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Rr. 6. Zweiter Jahrgang. Dienstag, 8. Januar 1997 »dlenlle - gbiM»Niil luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Fritz R ruh old. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide iu Aue. init der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sorrntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von 4—5 Uhr. — Tclegramm-Adreffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandtc Mamiskriplc kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gcbrüd er Beuthn er «Inh.: Paul Leulhner) ilt Aue. L r'zngspreis. Durch unsere Boten frei ins Kans monatlich so Pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 90 psg. und Ivächcnilich IU pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t-bo Ulk. — Durch h.n Briefträger frei ins tfaus vierteljährlich 1.92 Ulk. — Einzelne Nummer <o psg — Deutscher ssostzeitnngs- katalog — Erscheint täglich iu den Miltaasftuuden. mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. 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'' Ein h 0 her serbi s ch er Funktionär ist in der Stadt B 0 rdihera cingetr 0 js e n, wo er eure Villa gemietet dal, welche die serbische Königssamilie anfnch- m c n soll. Man bringt diese Nachricht mit Abdankungs gerücht en des Königs Peter in Zusammenhang. Ter A clna beginnt seine vulkanische Tätigkeit wieder. ' Mehrere spanische Blätter bringen die bestimmte Nachricht, das, Naisuli von lenlen des Stammes Nadrast verhaftet worden ist. * *) Näheres siche unten. Liberalismus rmd Regierung. 4- Das Liebeswerben der Reichsrcgierung um die Kunst des Liberalismus in allen seinen Schattierungen hat gerade in dessen Reihen einige Verwunderung, ja sogar einiges Mißtra u c n wachgcrusen. Denn man hat es nicht vergessen, daß Fürst Bülow bis vor kurzer Zeit vom Liberalismus gar nicht viel hielt, und es gibt Leute, die den Nachfolgern Eugen Richters nach der letzten sreundlichen Kundgebung des Kanzlers wenig Kredit mehr cnt- gcgegenbringen. Ist der Liberalismus etwa regierungsfähig ge worden? sriigt man sich. Nun, das mühte nicht unbedingt nötig sein, es könnte ja auch die Rcichsregierung plötzlich liberal ge worden sein. Das halten wir freilich für ausgeschlossen. Wer den Werde gang des Fürsten Bülow miterlebt hat, wer seinen Spuren ge- solgt ist, der weih zur Genüge, daß bei dem vierten deutschen Kanzler von Liberalismus auch nicht die Spur vorhanden ist. Mag der Fürst sich als fortschrittlich gesinnter Mensch noch so liberal und srcidenkcnd gerieren, er ist und bleibt konser- vativ bis in die Knochen. Seine Politik desgleichen. Freilich ist sein Kabinett nicht aus lauter Reaktionären gebildet, und Gras Posadowsky, unser wackerer Sozialpolitiker mit dem war- Kalenver und Almanache. Bon Dr. M. Koerst. (Nachdruck verboten.) Unter einem Kalender versteht man schlecht weg ein nach Wochen und Monaten geordnetes Verzeichnis der Tage eines Fahres; auch die Feste, die Mondphasen, der Auf- und Nieder gang der Sonne und sonstige astronomische Ereignisse müssen in diesem Verzeichnis enthalten sein. In der einen oder anderen Form hat man schon seit jeher alle diese Dinge ausgezeichnet und der Kalender ist daher ein uraltes zeitliches Orientierungsmittel Mit der wechselnden Kultur der europäischen Völker machte sich auch ein Bestrebe« kund, den Kalender iu populäre Formen zu fassen und so entwickelte sich eine reichhaltige Kalenderlitcra- tur. Sie gehört zu den interessantesten kulturgeschichtlichen Do kumenten der Menschheit. Der Kalender tritt zuerst als schlichte Holztasel in unseren Gesichtskreis. Er bringt nichts weiter als Daten, Zahlen und einige astronomische Zeichen. Dann üben Kalender und Alma nach eine gewisse Wechselwirkung aus einander aus, die für beide Teile nach und nach recht ersprießlich wirkt. Die Ausbreitung der Buchdruckerkunst ebnet auch dem Kalender den Weg in die breite Masse des Volkes, dessen Bildung noch Jahrhunderte hin durch nicht so weit reicht, daß es lesen kann. Eine Art Hiero- glyphenschrist — feststehende astronomische und asterologischc Zei chen — macht den Dolmetscher. Sic sind es auch, an denen sich die ersten Wetterreime bilden. Als Krystallisations- punkte sind hierfür besonders die kirchlichen Feste und Fasten zu betrachten. Die Almanache, die in ihrer heutigen Form wohl nur noch eine rein belletristische Bedeutung haben, sind eine Er findung arabisch-orientalischer Kultur. Sie waren ursprünglich nur astronomisch-astrologische Tafeln. In der Mitte des 15 Jahrhunderts bürgerten sie sich auch im Occident ein. 1-160 cr- men Herzen für die arbeitenden Klassen ist einer der Fremd körper in diesem Kabinett. Er ist mit der Vertretung des Reichskanzlers betraut in allen Fragen, die aus die innere Politik Bezug habe», aber assimiliert hat er sich dem Fürsten keineswegs. Auch andere Herren wären noch zu nennen, die nicht so konservativ denken, wie der Kanzler mit seinen an geblichen zwei Seelen, die aber beide Zwillingsgeschwister sein müssen. Aber es ist nur ein scheinbar liberaler Einschlag, den die anderen Herrschaften in das Gewebe der Reichspolitik brin gen; der Untergrund ist agrar-konservativ seit der Kanzlerschaft des Fürsten. Die Zollpolitik des Fürsten Bülow hat auch dem cin- gcsleischtesten Optimisten mit eminenter Deutlichkeit gezeigt, daß am Kanzler nichts liberales ist. Zwischen Bülow und Barth — welch ein Unterschied! Nun hat der Fürst aber gerade in seinem vielbesprochenen Schreiben an den Generalleutnant v. Liebert ganz besonders betont, daß von einer Aendcrung im zollpoliti schen und wirtschaftspolitischen Kurs überhaupt nicht die Rede sein kann, solange e r am Ruder ist. Also, die Politik, die uns eine so respektable Teuerung gebracht hat, wird bcibehal- ten, und der Liberalismus soll den Kanzler brav darin unter stützen — ist das sür das cntgcgcngebrachte Wohlwollen nicht ein wenig viel verlangt'? Der Liberalismus hat sich beim Kanzler einen Stein ins Brett gesetzt dadurch, daß er in der letzten Abstimmung des ver stossenen Reichstags sür die Regierungsvorlage war, und die sreisiunige Volkspartei hat ja sogar einen Vermittelungs antrag eingebracht, dessen Annahme der Regierung akzeptabel erschienen war. Das hat den Kanzler von der Partei, deren einstiger Führer einst auch sein schärsstcr Gegner in Sachen der Kolonialpolitik war, am meisten gefreut, und darum sagt er dem Liberalismus im allgemeinen Komplimente und einige Schmei cheleien. Besonders ernst sind diese schönen Worte nicht zu nehmen, denn Versprechungen stecken ganz gewiß nicht da hinter. Nun hat die Wiener Presse, die ja zum großen Teil liberal ist, wenn auch im österreichischen und nicht im rcichsdeutschen Sinn, den Worten des Kanzlers eine ganz merkwürdige Bedeu tung gegeben. Man glaubt in der Kaiscrstadt an der Donau nämlich, der deutsche Reichskanzler wäre auch in Sachen der Inneren Politik ein ausgesucht seiner Diplomat, und impu- ticrt ihm, er wolle durch sein Verhalten gegenüber dem Liberalis mus diesen nur von einer eventuellen Verbindung mit der So zialdemokratie zurückhalten und ins Schlepptau der agrarisch reaktionären Parteien bringen. Das ist eine sehr merkwürdige Auffassung, und wenn unser Vertrauen in die Politik des Fürsten Bülow schon nicht besonders groß ist, soweit es sich um die Be friedigung der Interessen der Nicht-Grundbesitzer handelt, so hal ten wir Bülow, den M ann , doch sür keinen politischen Intri ganten dieser Art. Wir trauen ihm eine solche Diplomatie wider Treu und Glauben nicht zu. Und außerdem ist doch bei uns keine Gefahr vorhanden, daß der deutsche Liberalismus mit der Sozialdemokratie ginge. Herr Theodor Barth vielleicht in gewissen Dingen, aber sonst doch wohl niemand. Nein, so schlimm ist unser Kanzler nicht! Was er wollte, das war vielleicht: die Herrschaften vom linken Libera- schien ein pro annis pluribus betitelter Almanach in Wien, der Georg Purbach zum Verfasser hatte. Der nächste bedeutende Al manach, der in deutscher und lateinischer Sprache abgesaßt war, erschien 11 Jahre später. Er war im Austrage des Königs Mathias Corvinns von Johann Regimontanus herausgcgeben worden. Die ersten regelmäßig, wenn auch nicht jährlich erscheinenden Almanache, entstanden 1-191; sie kamen in Wien bei dem Buchdrucker Engel heraus; später (155-1) erschienen auch welche bei Stöslcr in Tübingen. Die astronomisch-astrologischen Notizen blieben nun nicht mehr oie Hauptsache und im 17. Jahr hundert finden wir auch bereits schon Beiträge unterhaltender Art. Frankreich machte hierin den Vorstoß. Die Märkte, die Messen, die Posttarise, die Kirchen- und die Hosscste ujw. finden in den Almanachen Ausnahme. Mit dem beginnenden 18. Jahr hundert machten auch Deutschland, Holland und England diese Mode mit. Und allmählich, mit dem Fortschritt der allge meinen Volksbildung, nahm der Almanach, der bis dahin nur eine Lektüre für Adlige und Gelehrte gewesen war, eine volks tümliche Gestalt an. Erzählungen, Anekdoten und Gedichte füll ten die Spalten der Almanachbläter: der Preis des Kalenders sank und der Almanach wurde die beliebteste Lektüre der breiten Masse der Bevölkerung, besonders aber der ländlichen, bei der er heute noch in hohen Ehren steht. Erwähnt muß hier noch der französische Revolutionskalender werden, dessen Monate und Feste hier kurz genannt sein mögen. Die zwölf Monate hießen: Vendemiaire, Bruaire, Frimaire, Nivose, Plu- viofe, Veittose, Germinal, Floreal, Prairial, Messidor, Ther midor, Fructidor; sie rrsprachen unseren zwölf Monaten vom 22. September an gerechnet. Die Feste des französischen Revolutions kalenders waren: iestd de In veriu (17. September), ftete d.i xönie (18. September), bete du Icav.iil <19. September), I'öte de l'opinion (20. September), bete des recompenses (21. Sep tember) und f^-te de la Involution (2'2. September). lismus sich ein wenig durch schmeichelhafte Worte verbinden, da mit sie wacker bei der kommenden Wahl die nationalen Kandi daten unterstützen, auch wenn diese nicht zufällig liberal sein sollten. Daß der Kanzler mit dem Liberalismus wirklich einmal regieren wollte, das glaubt bei uns kein Mensch, und der Liberalismus würde sich auch nicht so leichten Kaufs, d. h. um der schönen Augen des Fürsten Bülow willen verhandeln lassen. Da liegt also keine Gefahr. Immerhin aber muß, wenn der Reichstag wieder zusammen getreten ist, einige Vorsicht von den Liberalen der Regierung gegenüber geübt werden, besonders, wenn es sich um Fragen der inneren Politik handelt. Man bringt dem Fürsten Bülow hier immer einiges Mißtrauen entgegen, und wer weiß, welche Absichten bei der reaktionären Rechten bestehen? Der Kanzler aber steht den Leuten recht nahe. Jedenfalls ist große Vorsicht geboten! Politische Tagesschau. Aue, 8. Januar 1907. Der konservative Wahlaufruf wird iu euier Zuschrift aus konservativen Kreisen an die Schles. Ztg. schars kritisiert. Darin wird znnächst bemängelt, daß der Wahlaufruf nur solche Männer zu wählen empfiehlt, die ent schlossen sind, die Förderung jeder ehrlichen Arbeit im Lande, insbesondere die Interessen der Landwirtschaft, des Handwerks, des gesamten Mittelstandes hochznhalten und eine Steuer- und Handelspolitik zu fördern, die dem Rechnung trägt, und dann ausgcsührt: Gerade von konservativer Seite muß es offen heraus gesagt werden, daß mit diesem Programm allen den konserva tiven Mannern ins Gesicht geschlagen wird, die nicht der Land- ivirischast, dem Handwerk oder dem Mittelstände angehöreu. Auch die Industricllc n und die Kaufleute, um nur diese beiden Berufsklassen zu nennen, liefern ehrliche Arbeit im Laude; sollen sie aus einer Partei ausgeschlossen werden, die ihre Interessen nicht als gleichberechtigt mit denen der anderen selbständigen Erwerbssiändc anerkennt ? Eine Partei, die iu einem so ern st e n A n genbli ck wie dem gegenwärtigen n u r Sorge s ü r begrenzte S lan de s i n t c r e s s en cmpsindet, die sich nicht zu einem über dem Kampfe der wirtschaftlichen Tagessragen stehenden 'objek tiven Standpunkte aufznschwiugen vermag, läuft Gefahr, zur re i n c n I n t e r e s s e n p a r t c i heiabzusinkcu. Diese Gefahr läuft sie nicht mehr; ne ist s ch 0 n läng st dazu hcrabgcsunkeu! Jahrhundertfeiern in Pommern. In Pommern rastet mau sich zu Gedenkfeiern. In R 0 l - berg soll eine großartige Feier in den ersten Jnlitage» siattsiu- dcn zur Erinnerung an die Aushebung der Belagerung durch die Franzosen. Dank dem heldenmütigen Widerstand der tapferen Kolbcrgcr und ihrer Führer Nettelbeck und Gneisenau, mußten bekanntlich die Franzosen unverrichteter Sache vor den Wällen und Manern der Stadt umkehren. Es wurde u. a. be- Auch die außereuropäischen Völker hatten und haben ihre Almanache. Der Kalender der Juden und der Muhamedaner ist bekannt. Beide rechnen nach Mondjahren und schalten ge legentlich einen Monat ein. Ueberhaupt besitzen die meisten Völker Asiens einen ganz eigenartigen Kalender. Aus Einzel heiten sich jedoch zu verbreiten, fehlt es hier an Raum. Wir möchten nur auf den japanischen Kalender verweisen, der typisch sür den mongolischen Kalender im allgemeinen genannt werden kann und wohl der bekannteste von allen mongolischen Kalendern und Almanachen überhaupt ist und gegenwärtig auch wohl schon in Europa käuflich zu erwerben ist. Recht eigenartig ist auch der chinesische Kalender. Schon seit rund 2000 Jahren soll die Regierung des Reiches der Mitte einen solchen hcrausgeben. Jeder dieser Almanache ist denn auch mit einem Regierungsstempel versehen. Der Almanach, der bei schwerer Strafe von keinem nachgedruckt werden darf, kommt in drei Ausgaben heraus. Die erste Ausgabe ist etwa 20 Vogen stark und ist sür die Mandarinen bestimmt. Die zweite, stark gesichtete Ausgabe hat einen Umfang von rund 10 Vogen und findet hauptsächlich in den Städten ihre Verbreitung. Eine dritte, etwa 5 Vogen starke Ausgabe wird wesentlich unter der Landbevölkerung abgesctzt. Dieser Almanach ist in seiner ganzen Art grundverschieden von unseren Kalendern. Die ganze Jahres einteilung ist eine andere, als die bei uns übliche. Der Chinese rechnet nach Mondmonaten, deren es zwölf gibt, die aber zusam mengenommen noch keinem Sonnenjahr entsprechen. Die Jahres zeiten in unserem Sinne vertreten 8 Haupt- und Ist Neben perioden (Regen-, Schnee-, Hitze-, Kälte-Periode ujw.) Der Neujahrstag der Chinesen fällt immer auf den ersten Neumond nach dem Eintritt der Sonne in das Zeichen des Wassermanns. Um nun wenigstens einigermaßen mit dem Sonnenjahr aus glei chem Fuß zu bleiben, wird zu bestimmten Perioden ein zweiter sechster Monat eingejchaltet. Den Begriff der Woche kennt der Chinese ebensowenig, wie den des Sonntags. Der Tag selbst wird