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12. SonnaSend, dm 23. Marz. 1878. AeMrißische Aeitage zum sächflschen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. El aireto «tarne. Historische Novelle von lUsrvellin lm OacÜL. Aus dem Französischen übersetzt von R. Müldener. ... (Fortsetzung). „Wenig Monate noch vor meinem Eintritt in's Mloster" — sagte sie — „war mein Leben noch sanft «nd friedlich, und ich konnte die Stürme nicht vor- ^luSseben, welche mich zwangen, das Kleid der Bern- hardincrinnen zu nehmen. Meine Familie eben so Wohl wie die Eurige." . . . Hier aber mußte sie abbrcchen: eben läutete es -um Angelus und Anna und Geneviöve eilten der Kapelle zu, wo auch die anderen Nonnen nicht Merten, sich einzufinden. Als sie im Chor zum dritten Male das Muris sangen, ließ sich ein fernes Geräusch ver- Mhmen. - Das Geräusch kam näher und so unterschied man deutlich den Galopp von Pferden. „Der Generali der General! Beeilen wir LnSl rief die Superiorin , die aufmerksam ge tauscht, und damit stürzte sie zur Kapelle hinaus. Alle Nonnen, Anna und Geneviöve ausgenommen, beeilten sich, ihr zu folgen. ' Die beiden Letzteren, die ruhig auf ihren Plätzen Hkbkieben, befanden sich jetzt also genau wieder in derselben Situation, in welcher wir sie zum ersten Mate erblickt haben. Ruhig und gesammelt setzten sie ihre Andachts- sibungen fort, während der Lärm draußen wuchs. Frau v. Heyseneck hatte sich nicht getäuscht; eS War in der That der General Schröder, von circa Mtfzig Offizieren aller Grade begleitet. Der Haupteingang der Abtei öffnete dem Zuge seine beiden Flügel; die Kavaliere traten paarweise in den Hof, wo sie den Hauptmann Ulrich fanden, -er sich beeilte, dem General entgegen zu gehen. - MH! ah! Capitän;" — sagte der General — .Sie sind uns also vorausgeeill ! Wenn man Sie so sieht- sollte man wahrlich glauben, Sie seien hier Lu Hause. Nun, dann machen Sie unö auch die Honneurs des Hauses!' Bei diesem Scherze brach ein Offizier in ein schallendes Gelächter anS; Ulrich, der darin ohne Zweifel dine Beleidigung erblickte , warf dem Lacher <tnen zugleich zornigen und herausfordernden Blick zu. In diesem Augenblicke zeigte sich die Aebtissin unter der Säulenhalle, welche den Eingang zu dem Hauptgebäude bildete. Der General, der, gleich sestien Offizieren, vom Pferde gestiegen war, Hing ihr entgegen und grüßte sie. „Madame", — redete er sie an, — „unsere Gegenwart aühier hat nicht nur den Zweck, der Einladung zu entsprechen, mit welcher Sie uns beehrten, sondern auch noch den, der Tochter eines der bravsten Krieger des Reiches und der Superiorin einer der berühmtesten religiösen Gemeinschaften Deutschlands und Belgiens unsere Huldigung dar zubringen." „General", — antwortete Frau v. Heyseneck mit Sicherheit — „ich gebe das heutige Fest, um im Voraus den nahen und entscheidenden Triumph der österreichischen Waffen über die der französischen Republik zu feiern. „Bon Ihren Wünschen begleitet, Madam", — antwortete galant der General — „können unser« Waffen unmöglich anders denn siegreich sein." Damit bot General Schröder der Aebtissin den Arm und eröffnete so den Zug zu dem zum Empfange der Gäste gerüsteten Saale. Zwei Offiziere indessen waren zurückgeblieben. Sie näherten sich einander, so bald die letzten ihrer Kameraden mit Frau v. Heyseneck und dem General verschwunden waren. Der Eine derselben war Ulrich, der Andere jener Offizier, an welchen er seine stumme Provocation gerichtet. „Hauptmann Radetzky",*) sagte der Erstere, „Sie haben mich also verstanden?" „Vollkommen, Hauptmann Ulrich. Ja, wir müssen damit endlich einmal zu Ende kommen. Unsere gegenseitige Stellung ist unerträglich ... ich fühle das besonders heute." „Wann, und an welchem Orte?" „Gleich jetzt, dort im Walde. Das Diner findet erst um 1 Uhr statt, mithin bleibt uns die nöthige Zeit." „Wo denken Sie hin? ' — rief Ulrich — „diesen Aufenthalt des Friedens in einen blutigen Kampf platz zu verwandeln, und damit einen Schatten der Trauer über ein Fest zu verbreiten, bei dem wir Gäste sind ... Das wäre eine Tollheit, es wäre abscheulich in Bezug auf unsere Wirthin." Radetzky dachte einen Augenblick nach. „Nein", — sagte er mit dumpfer Stimme — „ich würde in einem Duelle auf Leben und Tod unter uns, hier, heute selbst, etwa« Providentielles sehen. Wir Beide haben glühend ein junges Mäd chen geliebt, welches sich gegenwärtig hier in diesem Kloster befindet, für Sie so gut verloren, wie für mich. Wahrscheinlich sind wir berufen, sie wieder *) Der verstorbme österreichische Frldmarschall. D. Lerf.