ker Negierung unter Zurückstellung eigener Wün sche unzweideutig gewiesen. In Erkenntnis der histori schen Bedeutung Ker Stunde hat sie sich deshalb zu einer Negierung unter Vorsitz des bisherigen Reichskanzlers bereit gesunden und hat in sachlicher und persönlicher Beziehung pine außerordentliche Selbstverleugnung gu den Tag gelegt. Trotzdem hat der Reichspräsident so wohl wie der bisherige Reichskanzler die Verhandlun gen in einem Augenblick abgebrochen, in dem bei gu tem Willen der anderen vine Nebereinstiminuna poch möglich gewesen wäre. Tie Teutschnativnale Volkspartet zieht aus diesem Verhalten den Schluß, daß sowohl bet dem Herrn Reichspräsidenten wie bei dem ausschlagge benden Teil der bisherigen Regierungsparteien der gute Wille zu einer Verständigung zu gelangen, gefehlt hat. Die Fraktion zieht daraus die gegebenen Folgerungen. Sie stellt vor dem deutschen Volke fest, daß sie zu der gegenwärtigen ReichSregieruug kein Vertrauen hat. (Lebhafter Beifall rechts.) Reichskanzler Mar« entgegnet auf Vorwürfe, die Negierung fei in der Kriegsschuldfrage lässig gewesen, daß die jetzige Negie rung niemals zugegeben habe, daß Deutschland den Krieg begonnen habe. Die Katastrophe von 1014 kann nur durch nüchterne, klare Forschung geklärt werden. (Zu stimmung.) Den dem Reichspräsidenten gemachten Vor wurf .muß ich zurückwetsen. Solange das Kabinett noch nicht zurückgetreten war. war er nicht berechtigt, neue Das Gutachten sei ein Teufelswerk. Damit ist die erste Red. Schritte zu unternehmen. Es kann nicht anerkannt wer- nerliste erschöpft. den, daß eS seine Pflicht gewesen wäre, die stärkste. Par- ! Vizepräsident Dr. Bell teilt mit, daß der Außenminister tei mit der Regierungsbildung zu betrauen. ES muß >Dr. Stresemann erst in der morgigen Sitzung sprechen wird. Die weitere Aussprache wird daher vertagt. Es folgt eine Reihe persönlicher Bemerkungen. Vizepräsident Dr. Bell teilt mit, daß folgende An- träge vorliegen: ' l. Ein Antrag der Nationalsozialisten, der Regierung das Vertrauen auszusprechen. (Dieser Antrag wird natürlich von den Nationalsozialisten nickst unterstützt. Sie wollen da- piit nur die Sozialdemokraten zu einer klaren Stellung zwingen.) L. Ein Mißtrauensvotum der Deutschnattonalen Volks partei. ö. Ein Mißtrauensvotum der Kommunisten. 4. Ein Antrag der Regierungsparteien, wonach über alle anderen Anträge zur Tagesordnung übergegangen und in einer formulierten Erklärung der Regierungserklärung zugesttmmt werden soll. Daraus wird der Notctat in erster und zweiter Lesung angenommen. Er soll bi» zum 30. Juli I!>21 in Geltung bleiben. Nach einem Beschluß de« Acltestenrate« soll der Reich», tag: am Freitag sich bi» zum 24. Juni vertagen. Nächste Sitzung: Freitag 10 Uhr- Fortsetzung der politi schen Aussprache. Dritte Lesung de« Notetat«. Schluß UÜ Uhr.