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Nr. IM. Montag» 4. Mai 1914. 9. Jahrgang. Mer Tageblatt MM/»«MSbr für oas vrzseoirge WE xSNÄLfL:- mit -er wöchentlichen Unterhaltunssbellase: /luer Sonntagsblatt. WFWW Mö°st°^"n°°unL'-7.>W: «pr-chssun». ö.r N.üaktion mit ffu-n°hm« ».r s-nn.ag. nachmittag- 4-S Uhr. - T.l,oramm.H0r.ff,, <r°g.biatt Muer,«birg.. r«nN»rmh.r ». w.-° »ehmea -efteUungea entgegen. Kür unvrrlangt rlagesanüte Nlanuskrtpte kann Vrwühr nicht geleistet wer-ea. Manuskript nicht-eutUch lesval st. Diese Nummer umsatzt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Kronprinz Rupprecht von Bayern ist gestern zum Besuche des sächsischen Königshauses in Dres den eingetrosfen.*) * Drei von Saarbrücken nach Metz fliegende deutsche Lustslieger wurden über die französi sche Grenze abgetrieben. * Der deutsch-türkische Handels- und Schiff- sahrtsvertrag Ist auf ein Jahr verlän gert worden. * O Der Waffenstillstand zwischen den kämpfenden Parteien in Mexiko ist in Kraft getreten.*) * In dem russischen Grenzort Bethgola entstand ein Ri es en feuer, dem 52 Gebäude zum Opfer fielen.*) a Amerika wird im Streikrevier von Colorado die Zahl der Bundestruppen vervier fachen; sämtliche Zivilisten im .Stretkgebiete sollen entwaffnet werden. n Mi««» flehe <m anderer Stell«. Die Deäeutung aer äeutschen Lhinainteressen. In den Auseinandersetzungen über unsere aus wärtige Politik, die in der Budgetkommission des Reichs tage» in diesen Tagen stattstrnden, nahm auch die Be sprechung unserer chinesischen Interessen «inen breiten Raum ein. Dabei lenkten die Darlegungen des Unterstaatssekre- tärs die Aufmerksamkeit auf das Fipanzu nter- nehmen, von dem man in dielsen Wochen schon hie und da einiges hatte munkeln hören. Reden der deutsch asiatischen Bank soll nämlich eine zweite Organisa tion in Bildung sein, die Mr eine weitgveifende Be tätigung von Finanz und Industrie im inneren China den Rahmen bieten werde. Die Regierung bringt dieser Neu bildung das regste Interesse entgegen und das deutsche Volk mutz hier in der Tat Erfolg wünschen, wenn es seinen eigenen Vorteil recht versteht. Darüber kann ja gar kein Zweifel sein, datz China, einerlei wie es sich verfassungs rechtlich nun auch weiterentwiickeln wird, auf all!. Fälle in den kommenden Jahren Wachsenden Knlturbedüvfnisse haben wird. Nachdem nun einmal die Eingangspforten in das lange verschlossene Reich der Mitte von allen Seiten erbrochen wurden, kann es höchstens noch einmal gelegent liche Verlangsamung, auf keinen Fall, aber ein Aushören der industriellen und handelspolitischen Erschließung geben. Mit richtigem Mick hat sich vor allem Fsrankrsich und Zn griechischer Quarantäne. Von William L. V^la. Nachdruck v«id-,i«n. Griechenland ist empört über den Boykott, den man in den türkischen Städten über die griechischen Kaufleute verhängt hat, als Revanche für die griechischen Gewalt akte gegen Mohammedaner, und toeil diplomatische -Er örterungen eine langweilige Sache sind, so haben die Griechen kurzerhand die Quarantäne Mr alle Herkomm- Nisse aus der Türkei verschärft, d. h. anstatt fünf Tage mutz man jetzt zehn Tage lang in Quarantäne bleiben. Der Grund hierfür ist ja da, denn mit Anbruch der warmen Jahreszeit hebt auch das hohläugige Gespenst der Cholera in Konstantinopel und manch anderer türkischen Stadt sein Haupt und rasst seine Opfer dahim Wenn die Sache sich auch nur auf die ärmrsten und schmutzigsten Viertel erstreckt, so bietet sie doch die erwünschte Handhabe, um den Der- kehr zu unterbinden und viel« Fremde von den interessanten Stätten der Türkei sernzuhalten, weil die 'meisten eine heilige Scheu vor der griechischen Quarantänestation haben. Damit erreichen die Griechen auch noch das Gute, daß der Fremdenstram statt auf dem Umweg Über das Goldene Horn, zuerst direkt nach Griechenland kommt, be vor er weitergeht, und mehr Geld im Lande bleibt, al» wenn schon die Lockungen türkischer Basare abmagernd auf den Geldbeutel gewirkt haben. -- Es ist früher Morgen, wem» der Dampfer die griechisch. Mste sichtet. Häher und näher kommen die hämischen Felsen, drüben schimmert schon die Mrapolis Herüber, aber jetzt geht es in verlangsamter Fährt beim Haseneingang von Piräus vorüber. Die sehnsüchtigen Blicke in da breite Hafenbecken nützen nichts, denn hoch oben am Mast Rußland auf di>lse Znkunstsaussicht eingerichtet Mit großem Geschick haken d'e Finanz- und Industrie» rtreter dieser Völker sich an einflußreiche chinesische Persönlichkeiten heranzumachen g-noutz", haben auch große finanzielle Opfer für den Augenblick nicht gescheut, um sich am diese Wese für de iAukunft di« besten Konzessionen Mr Eisenbahnbau und industrielle Anlagen aller Artzu sichern. Es nimm diesem Vorteile nichts von ihrem Wert, daß die Franzosen vielfach zunächst die Belgier vorgeschoben haben. In Wirklichkeit steht auch hinter den belgischen Konzessionen überall das russisch-französische Interesse. Wohl haben ja auch wir Deutsche in diesem Jahr zwei ED.-nbahnkon- zessionen auf chinesischem Boden erhalten, die eine auf dem nördlichen User des gelben Flusses, di« Tsinanfu mit der Peking-Hankau-Dahn verbindet. Es ist aber ve schiedent- lich darvushing«wiesen.worden, daß die belgische Konzession der Hai-Lvn-Bahn, die Hauptlinie in west-östlicher Rich tung Mr Nord-China, die Haitschau an der 'Küste mit der Jnnenprovinz Schensi verbindet, von erheblich größerer Be deutung ist. Unsere Eisenbahnen dienen in erster Linie den Interessen von Tsingtau. Die belgische Bahn dagegen gebt auf das Ganze der chinesischen Interessen und über haupt verfolgen die belgischen wie die russisch-französischen Pläne «ine tief eingreifende allgemeine Chinqpolitik, wo wir uns bisher auf unsere engsten lKLsteninteressen be- schänkt haben. Es wäre wirklich gut, wenn Deutschland nun auch aus seiner Zurückhaltung hervorträte. Bei den Chinesen wür den wir mit unseren Plänen gar nicht schwer Eingang finden. Vor den Franzosen und Russen haben die Deutschen und Amerikaner sogar «inen großen Vorteil -voraus: Uns kann nämlich nur an der Erhaltung China» gelegen sein, weil wir es al» NÄsatzmavkit für unsere gewaltige Uebevprvduktion bedürfen; Rußland und Frankreich da gegen sind von der Mandschurei und von HÜnibr-Jndien au» direkte Nachbarn Chinas, Haben deshalb groß. Reibungsfflächen mit ihm und wären letzten Endes an einer Austeilung Chinas interessiert. Es ist also im fernen Orient ein ganz ähnlicher Gegensatz, wie ihn dis Frage nach Schaltung oder Austeilung der asiatischen Türkei im nahen bedeutet. Wenn trotzdem die Chinesen den Russen und Franzosen so weitgehendem Einfluß einräumen, 'o ge schieht es nur aus Not. Sie brauchen Geld, und nehm/.n es, wo sie es kriegen können, geben auch dafür die wich tigsten Zugeständnisse in weitem Umfange her. Deutsch land war aber bisher ohne Grund zu mißtrauisch und ha deshalb von der günstigen Gelegenheit Fuß zu fassen, noch keinen Gebrauch gemacht, Um das innere China dreht sich der Kampf, um die reichen Provinzen, d.-cn Bodenschätze noch ungehoben dalicgen, zu denen Dtretzeu und Eisen bahnen noch gebaut werden sollen, in Lenen eine ganze reiche mode'ne Kul nrvxlt auf jungf äichichrm Beden wäh rend der nächsten Menschenalter zu verrichten sein wird. Da wird es gewaltige Arbeiten, gewaltige Li^'erungsanf- träge geben, da wird manches Millivnengeschäfi abzu schließen sein. Wie dringend nötig wäre es, daß gerade Wir Deutsche auch bei dieser ArLeitsvcrteilung nicht,zu ku-z kämen. L^'ben wir Loch mit unserem zahlreich.» Menschen- Les Zar Niko'nu- flattert die gelbe Choleraflagge, -um Zeichen, daß wir aus dem ver'euch'en Konstantinopel kom men. Nur ein langgegog.'ner Sirenenschrei zeigt der Hafen- brhörde drüben an, daß wir da sind. Ein Stück weiter; Zar Nikolaus stoppt. Ein kurzes Manöver, der Anker rasselt hinunter, die mäch'ige Kette spannt sich, wir liegen beim Leuchtturm zwischen felsigen Inseln still. Unser Reiseziel ist Athen. Aber jetzt heißt es Mr uns, auf der kleinen Insel St. George an Land gehen. Ohne besonderes Ver gnügen klettern wir die SchiWtreppe hinunter in die Scha luppen. Die Damen kreisch.« auf, wenn eine Welle das Boot plötzlich hochhebt und dann wieder in die Tiefe reiß. Aber mit Hilfe der .stützenden Matro^enfäuste sind wir doch endlich alle ohne Unfall auf die Scha^uppenbänke gekom men. Und der knarrende Krahn türmt unsere Bagage in einer zweiten und dritten Schaluppe hoch auf. Jetzt ist alle» fertig I Die Dampfbarkasse der Wgentie spannt sich vor die Kette der aneinandergekoppsften Boote und schlapp uns hinüber zu dem Molo der Quvran'äneinsiel. Mr stehen aus festen Boden. Um uns türmen sich Koffer und Körbe, Hutschachteln und Handtaschen in «wüstem Durcheinander, und Mr stehen dabei wie Schiffbrüchige, die böses Unge fähr -auf umoirtltchen Boden verschlagen hat, und blicken mit geteilten GeMhlen den Schaluppen nach, die schon Meder zurückkehren. Ein letzte» Mal grüßt die Sirene de» Zar Nika lau« herüber. Da sind Mr nun glücklich auf der Insel der Verblich? tigenl Auf dieser Men Insel, in deren NMe die Vor fahren de» Driechenwolk» einst die Perser in Mörderischer Seeschlacht besiegt habeitz führen ihre Epigonen h<uk einen nicht minder erbitterten Krieg gegen d'e g.Mrchtete Cholera. Di« Insel St. George ist nämlich die ungetauft«, allberühmt« Insel SalamisI O diese Cholera! Rich. ein mal die iMrcken oder Bulgaren oder gar die Albanier I materia', mit unseren größeren Bodenschätzen und mit I unserer bewährten Verarbeitungsmethode einen sachlich be- rech igteren Anspruch darauf als Frankreich. Für unsere ganze Volkswirtschaft wäre es vom größten Segen, w^nn die neue deutsch-chinesische FinanMsstllWaft uns wirklich d'e Bahn zu den verlockenden Verdiensten im fernen Osten ebnete. Vsfiziersversorgung in givilberufen (Von unserem Berliner cN - Mitarbeiter). Der Reichstag ist jetzt eifrig auf Fertigstellung de» Reichshaushalts aus. Die Budgeikommission arbeitet mit Feuereifer am Etat des Auswärtigen Amte» und am Heeresetat. Einige größere Kapitel wird mau, um Wieder- ta/ungen zu vermeiden, gar nicht erst in der Kommission, sondern gleich im Plenum durchsprechen. Daneben sollen ckber trotz aller Eile wichtige Nebenfragen nicht zu ku.z kommen. So hat man sich in der Budgetkomimission recht eingehend mit der Frage der Versorgung verabschiedeter OWziere befaßt. Das ist keineswegs Äü o h eine Offiziers frage. Sie hat auch ihre weittragende Bedeutung Mr unseren ganzen Offiziersersatz, Mr unsere Pensionierung». gtundMtze, Mr die Frischerhaltung unserer Truppenjührer, für die Sicherheit unser Naition. Unser wachsen des Heer verlangt immer Mehr LUiziere. Die letzte große Heeresoermehrung hat den Offiziersbedavf so gesteigert, daß eine Zeitlang ernstliche Sorge bestand, ob die genügende Zahl tüchtiger, körperlich und geistig ausreichend vorge bildeter Offiziersaspirvnten zu schaffen sei. Die Sorge war um so größer, als eigentlich zu allen Zeiten Fehlstellen im Offizierkorps vorhanden waren. Gs ist daher beson ders erfreulich, daß in der BudgetkomMWon von verantjroootlicher Stelle mitgeteilt werden konnte, die Fehl stellen seien trotz des erhöhten Offiziersbedarfs sehr zurück gegangen, die Zahl der Fahnenjunker habe stark zugenom- men, die Kriegsschulen seien in der Lage, den dlbgang voll ständig zu decken. Kein Zweifel, daß die durch die Heeres- nermehrung verbesserten Aufvückungsmöglichke'ten dem Offizierko-ps stärkeren Zuzug eingebracht haben! Nun aber Mrd mit Recht schon heute die bange Frage aufgeworfen: wie soll Mr die steigende Zahl ausgedienter Offiziere gesorgt werden? Die Pensionen wesentlich zu erhöhen, liegt — leider — außerhalb der finanziellen Mög lichkeit. Der Pensionsetat in Heer und Marine stellt heute bereits eine Belastung der Steuerkräfte dar, die stark empfunden Mrd. Und doch weiß jedermann, daß dir heutigen Pensionen Mr in Ehren verabschiedete Offiziere bei den gestiegenen Kosten der LsbeneMhrung nicht aus reichend sind Zum mindesten gift das von den Pensionen, die vcrbältn'smäßig früh ve-absschledeten Offizier (Haupt leuten,. Majoren, Obersten) gezahlt werden. Im JMa-csse der FelMcnstfähigk.'it des OWzierkorxs ha' man diese Männer im besten Lebensalter pensionieren Müssen, ohne ihnen ausreichende Mittel zur Erhaltung ihrer Familie ge währen zu können. Das praktische Leben kennt unzählige Fälle heimlichen Leide», schwere- Ontbchrungen, bitterer En sagungen gerade in solchen Familien pensionierter Offi- hassen die Griechen io intensiv wie die Cholera. Ist sie doch imstande, den .goldstih enden Fremdenstrom von Hellas Gestaden fernzuhalten, wenn es ihr gelänge, sich da einzu nisten, und damit würden die Griechen, inbesondere di« Athener, eine enorme Einnahmequelle verlieren. Diesen Tribut Europas wollen sich aber die geschäftstüchtig.n Griechen auf keinen Fall schmälern lassen, und deshalb dir Quanantänestation auf der Insel St. George, deren per- schärfte Maßnahmen nicht nur die Seuche fe-nhalten, son dern auch die Türken nach Kväs'en ärgern sollen. Weh, dem F'emdlina, der diesen Maßnahmen zum Opfer fällt do- dort in Quarantäne gesetzt Mrd! Die alte sparta nische Einfachheit muß ein Luxus gewesen sein gegenüber diesen Einrichtungen. Ws e.sier kommt ein verdächtig aus- sHender Kerl Mit einem Blechtornister und einem Sch'auch daran, der sämtftche Gepäckstücke mit Mchdphenie bespritzt, da» hübsche Flecke hinterläßt. Notabene gilt das nur Mr di« bevorzugten Passagiere der ersten und zwei en Klasse; die Bagage der ZMschcNdeckpassagiere wande/t in den großen Desinfektionsofen, der da in einer Art Schuppen steht. Damit sind die sanitären Maßnahmen erledigt. Bei einem Schalter bekommt dann jeder einzelne einen Schein, auf dem Name und Tag und Stunde der Ankunft steht, und dann — mag ein jeder -uschen, wie und wo er sich die nächsten zehn Tage einrichtet. Kein Mensch kümmert sich mehr um einen . Aber deshalb ist doch «in Entweichen ausgeschlossen, denn da» einzige Boot, das dem Restaurateur gehört, ist an einem Platz angeschlossen, dm in weitem Umkreis «in eisernes Gitter umgibt. Mr sehen einer den andern am Ma» nun? Ein paar Kerle in schmierigen Uniformen und mit langen, vorsin'flutlichen Bajonett«» — es sind Polizisten! lungern herum. Ich rufe «inen an. Er versteht natür lich nur griechisch, wie denn überhaupt «ff de: ganzen In«