Volltext Seite (XML)
27. Somraberrd, den «. Juli. 1889. MetleLrißische Meilage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben.) Die mythologische Bedeutung des Battenbergs und deren mögliche Beziehung zum Bergnamen. Von Georg Pilk. „Ucberall und zu allen Zeiten sind es hervorragende Berge, die als Kultusstätten betrachtet wurden.") Im Anschluß an dieses Wort fragten wir uns schon manchmal: Warum nicht auch der mächtig in die Augen springende Valtenberg? Da letzterer in nächster Nähe der sorbischen Opfer berge 6oruobük und Lslovöü liegt, da ferner das Wesenitzthal nachweislich einst von Wenden bewohnt war, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch dieser durch seine Höhe geradezu dominirende Berg ein Platz sorbischer Götzenverehrung gewesen sei. I. Bei der Rechtfertigung vorstehender Annahme sollen uns als einziger Gesichtspunkt die altheidnischen übrig gebliebenen Gebräuche maßgebend sein. 1) Die wichtigste Bestätigung unsrer Vermuthung ist die jedenfalls auf eine uralte heidnische Kultussitte zurückzuführende, auffallend zahlreich frequentirte Wallfahrt?) der Umwohner des Valtenbergs amHimmel- fahrtstage jeden Jahres nach genanntem Gipfel, welche Sitte nach Zeugenaussagen längst vor Erbauung eines Thurmes und einer Schankstätte herrschte und sich bis in die Neuzeit in ungeschwächter Betheiligung erhalten hat. Gediegene Forscher halten solche bemerkenswerthe Bergfahrten an bestimmten Tagen für „direkte Ueber- bleibsel einstiger Götzenverehrung."?) Als wir die Ehre hatten, in der historischen Sektion des Gebirgs vereins unsre diesbezügliche Ansicht vorzutragen, stand Herr Prof. Sophus Rüge nicht an, das Vorhandensein dieser Bergwallfahrt für einen Fingerzeig auf einen ehemaligen heidnischen Kult des Valtenbergcs zu erklären. Da man bei der Christianisirung nicht sogleich alle heidnischen Gebräuche ausrotten konnte, kleidete man dieselben in christliches Gewand und verlegte so vorliegendes einstige Götzenfest auf den passend gewählten Himmelfahrtstag. Solche Bergwallfahrten richten sich im ehemaligen Sorabien einzig nach den Bergen früherer Götzenvcr- chrung. So pilgern am dritten Pfingsttage die Um- 1) Rich. Andree, Wendische Wanderstudien. 1874. S. 118 2) H. S-, Der Valtenberg. Neusalza 1883. S. 22. 3) Preusker, Ob.-Laus. Nlterthümer. 1828. S. 41, 47, 48. Pannach in d. Laus. Monatsschrift. 1797. S. 421. Haupt, Sagenbuch der Oberlaus. S. 7. Amucrk. wohner des Oornodöll nach dessen Gipfel, die Bewohner des Kottmargebietes am Pfingstabend auf die Kottmar- koppe, endlich die In- und Umwohner von Königshain am Sonntag I^usturo auf den Todtenstein. Einen weiteren Anhalt für die ausgesprochene Ver muthung, daß der Valtenberg einst sorbisches Heilig- thum war, bieten folgende vielfach bestätigte, in neuerer Zeit allerdings etwas geschwundenen Gebräuche. 2) Am Himmelfahrtstage kommen Wenden, Männer und Frauen, mitunter weit aus ihrer nördlichen Hei- math hergewandert, um auf dem Valtenberge (wendisch Falt^iwka kora) die Sprossen einer Pflanze zu pflücken, welche sie mit dem Namen Lunlarniolcu bezeichnen. Es ist dies das Hexenkraut oder die Waldklette, Oircusu lutotianu (L.). Zu welchem Zwecke erwirbt man genannte Pflanze? Herr vr. Hellner in Neukirch, der als ärzt licher Berather manchen Einblick in die Sitten der benachbarten Wenden gethan hat, vermuthet hierunter bloßen Aberglauben. Von anderer Seite bringen wir in Erfahrung, jene Sprossen sollen (nach wendischer Tradition) Menschen und Vieh sichern vor den Schäden bösen Zaubers. Immerhin bleibt die Frage zu beant worten: Warum suchen jene Wenden dieses doch überall, wenn auch vereinzelt vorkommcnde Gewächs gerade auf dem entfernten Valtenberge, und überdies an jenem Tage, der durch die Bergwallfahrt ohnehin bezeichnet ist? 3) Ebenso erscheinen am Johannistage auf dem Valtenberge Wenden, (ausdrücklich konstatiren viele Bewohner Neukirchs diese Nationalität), um die Wurzel einer andern Pflanze zu graben, welche sic „sivMcho UuroMokoruski" (d. heiligen Maria Wurzel), dieDeutschen dortiger Gegend aber „Marienbiß" oder „Aalwurzcl" nennen. Nach Aussage der beiden gründlichsten Kenner der Flora des Valtenbergcs, der Herren Oberlehrer smsr. Rostock in Gaußig und vr. Hellner in Neukirch, ist diese Pflanze zunächst kolvAonutuni vul^aro, so dann aber auch kol^Zonatuiii inultitloruui (Weißwurz). Die Angabe, nach welcher die am Johannistage auf dem Valtenberge gesuchte Pflanze die Alraunwurzel, LlanckruKora otlioiuküiL, sein soll^), widerlegen beide vorgenannte Herren, da letztere Pflanze nur am Mittelmeerc vorkommt. Auch nicht die üblichen Ersatz mittel der Alraunwurzel, „^lliuru Viotorialis" (Alpen lauch) oder „Lr.vonia ulbu" (Gichtrübe) finden sich wildwachsend auf dem Berge. Uebrigens ist es ver fehlt, den hier gar nicht existircnden, spezifisch germa nischen Alrunenaberglauben in vorstehender Sitte erblicken und an den Valtenberg ketten zu wollen. Vielleicht hat der Name „Aalwurzcl" den ersten Er- 4) Gräve, Volkssagcn der Laiisip- 1839. S- 74.