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Anzeiger für das Erzgebirge Mer Tageblatt -t-MZ Anzeiger für Sas Erzgebirge --ZZZ- Mbs! ^„ssea.»tsprechen»,« «a»,tt. 7-MiinMiiiUttMi Z«W^A^e. Enihalteod -I» amtlichen Sekanntmachllngen -e, Nate» -er Gta-t «nö -es Mmtsgerlchtr Zoe. p»gsch.«.n»nio, Nm« r»tpr>s Nr. re». Nr. LS» Freitag, äen 2. November 1S22 17. Jahrgang Sachs««» Schlcksalstag. Rn da« großen -ftlttiMnr Geschehen gemessen, in dessen WttteWU« wie «tt all unserem nattonalen Mot Mch »nserear vktschaftlichen Glend stehen, erscheint «in» Landtagewahl Mlüchst al» «in politisches Ereig nis von Mer nntergtzoadnet« Bedeutung. An aufrich tig« »nd nachhaltig« versuchen, unserem Volke in seinen schweren antzen- nnd innenpolitischen Vorgen die Unruh« >»nd «uf«g»ng einer Landtag-Wahl zu ersparen, hat es nicht gefehlt. Mach dem aber auf «eiten der So- zialdemokrati« da» vestreLen „den Staatsapparat in die Hand z» nehmen wnd damit eine Einheitsfront gegen da» Bürgertnm zu konstruieren" sich Aber die elemen- tarsten verfchswngomLtztgen Rücksichten und Über die Grundgsbote demokratischer Staatsauffassung dauernd hinweg setzte, blieb kein anderer Weg als der Appell an das Volk. So ist di«. Wahl des 5. November für Sach sen ein Volksentscheid von schicksalsschwerer Verant wortung. Der wahre Volk-Wille kann an diesem Tage wvr dann rum Ausdruck kommen, wenn sich jeder ein- »elne Wühler dieser Bedeutung der Wühl und seiner eigenen Pflicht bewußt ist. Mit dem Stimmzettel in der Hand bestimmt jeder Wühler nicht nur die Partei, durch.di« er im Landtag Vertreten sein will, sondern er wühlt gleich-eitig die Regierung des Landes und greift darüber hinaus in den Gang der Reichspolitik Und in die Entscheidung der großen Politischen Ideen- und Machtkümpfe «in, di« Unser Volk bewegen. Sachsen ge hört M den politischen und wirtschaftlichen Mittelpunk ten des Reich«». Welche Regierung dieses Land hat, welch« Vertreter dies« Regierung in d«r Reichsrat ent sendet, ist für die politisch« Struktur des Reiches und für di« Beurteilung unserer innerpolitischen Zustände durch di« Welt durchaus nicht ohne Bedeutung. In erster Linie wird sich das Ergebnis der Wähl natürlich im Staat« Sachs« selbst auswirken. Die Zustünde, wie sie sich in Sachsen in Parla ment und Regierung zuletzt herausgebUdet hatten, wa ren de» Lande» und de» Volkes unwürdig. Eine schmerz lichere Illustration konnte «S gavnicht geben, als die. letzte Sitzung de» ^verflossenen Landtage», in der die Kommunist«, auf die sich die sozialistische Regierung solang« al» vertrauenbegründenden Rtehrheitsfaktor gl«bt« stütz« zu dürfen, den Sozialdemokraten als Ab- schwdSgrUß «ries«: „Eure ganze Traktion stinkt nach Alkohol". Gewiß hat sich auch .mancher sozialistischer Minister in diesem Augenblick die Frage vorgelegt, ob e» notwendig Var, di« sächsisch« Regierung in einer solchen AbfchiedSgesellschaft zu sehen. Wer den msnsch- lichachtenswerten Eharakter und die politischen Quali tät«» einzelner sozialistischer Minister kannte, dem tat «» schon lang« in der Seele weh, daß es die Regierung nicht fertig brachte, tM au!» eigener Kraft von dieser Würdelos«» Umklammerung zu befreien. Einzelne der fähigsten und charaktervollsten .sozialistischen Minister zogen während diese» verfassungswidrigen Tauerzustan de» für ihr« Person di« Konsequenzen und schieden aus, ad«» di« sozialistischen Parteien de» Landtages beugten sich «ach wie vor unter da» Joch, einer sich außerhalb der Verfassung stellenden Partei, !um ihre Macht im «inseitige« sozialistischen Interesse gUszunutzen. Wird die nicht «sozialistisch« Wählerschaft Sachsens am Ü- November den Beweis erbringen^ daß sie Wesen und Z1«!l de» demokratischen BolksstaateS erfaßt hat? Lei d« letzt« Wahl ist sie dies« Beweis schuldig ge- Lltrben. Da» Abrücken «ine» großen Teiles der Wäh lerschaft von den politischen Strömungen der Mitte, der sogenannte Ruck nach «echt» hat damals den Weg zur sozialistisch« Alleinherrschaft frei gemacht- Die. Schwä chung diese» politischen Strömung enthob die Sozial demokratie der Notwendigkeit, in Regierung und Gesetz gebung mit der deutschen Demokratie al» unentbehrli chem Yaktor ßst rechnen. „Wenn wir die Wahl haben, so ziehen Wir da» Bündnis mit ganz links vor", diesen Grundsatz der Sozialdemokratie gegenüber gilt es dafür zu sorg«, daß ihr dies« Wahl nicht bleibt, sondern daß die parlamentarischen MehtyeitsverHältntsse durch Stär- kung de» demokratischen Bestandteil« de» Landtages den gegenteiligen Zwang ßur Anlehnung an die deutsche De- moidatw dringen. Dies« Ding« liegen so.klar und ein fach der Hand, daß sw eigentlich da» schlichteste Politisch« Erkenntnisvermögen erfassen müßte. Zwei Moment« machen d» dieser Erkenntnis schwor, sich durch? zuringen zur defrewnden politischen Lat. Der dewkfch« Wühler ist noch immer geneigt, .die politisch« Notwendigkeiten stimmung-müßig zu erfassen und nicht Mit kühler, nüchterner Vernunft. Hier liegt dw «in« ljdoße Gefahrenquelle Mr di« Wahl de» S. Mo- vemdrr., Dw au sich berechtigte Verärgerung über di« unbästchtdiüendr» Zustände im sächsischen Staatsbetrieb droh» Mn A«U ß«, Wählerschaft aus dw extremen YW- dw dan heutigen Staat üu Marlen dadch, nicht, daß sw durch diese Ttaatsvernelnung sich, und die an deren der Mögltchwit berauben, diesen Staat, der doch nun einmal da ist, in seinem Aufbau PU einem für das ganze Volk wohnlichen Gebäude zu machen. Gin ande re» kommt hinzu, lieber das deutsche Völk ist seit dem lunglücklichen Ausgange des Kriege» so viel Schwere» heretngebrochen, und gerade dw letzten Wochen haben eine so ungeheure Verstärkung des auf uns lastenden Druckes gebracht, daß viele mit fatalistischem Gleichmut dw Tinge als unabänderlich Hinnehmen, daß sie sich um politische Vorgänge überhaupt nicht mehr kümmern. „Mir ist alles gleichgültig, es gibt ja doch keinen Aus weg aus unserem Elend", das 'ist bet vielen die v«r- hängnisvolle Grundstimmung. Ihnen allen soll man mit Thomas Carlyle zurufen: „Hilf mit! Gewiß die Zeit ist schlecht. Ter Mensch ist da, sie besser zu machen!" In Sachsen kann weder eine einseitige Rochtsregie- rung noch eine sozialistische Alleinherrschaft das Ziel der staatlichen Entwicklung sein., Tie breiten Schichten des Volkes werden sich dem Staate nur dann verbunden und sich zur Mitarbeit am Staatswohl innerlich und dann verpflichtet fühlen, wenn zwischen den Strömun gen von Hechts und von links eine tragfähige Brücke ge schlagen Wird, aüf der Regierung Utrd Parlament ihre ausgleichende, versöhnende, aufbauende Arbeit beginnen werden. Tie Möglichkeit hierzu ist am 5. November allein gegeben durch eine Stärkung der demokratischen Mitte. Nur die Mitte allein kann das Kernstück einer gesunden staatlichen Entwicklung bilden. Keine Vernei nung und kein Betseitestehen, sondern bloß befreiende und aufbauende Tat kann die Schicksalsfrage, die das sächsische 'Volk am '3. November durch, sich selbst zu ent scheiden hat, läsen, die Frage: soll Sachsen sozialistischer Staad oder demokratischer Wolksstaat werden? ' Ansprache cle; fteichrirsnrler; an Sie Internalionalen 5achverst8nügen. Ter Reichskanzler empfing gestern vormittag Pie internationalen Sachverständigen, die inzwischen voll- zählig-in Berlin eingetroffen sind. Es waren erschie nen die Herren Vissering, Cassel, Brand, Keynes, Du bois und Jenks. Ter Reichskanzler begrüßte die Her ren mit einer Ansprache, in der er nach einleitenden Begrüßungsworten ausführte: Die Tatsache, daß alle Herren, an die wir eine Einladung richteten, zugesagt und bereitwillig ihre Dienste zur Verfügung gestellt haben, bestätigt uns, wie groß das Interesse an dieser Frage auch im Ausland ist, und daß die Fratze der .Sta bilisierung der Währungen nicht nur eine spezielle An gelegenheit der von einem Währungsverfall betroffenen Länder, sondern eins gesamteuropäische Ange legenheit, ja sogar eine Angelegenheit der Welt wirtschaft ist. TW Möglichkeit, die Mark zu stabili sieren ist natürlich auch, bei uns hier in Deutschland von dazu berufenen Persönlichkeiten und Ministerien feit langem auf das eingehendste geprüft worden. Tw eine Meinung' über dies Problem ist die, daß «in Ver such der Stabilisierung der Mark verfrüht ist und kei nen dauernden Erfolg gewährleistet, solange nicht zwei Voraussetzungen erfüllt sind oder ihre Erfüllung wenigstens in Nähe Aussicht gerückt ist, .nämlich, sNa- läncierung des Budgets und Balancierung der Zahlungsbilanz. Unglücklicherweise , hängt aber die Erfüllung dieser, beiden Voraussetzungen zu einem sehr großen Teil von der, Stabilisierung der Mark selbst ab. ' , - So gehen 'dw Ursachen und Folgeerscheinungen in einander über, und diese Situation führt die ander« Meinung zu 'der Forderung, diesen circulus vitiosus zu durchhauen Und die Mark zunächst einmal auf irgend eine ,Basis festzulegen. Irr dieser ungeklärten Situa tion hat die Neichsregwrung das Bedürfnis gehabt, zu hören, Ww man dieses Problem vom Auslande aus an- sieht u.nd hat aus diesem Bedürfnis heraus an dw Sachverständigen dw Einladung gerichtet. Tw Konferenz 'von Genua und hier besonder» das Sachverständigenkomitee hat sich mit dieser Frage schon eingehend beschäftigt und. ein Gutachten hierüber er stattet, au» dem nur ein Satz in dw Erinnerung zurück gerufen werden soll. Ta» Sachverständigenkomits« hat damals in seinem Gutachten gesagt: Wenn die äußere Schuldenlast eines Landes seine Zahlungsfä higkeit übersteigt, und wenn dw» Land nicht durch äußere Anleihen Hilfe erhalten kann, so müssen die An- strengungen, diese Verpflichtungen zu erfüllen, not wendig zur Folge haben, daß einmal dw Betrieb« in den anderen Ländern gestört werden, und daß weiter di« fortgesetzte Entwertung der Währung de» Schuldner lande» eintvitt, die da» Schuldnerland vollständig hin dert, irgeckd einen Anlauf in der Richtung der Stabt- lilsierung fein« Währung zu nehmet. Jetzt handelt es sich, dapum, und da- ist dw Bitt«, dw an ^ie Sachverständigen gerichtet wird, diese Frage besonders im Hinblick auf dw deutsche Währung zu prüsen und uns ein Gutachten darüber äbzugehen: 1. ist Unter den gegenwärtigen Umständen die Stabilisierung der Mark möglich? - ' 2. wenn nein, welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, Um dfe Stabilisierung S» ermög lichen ? ' .v 3. welche Maßnahmen müssen zur Stabilisierung getroffen werden, sobald ihre Voraussetzungen vor liegen? Tas find die Fragen, dw dw Reichsregwrung be antwortet haben möchte. Die Sachverständigen haben völlige Freiheit, ihre Arbeiten und Beratungen ganz nach ihrem eigenen Ermessen, einzuleiten und durchzu führen. ' ! / ' ! ' Der Dollar 5500. Die Entwertung der Reichsmark ist am gestrigen Donnerstag weiter sprunghaft fortgeschritten. Nachdem der Dollar sich längere Zeit auf dem Stande, der zwi schen 4300 stnd 4500 pendelte, gehalten hatte, schnellte er gestern 'in den Vormittagsstunden plötzlich auf ,4800 empor Und wurde bei der amtlichen Kursfestsetzung mit 4985 notiert. Im Verlaufe des Nachmittags setzte sich die Steigerung weiter sprunghaft fort und erreichte in den Abendstunden mit 5500 ihren bisherigen Höchst stand. Anlaß hierzu sollen zum Teil die gestern ver öffentlichten Ausführungen des Retchsbankvräsidenten Havenstein, sowie Gerüchte über die recht wenig entge genkommende Haltung der jetzt in Berlin versammelten Delegierten der Reparationskommission gegeben haben, wodurch namentlich der Markkurs in Neuhork erneut einem'scharfen Truck unterlag. Dort notierte am letz ten Mittwoch die Reichsmark 2 drei Achtel Cent» und gestern, Donnerstag, 1 fünfzehn Sechzehntel Cents. Ersterer Kurs ergibt einen Tollarstand von 4210 Und letzterer einen solchen von 5170. Bei dem gegenwär tigen Tiefstand der Mark genügt ein Rückgang von dem Bruchteil eines Cents, den TollarkurS in Berlin um Hunderte pon Mark in die Höhe schnellen zu lassem Dom Ctat äer Reichspost. Zur Vorlage, betreffend eine neue Erhöhung der Post-. Fernsprech- und Telegraphengeöühren erklärte als Berichterstatter braunschweigischer Gesandter Boden gestern im Rrichsrat: Trotz aller Erhöhung der Ge bühren sehe sich die Postverwaltung wieder einem De fizit von 60 Milliarden infolge Erhöhung der Gehäl ter und Steigerung der sachlichen Ausgaben gegenüber. Er sagte, eine Sanierung könne bei der Reichspost nur herbeigeführt werden, durch eine Verminderung .der Personalausgaben. Neichspostminister Giesberts Wies darauf hin, daß die gestrigen Beschlüsse wegen Erhö- hung der Beamtengehälker wieder katastrophal auf die Verkehrsverwaltungen wirkten. Die Sache wird so kom men, sagte er, daß wir für das laufende Jahr ein De fizit von 50 Milliarden und für das nächste Jahr pon 120—150 Milliarden haben werden. Errechnen, läßt sich heute überhaupt nichts mehr, Im Fernfprechver-- kehr liegen heute mehr Anmeldungen als Abmeldungen vor. Ter Briefverkehr geht dagegen ganz enorm zu rück und nach dieser Erhöhung wird er noch mehr zu rückgehen. Ter Minister ersuchte die Vertreter der ein zelnen Länder, schon jetzt ihre Regierungen auf.wesent lich .weitere Erhöhungen vorzubereiten. Die finanziel len Einrichtungen, insbesondere die Versicherungsorga- nisationen, ebenso die Behörden, werden ungeheuer be lastet und es werden gewisse Kulturinteressen und Men- schenkreise getroffen, die ohnehin «inen schweren Kampf umS Dasein führen. Darum werden wir überlegen müs sen, o.b künftig die Forderungen der rein wirtschaftli chen Balancierung des Staates asufrecht zu erhalten sind oder nicht. Die Vorlage wurde unverändert angenom men, ebenso ein Gesetzentwurf, der das Gesetz zur Be kämpfung der Kapitalsflucht teilweise verschärft, teil weise mildert. Tie Verschärfungen entsprechen Forde rungen der ReparatipnAkommission. Die persönliche Mitnahme von Geld ins Ausland wurds auf den Betrag, von 200 000 Marr erhöht. * »oHtks l e Einigung über die Veamtenbesoldung. Die am 1. Novem ber im Reichsfinanzminlsterium mit den Vertretern der Spitzenorganisattoncn über BemntcnbesoldungSfragen geführten Verhandlungen haben ihren Abschluß gefunden. Die Regie rungsvorlage wird nach Zustimmung des ReichSßabinetts sofort dem RetchSrat und Hem Reichstag vorgelegt werden. «in neuer «rieg-beschuldigten-Prozeß. Die Liste der „Kriegsverbrecher" glaubte man bereit» in Vergessenheit ge raten, umsomebr als die französische Regierung erklärt hatte, sie verzichte aus weitere Verhandlungen vor dem Reichsgericht.