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Freitag, SS. J«N. 4 IiiOmI 4000 »««tti »mmttü Rr. 167. Fünfter Jahrgang. und /Anzeiger kür das Erzgebirge sluer Tageblatt veranlwortlicher Redakteur^ rri, Rnideia. Für die Inserate verantwortlich: waltti' Nrare. Leide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Red-Var», mit Ausnahme der Sonntag« nachmittag» von 4—» Uhr. — Lelegramm-Adreff«: Tageblatt Au«. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag: Marr vniL- «. vtkliigr-tleljschelt m. b. H. in Au« i. Lrzaeb. Vezugrpreir: Durch unsere Boten frei in» ksau» monatlich ro pfg. 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M » r i Auf der S o m er s e t»O st - M in e in Johannesburg fand eine schwere Explosion statt. 13 Eingeborene er lagen den giftigen Gasen, während 13 Europäer und 70 Eingeborene verletzt wurden. Bei der Explosion einer Kanone auf dem Fort Mourae in Virginien infolge eines vorzeitig losge- gaugenenSchusses wurden lOArtilleristenge- tötet und 5 verletzt. Ueber die Lage in Konstantinopel verlautet, daß die Massenverhaftungen von Politikern täglich fortdauern und daß die Gefängnisse bereits über füllt sind. ftWd. !...< .. -lt- ! * " ' In Hamadan (Persien) sind großeUnruhen ausgebrochen. Muschteid Scheich ist ermordet worden. IM»- Mutmaßliche Witterung am 23. Juli: Südwestwind, veränderlich, wärmer, zeitweise Niederschlag, Gewitter. -WH Bor vierzig Jahren. Rur tapfere Völler halben eine wirkliche Geschichte. In den großen Prüfungsstunden des Völkerlebens sehen wir, wie die krie gerischen Tugenden das Entscheidende sind. — Die Wahrheit die ser Morte Treitschkes bringt uns die Erinnerung an die Juli tage vor nunmehr vierzig Jahren ins Bewußtsein: den kriegeri schen Tugenden unseres Volkes danken wir, daß aus der Begeiste rung jener Julitage die stattliche deutsche Einheit als bleiben ¬ der Siegespreis hervorging. Als bleibender Siegespreis aber nur solange, ass wir uns die nationale Einheit, die uns die kriegerischen Tugenden unseres Volkes errungen haben, Lurch die selben Tugenden erhalten und sichern. Nur wenn wir ein tapfe res Volk bleiben, tapfer wie die Helden von 1870, werden wir die Errungenschaften aus der ruhmreichen Zeit vor vierzig Jahren behaupten können. Es frommt uns heute, vor Augen zu führen, um danach unser ferneres Schaffen und Wirken einzurichten, was im Kriege vor vier Jahrzehnten und gerade in den entscheidenden Anfangskämpfen vermöge der kriegerischen Tugenden unseres Vol kes geleistet werden konnte, vermöge der unvergleichlichen Schlag fertigkeit und Manneszucht unseres Heeres. Hätten wir damals weniger an militärischer Tüchtigkeit und Sieghaftigkeit einzu setzen gehabt, wie leicht wäre dann der Lauf der Dinge ein ganz anderer geworden! Wie heute hatten wir vor 4V Jahren Feinde ringsum, die, von dem Gedanken erfüllt, dqs Preußen von 1866 zu zerschmettern und damit die deutsche Einigung zu hindern, erwartungsvoll dem Kampfesbeginn zuschauten, um an dem Kriege gegenunsteilzunehmen, wenn schwere deutsche Mißerfolge in den ersten Tagen Lazu ermutigt hätten. Unwiderleglich sicht fest, daß Frankreich Jahre vorher schon zum Kriege entschlossen gewesen war und dabei auf das Eingreifen anderer Mächte zählte, das sogar in vollständigen Feld zugsplänen vereinbart worden war. Daher ist es von durch schlagender Bedeutung gewesen, daß wir in der richtigen Einsicht der drehenden Gefahr den Krieg bis in die Einzelheiten vorbe reitet hatten und schließlich ungleich schneller schlagfertig wurden, als Frankreich, dergestalt, daß wir den Sieg von vornherein an unsere Fahnen zu fesseln vermochten. » Wenn die ersten Schlachten die endgiltige Entscheidung zwei felhaft gelaßen hätten: wie anders hätte es werden Ünnen! Wer weiß, ob dann nicht Napoleons Rechnung, in die andere Mächte als am Kriege für Frankreich mitwirkende Faktoren ein gestellt waren, gestimmt hätte! Daß die ersten deutschen Schläge durchweg gleich so wuchtig auf den Feind hernieder fielen, da^s erst hat die Neigung im Keime erstickt, den Franzosen zu helfen, unmittelbar oder mittelbar, mit dem Schwerte oder mit der Diplomatenfeder. Weißenburg, Wörth, Spichern, Gravelotte und Sedan zerrißen völlig die insgeheim zu vor gesponnenen Netze und erteilten allerwärts die empfindliche Warnung, die Finger fernzuhalten und nicht ins Feuer zu blasen, weil die Gefahr dabei drohte, sich selbst zu verbrennen. Hieraus die Lehre zu nehmen, daß wir auf höch ster Höhe der Me h r - fähigkeit und Schlagfertigkeit, im Vollbesitz der kriegerischen Tugenden, die wir ohne Gleichen vor 40 Jahren be wahrt haben, bleiben müßen, tut uns auch heute not. Oäerint, ckuw motuaut! Mögen sie uns haßen, wenn sie uns nur fürch - ! ten! Das gilt im Juli 1910 wie im Juli 1870: so lange wir so stark sind, daß man uns fürchten muß, dürfen wir getrost in dis Zukunft schauen, dürfen wir der Zuversicht leben, daß uns gesichert bleibt, was vor vierzig Jahren erkämpft worden ist. Nur die jederzeit lückenlose Rüstung des Reiches ist die Gewähr unse rer nationalen Machtstellung und Größe. Und nur solange wir uns auf die ei geneKraftallein verlassen können, auf die kriegerischen Tugenden unseres Volkes, die unsere militärische Ueberlegenheit begründen, werden wir auf Freunde und Bundes genoßen zu zählen haben. Sonst nur auf Neider und Feinde ringsum! Dies wollen wir vornehmlich aus der erhebenden Er innerung an die Julitage von 1870 festhalten: zu Tat und Sieg befähigt zu bleiben gleich unserem Heere, das mit Kaiser Wil helm vor vier Jahrzehnten unser nationales Dasein erkämpft hat, erfüllt von Begeisterung und Heldenmut für König und Volk, start im Glauben an unseres Volkes Zukunft, beseelt von Treue, Pflicht und Gehorsam Lis zum Tode, im Auge den Feind, Deutschlands Ehrs im Herzen. Wenn die unüberwindlichen sittlichen Kräfte, wie sie in Kaiser Wilhelm, seinen Staatsmännern und Feldher ren, seinen Offizieren und Soldaten mächtig waren vor 40 Jah ren von Sieg zu Sieg ohne Unterlaß geführt haben, in uns und unseren Nachkommen lebendig fortwirken, dann werden wir unserer Väter wert und würdig bleiben und ihr Vermächtnis er füllen, dann wird nimmer das Merk der Helden von 1870 zer fallen können. Dunkle Geschichten auf einem sächsischen Rittergut Das Schöffengericht inBautzen hatte sich am Mittwoch und gestern mit einer Affäre zu beschäftigen, die in gewißen Einzel heiten an die Allensteiner Tragödie erinnert. Am 28. Februar 1910 unternahm der Administrator v. Begofffsky des sächsischen Ritterguts Milkel, das sich im Besitz der Sandbank Ber lin befindet, mit dem Inspektor des Gutes Kurt Rabe in der Umgebung von Milkel eine Wagenfahrt. Auf dieser Fahrt ver unglückte v. Bergoffsky tödlich. Der Inspektor gab an, daß sich das Gewehr durch ungeschickte Hantierung entladen und der Schuß Bergoffsky in den Kopf getroffen habe. Es wurde nach die sem Vorfall eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet, und deren Ergebnis war, daß der Administrator nicht, wie einige Stim men behaupteten, einem Mord zum Opfer gefallen war. Ueber diese Vorzüge berichtete das Bautzener TageLlatt am 1. März 1910 in sachlicher Weise. Kurze Zeit darauf erschien jedoch in der Zei tung ein aus Milkel eingehendes Gedicht, in dem Zweifel an den Feststellungen der Staatsanwaltschaft in drastischer Meise aus Jn -er Hurrdeklinik. 1 Eine Studie von Edela Rüst. Nachdruck verboten. Da sitzen sie herum, die Minner und Frauen, meistens den ärmeren Ständen angehörig, und im Arm oder ihnen zu Füßen liegen ihre kranken Lieblinge und warten auf den Professor. So verschiedenartig die Menschen, so verschiedenartig die Tiere, fast ausschließlich Hunde. Selten nur verirrt sich eine Katze oder ein Vogel in diese Räume. Aber die Hunde! Vom Neufundländer bis zum minimalsten Schoßhund sind sie vertreten. Mit klugen Augen sehen sie sich um und machen eingehendste Betrachtungen über ihr r Leidensgenoßen. Und diese geselligen Tiere, die ängst lich an der Leine gehalten werden, damit sie ja nicht mit des Nachbar? bösen Leiden in Berührung kommen, machen hier kaum den Versuch, sich einander zu nähern. Es lastet auf allen die Schwere des Augenblick». Sie fühlen, es soll mit ihnen etwas geschehen. Die klinischen scharfen Gerüche, die aus dem Opera tionszimmer dringen, sind ihnen ein Verräter drohender Gefahr. Und wenn das arme Opfer neLenan unter dem Messer brüllt, dann suchen sie ängstlich das Auge ihres Herrn, wenn sie noch Neulinge find. Andere brüten dumpf vor sich hin, sie wißen schon, daß es kein Entrinnen gibt. Manche sitzen auch stramm aufrecht wie ein tapferer Soldat, der sich sagt: Krieg ist nicht immer Tod I und der ein lustiges Liebel pfeift, um sich die Furcht zu nehmen. Hin und wieder steht ein Korb mit einer Decke zu gedeckt, die den kleinen zusammengeballten, zuckenden Körper ver rät, dem hier nach wochenlangem Siechtum endlich Erlösung winkt: das Gift! Solch armer Märtyrer, der meistens schon nicht mehr gehen und stehen kann, hat auch schon jede Wahrnehmung der Außenwelt verloren. Er hat die Staupe oder die schwerste Räutn, einen dieser Leiden Würger, die unter den getreuen Men schenfreunden reiche Ernte halten. Und reife Männer sitzen vor solchem Korbe mit gefalteten Händen und träumenden Augen. Fragt man fie, so erzählen sie mit zuckendem Munde die Geschichte dieses kleinen Lebens, das mit dem ihren eng verwachsen war, Mir können e§s nicht mehr mitansehen, wir wollen es ihm kurz machen. Blicke und eine arbeitsharte Hand streicheln zärtlich über den kleinen Freund. Frauen geben sich ihrem Schmerz noch mehr hin. Sie halten das Tuch vor die Augen und schluchzen still vor sich hin, bis sic abgerufen werden, ihren Liebling zum letzten Ende zu geleiten. Nahe der Tür sitzt eine den beßeren Ständen angehörende Frau, ein braunes Wachtelhündchen auf dem Schoß, ein munteres Tierchen, das sich mit blanken AUgen nach einer Dame in Trauer umguckt. Seine Herrin duckt ihn gleich wieder nieder. „Was fehlt dem Tierchen?" fragt die Dame und versucht sich sein Köpf chen wieder zuzuzwenden. „Gar nichts!" sagt die junge Frau barsch. Ihr Gesicht ist bleich und sein Aufdruck starr und hart. Einer der jungen Aerzte, im weißen Kittel, mit dem Notizblock in der Hand, tritt ins Wartezimmer und geht von einem Korb zum anderen. „Der Hund soll vergiftet werden? Warum?" — „Staupe!" „Und dieser?" — ,/Staupe!" Er tritt zu der jun gen Frau: „Sie wollen den Hund auch vergiften lassen?" War um'^" — „Er bellt soviel. Wir haben soviel Schererei, es wird uns überall gekündigt." Der junge Arzt hat das Zimmer ver laßen? Weil Sie Unannehmlichkeiten haben? Ein gesundes, fideles Tierchen? Das ist ja über alle Maßen grausam! Kön nen Sie es ihm denn nicht abgewöhuen?" fragte die Dame in Trauer voller Entsetzen. „Er ist zwei Jahre alt, das geht nicht mehr. Mr Haden aus zwei Wohnungen heraus gemußt, und jetzt droht man uns schon wieder mit Kündigung." Das Hünd chen setzt« seine Vorderpfoten auf da» KUie der Dame, schnupperte und reckte die kleine Schnauze hoch, als wolle es betteln und Küßchen geben, und sein Blick bat: Hilf mir doch! Auch die Hinterbeinen setzten sich langsam in Bewegung, er wollte ganz zu der Dame hinüber. Sie streichelte ihn und redete mit ihm in seiner Sprache, die er deutlich genug verstand. ,M«nn Sie jemand wüßten, bet dem der Hund es gut hätte, dann würden Sie ihn doch hingeben?" — „Nein!" — „Ein reiches, kinderloses Ehe paar, das im Vorort seine Villa bewohnt, sucht ein Hündchen. Er ist ein so niedlicher Kerl, sie würden ihn sofort nehmen. Da dürfte er bellen, soviel er wollte. Ich will Ihnen die Mdresse geben, wollen Sie ihn hinbringen?" — „Nein! Niemand be kommt ihn — er wird vergiftet!" — Haben Sie ihn aufgezogen?" — »Ja, von ganz klein auf — er war unser Kind." Zwei dicke Tränm rannen über das weiße, starre Gesicht. Die Hoffnung regte sich in der Fremden: „Würden Sie denn Ihr Kind eher hüben töten laßen, als es in andere Hände zu geben, wenn Sie vor die Wahl gestellt wären?" „Mein Kind hätte niemand lebend bekommen!" „Auch nicht, wenn es zu seinem Glück gewesen wäre?" „Das sagen die Fremden immer: zu seinem Glück! Was heißt denn Las?" „In diesem Falle, daß Las Tier das große Los zieht, wenn es m die Villa kommt, wo es sich im schönen Garten austollen kann. Es wird auf seidenen Kißen schlafen, gehätschelt werden, uiü> alle Leckerbißen, die ein Hundeseelchen sich nur aus denken kann, werden Hm zu allen Tageszeiten serviert werden. Er wird gehalten werden wie der verstorbene Terrier: al» Kind im Hause! Kommen Sie, wir fahren gleich zusammen hinaus." — „Bemühen Sie sich nicht — ich laße den Hund niD aus den Händen!" — „Aber dem Tod liefern SH ihn aus?" — „Ja — dann kann ich ihn selbst begraben — dann weiß ich, wo er ist und daß ihm kein Leid mehr geschieht!" „Ihm soll ja kefn Leid geschehen, er soll sich doch nur seine» Leben» freuen." — „So laßen Sie mich doch diese paar Minuten noch mit Hm allein!" Die Dame in Trauer stand auf und strich dem lieben brau nen Kerlchen noch einmal über die seidigen Ohren. Er sah sie traurig an und leckte ihren Handschuh. Die Dam« ging in di« Anlagen hinaus, fie konnte diese Frau mit dem steinernen Her zen, das doch ayf seine Art liebte, nicht mehr ertragen. And wäh rend fie, auf das Rezept für ihren Collie wartend, auf und nie der ging, fand sie auf einer Bank eine jung« blonde Frau, die einen prächtigen Wolfsspitz herzte und dabei wild schluchzte. Er sprang ihr in toller Freude bi» zum Kopf dessen volle» Haar der Wind arg zaust« — ein liebe», hübsches Gesicht mit Men blauen Augen, die, obgleich sie »oller Tränen standen, di« Sonne und Lebenslust darin nicht verleugnen konnten. „Ist das Tier so