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Dr. 41. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. In der Zabernkommission de» Reichstage» ließ der Reichskanzler die Erklärung abgeben, daß die Regierung nicht sachlich an den Ar beiten teil netz men tverde, sondern nur zu Auf- klärungung bereit sei. * Die Zweite Kammer de» reichsländischen Land tage» bewilligte di« Repräsentationskosten de» StatttzalterS unter dem Vorbehalt, daß der künftige Statthalter 100000 Mark weni. ger « »hält. Der Gesetzentwurf gegen die Gefährdung der Ju gend Lurch Zurschaustellung unsittlicher Schriften und Abbildungen ist dem Reichstage zuge gangen. Dt«"Vst«rreichtsch.ungarische Regierung hat bom Auswanderungssenat «inen Entwurf zur Kün digung de» Poolvertrages erhalten, sie soll dadurch für die zukünftig« Regelung der AuSwande- rerfrag« metzr Bewegungsfreiheit erhal ten.*) In ^Sofia beginnt heut« vor einem besonderen StaatSgerichtStzof der grotze Bestechung». Prozeß, in dem di« früheren Minister Sawow und Genadiew di« Hauptangeklagten sind. -1 SÜHNE« n«h« an andern EteN« Heimlicher Warenhanäel. roo In den Tagen, wo eine Neuregelung des Hausierer- gewerbeS im Reichstage zur Debatte steht, verdient auch eine Art des WarentzandelS Erwähnung, die durch ihre weite Verbreitung ein schwerer Mißstand für den Klein handel geworden ist, der Warenhandel oder die Waren vermittelung durch Nicht gewerbetreibende. Es han delt sich dabei um eine Art von Warenvermittelung, die durchaus gang und gäbe ist. Irgend jemand übernimmt zu seiner sonstigen Berufstätigeit den Vertrieb von Waren irgendwelcher Firmen; am bekanntesten ist der nebenberufliche Verschleiß von Zigarren und Lebens- Mitteln. Doch geht di« heimliche Warenvermittelung noch weit darüber hinaus, sie erstreckt sich auf zahl reiche Warengattungen von Nahrung»- unk Venutznrtt- teln, Textilerzeugnissen, Nähmaschinen, Büchern ufw. Sie erfordert kein Betriebskapital, bringt kein Risiko mit sich, arbeitet mit Schleuderpreisen und gefährdet so aufs Schwerste den gewerblichen Kleinhandel. Tie Süd Donnerstag» 19. Zebruar 1914. westdeutsch« Wirtschaftszeitung bringt dazu folgende be achtenswerte Ausführungen r Die heimlichen Warenver- Mittler haben weder Geschäftsunkosten wie Miete, Beleuchtung, Gehälter, noch zahlen sie Abgaben an Staat und Gemeinde oder Beiträge an die Handels und Gewerbekammern. Sie sind der Kontrolle der Ge- werbe- und Wohlfahrtspolizei entzogen, ebenso der Be- aufsichtigung durch di« BerufSgenossenschaften. Das Nahrungsmtttelgesetz von 1879 und die folgenden Gesetze über dl« einzelnen Nahrungsmittel kommen auf diesen Warenhandel nicht zur Anwendung. Die zahlreichen Margarinevergiftungen in der letzten Zelt beweisen, daß da- Margarinegesetz Wohl für den Kleinhandel besteh , ihm gesonderte Verkaufsräume ufw. vorschreibt, nicht aber für den heimlichen Warenhandel. Die heimliche Warenvermittelung ist mit den Einnahmen au» ihrem Gewerbebetrieb kaum zur Einkommensteuer heranz i- ziehen, während andererseits die Steuerkrast der Hauptsteuerzahler durch diese Konkurrenz erheblich her- abgemindert wird? da» gilt ganz besonder» in den Ge meinden. Neben den mannigfachen öffentlichen Ab- gaben der Gewerbetreibenden entzieht sich dpr Waßdnverj- mtttler nameMich der Entrichtung der Gewerbe- steuer; da» ist für di« Gemeinden von umso größerer Bedeutung, al- dies« bekanntlich die Gewerbesteuer zum Ausgleich ibre» Etat» heranziehen. Nach alledem ist «- verständlich, daß der Kletichandel der Angelegenheit di» größt« vedeutung Leimessen mutz. Der Nutzen, den diese Art der Warenbeschaffung für den einzelnen Käu fer hat, ist allerdings nicht sehr hoch anzuschlagen. Jin Gegenteil, «in solcher Bezug von waren stiftet häufig mehr Schaden al» Nutzen. Einmal werden di« Leu«' veranlaßt, mehr zu kaufen, al» ihrem Bedürfnis entk spricht, und ferner sind sie geneigt, Dinge zu kaufen, für die ihnen häufig da» nötige Verständnis fehtt. Aber die Frage nach dem Werte der heimlichen Warenvermit telung für den WirtschastSbetrieb des einzelnen Käu fer» hat grundsätzlich jeder für sich zu entscheiden. Für den Kletichandel kommt es lediglich auf die Tatsache an, daß eine ungleichartige Behandlung des offenen und heimlichen WarentzandelS durch den Staat stattfindet, und daß er mit guten Gründen die Beseitigung dieser Un rechtmäßigkeit verlangen kann. Nach der gegenwärtigen Rechtslage mutz auf Grund des Paragraph 14 Absatz 1 der Gewerbeordnung derjenige, der den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, der zustän digen Behörde davon Anzeige machen. Die Rechtspre chung hat da» Borliegen «ine» Gewerbes im Sinn« der Gewerbeordnung von den beiden Voraussetzungen der Regelmäßigkeit de» Betriebes und der Gewinnerzielung in ihm abhänglich gemacht. Liegen dies« beiden Momente vor, so ist der heimlich« Warenhandel schon jetzt anmeldepflichtig, und in dielen Fällen wird ein« Abstellung der Beschwerden in erster Linie Wohl durch eine strengere Anwendung der gesetzlichen Anmeldepflicht erzielt Werden können. Dadurch würde der heimliche Wa renhandel, insoweit er sich schon nach der geltendes 9. Jahrgang. Rechtslage al» gewerbsmäßiger Handel darstellt, zur Beobachtung der Vorschriften der Gewerbeordnung ge zwungen. Bon berufener Seite Wird daher verlangt, daß eine schärfere polizeiliche Kontrolle üb« allo Personen und Gesellschaften zu üben sei, die ge werbsmäßige Warenvermtttelungen übernehmen, na mentlich, wenn di« Warenvermittelung sich in Etagen oder Wohnräumen absptelt. Ob e» richtig ist, ein« Be seitigung oder Milderung de» Vielbeklagten Mißstand«» dadurch zu erreichen, daß man für die Erlaubnis zum nicht gewerbsmäßigen warenetnkauf die Erhebung ein« Gtempelgebühr vorsieht oder daß man üb«haupt jede Art der Warenvermittelung zum Zwecke de» GewirP nes anmeldungSpflichttg macht, soll hier nicht weiter untersucht werden. Jedenfalls aber mutz da» Bestreben dahin geh.n, daß jeder Art de» heimlichen Warerchäw- dels, und sei sie noch so unbedeutend, ihre bevorzugte Stellung genommen wird. Zn diesem Sinne hat sich auch d.e Kleinhandelskommtssion de» Deutschen Handels tage» kürzlich ausgesprochen. Aeme volle Sonntagsruhe! (Don unserem Berliner cW Mitarbeit«). An der Reichetagskommission, die den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Sonntagsruhe zu beraten hat, ist mit Beerdigung der Generaldebatte die Entscheidung darüber gefallen, daß vorläufig keine volle Sonntagsruhe im Handelsgewerbe ei «geführt werden soll. Mit 17 gegen 11 Kimmen fiel der hierauf gerichtete Antrag der Sozial demokratie. Die in der Kommission unterlegene Minder heit würde im Plenum de» Reichstage» noch geringer sein, weil dort die Einspänner der Nationalltberalen (Mar quardt), der Konservativen (Behren» und Mumm) und de« Zentrums (Graf v. Posadowsky) von ihren großen Fra-k- tionen ganz verlassen sein würden. Tatsächlich find auch die Zustände in Deutschland gegenwärtig noch nicht Lazu angetan, völlige Sonntagsruhe durchzuführen. Die Handelsangestellten, die sie einmütig und dringlich fordern und dabei auf England verweisen, vergessen ganz, daß in England auch allgemein für Industrie und Gewerbe der frei« Son nabend nachmittag durchgeführt ist. Er ist die notwendige Voraussetzung der vollen Sonntagsruhe für die breiten Massen des Volkes. Nur wenn die breiten Schichten der Arbeiter und Handwerker Gelegenheit halben, am freien Sonnabendnachmittag ihre Einkaustbedürfnisse zu befriedigen, ist der volle Ladenschluß am Sonntag mög lich. Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß in Deutsch land heute überhaupt noch kein Fortschritt auf dem Weg« der Einschränkung der Sonntagsarbeit möglich wäre! Am Gegenteil, die Vorlage der Verbündeten Regierungen be- weißt ja, daß man vom heutigen fünfstündigen Sonntags verkauf auf den dreistündigen glaubt übergehen zu können. Das heißt, die d r eistündige Verkaufszeit soll die reichs gesetzlich erlaubt« Höchstdauer der Sonntagsavbeit be zeichnen. Den Gemeinden und Aufsichtsbehörden soll es aber gestattet sein, unter diese Höchstgrenze herabzugehen . V . . . abends um neun di« Elbe hinunter. Aber Käppön Kla*. I Sievers sich rasch entschloß, den Ausschank zu schlichen den bohm liebte da« jetzige Wetter gang und gar nicht. Teufel was konnte da passieren! Um zehn Uhr saßem sie noch immer beim Grog. Die Littrflasche Jamaika zeigt; schon Grund. Kkppen Klarbohm hatte einen weg, äugte verliebt nach Jule Sievers hinüber, di« breit und stattlich mit sauber gescheitelten, Haar hinter der Tonbank saß und an einem mächtigen Strumpf strickte. Sie lachte über dm alten Jung gesellen, der es istch in den Kopf gesetzt hatte, Uber kurz oder lang den klapprigen Dampfer zu verkaufen, um auf Lebens zeit Lei ihr vor Anker zu gehen. Sie wir durchaus nicht abgeneigt Käppen Klarbohm hatte «in; ausgedehnte Freundschaft, di« ein« gute Kundschaft abgegeben hätte. Er trank freilich «in bihchen reichlich. Aber schließlich >— wo ist «in Kapitän an der Wasserkante, der vor ein«r Rum flasche Reißaus nimmt? Um elf Uhr schlief Käppen Klar bohm «in, Nüte Penn, der Steuermann, trank noch zwei Grogs und ging dann wieder einmal auf den Ausguck. Der Himmel war flar geworden, ein« tüchtig; Brise au» Nord- west hatte allen Nebel au» dem Hafen herausgefegt. Wir können losmachen! schrie er seinem Käppen in» Ohr. Kapitän Klarbohm wurde wach und rieb sich die Augen. Aber «, war gleich im Bild«. Venn man los! knurr'« er, stand auf und schminkt« mit stark«» Schlagsett: zur Tonbank! Mach' deinen Kasim man zu. Aul», und komm' mit an Bord! In Kuxhasen setzrn wir dich wieder an Land! Und er langte mit der Hand über d-e Tonbank, gab ihr «inen sachten Stoß gegen dir wetchüberpolsterten Rippen und plierte ihr verliebt in die Augen. Du bist wohl nicht klar! rief Jul« und piekte ihn mit einer Strick- n'del, du bist wob* mall! Na, denn nicht. Denn Adieu, Jule. Nute Penn nahm .seinen Käppen unterm Arm. Aber da Nüte Penn selber mit Grogdämpftn hinttrm Schädel Kapitän unterm Arm zu fassen, um ihn sich« an Bord zu bringen. Das ist die Liebe, das ist die Liebe, gröhlte Käppen Klarbohm. Es war schwer« Arbeit, aber es ging. Die frisch; Nachtlust machte ihn ein wenig nüchtern und so kam er leidlich anständig über den Landsteg auf den Dampfer und mit einig« Anstrengung auch auf die Kom mandobrücke. Di« beiden Mattosen und der Schiffsjunge — gang nüchtern schienen die drei auch nicht mehr zu sein — machten da» Schiff los. Der Kapitän stand oben am Nrd. Sein« rote Nase glühte mir eine Laterne durch di« Nacht. Aber er gab mit erstaunlicher Sicherheit seine Sig nal«. Der Anker ging hoch, die Schraube schlug auf da» Wasser «in, langsam kam di« Sidonie Klarbohm ab. Wenn da» man gut geht, dachte Juli« Sievers sorgenvoll und sah dem Dsmpfer nach, d« vorsichtig seinen Kur» durch den stillen Hafen suchte. Sie ging «rst weg, al» da» Loplicht der Stdoni« Klarbohm in der Nacht verschwunden war. Kapitän Klarbohm bugsiert« seinen Dampfer glücklich zum Hafen hinaus, was schaden ihm fünfzehn Gla» Grog? Den Weg zum Hafen hinau» fand er, und wenn « schl-fend am Rad stand! Nun schwamm di« Sidonie Klarbohm im breit«, Fahrwasser zwischen Altona und Vevelgönnr. Der Himmel war klar und blank von Sternen. Die Leucht feuer an den Ufern, di« Lichter auf den Sänden und auf den Feuerschiffen machten ihre glühenden Augen «elt auf und zeichneten di« Fahrstraße in wunderschöner Deutlichkeit. E, war still auf der Elbe. Ein schwach« Wind fang um Mast und Schornstein. Weit vor der Sidonie Klarbohm schwamm «in schwarz« Koloß, au» breiten Schornsteinen mächtig qualmend, den Strom hinab. Mit einem Mal« wurdr dem Kapitän Klarbohm schlecht, verdammt noch mal! Gr legtt sich weit über die Kommandobrücke und brüllt«: Steu«rmannl Steuermann! Nüte Penn torkelte Die Siranciunß äer Siäonie Alarbohm. Skizze von Kurt KAchler (Hamburg). lNachdniS „riotin) Aus dem schwappenden Mass« de» Hamburger Hafens stieg der Nebel in die graue und nasse Lust. Di« Masten und Schornsteine standen im Dunst wi« formlose Schatten. Di« grünen Fährdampfer tuteten, ein Lgeanries« forderte mit imponierend 'M Gebrüll frei« Bahn. Ts «ar ein scheuß liches Wett«. Weiß Gott im Grogkeller von Jul« Sie- ver» am Stubbenhuk war» gemütlicher, al» auf d«n Kai» und im Hefen. Die Kohlen knackten im Ofen, auf der Ofen platte sang der blanke Grogkessel, daß e» «in« Art hatte, und e» roch so schön nach Rum, daß Scharlt Klarbohm Kapitän de» Frachtdampfer» Sidonie Klarbohm, und sein Steuermann Nüte Penn, di« auf dem Ledevsofa neben dem Ofen hockten und einen Grog nach dem andern hinunter spülten, nur ungern alle -albe Stunde die Nas, zur Lür h«au»st«ckten, um nach dem Wett« zu sehen. Die dick», mollige Jul, Sievers, di« vor achtzehn Jahren ihr-n Mann begraben hatte und seitdem ihren Schankkram besser in Ordnuni hatte, al» je zuvor, hatte genug zu tun, um da» W-sser für di« durstigen Kehlen warm zu hal'en. Dämmt! knurrte Nüte Penn, der dösige Steuermann, e» Aart und klart nicht aus! Da» ist all' «in»! meint« Käppen Klar bohm, goß da» dampfend« Gla» Li» an den Rand voll Ja maika und verstaute seinen umfangreichen Körper mit ve- Hagen in di« Sofaeck«. Di« Sidonie Klarbohm, so getauft nach Tante Sidonie KlaiLohm, die da» Geld für de« alten Kasten tzergegeben hatte, mit dem Käppen Klarbohm seit Gott weiß wie lang« ein«n Frachtdienst zwischen Hamburg und Rotterdam be- — . —— trieb, lag draußen am Baumwall unter Dampf. Sie sollteI zu kämpfen hatte, so schwankten Leide derart, daß Jule