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Sonnabend, L 1SV9 und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: reift «ridoia. Fü« di« Inserate verantwortlich: witittk XNlU». Beide in An« i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechftmid« der Redaktion mit Auinahme der Sonntag« nachmittag» von ch—s Uhr. — Telrgramm-A-reffe: Tageblatt Au«. — Fernsprecher H. Für unvrrlangt eingesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag „»«k »ni«., vrrl-i,»-«««,!»»«- m. b. y. ' in Aue i. Lrzged. D»zug»pr«i,: Durch unser« Boten frei tn» Sau» monatlich so pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich Wv ssfg. und wöchentlich io pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.so Mk. — Durch G»n Snesträger frei in» Sau» viert«liShrltch 1.-2 Mk. — Einzeln« Nummer »0 pfg. — Deutscher postzeitungs- katalog. — Erscheint täglich tn den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahm« von Anzeigen bi, spätesten, Uhr vormittags. Für Ausnahme von größeren Anzeigen an bestimmt« Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn fl« am Tag» vorher bet onr eingehen. Znsertionspreir: vir fiebengespaltene Rorpuszeile »der deren Raum >0 pfg., Reklamen r» pfg, B«i größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt 12 Seiten. Außerdem liegt das achtseitige Illustriert« Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Dem G ra fe n Z ep p e l i n mm de gestern durch eine Abord nung derMUnchenerEhrenbürgerbrief überreicht. Unter den e r st e n V 0 r l a g e n für den im Spätherbst zu- sammentretcndcn Reichstag werden sich die N a ch t ra gs- etatö zum Reichshaushaltsetat für ISO9 und sämtliche EinzelctatS befinden. Gegen die Todesstrafe haben sich aus dem interna tionalen medizinischen Kongreß zu Budapest vorgestern die russischen Aerzte ausgesprochen. Rach einem Telegramm aus Tanger erteilte Muley Hafid die formelle Zusicherung, daß Züchtigungen in der von den Konsuln der Mächte beanstandeten Art nicht mehr Vorkommen würden. * Wie aus Athen gemeldet wird, soll die Einberufung der Kammer erst etwa in dreiWochen stattfinden, um den Ministern Zeit zur Vorbereitung der Gesetzvor lagen zu lassen. ISV- Mutmaßliche Witterung «« s. Septamber: Eiidost- »ind, heiter, wärmer, trocken. "Wgii Politische Wochenschau. Die letzte Woche stcnd unter dem Zeichen der Ber liner Zeppelinfahrt für andere Vorgänge hatte man kaum Interesse. Ein politisches Ereignis war es an und für sich nicht, indessen liegt den Sr.wpoWelundgebu.ngen, die dem greisen und unermüdlichen Eilinder zuteil wurden, immerhin ein politisches Moment zngiunde: das stolze Bewußtsein, Laß Deutsch land auf dem Erbiete der Luftsckifftechnik den ersten Rang einnimmt und damit eilte neue arid für dem modernen Krieg Platzangst. l Humoreske von Neorg MMrr-Heinu Der Schnellzug war eben donnernd in die mächtige Halle des Zentralbahnhoses eingclaufen. Kantor Klobers aus Win- genau, einem Dörfchen im Gebirge, hatten bedächtig den Wagen »erlassen und schoben sich im Gedränge der Mitreisenden durch die Bahnsteigsperre, um ihren Lohn, den fleißigen Studiosus der Philosophie zu besuchen und sich von ihm die Großstadt zei gen M lasten. Das Semester war zu Ende. Nach drei Tagen wollten sie gemeinsam zurückkehren ins stille HeimaLaorf. Die Großstadt war Klobers ein Buch mit sieben Siegeln. Gehört und gelesen hatten sie zwar schon viel davon, aber zeitlebens waren sie kaum über die Grenzen Winzenaus, geschweige denn in eine Großstadt gekommen. Mit Reisetaschen, Schachteln und Regenschirmen beladen standen sie in der Bahnhofshalle und hielten Ausschau nach ihrem Paul. Aber von Pau,l war nichts -u sehen, so sehr auch ihre Augen suchten. Wahrscheinlich hat er's verschlafen, meinte Papa Klober ein wenig streng: Sie werden gestern Semesterschluß gefriert haben. Eie wandten sich dem Ausgange zu, um nach der llniversi- tätsstraße zu fragen. Dort sollte Paul etwas unsanft au» den Federn geschüttelt werden. Bei einem Schutzmann mit den glän zenden Droschkenmarken in der Hand waren sie glücklich vor- übergekommen; auch die Gaste der D rnstmänner hatten sie unter vielen: Ach, Sie sind sehr fteandlich, aber wir danken, postiert. Nun standen sie auf dem Bürge: strig vorm Bahnhof, da, wo die Taxen hielten. Der erst« Kutscher nickte fragend, und als Herr Kantor Klober, den ehrerbiet gen Gruß seiner Gemeinde mitglieder gewöhnt, leutselig wieder nickte, da griff er bereits nach Zügel und Tazametcrfäynchen, des Einsteigens der Fahr gäste gewärtig. Doch Klobers trasen gar keine Anstalten da zu. Der Herr Kantor trat rftlmrhr an den Kutfcherbock heran »nd fragte, wie man am schnellsten nach der Universitätsstraße komme. Wenn Sie hier einst eigen! gab der Schlaukopf zur überaus wichtige erstklassige Verteidigungswaffe besitzt, um die man uns allenthalben beneidet Es ist ja zur Genüge lbekannr, wie man sich in England vor der deutschen Invasion fürchtet und daß man sich dort schon av-.gtmolt hat, wie eine ganze Armee mittels Luftschiffen nach England transportiert würde, ohne daß man auf dem Jnselreich in der Lage wäre, dies zu verhindern. Die kraftvolle Ünre-.stiitzung, die dem Grafen Zeppelin durch die gesamte deutsche Nation nach st'nem Unglück bei Gchterdingea zuteil wurde, halte im Ausland liefen Eindruck gemacht und den Beweis erbracht, daß das der tsche Bolt noch immer einmütig zu sammensteht, wenn es gilt, für das Vaterland einzutreten. Auch bei der jüngsten Fahrt tam dieses Gefühl im Jubel der Bevölke rung und dem Interest«, das nian allenthalben an dem Ereignis nahm, deutlich zum Ausdruck. Erfreulich wäre es, wenn man in der Nation eine solche Enmüi.gleit auch bei anderen Ee- legenhene!: zeigen würde, wenn 's sich um das allgemeine Wohl handelt, anstatt sich zu zerftlrnern rnd entgegenzuarbeiten, weil man eine eventuelle Belastung au? andere, Schultern abwälzen möchte. Im großen und ganzen dauert bei uns in Deutschland die politische Stille an und man füllt d': Zeit damit aus, daß man sich zwistlnm den Parteien gel-lustitia einige Liebenswürdigkeiten sagt. Für unseren 19. Reia-ticgswahlkreis allerdings bildet die bcvorstr hendc Lrsai. w ch l den Anlaß zu einem hei ßen Kampf, bei dem es gilt, den Wahlkreis der Sozialdemokratie zu entreißen. Dann tritt die all« Still« wieder ein und auch in der Folgezeit ist ein regeres politisches Leben vorläufig nicht zu erwarten. Es wird sich b.chstens um einen Kleinkampf han deln, der frcii ch mit aller Schorfe durchgeführt werden dürfte. Viel neues dürften dio von riijckicdenen Gruppen abgehaltenen Jahresversammlungen ftium erbringen, auf dem sozial demokratischen Part.uc.ge in Leipzig dürste es zwar etwas heiß zugehen, der Ausgang dürfte aber derselbe sein, wie sonst. Auf d.-in diesjährigen Katholikentage, der in Breslau abge halten wurde, hat man es allerdings auf Las peinlichste ver mieden. politische Themen zu berühren, man beschäftigte sich in der Hauptsache mit religiösen und soziale:- Fragen. Der Um schwung in der R e g i e' u > g sp 0 l it ik sand kein« Erwäh nung Aufsehen hat es dagegen erryot, daß von der Regierung polnische Reden aus dem Katholikentage von vornherein verboten worden waren, weil man vielleicht h er und da er wartete, daß im Hinblick aas die Haltung der Polen bei der Finanzreform ihnen gegenüber p-tz! etwas Milde Platz greifen würde. In dieser Hinsicht hat man sich aber da getäuscht und man hätte sich dies von rornhelc'c sagen mögen, da die Regie Antwort. — Ach nein, mein Bester, wir sind nach der langen Fahrt froh, ein wenig laufen zu können. Zeigen Sie uns nur di« Richtung! Dann finden wir cs schon. — Doch der ent täuschte Rostelenker tat mit einem mal, als hörte er nicht mehr. Und Kantor Klober sah sich kopfschüttelnd genötigt, ein«n Hotel diener, deren wohl zwanzig herumstanden, um Auskunft zu fragen. Run endlxh wußte man Bescheid, uü) man strebt«, über die Straße, nach der anderen Seite des Platzes, zu gelangen. Aber die guten Klobers, die ihr beschauliches Dasein stets im Frieden ihres stillen Dorfes verbracht hatten, ahnten ja nichts von der Geschicklichkeit, die dazu gehört, einen belebten Eroß- stadüplatz zu überschreiten. Gemütlich stiegen sie mhso vom Bürgersteig hinunter auf den Asphalt. An Wen Armen und Händen baumelten lustig die Siebensachen des Provinzlers. Und von den Wagen, die sie in großer An.ahl über den Platz fahren sahen, nahmen sie selbstverständlich an, daß sie» vor ihnen, Kan tor Klobers aus Winzenau, Halt machen würden, wie sie es daheim von jedem Bauer, ja sogar vom Schultheiß, der doch Pferde hatte, gewöhnt waren. Eben hatten sie ein paar Schritte in der Richtung nach dem mächtigen Vaternenpfahl in der Mitte des Platzes getan, als sich Frau Klobe. plötzlich unsanft zurück gehalten fühlt«. Im selben Moment aber sauste ihr eine Auto- moiblldroschko Licht an der Nase 10: über. Herr Kantor Klober, der schon einen Schritt writcrgeaangen war, wär« fast umge- risten worden. Der Wagen chatte nämlich seinen Handkoffer ge streift, und durch die Wucht des Anprall« bekam der Herr Kan tor einen Schlenkrich, so daß er sich schror zweimal um seine eigene Achse drehte. Bestürzt traten die beiden den Rückzug an. Der Straßenkehrer aber, der tie Frau Kantor zum Glück zurückg«risten hatte, gab ihnen gute Lehren und «mahnte sie ernstlich, doch nicht w eder so unvorsichtig z« fein. Man müsse sich erst nach allen Seit«» unrsrhln, ehe man de» Platz über schreite. Nach einigen Sekunden der Erbolung vom Schrecken ver sucht«» Klober» ihr Glück zum zweiten Male. Vorsichtig lugte rung von dem in den letzten 10 Jahren eingenommenen Stand punkt unmöglich abg-hen kannte. Auch auf dem Gebiete der Weltpolitik herrscht erfreu licherweise die Stille vor. Allerdings ist ss verschiedentlich im Auslands etwas lebhafter zu,o, gangen; aus der kretischen Frag« ist nun wirklich eine griechische geworden, wenngleich der im Helle nenlande entstandenen Bewegung ein überwiegend innerpoliti scher Charakter innewohnt. Freilich stehen die Vorgänge im inneren Zusammenhang mit der Entwicklung der Kretafrage, da deren Ausgang eine erneute Verstimmung in Griechenland aus gelöst hat, die sich gegen das Königshaus richtet. Aehnltch wie in anderen Ländern, übciuicge-r auch hier im Offizier korps politische Einslüsse, und so kann es nicht sonderlich wun dernehmen, wenn Las Militär m Athen eine bewaffnete Demon stration veranstaltete, die mit «'nem revolutionären Putsch einv verzweiselte Aehiftichleir halle. Wenn Blutvergießen vermieden würbe, so ist dies oem Einicnken des Königs zu Lanken, der den Meuterern auf ihre Fördert-ugen das weitgehendste Entgegen kommen zeigte. Das Min st-nt-m mußte zurücktreten, um einem anderen, dem Offizierkorps genehmen Platz zu machen und auch sonst wurden nicht bloß in bezug auf die Reorganisation de« Armee recht weitgehende Forderungen gestellt. Es wird zwar Versichert, daß die Bewegung kc nertei antidynastischen Charakter getragen habe, gleichwohl aber liegt auf der Hand, daß in einem Lande, wo sich derartiges abspielt, der Thron bessenklich wackelt. König Georg will zwar -»nsncrren, etber ein Teil der königlichen Prinzei! will unter dem Vorwande eines Urlaubs das ungemütliche Land verlassen, wahrscheinlich auch der vom Oberlommando nicht ganz freiwilligzurückgetretene Kronprinz, gegen den sich die Bewegung nicht in letzter Linie richtet, weil man von seinen Bemühungen, im Osfizierkorps den Geist der Disziplin cinzi xilonzen, nicht sonderlich erbaut ist. Mag es also vorläufig in Athen zu einer Art Waffenstillstand gekommen sein, so steht es doch außer Zweifel, daß die definitive Entscheidung nur vertagt ist und nach welcher Richtung hin diese über kurz oder lang sollen wno, dürfte kaum fraglich sein. — Auf Kreta selbst hat man sich «'Niger maßen beruhigt und scheint gewillt zu sein, sich mit dem Lauf der Dinge abzufinden, so daß d.e Bcsatzungstruppen der fremden Mächte nunmehr zurückgezo gen werden konnten. Eine rollige Lösung der Kretafrage ist aber keineswegs erzielt, auch sie wird binnen kurzem wieder auf tauchen. Eine innere Politik ftt es auch, in der die Donaumonarchie schwebt, ohne daß vorauszusagen wäre, wann man endlich eine befriedigende Lösung finden wird. In Ungarn ist der Kabinetts- der Herr Kantor nach links, ob nicht einmal eine Pause in dem Wagenvcrkehr eintreten möchte. Frau Klober aber richtete ihr ganzes Augenmerk auf den Verkehr zur Rechten. Jetzt schien ihnen das Glück hold zu sein. Für die nächsten Momente war kein Wagen zu erwarten. Mit trippelnden Schritten eilten Klobers wieder auf Len Latcrnenpsahl in der Mitte des Platzes zu. Schon glaubten sie, ihn ganz bestimmt zu erreichen .... da stößt Mama Klober «inen fast markerschütternden Schrei aus und wendet sich jäh zurück, ihren guten Martinus mit Pantomimen und gelinden Rippenstößen zur Umkehr treibend. Vater Klober weiß nicht, wie ihm geschieht. Mit halb offenem Mund und verwirrtem Blick steht er plötzlich Wickler neben der ominösen Droschke auf dem Bürgersteig. Aber, Katharine, so sag doch, was geschah denn . . . . ? Ach Gott, me n lieber Martin, es ist ja schrecklich, barmt die Frau Kantor: Ich hatte doch in der Aufregung meine Hutschachtel mit deinem Nacht hemd darin hier drüben stehen lasten. Sei mir nicht böse! — Der Herr Kantor weiß nicht, ob er eine strenge Amtsmiene oder ein joviales Lächeln anssitzen soll. Endlich entschließt er sich, eine Kreuzung zwischen beiden zu wählen, so daß die arme Mama Klober nicht weiß, wie sie daran ist. Sie hält es für das Beste, mit der Gloriaseide ihres Regenschirmes über die Augen zu fahren. Das stimmt nun wieder dm Herrn Kan tor weich, und vor Rührung räuspert «r sich. Danach rüsten sich Klobers zum dritten Versuch. Sie vergewissern sich erst, ob sie auch alle ihre Gepäckstücke in den Händen halten. Dann riskieren si« mit neuem Mute ihr Heil. Zuerst wittern, sichern und äugen sie nach allen Seiten aus, wie die Hirsche bei Win zenau vorm Hornung. Dann wagen sie cks. Das Glück scheim ihnen günstig zu sein. Nicht das geringste dumpfe Rollen von Rädern auf dem Asphalt ist zu hören. Nur da zur Seite, links ' hinter der Droschke, klappt etwas taktmäßig heran. Aber es hört sich an, wie wenn Franz Joseph«!, dos Schuster» Lehr bub in Winzenau, mit Holzpanaiosfeln im Galopp Über dis Dorfstraße rennt. Es wird also nichts Schlimme» sein. Run >1 also lo! I —üh schmettert'» da nach fünf Schritten den armen Klobers in di« linken Ohren. Und «in prustender Pferde» D