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Das Wichtigste vom Tage. Kur, nach S Uhr Vegann ««Kam di* Tagung de» obersten Rat»» unter dem Vorst» Briand». Sämtliche Delegierte waren anwesend. Di« Velalsch, Delegation war nicht vertreten, da auf d« Tage»ordnung di» od«rschlesisch« Srag « stand. Die polntsch« Regtebung hat am Mittwoch den alliierten Kabinetten mitiellen las.sgn.daß sie eine Entscheidung über Oberschle- slen entgegen den polnischen Vorschlägen nicht anerkennen könne. -» E» steht fest, daß die formell« Demission der tschechischen Regierung noch im Laufe dieser oder der nächsten Woche erfolgen wird. Der neu« Ministerpräsident ist der Agrarier Gwehla. * Der Bapst richtete an den Kardinalstaatssekretär «in Schreiben, in dem er alle Christen und zivi lisierten Völker auffordert, edelmütig der hungernden russischen Bevölkerung zu helfen. Volksentscheiä unäDolksbegehren von Tal. 7t. Mtvnnnv Berlin. In dem letzten MtzungSabfchnttt vor den Sommer ferien hat der Reichstag.eine bedeutsame Etappe in der Demokratisierung Deutschlands zurückgelegt mit der Verabschiedung des Gesetzes Ätzer den Volksent scheid, das den in der Verfassung bereits ausgesoro- chenen Gedanken der unmittelbaren Gesetzgebung durch das Volk in dis Praxis Überführt. Damit hat sich zum ersten Mal ein großer Staat eine Einrichtung, .die bisher nur in der kleinen 'Schweiz vorhanden war, zu eigen gemacht und zum Ausdruck gebracht, daß auch in konkreten Gesetzgebungsfrage'n die Wählerschaft ihrem Repräsentanten, dem Reichstag, übergeordnet ist. Na türlich ist es schön technisch 'unmöglich, das direkte Ge- jsetzgebungSrecht des Volkes in den 'Formen, die für das Parlament maßgebend sind, stattftnden zu lassen:.es ist ausgeschlossen, über Abänderungsanträge bei einzelnen Paragraphen eines Gesetzes eine Abstimmung pes gan zer: Volkes herbeizuführen. Das ist 'aber auch nicht nö tig: es kommt nur darauf am>daß. die Wähler ihre Entscheidung über den Grundgedanken eines Gesetzes treffen. Daher bestimmt das neue Gesetz, daß dem Volks entscheid nur vollständig^ausgearbeitete Ge setzentwürfe unterbreitet werden und daß die Ab stimmenden mit einem glatten Ja oder Nein zu ant worten haben. Tie Befragung des Volkes geschieht hierbei nach der Weise der ReichStagswahlen. Ter we sentliche Unterschied ist nur der- daß der Zettel nicht den Namen eines oder mehrerer Kandidaten, sondern nur das Wort Ja oder Nein äüfwelst. Bei Gleichheit der abgegebenen Stimmen gilt die Frage als verneint, bei Gleichheit der Stimmen für Bejahung. zweier Fragen entscheidet das Los. Ter Volksentscheid vollzieht sich verhältnismäßig einfach, 1. wenn der Reichspräsident «in vom Reichstag vorgeschlagenes Gesetz beanstandet und deshalb den Volksentscheid darüber anordnet (was binnen einem Mo nat geschehen muß); 2. wenn der Reichspräsident bet Meinungsverschiedenheit zwischen Reichsrat und Reichs tag über ein vom Reichstag vorgeschlagenes Gesetz den Volksentscheid darüber angevrdnet hat; 3. wenn der Reichsrat mit einer vom Reichstag.dorgeschlageneu Ver fassungsänderung nicht einverstanden ist und darüber den Volksentscheid verlangt 'hat. In derselben Weise entscheidet das Volk auch dann, wenn der Reichstag mit zweidrittel Mehrheit die Absetzung, des ReichSvräsiden- ten beantragt. Nun bezieht sich der Volksentscheid aber nicht nur auf.solche Fälle, in denen di« Anordnung der Abstimmung pon der Reichsregierung ausgeht, viel mehr hat das Volk auch das Recht« aus sich hieraus di« Initiative zur Gesetzgebung zu ergreifen und als oberste Instanz den Erlaß von Gesetzen in die Hand zu nehmen. Tas Volk kann ferner auch unter Umstän den über die Ablehnung.eines bereit- im Reichstage an genommenen Gesetzes bestimmen,.nämlich unter der Vor aussetzung. daß auf Verlangen eines Drittel» des Reichstage» di« Verkündigung eines Gesetze» um zwei Monat« ausgesetzt wird. In diesen Fällen sieht da» Gesetz folgenden Geschäftsgang vor: E» haben zunächst mindestens 5000 Wähler bei dem Reich-Minister de» Innern das Volk»begehren zu beantragen und, wenn ihrem Antrag stattgegeben ist, auf ihre Kost«: an all« Gemeinden, hei deren Angehörigen sie ein Interesse für diese Frage vorausletzen, EintragunaSlisten zu versenden, die öffentlich auSgelegt werden. Trägt sich in diese Listen mindesten» «kn. Zwanzigstel der Stimmberechtigten, (z. B. also 150V 000 Wähler) ein, so ist da» Volksbegehren zustande! gekommen, und es findet nunmehr (auf Kosten dej» Reiche») der BolkSent- scheid darüber patt, ob da» betreffende Gesetz angenom men oder abgelehnt werden soll. Wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Abstimmung teilntmmt und sich für dis Ablehnung äustspricht, gilt da» Gesetz al» ab gelehnt. ' Etwa» andere» 'ist da» Verfahren, kenn der Volk», abstimmung ein au» der Initiative eine» einzelnen oder eine» Personenöretse» hervorgegangene- Gesetz unter» vr«ii«t werden soll.' Hier müssen für» erste auch wieder mindesten» VOOO Wähler ben Antrag, auf .«in Volk», begehren stellen. Di»» volktzbegeyren gilt aber nur als zustandegekommen. wenn mindesten» ein 'Zehntel der Stimmberechtigten (also etwa ö 000 000 Wähler) ver langen, .daß ein auSgearbeiteter Gesetzentwurf dem Reichstag unterbreitet werde. Di« Regierung hat dann diesen Entwurf beim Reichstag unverzüglich etnzubrin- gen. Lehnt An der Reichstag ab ober ändert er ihn, stz wird der Volksentscheid in Anwendung, gebracht. Hierbei ist 'zu beachten, daß für Verfassungsänderungen die Teilnahme der Mehrheit der Stimmberechtigten er- forderlich ist; andernfalls ist da» verfassunasändernde Gesetz ohne weitere» abgelehnt. Ohne Frage wird den Wählern mit dem Volksentscheid und dem Bolk»begeh- ren ein« Waffe in die Hand gegeben, die sie erst hand haben lernen müssen, Gerade von demokratischer Sette ist .die Befürchtung ausgesprochen worden, daß die ge setzlichen Bestimmungen vielleicht nicht au-reichen wer den, .um binen Mißbrauch .de» Volksentscheide» zu verhindern. Insbesondere ist es bedenklich, daß gegen über einer Wählerzahl von 30 Millionen, schon 5000 Bürger die Herbeiführung eine» Volksbegehrens bean tragen können. Dem ist entgegengehalten worden, daß ein solcher Antrag poch ein 'sehr teures Vergnügen sei, da die Antragsteller die Listen an di« Gemeinden auf' ihre Kosten Herstellen lassen und versenden müssen. Aber ob hiermit allein genügende Sicherungen geschahen sind, ist zweifelhaft. Immerhin wird man sich' durch solche Erwägungen keinesfalls die Befriedigung darüber per- kürzen lassen dürfen, baß nunmehr durch das neue Ge setz die Voikssouveränttät eine weiters kräftige Stütze erhalten hat.' Die Crfüllungssteuern. (Don «nserem Berliner Mitarbeiter.) Wenn das oft gebraucht« Bild von dem Steuer bukett jemals zutreffend war. so ist «S gewiß diesmal der Fall, wo das Kabinett nicht weniger als fünfzehn einzelne Sterrergesetzentwürfe, zu einem freilich nicht anmutigem Strauße gebunden, der Oeffentlichkeii über reicht. Pflegt der Duft eines solchen Straußes ohne hin den meisten Volksgenossen nicht angenehm in die Nase zu steigen, so ist es hier icknso weniger verwunder lich, als keine geschickt und kunstvoll ordnende Hand sich bemüht hgt, dieses Bündel zu einem einheitlichen Gan zen zusammenzuschließen, sondern unleugbar ein ge wisser Schematismus am Werke war, „gewissermaßen fünfzehn einzelne, rohvehauene Blöcke hinzusetzen. die erst energisch meißelnder Hände, bedürfen werden, um sich» in den gewaltigen Finanzbau de» Reiches «inzut- fügen und ihn mit tragen zu helfen, Trotzdem kann nichts falscher sein, al» die oft gepflogene Hebung von einst fortzusetzen. In Friedenszeiten konnte man sich den Luxus gestatten, um einiger hundert Millionen willen zu feilschen, zu nörgeln und zu verdammen. Bismarck konnte noch sagen: Wir machen die Steuern und holen uns im Parlament die Quittung dafür. Tiefe im Vergleich zu heute sorglosen Zetten sind vor über: heute geht es Um» Gans«, heute wissen wir, daß ein Steuersoll von hundert Milliarden aufgebracht wer den muß und daß dabei wohl oder übel einig« Schön heitsfehler mit in den Kauf genommen werden müssen. Gewiß Parf es Aufgabe der öffentlichen Kritik und vor allem der G teuer auLschüfs« des Reichstage» fein. Schön heitsfehler auSzuMerzen; voran aber hat der Grundsatz zu stehen, daß mit bloßer negativer Kritik nicht» getan ist, .Paß wer ein« Steuer ablehnt, die Pflicht hat, eine andere an ihre Stell« zu setzen. Tie Zetten der frühe- ren yinanzre formen sind vorbei, wo schließlich noch alle Wege noch Rom führten, wo noch soviel« Pfad« offen standen, die gangbar waren. Heut« gibt es kaum noch «ine Quelle, .die nicht angebohrt, kaum «in« Tür, .an di« .noch nicht geklopft ist, und ßelbst dem gewiegtesten Finanzkünstler wird es kaum mehr gelingen, ein neues Sesam zu finden, da» sich auf sein Zauberwort öffnet und verborgene Schätze vor ihm ausbreitet. Zu unse ren Häupten und zu unseren Füßen, zur Rechten Und zur Linken steht der kategorisch« Imperativ de» ange nommenen Ultimatums: du mußt erfüllen! Aber auch der ErfüllungSWi lle lebt in uns, und er war oß fenbar der Leitstern des Kabinett» auf der Suche nach ErfüllunigSmöglichktziten. Dabei war sich da» Kabinett, wie.es im Schlußsatz selbst.sägt, durchaus darüber klar, daß diese fünfzehn Gesetzentwürfe nicht der Weisheit letzter Schluß sind und daß wettere ergiebige Quellen erschlossen werden müssen. Umso eindringlicher Wird di« .Pflicht jeder Kritik, wicht nur zu negieren, sondern ihm mit Winken und Mit Ratschlägen an die Hand zu gehen. Zu diesem Zwecke wird e» sich sehr, empfehlen, daß Pie Regierung sich möglichst.bald mit den Partei- sührern in» Benehmen setzt, und daß st« sich bei der Grüß« der zu lösenden Aufgabe von jeder vartvtmäßtaen Engherzigkeit fernhält, d. h. daß st« nicht nur di« Füh rer der KoaltttonSParteien heranzieht, sondern auch di« der Oppositionsparteien, denen, gerade im Ab^ lehnungSsalle umsomehr die Pflicht erwächst, andere Wege zu weisen. Hoffentlich wenigstens gibt e» heut« keinen Politiker mehr, der sich aus den Standpunkt stellt, daß. wer da» Ultimatum angenommen, e» auch hu. «r- Iküllen habe. Auch «in andere» noch ist nöti,r alle Par- toten werden den lebhaften Wunsch! haben, ehe 'Ne selbst Stellung zu den neuek Steuern nehmen, sich mit ihren Sachverständigen kn Land« in Fühlung zu fetzen. Di« Reich-regterung wird deshalb dafür zu sorgen haben, daß die vom Reich»rat und vom R«tch»wirtschaft»rat vorgesehenen Vorschläge dem Reichstag so frühzeitig wie möglich zugehen. E» kann nicht Aufgabe dieser Zeilen sein, gus die fünfzehn Entwürfe im Einzelnen «tnzugehenr dazu wird sich kn Lauf« der nächsten Wochen noch Gelegen heit genug 'finden. Der interessanteste von ihnen und in gewissem Sinne neu ist der Entwurf.eines Bermö- gonSsteuer'gesetze». Er stellt da» dar, was bislang unter dem Begaffe der Veredlung de» RetckSnotopfer» kursierte. In Wirklichkeit ist um diese Beredluna schon bei der Beratung de» ReichSnotopfer» und noch vielmehr nach.seiner Annahme hauptsächlich! Von demokratischer und deutschvolksparteiltcher "Seite gekämpft worden. Alle die Gründe, di« die Regierung jetzt selbst in» Feld führt, wurden ihr damals entg«gengehalt«nr daß infolge de» Festhalten» an einem bestimmten Stichtag Vermehrun gen de» Vermögen» und neugebildote Vermögen gar« nicht, Bermögensverminderungen nur ganz dürftig er faßt werden. Schon damal» wurde eine Neuveranla gung von drei zu drei Jahren auf» dringlichste empfoh len. Taß die Regierung 'sich jetzt dazu entschlossen hat, diesen Stimmen Gehör zu schenken, ist zweifellos ein Vorzug, und ÄS darf, auch gesagt werden, daß sie sich nach der bisherigen Begründung bemüht, der Steuer möglichst den Charakter des KonfiSkatorischen zu neh men oder durch entgegenkommende Maßnahmen zu ver decken. Durch die Möglichkeit, .daß es der eigenen wirt schaftlichen Entschließung Überlassen werden soll, .in welcher Weise der Steuerpflichtig.« hie regelmäßig.nicht aus seinen Einkünften tragbare Steuerlast abbürden will, ist «S in gewissen Fällen sehr wohl denkbar, .daß ein Eingriff in die Substanz zu vermeiden ist. In die len Fällen freilich wird sie unvermeidlich sein. Aber es fragt sich. ob die regierungsseitig bisher nicht ange schnittene Frage der Bildung pvn St euer arme in- schaften ein vorteilhafterer Weg wäre. Stsuerstin- dikat«-bedeuten Zwangswirtschaft, denn man kann Vein« Untervertetluny Pornehmen, solange nicht alle in Be tracht kommenden Faktoren zu dieser Gemeinschaft ge zwungen sind. Was bei der Mitteilung dieser fünfzehn Gesetzentwürfe al» besondere Lücke 'auffällt,. ist da» Fechten alleb GriragÄschützungen. Freilich läßt sich dagegen «inwenden, daß^ja kein Mensch tzu sa gen vermag, wie sich die Balutaverhältntss« oestalten werden und daß e» deshalb gar keinen, Zweck habe, ir gendwelche Ziffern zu rechnen. Auch hier ist eben kein Vergleich mehr mit früher kn ziehen: früher waren di« direkten Steuern da» 'Feststehende, die indirekten das Schwankende, jetzt sind beide schwankend, ,am meisten aber die Geldsteuern. Letzten Endes sind auch das nur Auswirkungen her 'Vorgänge, die sich jetzt in Paris vollziehen, in denen neben dem Schicksal Ober schlesien» auch da» steuerliche "Schicksal de» Reiche» ent schieden wird. Cntscheiäenäe Tage in Paris. VW neu« Punk, ner Paris«, Kons«,»». Die Agenve Hava» berichtet inoffiziell über di« erste Sitzung de» Obersten Rat«»: Tie Sitzung war (am Montag) um 8 Uhr 5 Min. beendigt. St« war vollständig durchdte Besprechung der ober- schlesischen Frage ausgesüllt. Ministerpräsi dent Briand eröffnete di« Sitzung und begrüßte, die alli ierten Vertreter. Darauf wurde jede Delegation auf gefordert, ein aUgemeine« Expos« Über die oberschlesi sche Frag« zu geben. Der Vorsitzende de» Sachverstän- digenausschusse» Fromageot legt den französischen Standpunkt dar und zeigte, daß da» Abstimmungs gebiet geteilt werden könne Und bar Grenzoerlauf durch das Ergebnis der Abstimmung nach Gemeinden bestimmt werden müsse. Darauf gab Sir Cecil Hurd eine Tav stellung pes englischen Standpunkte», welcher auf Pie Unteilbarkeit de» Industriegebiet» und seine Zusprechung an Deutschland hin aus läuft. Der französische Sachverständige Laroche brachte zum Ausdruck, daß da- Industriegebiet geteilt und «um großen Teil einschließlich König-Hütte an Po len fallen müsse,, wobei der Grenzverlauf.sich merklich der Sforzalinie zu nähern habe. Der italienische Dele gierte vertrat einen vermittelnden Standpunkt. Die jetzt vorliegende endgültige Tagesordnung.um faßt folgend« neun Punkten ' 1. Die Truppenverstärkungen für Ob«r- schwsien. 2. Die Teilung Oberschlesien». ! 5. Die Sanktionen im Rheinland. 4. Di« Aburteilung der Kriegsverbrecher. ö. Die russische Hung.er»not. 6. Die Luftschikfa'hrt-besttmmungHn de» Versailler Vertrage». 7. Die orientalische Frage Und der griechisch ¬ türkische Konflikt. 8. Finanzielle Hilfe für Oesterreich. 5. Tie albanische Frag». Li, MKn»ng,v,rschwd«nh,tte« dauer« «ul Die gesamt, englisch« Prell» destcht sich in Pariser Telegrammen und Leitartikeln mit der Kons««» dch