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Anzeiger für -as Erzgebirge IS. Jahrgang Nr. 39 Donnerstag, äen 13. Februar 1923 ^uer Tageblatt WKW Mnzeiger für Sas Erzgebirge -M- L«Äpr«ck-N^ ßtzl'ss.. n->».w Letegraat»», kagebiatt Enthalten- -l» amrllchen -ekanntmachnngen -»» Nate» -er Staßl na- -r» flmtegericht» stu». p,stU«ck--»m»i ftmt r»lpr>s n». 199» Donar Laws Politik. England» Mnisterpräsldent hat in einer, dem äußeren Aufbau nach, bi» an die Grenze der Ko mit be deutsamen Rede tatsächlich doch! Izweierlei sestgestellt. Daß.Vermittlung: zwischen Deutschland und Frankreich Im gegenwärtigen Augenblick nicht möglich sei, daß sie nach Ablauf einer gewissen Zeit aber wohl möglich: sein werde In welcher Art aber und aus welchen Voraussetzun gen könnte sich ein« solche Möglichkeit ergeben? Bonar Law antwortet (dem Sinne nach): durch den Völker bund. und zwar, wenn die Streitenden abgekämpft sind. Tiefe Gelassenheit eines Staatsmannes, der darauf wartet, daß der Zusammenbruch der französischen Ge waltpolitik ihm Gelegenheit gibt, ohne eigenes Wagnis al« Konkursverwalter des zerrütteten Festlande» hervorzutreeten, mag nicht sttzr menschenfreundlich und und vielleicht nicht einmal so politisch richtig sein, wie sie Geschäfts klug ist; zu erwarten war ettte andere Haltung kaum- Für uns ist das Wesentliche, womit Bo nnr Baw die Voraussicht, daß die kämpfenden Parteien über kurz oder lang vermiulungsbedürftig und -fähig Weeden, begründet: nicht mit dein Zerbröckeln des deut schen Widerstandes (dessen Erfolg und Tauer dahinge stellt sein soll), sondern mit der völligen Aussichtslosig keit des französischen Unternehmet. Für Frankreich sieht Bonar Law nur zwei Möglichkeiten. Entweder der deutsche Widerstand wirb niedergezwungen: auch dann wird Frankreich mit seinem Sieg nichts anfangrn können, die verhängnisvollsten politischen Folgen des fio-,Mischen Kampfes gegen Europa würden vielmehr erst stnsetzen. Oder (nach Bonar Law der weitaus wahr scheinlichere Fall): der französische Versuch mißlingt. Wie er bis seht mißlungen ist: dann muß Frankreich eine Vc'inittlung annehmen, die seine Verantwortlichen Füh re^ hv.tts verweigern. In iedem Fall hat Frankreich eine un Milvoll« Torheit begangen, und ein vom französischen Otanopunkt schlimmes Ende ist seiner Unternehmung S»wG. i ' j !, i ! i Der Rat, den Bonar Law den kämpfenden« Staaten gibt, richtet sich daher nicht an das deutsche, sondern an das französische Volk. Len Deutschen wird höchstens nüttelbar angedeutet, daß ihr Widerstand das Endergeb nis, das England Voraussicht, herbeifühcen hilft; den Franzosen sagt der englische Ministerpräsident, daß, e.'stenA, ihr Unternehmen ebenso aussichtslos wie un- HM-voll ist. daß aber zweiten», die Pariser Regierung vermutlich nicht mehr zurück kann. Ta Bonar Law trotz, d-m. die Erwartung auSsprtcht, Frankreich: werde „in einiget! 'Monaten" soweit sein, die Hilfe des Völkerbun des anzunehmen, scheint er zwischen Frankreich und der Negierung PoincareS M unterscheiden. Er droht den V-'tisern mit der Ententeauflösung, deren Ausdruck der Abzug der Engländer aus Köln sein würde. Gr stellt fest, daß PoincareS Regierung vom Völkerbund nichts wissen will und seiner doch in absehbarer Zeit bedürfen wird Soll das bedeuten, daß nun ein anderer an Pvin- rares Stelle stehen wird, da Patneare nicht ander» wer- den kann al» er nun einmal :st? WMUWWW'.x. i — u Don äer Ruhr. Rach« an Gelsenkirchen. Für die Vorfälle, bet denen zwei französisch« Gen darmen in der Notwehr von deutschen Schutzpolizetbe- amten verwundet wurden, ist der Stadt Gelsenkirchen eine Kontribution von 100 Millionen Pa piermark auserlegt worden. Der Bekanntgabe dieser Gewaltmaßnahme ging eine zweistündige Unterredung der beiden Bürgermeister mit der Besatzungsbehörde vor aus. Tie beiden deutschen Herren wurden verhaftet, und zwar, wie man annimmt, weil sie sich in dieser Bespre chung .weigerten, dies« Kontribution anMerkennen, ge schweige etwa M bezahlen. Am TtenStag nachmittag fand daraufhin ein» außerordentlich« Stadtverordnetenver sammlung statt, in der eine scharfe Pro testen ti sch liehung gegen diesen französischen Willkürakt an genommen wurde. Zn dieser Entschließung kommt eben falls -um Ausdruck, daß eine Verpflichtung der Stadt mr Zahlung dieser Buß« nicht anerkannt werden könne, da den deutschen Schupobeamten «in« Schuld an den Vorgängen nicht beigemessen werden kann. Die Erre gung der Bevölkerung über da» Vorgehen der Fran- -osen ist ungeheuer. Räumnng. Am Tienstag nachmittag ist di« gesmnte französische Besatzung wieder au» Gelsenkirchen abgerückt, die be setzten Gebäude sind wieder geräumt. Mit Ausnahme der schon früher hier gelegenen Besatzung ist der albe Zustand wiederhergesteltt. — lieber da» Schicksal der ver haftet abgesührten volizpiLtamten ist tuuner noch.nicht da» mindest« oekannt. Stznchgericht en einem französischen Offizier. Gestern nachmittag benahm sich iM Hauptbahnhos zu Gelsenkirchen ein französischer Offizier provozierend. Gr wurde von einer Menschenmenge umringt und in die Hindenburgstratze abgedrängt. Er zog seine Pistole und richtete sie auf die Menge. Einer Streife der Schutz polizei gelang es mit vieler Müh«, an ihn heranzukom men. Er übergab den Beamten seine Pistole und bat um Schuh. ES gelang den Beamten aber nicht, ihn vor einigen Schlägen und Fußtritten zu bewähren. Er wurde schließlich nach dem Polizeipräsidium gebracht, wo ihm eiue kleine Kopfwunde von einem Arzt verbunden wur de Gegenwärtig umlagern Tausend« von Menschen das Polizeipräsidium. i Esse«. Der Bürgermeister verhaftet. Der Bürgermeister von Essen Schäfer, der seit dem Eintritt Tr. Suchers in das Retchskabinetl die Geschäfte des Oberbürgermeisters von Essen versieht, ist Mittwoch! früh 7 Uhr von den Franzosen verhaftet worden. Ter Verhaftete hat in der kommunalen Verwaltung, des Ruhrgrbiers, namentlich seil der Besetzung, eine bedeu tende Rolle gespielt. Er kannte die mit der Besetzung Miammeuhü rgenden Schwierigkeiten aus "einer früheren Tätigkeit al'- Beigeordneter von Trier. Schäfer kam vor 2Vü Jahren noch Essen- Man erlaubte dem Bürgermeister bet seiner Ver haftung nicht, einen Koffer mitzunehmen, und gestattete ihm nur noch rin Frühstück einzunehmen. Aöermaw Mißhandlung eine« Schüler«. Am Burgplatz wurde ein 15 Jahre alrqr Obersekun daner von einer französischen Wache weggesührt, wo bei ihm ein Unteroffizier den Revolver au die Schkäi« htelr. Am Eingang der Post erhielt der Schüler mit einer Reitpeitsche einen Schlag über dir Hand und wur de später in einem Zimmer vr.rch Fuß ritte und Schläge mit der Reitpeitsche Über den Kopf mißhandelt. Ein Offizier der Schupr erreicht« schließlich die Freilassung deS Sekundaners. Der Rmolver al» Zahlung»mitt«I l Dienstag nachmittag gegen 5 Uhr erschienen, im Ge schäftshaus der Continental-Hannover in Essen drei französische Offiziere und mehrere Soldaten und ver langten Pneumatiks. Auf die Frage narb der Bezahlung zeigte einer der Offizier« auf seine Pistole. Die beiden Geschäftsführer wurden verhaftet. Einer der Verhaf teten wurde vor seiner Abführung.schwer mißhandelt. Sie stehlen da« Mittagessen. In Essen wurde zum ersten Mal der Bohkottbeschluß der Hotelbesitzer und Händler gegen die BesatzungStrup- pen durchgeführt. Französische Offiziere drangen dar- aus in das größte Essener Hotel, den „Handelshos", ein, trieben die dort ihr Mittagsmahl einnehmenden (deutschen Gäst? und auch das Persoiml- da« dis Be dienung der FEissen verweigert hatte, mit Revolver?, und Reitpeitschen auf die Straße. Tort mißhandelten französische Truppen die Deutschen mit Gewehrkolben und.Fußtritten. . > Zerstörung -er Telephonleitungen in Wochen. Tie Belgier sind dabei, sämtlich« oberirdischen Tcle- phonlettungen zu zerschneiden, so daß Aachen vollstän dig abgrschnitten ist. Die Verbindungen mit Düsseldorf und Holland, sowie die zwischen Köln und Düsseldorf sind gesperrt. Sturm auf dl« Post zu H«rb«d«. La- Postamt in Herbede ist Dienstag mittqz von vier Offizieren und etwa 24 Mann umstellt worden. Tie Offiziere drohten Straf maßnähmen an, wenn nicht geöffnet werde. Schließlich gingen die Soldaten vor. Ein Offizier schlug eine Fensterscheibe ein, ließ die schwerbewaffnet« Mannschaft ehndringen und tvtvb das Personal au» den Räumen. , Deutsch« »l, s«is«l auf Kohlenzügen. Auf dem im Ruhrgebiet verkehrenden Zügen, die, wie .Zntranfigeam" zu berichten weiß, in Zukunft nur noch von französischen oder belgischen Eisenbahnern ge lebter werden, sollen neben den Lokomotivführern regel mäßig ein Deutscher al» Geisel Platz nehmen, um da mit den Gefahren der deutschen Sabotageakte zu be gegnen. ! ' Spstemwechfei. Die Pariser Mittwochsblätter stellen sich auf Pen Standpunkt, daß «in energischer«» Borgehe» im Ruhr gebiet dringend erforderlich sei, und verlang«» do«, ap lem energische Maß: ahmen gegen di» Großindustrie de» Ruhrgebietes. Ter widerstand der Ruhrindustrie könne nur dann mit Eris a "kämpft werden, wenn man fte btt zur vollständigen La'hntlegung zwingt. Man will deshalb neben dem bereit- bestehenden Ausfuhr verbot jetzt auch Vie Einfuhr von Eisenerzen und an- deren Rohmaterialien in da» Ruhrgebiet untersagen und damit der Industrie di« Arbettsmögltchkeit vollständig nehmen. Ta die Muhrindustrlellen e» ablehnen, mit den Franzosen zu arbeiten, müßten ihre Hochöfen ge löscht und sie so lange bedrückt werden, bis sie Gnad« erbäten. welkere Sefetzungspläne. Nach dem „Echo de Paris"' soll die französische Re- gierung zur Vereinfachung der Zoll- und Transport« kontrolle die Ausdehnung der Besetzung auf die. zwischen den drei Brückenköpfen von Mainz, Koblenz und Köln liegenden Gebietsstreisen beabsichtigen. Eine'alt« Geschichte. Tie Aeußerungen de» ..Petit Parisien" über di« Ziele, die Frankreich und Belgien jetzt verfolgen, laufen auf die Ankündigung hinaus, daß nunmehr der PlaM eines sogenannten selbständigen Rheinländer, d. h. der verschleierten Annexion, m das Studium der Verwirklichung eintrelen soll. Man habe, so schreibt das Blaut, da» gesamt Rhein land, sowohl da» links- wie das rechtsrheinische, Mit einem französisch-belgischen Zollpvswn'wrdon umyeb-n. Innerhalb dieser Zolltvie nehme man den Eisenbahn betrieb selbst in dl« Hand. Sämtliche deutschen Eisen bahner werden entlasten, di» sich mit dieser Beschlag nahme nicht äbfinden. Man 'habe di« Abfuhr von Koh len nach, dem übrigen Deutschland verboten. Man iofss« die Fabrikate des RuhrgeblereS, dnr für das Ausland be stimmt seien, nur durch, nachdem Man Li« AuSfuhrab* gäbe erhoben Habs, und Man werde Lew iss-, -gx dajs nicht besetzte Teutschland bestimmte Waren nur auf Grund von Arisfuhrbewllligungen herauslassen, für Vis ein« MMtze entrichtet werden müsse. Die 'LoM.de» System». führ« unvermeidlich zur Schaffung einer rheinischen Wäh- ruuy, einer rheinischen Polizei, einet rheinisch«» Verwaltung, deren Atitqlteder aus dem Rheinlands selbst.stammten. Ein selbständiger Ahern staut mk zehn Mllionen Einwohnern würde sicher den Wün schen der Bevölkerung besser entsprechen al» di» Ab« hängigkeit von dem protestantischen Preußen. 90 v- H. der wegen ihrer Pflichterfüllung auSkw» wiesenen Beamten sind im Rheinland geboten. Die so« genannte selbständige Rheinrepublik würde duld die Er fahrung machen, daß diejenigen Beamten, vis sich ein fallen keßen, irgendwie selbständig Vorwochen, nicht anders behandelt würden als ihre Vorgänge. Mr Ver such die rheinische Bevölkerung gegen das „protestan tische" Preußen aufzubringen, ist Mn so lächerlicher, al ber rheinische Klerus im Kamps für daö Deutschtum de» Rlst'inlandes führend vorangeht. Ein sranMscher Sozialist über Zrankrelchs Sieg an öev Nuhr. Ter Führer der gemäßigten Sozialisten Abg. Leon Blum ziteht tm „Poputaire" 'folgende Bilanz der bttz» herigen Ergebnisse der Besetzung de» Ruhrseüieteör Wir schicken ständig neue Truppen und Tausends von Eisenbahnern, was un» jeden Tag «ine kleine Erneue rung unserer Lisenbahntrunspyrlkrists bringen kann und Hunderte von Zollbeamten, was, wie ich beweisen könnt«, eine richtige Erhebung der Zollabgaben in unseren etge» nen Zollagern und Häsen gefährdet, nach dem,Ruhr>ge- biet fori. Alle Tage wachsen unsere direkten "Und in direkten Ausgaben für da» Abenteuer, Wir waren in» Ruhrgebiet eingerllckt, uM Kohlen und Kok» zu holen, ein Grund für die einen, «in Vorwand für die andere», und ich mutz es noch einmal wiederholen: Ta» Ruhr«' gebiet, das un» vor d:r Besetzung mvnatlich «ine Mil«, liyn Tonnen lieferte, liefert un» nicht mehr, seit wM dort die Herren sind. Wir sind gezwungen, BestelluNÄ gen in England zu nmchen und mit unseren KoiftPtUftst bis nach der Tschechoslowakei zu gehen. Wen« <tz M fällig unserer Armee tm Ruhrgebiet geling!' »i«« imO seligen Zug zttsaimnenzustelleim oder einen Kahn HU M laden, wird da» au'gemacht wt« »in historisch»» EreignG. Auch daß die offiziellen »ft M «kw n M M Sieg pochen. Niemand will» vtchH WW Dtz woltt« »U mand wisse mehr, wohin'« tr-idt. Auf tzt» SrM MU ländischer Genoss««, ob di» Fr-lMm in» UtzhlWßM einmarschiertsn, um bleiben, darauf köm nicht» mehr « bei der Press» Männer undi einem AugßM