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15. Lomrabend, ». Aprü. 1904. Aeltetrißische Aeitage M sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des HauptblatteS betgegeben.) Klerne. Von Anna Ritter. Die ihr den Aether mit seligen Schwingen durchschneidet, Segnende Hände über uns Irrende breitet, Die ihr den Seelen, die weinend in's Dunkel gesunken, Leuchtet mit Augen, die ewige Sonne getrunken — Gütige Sterne, wie oft, aus den Schatten der Lrde, Blick ich auf euch, daß Frieden und Licht in mir werde! Fra« Lore. Roman von I. Jobst. (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Der Assessor hielt dem Blick ruhig Stand und setzte dann noch hinzu: „Inspektor Erdmann bat um meine Erlaubnis, mich Herr Leutnant zu nennen. Ich sagte eS ihm zu, im Falle Sie, Herr Baron, damit einverstanden seien.* Der alte Herr ließ rin kurzes Lachen hören, eS rief ein wunderliches Echo wach in den Ecken des wetten GemacheS: „Daran erkenn' ich Erdmann, den srüheren Kavalleristen, aber er kennt seine Leute und er mag mit seinem Vorschlag Recht haben. Ich finde nichts dagegen etnzuwenden, Herr Assessor.* Walter ging, ein langer Blick seines Herrn folgte ihm und eine ganz leise Stimme flüsterte ihm zu: „Der Mann gefällt Dir.* Frau Lore war indessen nicht müßig gewesen, mit Frau Siegfrieds Hilfe hatte sie schon schirr über» menschliches geleistet, und als Walter zum Mittagessen erschien, harrte ein sauber gedeckter Tisch im behaglich eingerichteten Eßzimmer des hungrigen Gatten. Werner sprang dem Vater fröhlich entgegen und hatte so viel zu berichten von seinen Entdeckungsreisen, daß der kleine Mund kein Ende finden konnte, und energisch zur Ruhe gewiesen werden mußte. Man vertröstete ihn auf später, und so sprach denn ein jeder der ein fachen Mahlzeit zu, welche nach den kulinarischen Kenntnissen der neuen Guste gewählt worden war. Befriedigt erhob sich Walter vom Tisch und zog sich mit der Erklärung, daß er in seinem Zimmer zu arbeiten habe, zum größten Bedauern Werners zurück. Lore tröstete den Kleinen und hieß ihn wieder hinauSspringen, denn Ursel, das Schwesterchen, müsse jetzt schlafen.* „Du bleibst auf dem Hofe, damit wir Dich vom Fenster aus sehen können*, schärfte die Mutter ihm ein. „Aber zu Erdmann darf ich doch auch, wenn er sagt, ich soll zu ihm hrreinkommen.* „Gewiß, mein Junge.* „Und zu Christian in den Stall darf ich auch, wenn er eS durchaus will. Da steht BaterS Fuchs, er will ihn mich zeigen.* „Du gehst aber nicht allein hinein, in keinen Stall, hörst Du, oder ich fag eS dem Vater, und Du mußt dann immer bet Schwesterchen bleiben und dem Kindermädchen.* „Ich verspreche eS Dich, Mutti*, sagte der kleine Kerl bieder und drückte Frau LoreS Hand, so fest die Kinderhändchen nur zu fassen vermochten. Gerührt blickten die leuchtenden Mutteraugen ihm nach, wie er auf seinen stämmigen Beinchen zur Türe hinauSschritt, in jedem Zoll ein kleiner Manu. ES lag ordentlich eine gewisse Würde in seinem ganzen Auftreten. „So*, ertönte jetzt Frau Siegfrieds Stimme hinter Lore, „nun setzen Sie sich ein Stündchen still in Ihr Zimmer und überlassen das Regiment mal wieder wie in alten Zeiten der gewesenen Hummel.* Lore lachte, doch nach einigem Sträuben saß sie richtig an ihrem behaglichen Fensterplatz in ihrem kleinen Gemach und hörte durch die offene Türe das Knistern der Blätter, die ihr Mann an seinem Schreib tisch umschlug. Er war so vertieft in seine Arbeit, daß er kaum mehr wußte, wo er sich befand, und daß da nebenan ein paar hellhörige Frauenohrcn seinem Tun liebevoll folgten. Immer rascher blätterten die Seiten, bald hier, bald dort, er machte Notizen, schüttelte den Kopf, die Augen brannten in unheimlichem Lichte, er merkte nicht, daß das Feuer seiner Zigarre längst erloschen war. Jetzt flog mit kräftigem Ruck der Sessel ein Stück zurück, die geballte Faust schlug auf den dicken Folianten, den er gerade vor sich hatte, und mitldem lauten Ausruf: „Der Schuft, der DiebI Der Teufel hole den Kerl!* flog er empor und raste im Zimmer auf und ab. Lore war voller Schrecken aufgeflogen und stand auf der Schwelle des Zimmers, mit lautlosem Staunen dem rätselhaften ZorneSausbruch ihres Mannes folgend. Jetzt erblickte sie der aufgeregte Mann und eilte auf sie zu, Einem gegenüber mußte er sich Luft machen, oder er erstickte daran. „Da liegen die Bücher meines Vorgängers, deS Oberinspektors Schäfer, Lore. Wie viel Tausend glaubst Du wohl, daß er gestohlen hat?*