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M Svmarmd, re« 7. L,«e«ter. 18^8. AeL'tetrißische Aeikage zum sächsische« Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. E l t r i e - e. Hin Sittenroman von O Bach. (Fortsetzung). Sie sah ihn mit einem fast irren Lächeln an ; erst nach und nach wurde ihr der Sinn der Rede klar, faßte sie die tödtliche Beleidigung, die in den Worten Wild's lag und aufgerüttelt aus ihrem Gram, — durchschauert von dem Gedanken, einen Augen» blick sich vor diesem Manne, der sie nie verstanden hatte, der nie Sinn für ihr Sein gehabt, gedemüthigt zu haben, entsetzt von dem schmerzlichen Gefühle, ihr Kind vom eignen Vater, noch vor der Geburt, beschimpft, gebrandmarkt zu sehen, trocknete sie hastig die Thränen, die langsam die bleichen Wangen her- abträüfelte'n und sich stolz und hoch ausrichtend sagte sie leise aber fest: „Von diesem Augenblicke sind wir getrennt — auf ewig! Nie mehr werde ich den meinen Galten nennen, der meine Frauenehre auf'S Gröblichste beleidigt! So wahr mir Gott helfe - ich bin unschuldig! Nicht Dir, den ich verachte, sage ich das, sondern dem Kinde, das unter meinem Herzen ruht — und dem ich — einen bessern Vater wünschte, als der seine ist. Jetzt geh — verlasse mich — es ist die letzte Nacht, die ich mit Dir unter einem Dache zubringe." Ihre Worte trugen zu deutlich den Stempel der Wahrheit, um sie bezweifeln zu können. Unwillkür lich trat er wenige Schritte zurück, seine Augen durchborend auf sie geheftet. „Der Schein ist gegen Dich", rief er aufgeregt, „und —" „Ich habe nie Dir Liebe geheuchelt," unterbrach sie ihn heftig, „aber ich habe nie meine Pflicht ver letzt! Das ist mein letztes Wort — leb' wohl!" Mit einer hastigen Bewegung wandte sie sich von ihm ab; er blickte starr zu Boden; seine Lippen bewegten sich, als wollten sie sprechen, allein die heftige, innere Bewegung raubte ihm die Sprache ; Mit einem zornigen Blick auf seine Frau, die ihren Kopf in beiden Händen barg und ihm den Rücken zukehrte, so daß sie ihn nicht mehr sehen konnte, verließ er das Zimmer, indem er klirrend das Schloß in den Riegel warf. Sie war allein! Der Würfel war gefallen, sie mußte das Band lösen, das sie geknüpft, Wollte sie sich nicht selbst verachten! Keine Macht der Erde konnte sie bewegen, nach dem waS vorgefallen, ihr Leben an der Seite dieses Mannes zuzubringen; er hatte sie ins Innerste getroffen; die zartesten Saiten ihrer Seele mit seinen Motten zerrissen; er hatte nicht nur sie, — er hatte ihr Muttergefühl, da» erträumte Mutter glück vernichtet; mit seinem niedrigen Verdachte die Ideale zertrümmert, die sie, um ihr glückloses Leben erträglich zu finden, in sich getragen; mit rauher, plumper Hand das Götterbild der Liebe, da« in ihrem Herzen throhnte, zertrümmert und mit Schmutz beworfen; sein Haß, seine schlechte, niedrige Gesinnung hatte sich in seinen Worten ausgesprochen. Schluchzend warf sie sich auf ihr Lager, ohne aber Ruhe zu finden, und während sie sich unruhig umherwarf, wogten und trieben die Gedanken wild durcheinander. Sie prüfte ihr Herz ; sie forschte in dem tiefsten Grunde desselben, ob sich ein unreiner Gedanke, ein sündiges Gefühl darin verborgen; ob sie durch einen Wunsch, durch eine leidenschaftliche Aufwallung ihr Gefühl für AlfonS entheiligt, allein beruhigt durfte sie sich sagen, daß ihr Empfinden rein trotz ihrer Liebe geblieben und daß kein sündiger Gedanke in ihrer Seele erwacht war. Und dennoch sprach sich Elfriede nicht frei von Schuld! — Ja, sie war treu geblieben ; sie hatte keine Pflicht verletzt, und den schmählichen Verdacht ihres Mannes durfte und mußte sie mit Entrüstung von sich weisen, — allein — in diesem Augenblicke der Selbstprüfung fand Elfriede auch in ihrer Liebe für den fremden Mann ein Vergehen, denn einen geistigen Ehebruch hatte sie begangen, nicht erst, als sie Hohenhaus kennen lernte, sondern schon damals, als sie sich mit dem ungeliebten Manne vermählte. In einer Ehe ohne das heiligende Band der Liebe liegt die Entweihung und Entwürdigung des Weibe«, denn nur durch die reinigende Kraft der Liebe wird das göttliche Prinzip der Ehe durchgeführt und nur wenn es liebt, darf das Weib sich dem Gatten vermählen. Kein anderes Motiv, mag es noch so rein und edel erscheinen, sollte eine Frau an den Altar führen, denn indem sie dem ungeliebten Manne Treue gelobt, leistet sie einen Eid, den sie, und wenn sie ihre ganze moralische Kraft zu Hilfe ruft, früher oder später brechen wird. Das Herz läßt sich nicht gebieten und wenn wir durch die Kraft unseres Willens auch fähig sind, heiße Wünsche und Begierden zu unterdrücken und zu beschwichtigen und wir die Fähigkeit haben, Herr unserer Sinne zu werden, das Gefühl läßt sich nicht zurückdrängen, sondern zieht uns mit magnetischer Gewalt zu dem geliebten Gegen stände hin. Während sie nachgrübelte und mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit eine Selbstprüfung vornahm