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Aekletriüische Aeilage zum sächsischeu Erzähser. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Rückblicke in das Soldaten- «nd Easernenleben. Bon LH. R. (Schluß.) Ein offener Knopf, ein Rostflecken am Gewehr, eine Verspätung von zehn Minuten nach Schluß de» CasernenthorS wurde in der Regel mit drei bis vier Tagen Strafftube bedacht. Beispiele hievon gab eS genug und auch der Schreiber dieser Zeilen bietet ein solches. Heute aber ist mir noch unerfindlich, warum man den Raum, in welchen ich wegen des Verbre chens des Hosensteegtragens, einer damaligen Mode, volle drei Tage eingesperrt worden, Strafftube nannte! Dieses Gemach war die vollständigste Erschöpfung des Begriffs „Keuche"! Weder Arrestlocal nochGe- fängniß konnte man das Loch heißen, da» eine Stube sein sollte! Ein Blick hinein genügte, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß es ursprünglich für Räuber und Mörder bestimmt war. Eine sechs Fuß dicke Mauer umgab einen Raum von etwa zehn Quadratfuß Breite und sieben Fuß Höhe. Ein kleines, mit zoll dicken Eisenstäben vergitterte» Loch ließ nur spärlich Licht einströmen. Der Boden war mit Backsteinen gepflastert und die Mauern machten den Eindruck, als wollten sie ehestens den Gefangenen erdrücken. In einen kolossalen Stein von drei Fuß Höhe, der zugleich al« Stuhl und Sopha diente, war ein ge wichtiges Hatteisen eingefügt, in welches man zur Verschärfung der Strafe, besonders bei Subordina tionsvergehen, „gelegt" werden konnte. Auch eine andere sinnreiche Vorrichtung verdient erwähnt zu werden: der sogenannte Bock, ein hölzernes Gestelle, in das man „gespannt" wurde. Auch war sie meu- blirt, diese Strafftube, und zwar mit einer hölzernen Prietsche und einem unentbehrlichen Kübel, „der Bien" genannt, zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse, den dann die Gefangenen selbst ausleeren mußten. Ein großer steinerner Krug mit Wasser vervollstän digte den Genuß. Die Menage wurde durch ein Loch zur Thüre hereingereicht. Letztere, schwer mit Eisen beschlagen und mit einem gewaltigen Schloß versehen, wurde nur geöffnet, um einen Bestraften herein oder hinaus zu lassen. Dieß geschah durch den Profoßen. Einige Tage in diesem Raum zugebracht, sind Jedem unvergeßlich. Ich habe sic wenigstens noch in sehr frischem Andenken. Da außer mir noch fünf Menschen eingesperrt waren, so kann man sich ungefähr einen Begriff von der Atmosphäre machen, die hier herrschte. E» war eine Mischung von Amoniak, Schwefelwasserstoff, Sumpfgas u. s. w. War ein Neuling so glücklich gewesen, seine Pfeife und Taback mit einzuschwärzen, wa» gewöhn lich im Stiefelschaft oder unter den Gamaschen ge schah (wenn nämlich der Profoß den Betreffenden vor seiner Jnternirung nicht untersuchte) — so er fuhr die Atmosphäre eine wohlthätige Alteration, welche allen Nichtrauchenden sehr zu statten kam. Zwar waren die mitgebrachten TabackSsortrn auch keine importirten Havanablätter, sondern trugen auf ihren Umschlägen die in gewissen Kreisen noch heute nicht unbekannten Etiketten: Quaack, Drei KönigS- taback, Schwarzer Reiter, Kornähr u. s. w.; allein dieser „Tabacksrauch" hatte wenigstens die wohlthätige Eigenschaft, daß er die penetranten Dünste etwa» neutralifirte. Rauchten aber drei oder vier Sträflinge zu gleicher Zeit, so war Gefahr vorhanden, daß der vierte und fünfte erstickte! Ein Oeffnen des Fenster» war nicht möglich, auch nirgends eine Vorrichtung zur Ven tilation des engen Raumes angebracht. Man kann sich daher den Comfort denken, wel cher einen armen Jungen, der hier wegen de» Ver gehens menschlicher Eitelkeit drei Tage brummen mußte, umgab. Kein Stabsoffizier würde seine Pferd« hier eingestellt haben. Aber die Söhne de« Lande würden rücksichtslos hier beigesteckt, auf die Gefahr hin, ihre Gesundheit zu ruiniren. „Es hat doch dem Pferd nichts gethan?" soll ein Rittmeister ausgerufen haben, als ein Cavalerist beim Exerciren gestürzt war; „Wachtmeister, stecken Sie den Kerl nach dem Einrücken in Arrest, wenn er den Hals nicht gebrochen hat." Das ist eine von den zahlreichen, damals circulirenden Anekdoten! Da nicht die geringsten Vorrichtungen zum Wa schen von Gesicht und Hände vorhanden waren, so so war man, wenn man das Bcdürfniß nicht drei Tage lang (oder auch noch länger) unterdrücken konnte, angewiesen, einen Mund voll Trinkwasser in die hohle Hand izu spritzen, um dann das Gesicht damit zu überfahren!! Als Handtuch mußte dann der Rockärmel dienen. Zudem war e» Winter, al» ich diese merkwürdige Episode erlebte und um halb vier Uhr des Nachmittags bereits stockfinster. Von Licht war keine Rede. Und diese Finsterniß dauerte bis zum andern Morgen um neun Uhr! Eher drang kein Strahl der Sonne in die Keuche, da vor dem kleinen Fenster eine Blende angebracht war und da» Sonnenlicht nur von oben einfallen konnte. Natür lich machten die armen Burschen krampfhafte An strengungen, sich die Zeit zu vertreiben. Vornehmlich