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und Anzeiger für das Erzgebirge ocianiwortlicher Redoklcnr ,z' ritz R r II st o l d. Hir die )iiscratc verantwortlich i A r t st u r Unpser. beide in Anc. »7Üt der wöchentlichen Ilnterhcrltungsbeilane: Illustriertes Sofuüagsblntt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausuastine der Sonntage nachmittags von r—5, llstr. TelegranmvAdrcs«: Tageblatt Rue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kanu Gcwäbr nicht geleistet werden. I>ruck und Verlag Gebrüder Leutstner lZnst.: Paul Bcutstiier) in Aue. Bezugspreis: vurch unsere Loten frei ins Laus monatlich so psg. Bei der Geschäftsstelle abgcstolt monatlich ,c> plg. und wdchentlich >v psg. — Lei der Post bestell» und selbst abgehol« vierteljäkrluti ,.->n Mk — r>nrch oen Lriefträger frei ins Haus vierteljährlich ;.g2 Mk. — Einzelne Uummer in'psg — Hcuilchc: Postz, ngs kataloa — Lrstl'clnt täglich in den Mittagsstunden, mit Ansnakme von Sonn, und .tseiei lagen. Aunastme von Anzeigen bis spätestens g'/r Ustr vormittags ^ür Riisuulptic von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. ) u sc r t > o n s p re is : Vie slebeugespalteue Aorpuszeile oder deren Raum »o psg , Reklamen 25 psg. Bei größeren Ansträgeu entspieä-endcr Rabatt. Dresc Nrrnrnrev «»»ferfzt (» Sc!teil Das Wichtige vom Tage. Der Ches der Reichskanzlei und Bismarck und jrühere llntcrstaatssekretär im Reichsamt des Innern von Rothen burg. Kurator der llniversität Bonn ist gestern gestor den. In cvangclisch e n Bergardeiterkreiscn Ist die Gründung eines nationalen V e r g a r b e i t c r v e r b a n d e s ge plant. Verhandlungen haben schon stattgesunden. Durch ein vom Pariser Amtsblatt heute verösscntlichtes Dekret wird die Institution der M a r i n e p s a r r e r in in Frankreich abgeschasst. ) Näheres sirbe unten. sächsische Pfennigpolitit. Just zur selbigen Zeit, als im Zirkus Busch in Berlin die andächtig versammelte Gemeinde der Agrarier sich in ur wüchsigster Weise über den Flcischnotrummel belustigte, den die bösen Liberalen «»gezettelt haben, z» dieser selbigen Zeit kam der Königlich Sächsischen Regierung ein köstlicher Gedanke, wie man die Fleischnot im Land der Rautenkrone mit hundert- sältigem Erfolg bekämpfen könne. Leider dünkt dieser Ge danke aber nur der Regierung köstlich. In Wirklichkeit sieht er recht klein und unbedeutend aus. Die Regierung hat wieder einmal eins der besten bekannten kleinen Mittelchen ersunden, die den Vorzug haben, dasi sic gewöhnlich nichts taugen. Das Königliche Ministerium des Innern hat, wie wir mitteilten, in einer Verordnung an die Krcishauptmannschasten daraus aus merksam gemacht, das; bei einzelnen Schlachthösen zum Teil nicht unbeträchtliche Ueberschüsse erzielt werden. Dieser Um stand hat Exzellenz von Hohcnthal bewogen, Erwägungen da rüber anzuregcn, ob und inwieweit in solchen Fällen etwa die Gebühren für die Benutzung der Schlachthoseinrichtungen herab gesetzt werden könnten, da auch hierdurch in gewissem Mähe zur Minderung der Fleischprcise beigetragen werden könne. Man sollte glauben, im Sächsischen Ministerium des In nein sei man sich über die Ursachen und wirtschastlichen Wir kungen der Flcischteuerung heute noch nicht klar. Von agrarischer Seite geht man allerdings damit krebsen, daß durch die Gebühren der Schlachthöfe das Fleisch wesentlich verteuert werde, von einem S t a a t s m i n i st e - rium sollte man aber billig erwarten diirsen, das; es den Bleistift zur Hand nimmt und nachrechnet, wie hoch sich in Wirklichkeit diese Gebühren stellen. Das Königliche Ministe rium würde dann mit Hilsc der elementarsten Rechenkunst sin- den, das; die Schlacht- und Beschaugebühren zusammen auf das Pfund nur einzelne Pfennige betragen. In Leipzig z. B. betragen nach einer Berechnung der Leip ziger Abendpost die Schlacht-, Brüh- und Beschaugebühren nach dem Haushaltsplan für li>07 bei einer angenommenen Schlacht- hossrcquenz von insgesamt ,'1-MOOO Schlachtungen, 670 500 Mk. (einschließlich 2500 Mk. für Polizeischlachtgebührenj. Bei einem Stand von durchschnittlich 100 000 Schweineschlachtungen be ziffern sich die Gebühren pro Schlachtung aus nur 2,5V Mk. — -175 000 Mk. im Jahr. Berechnet man nun das Gewicht eines Schweines mit durchschnittlich 150 Psund, so beträgt der durch die Schlachthosgebühren bedingte Ausschlag aus das Psund Schweinefleisch «inundzweidrittel Psennige. Eine solche Schlachthofanlage ersetzt aber einem Fleischer ein Privatschlachthaus und mit ihren vollkommenen Einrich tung verbilligt sie das Schlachten. Natürlich kostet eine solche Anlage der Kommune Hunderttausende, die verzinst und amortisiert werden müssen. Dazu treten Gehälter und Löhne der Beamten und Angestellten. Der Leipziger Schlachthos (ab gesehen vom Viehhos und von der Eesamtanstalt) erfordert allein sür Besoldungen, Pensionen und Löhne 177-105 Mk. 57 Psg. Dazu kommen Schuldentilgung und Verzinsung des An lagekapitals usw. mit 2841)78 Mk. Olt Psg. Insgesamt gibt die Stadt Leipzig für Unterhaltung und Betrieb des städtischen Schlachthofes jährlich 88-1-107 Mk. 22 Psg. aus, was gegenüber der Einnahme nach dem Etat für l!>07 ein Mehr an Ausgaben von 6042 Mk. und 22 Psg. ergibt. In den einundzweidrittel Pfennig Schlachthoszuschlag aus das Pfund Schweinefleisch sind aber nicht allein die Schlacht gebühren, sondern auch die Gebühren der gesetzlich vorgeschrie- bcncn Untersuchung einbegrifsen. Die Untersuchungen, die im gesundheitlichen Interesse unerläßlich sind, erjordern den größ ten Teil der Pcrsonalausgaben eines Schlachthoses. Aber die Hauptsache kommt noch: Die Regierung sollte doch selbst wissen, das; cs den Kommunen verboten ist, aus ihren Schlachthösen Gewinne zu erzielen, so daß höhere Gebühren gar nicht er hoben werden dürfen, als zur Verzinsung und Tilgung der An- lagelosten, zur Unterhaltung des Betriebes, zur Instandhaltung der Gebäude und Einrichtungen und zur Schajsung der erforder lichen Verbesserungen notwendig sind. Zu diesm Zwecke und zu nichts anderen unterliegen die Gebührensätze doch auch der Ge nehmigung der Aussichtsbehörde und der Betrieb und die Finanzgebahrung unterstehen der staatlichen Kontrolle. Hiernach ergibt sich ganz von selbst, was in Wirtli ch leit von der Behauptung zu halten ist, daß bei einzelnen Schlachthösen zum Teil nicht unbeträchtliche Ueberschüsse erzielt werden . . . Wir glauben trotz der Ueberzeugung eines Hohen Ministeriums des Innern an diese Ueberschüsse nicht, weil wir den Rats- und Stadtverordneteft-Kollegien nicht Zutrauen, das; sie rechtswidrige Verschleierung treiben, um durch Hochhaltung der Gebühren Ueberschüsse zu erzielen. Wir vermeinen aber auch schon deshalb an die zum Teil nicht unbeträchtlichen Ueber schiisse nicht glauben zu dürfen, weil wir doch wohl annehmcn müssen, daß die staatlichen Aussichtsbehörden ihre Kontrolle g e wijsenhast ausüben. Ist das Königliche Ministerium des Innern darüber vielleicht anderer Meinung? Es scheint so. Im übrigen ist es nicht ohne eine gewisse tiefere Bedeu tung, daß das Sächsische Ministerium des Innern sich ungeprüft agrarische Behauptungen zu eigen macht, die nur bezwecken, die Fleischteuerung den Städten selbst in die Schuhe zu schie ben. Aber gesetzt den Fall, man würde wirklich die Schlacht- hosgcbühren derart ermäßigen, daß dadurch vielleicht ein Zehn- telpsennig pro Pfund weniger erhoben werden könnte, glaubt man denn in der Dresdener Ministerkanzlei, daß dadurch tatsächlich zur Milderung der Fleischnot beigetragen wer den kann? Es gehört dazu ein gewaltiger Glaube, der über unsere und auch Uber die Kraft eines Ministers geht. Uns er scheint der Erlaß des Sächsischen Ministeriums widersinnig und im Effekt nur geeignet, den Agrariern Wasser auf ihre Mühlen zu leiten, also zur Hochhaltung der Flrischprrise bei- zutragen. Die sächsischen Stadtgemeinden haben alle Ursache, gegen einen Erlaß mit Entschiedenheit zu protestieren, der wie eine Verhöhnung der kommunalen Verwaltung und auchderKon- sumenten klingt. Das Sächsische Ministerium hat damit nur bewiesen, von welchen falschen Gesichtspunkten aus es die Fleischteuerung und ihre Ursachen beurteilt. Politische Tagesschau. Aue, 15. Februar l!X'7 Die Asrikareisc des Kolonialdirektors. Wie schon berichtet wurde, hat der stellvertretende Kolonial direktor Dernbnrg mehrere Großindustrielle ein geladen, ihn aus seiner Reise nach den afrikanischen Kolonien, die er nach Erledigung des Kolonialetats anzutreten gedenkt, zu begleiten. Zu diesen Vertretern der Industrie gehört Kommer zienrat Heinrich Otto in Stuttgart, Besitzer der großen Spinne reien in Reichenbach. Plochingen usw. Dieser hatte schon vor einigen Wochen gelegentlich einer Wahlversammlung in Reichen bach die Mitteilung gemacht, daß er beabsichtige, demnächst nach Ostafrika zu reisen, um sich an Ort und Stelle über die Aussich ten des Bauinwollba u c s zu unterrichten und, wie er hinzu- jügte, vielleicht ein zweites Reichenbach d. h. ein größeres baum wollindustrielles Unternehmen in Deutsch-Oslafrika zu gründen. Kommerzienrat Otto lies; sich dann auch dem Kolonialdirektor Dernbnrg gelegentlich seiner Anwesenheit in Stuttgart vor stellen: hierbei dürfte wohl der Reiseplan des näheren besprochen worden sein. Die Reise wird noch in d i e s e m F r ll h j a h r an getreten werden, sich voraussichtlich aus drei bis vier Monate erstrecken und besonders dem Studium der Ausdehnungsmöglich keit des Baumwoll-Anbaues, der V e r k e h r s s r a g e n und der A rbeiter v erhültni s s e gewidmet sein. Die Aeußerungen des Kommerzienrats Otto in der Reichenbacher Versammlung lassen den Schluß zu. daß die württcmbergische Baumwoll-In dustrie nicht abgeneigt ist, an Ort und Stelle der Verarbeitung der in Deutsch-Ostafrika gewonnenen Baumwolle näher zu treten. WMieUtt Pensen. Zu des Dichters 70. Geburtstag, 15. Februar Von Dr. P. Reichel. Siebzigste Geburtstage gehören schon im Leben bei gewöhn lichen Sterblichen zu den Ereignissen, die man durch eine be sondere Feier auszuzeichncn pflegt, selbst wenn des biederen Voß gemütr illc Idylle, deren Genuß uns aus der Schulbank ver mittelt wurde, nicht als klassisches Muster dafür dastünde. Wie viel mehr aber, wenn cs sich um einen Helden im Reiche der Geister, um einen Dichter von der Musen Gnaden handelt, selbst wenn er, wie Wilhelm Icnsc n, nicht zu denen gehört, die um die Gunst der Menge buhlen und daher dem Durchschnitts publikum nur wenig bekannt sind. Wilhelm Jensen ist und bleibt trotzdem der s r u ch t b a r st c, u n e r s ch ö p s l i ch st c unter den lebenden deutschen Dichtern, er gehört auch zu den glän zendsten Vertretern der deutschen Dichtkunst. Und gerade deshalb erscheint es als eine nationale Pflicht, an solchem Tage die Augen der breiten Schichten unseres Volkes aus den schlich ten Mann zu lenken, der. unbekümmert um der Parteien Gunst und Haß, im Dienste der Musen den Weg schreitet, den er für den besten hält. Wilhelm Jensen, dessen Vater Landvogt aus der Insel Sylt war, ist ein Sohn unserer nordischen Heimat: Er wurde am 15. Februar 1887 zu Heiligenhafen in Holstein geboren und besuchte die Gymnasien in Kiel und Lübeck (Katharineum). In Lübeck trat zu seiner alten Freundin, der Liebe zur Natur, eine neue: seine Begeisterung für die Geschichte, und aus beiden bil deten sich die Grundlagen seines gesamten späteren dichterischen Schassens. In Kiel, Würzburg, Jena und Breslau widmete sich der Jüngling dem Studium der Medizin, jedoch ohne inneren Trieb, weshalb er schließlich das Studium aufgab und im Jahre 1860 sich die philosophische Doktorwürde erwarb. Nun aber be- gan für den aufrichtig Streben eine Zett inneren Zwiespal te,: der Dichter in ihm war noch nicht zu völliger Reife gediehen, und infolgedessen fehlte es nicht an Widrigkeiten und Demüti gungen aller Art, die ihm die Engherzigkeit der Mitmenschen be reitete. Da nahm sich der edle Emanuel Geibel des ehr lich Kämpfenden an und zog ihn nach München. Hier lebte Jen sen zwei Jahre in engem Verkehr mit den bekannten Künstler- und Dichtcrkreisen uno entwickelte sich zu vollendeter Meister schaft. Mehrfache Ausflüge nach den reizvollen Umgebungen des Chiemsees wirkten ungemein klärend auf des Dichters künst lerische Anschauung. Im Jahre 1805 nahm Jensen seinen Wohn sitz in Stuttgart, wo er später die Schwäbische Volkszeitung redi gierte. Dann (180!)) kehrte er in seine engere Heimat zurück und nahm seinen Wohnsitz in Flensburg, wo er die Redaktion der Norddeutschen Zeitung führte, welche die Einheitsidee erfolgreich vertrat. Auch des Dichters Privntvcrhältnisse hatten sich inzwischen aus das glücklichste gestaltet. Im Jahre 1805 hatte er Marie Brühl, der Tochter des Wiener Literaturhisto rikers Dr. Bühl, die Hand zum Lebensbunde gereicht, und aus diesem Bunde entquollen dem Dichter so reine edle Freuden, daß man in ihnen unbedenklich das wunderbare Geheimnis seines poetischen Schassens sehen kann. Es war ein geradezu einzig artiges, ideales Verhältnis, das der freisinnige Dichter da knüpfte und das seinen verklärenden Schimmer aus dessen ganzes künftiges Wirken warf. Freilich war die Wanderzeit noch nicht vorüber. Im Jahre 1872 siedelte Jensen nach Kiel über, und seit dem Sommer 1870 lebte er in Freiburg i. Br. Im Jahre 1888 wandte er sich nach Bayern, wo er im Winter seinen Wohnsitz in München, im Sommer in Prien an seinem geliebten Chiemsee hatte. Als Dichter — Jensen ist vorwiegend Epiker — ist der nunmehr Siebzigjährige stets seinen eigeneä Weg gegangen, und die trotzige Friesennatur hat sich auch in dem Poeten nicht ver leugnen können. Darum liebt er die Einsamkeit und singt von sich: Nicht braucht' ich je mich zu verhüllen Vor Scham, daß Hohlheit mit gelobt: Nie hat der Masse wildes Brüllen Mit Beifallsjubel mich umtobt. Man hat mir nicht wie Komödianten Die Lorbeern fuderwei» geschickt, Und auch der Teetisch alter Tanten Hat keinen Lobsprnch mir gestrickt. Als einem völlig Unbekannten Erließen mir ihr Tribunal Die großen Dichtungs-Rhadamanten: *) Auch hielt mein Rock sein Knopfloch kahl. Mich kläffen wacker an die Hunde; Doch sonst ward mir kein Ehrenpreis, Nur dann und wann aus gutem Munde Ein Freundeswort. So war's und sei's. Diese Geradheit, verbunden mit der in seinen Werken un- ncrhüllt zum Ausdruck kommenden Tendenz ist der Grund, warum Jensen nicht zu den Autoren gehört, denen die Ge genwart meist kritiklos zujubelt. Sie liebt eben keine selbst- und zielbewußten Charaktere, am wenigsten solche, die sich scheuen, sich dem Tagesgötzen zu beugen. Jensen ist ein ourch und durch liberaler deutscher Mann und kämpft gegen die Un natur des Gesellschafts-Sklaventums, g^gen Blasiertheit und hohlköpsigen Hochmut, gegen Standesüberhebung und Bureau- kratendüntel, kurz, gegen die zahllosen lächerlichen und krank haften Auswüchse des modernes» Lebens. Dabei vertritt er energisch die Hacke l'sche Weltanschauung und geht in seiner Begeisterung für die Natur und alles Natürliche so weit, daß er, was natürlich ist, nicht nur begreiflich, sondern auch entschuldbar findet, selbst wenn er gegen die herrschende Alltagsmoral zu verstoßen scheint. Daß ein solcher Dichter nicht mit dem hergebrachten Mahstabe gemessen werden darf, liegt auf der Hand: Talent und Genie pflegen eben ihre eigenen Pfade zu gehen, die gewöhnlichen Staubgebornen in der Regel unwegsam, ja, gefährlich erscheinen. Von den zahlreichen Werken des Dichters, in denen sein Wesen am kräftigsten zum Ausdruck kommt, seien folgende ge nannt: Aus den Tagen der Hansa, Der Hohenstaufen Ausgang, Luv und lee, Runensteine, Sehnsucht, sowie der Gedichtband *) Rhadamantos war ein Richter in der Unterwelt, also Kritiker.