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16. 1891. Sonnabend, den 18. April. Jettetristische Anlage M sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben.) FrHlmgssH««. Von Hermine von Hillern. Süßer linder Frühlingsathem, ? Sehnen treibt das junge Leben ' Sehnen füllt der Nachtigallen Weh'st du neu durch Wald und Feld, i Aus der Erde dunklem Schooß, ; Busen an mit süßem Klang, Bringst du wonnig reges Leben ; Sehnen nach dem Schein der Sonne? Und sie strömen heiße Klage In die frosterstarrte Welt? - Ringt es aus der Hülle los. Aus in holdem Liebessang. Durch das junge Grün der Zweige! Sehnend streift die junge Blüthe /Sehnend wacht die Menschenseele Schimmert hell der Sonne Strahl! Sich vom Haupt der Knospe Grün, - Auf aus dumpfem Wintertraum; Ihrem Liebesblick entsprießen Um am Lichte zu erstarken ; Lenzessonne scheucht ihr Grämen Bunte Blumen ohne Zahl. Und im Lichte zu verblühn. 'Und sie giebt der Liebe Raum. Und sie sieht, von Duft umflossen, Mnd die Nachtigall verstummet, Frei im Licht die Blumen blühn, Denn Erfüllung lacht ihr mild: Sieht im milden Strahl der Sonne s Frag' den Lenz, o Menschenseele, Schöner ihre Farben glühn. Ob dein Sehnen wird gestillt. Woge« -es Lebens. Berliner Roman von A. v. Gelsenkirchen. (Fortsetzung.) Dreizehntes Kapitel. Die Strafe des Sünders. Heinrich Bergen hatte sofort seine Nachforschungen in Bezug auf seine Kousine begonnen, sich aber vor läufig auf Fragen und Aushorchen beschränkt, damit brachte er jedoch wenig genug in Erfahrung. Regina Bergen lebte wie eine Fremde in Berlin. Bekannte hatten einst viel von ihr gesprochen, ihre Absonder lichkeiten hergezählt, ihren Verkehr kritisirt, so daß endlich nichts mehr zu sprechen übrig geblieben war und zuletzt kümmerte man sich nicht mehr um sie. Er konnte somit auch wenig mehr in Erfahrung bringen, als er selbst bereits wußte. Oswald Will- berg ging im Hause des Fräulein aus und ein, aber — was wollte das sagen? Er stand seit Jahren mit Regina in Verkehr. So blieb Heinrich Bergen nichts übrig, als sich nach H. zu wenden und zu versuchen, den Küster von H. zu seinem Vertrauten zu machen, ehe er sich an den Pastor selbst wandte und dadurch diesen auf Etwas aufmerksam machte, was besser als ein Geheimniß, von ihm selbst verwahrt blieb. Aber auch bei dem Küster von H. konnte er keinen Erfolg verzeichnen, obgleich er demselben eine ansehnliche Geldsumme geboten. Der Mann war ver schwiegen. Im Hause Bergen's aber saß Rudolph Heiner und wartete ungeduldig auf den Erfolg der Nachforschungen Wie leicht konnte er dabei Entdeckungen machen, die seinem Gastfreund nicht paßten. Dabei zeigte er sich argwöhnisch und ließ nicht nach, Heinrich Bergen an zuspornen und zu reizen. Auch Anderes ängstigte Bergen. Er hatte das Gefühl, als stände er aus einem Vulkan und der Boden wanke unter seinen Füßen. Wiederholt sah Bergen ein Gesicht neben sich auftauchen, das höchst fatale Erinnerungen in ihm wachrief, ohne daß er sagen konnte, die Person sei gerade diejenige, welche er am meisten in der Welt fürchtete. Das konnte nicht sein. Der, den er meinte, war lange Jahre todt. Mit eigenen Augen hatte er den Knaben in den hoch gehenden Wogen der Nordsee verschwinden sehen, die großen, blauen Augen, hatten ihn noch einmal ange schaut und sich dann für immer geschlossen. Und doch — der Mann, welcher ihn unablässig zu verfolgen schien, hatte eine auffallende Aehnlichkeit mit dem verstorbenen Vater Regina Bergen's auch mit dieser selbst. Doch hinweg mit den Bildern, die ihn unablässig quälten und doch nur ein Gebilde seiner überreizten Phantasie sein konnten, hervorgerufcn durch die Aufregung, in welcher er sich seit langer Zeit be fand. Rudolph Heiner hatte Recht, eine Umkehr gab es für ihn nicht, er mußte vorwärts blicken. Noch eine kurze Zeit der Unruhe — und Alles würde ein gutes Ende nehmen. In der Stunde, wo er die Beweise von Regina Bergen's zweiter Ehe empfangen und Rudolph Heiner