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ZK 22. Eomurbrnd, ». Juni. Aettetrißische Aeitage zum sächsische» Erzähler. MS. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes betgegeben. De« Ziele nach. Du wirst zum Jüngling, zum Mann du erblühen, Dem Ziele nachringen, das der Herr dir weist, O möge dann bei Lockungen und Mühen Dein Geist sich kräftigen an Lhristi Geist. Daß bei des Schlechten Anblick heiß entlod're Zn heiliger Entrüstung dein Gemüt, Den Lohn, der ihm gebührt, dem Edlen ford're, Wenn es dein Blick vom Neid zertreten sieht. Daß Willen dir und Tatkraft nimmer lasse, Was du als gut, was du als recht erkannt, Ob auch die Lust dich lockt, die Welt dich hasse, Nie feig dem Werk entziehen deine Hand. Daß sich dein Herz, wie hoch es immer schlage, Zur Demut beuge vor des Höchsten Macht, Und fromme Sehnsucht dich zum Himmel trage, Zur Alarheit dringend aus der Erde Nacht. Daß truglos in der Airche heil'gem Dome Dir leuchte stets der Offenbarung Licht, Und in der Weltgeschichte ew'gem Strome Verkündiget dir sei das Weltgericht. Drum aus des Paradieses Regionen Reicht rettend uns der edlen Schar die Hand, Zeigt Erdenpilgern die errung'nen Aronen Und führt sie siegreich ein ins Heimatland. Aönig Johann von Sachsen. „Rachbarskin-er" Roman von B. v d. Lancken. (4. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) DaS Traurrkleld mit den Krepprüschen um den Hals ließ sie noch zarter erscheinen, und durch den Ausdruck stiller Trauer, den schmerzlichen Zug um den kleinen Mund, Iah sie älter aus als sie war. Sie mußte viel gelitten haben, die kleine Dorothee; sie jammerte ihn. „Wir bleiben heute unter uns?" fragte er im Lause drS Gesprächs den Freund. „Ja, ganz, nur meine Schwester und ihr Mona kommen noch. Sidonie wird auch Augen machen. Da fährt übrigens rin Wagen vor." Er trat ans Fenster, schob die dichten Spitzen stores zur Seite und schaute hinaus. „Ja, sie sind rS". Damit eilte er, die Ankommenden zu begrüßen. WaSmer fühlte ein peinliches Gefühl In sich auf steigen. Sidonie! Er würde sie Wiedersehen, er würde einen ganzen Abend in ihrer nächsten Nähe sein, sich mit ihr unterhalten müssen. Er hörte Lachen und Sprechen, und er meinte zu bemerken, daß ein gequälter Ausdruck in Dorothees Gesicht trat, während sie sich erhob, um die Gäste zu begrüßen. Und dann standen sie sich gegenüber, er und die Frau, die er einst geliebt hatte. Den schönen Kopf halb über die Schulter zurückgewendct im Gespräch mit dem nachfolgenden Bruder, trat sie unter dir Weichen, tiefroten Setdenvoihänge, die die Tür vom Boudoir zum Salon halb verhüllten. Stephan stand seitwärts, die eine Hand auf die Lehne eines niedrigen Stuhles gestützt, die Augen lest aus die Eintretendr geheftet. „Guten Abend, Sidonie." Dorothee trat an die Schwägerin heran. „Guten Abend, Kleine. Die schöne Frau legte beide Hände auf die Schultern der vor ihr Stehenden und kühle sic flüchtig auf die Stirn. Sie hatte Wasmer noch gar nicht be merkt; erst als sie noch ein paar Schritte weiter tat, gewahrte sie ihn, und sekundenlang stockte ihr Fuß, es-war ihr, als ob sie aushören müßte zu atmen, als ob ihr Herzschlag aussetzte. Ihn hier zu finden, hatte sie nicht erwartet. Wasmer war blaß geworden, und die Hand, mit der er sich stützte, bebte leise; aber er war der Mann, sich zu beherrschen, er schien ruhig, und bet Sidonie schob man alles auf die „Ueber- raschung" den „Jugendfreund" so unerwartet wieder zu sehen. So gestaltete sich die Begrüßung in keiner Weise auffallend oder anders, als man es im ge gebenen Falle erwarten konnte. HeSkamp schüttelte Stephan warm die Hand und sprach dir Bitte aus, auch sein Haus auszusuchen, der Jugendfreund seiner Frau sei ihm natürlich stets will kommen. Es war für Wasmer, wie die Dinge lagen, un möglich, die Einladung abzulehnen. Man ging nun gleich zu Tisch, und Stephan bewunderte im stillen das erlesene Menü deS kleinen Soupers, die wirklich kostbare Ausstattung des Eßzimmers. Der alte Pro fessor mußte sehr, sehr reich gewesen sein. Bei der Unterhaltung fiel es Stephan auf, daß diese sehr l