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Mittwoch, 6. Februar 1»07. U Aüü Rr. 31. Zweiter Jahrgang. fluer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge l)e,a»tworllicher Bedafteur: Fritz Arnhold. Für di« Inserate verantwortlich: Arthur Küpser beide i» Aue. mit der wöchentliche» Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonnlagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von —8 Uhr. — Telegrannn-Adref«: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandtc Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Panl Beuthner) in Anc. ve - ngsprris: Durch unsere Loten frei ins Haus monatlich so Psg. 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VolkSparlci, 21 Reichöparteiler, 20 Polen, >5 Wirtschaft liche Vereinigung, 12 Freis. Verrinignug, 10 Fraktionslose, K Bund der Landwirte, 7 Deutsche Volkspartei, 7 Elsässer, 5 Deut- -äie Reformvartei, 1 Welse und I Däne. * In Berlin brachte gestern Abend die Menge dem Kaiser und dem R e i ch s k a nz 1 e r H n 1 d i g u n g e n dar. Beide hielten Ansprachen. * * In Elberfeld kam cs beim Bekanntwcrden des Wah - resnltatS zn einem Strastcnka m v s, mehrere S ch n tz - lcute wurden ucrwundct. * Näheres siehe unten. Die neue Reichstagsmehrheit. In sehr kategorischem Ton hat der Reichskanzler die Frage verneint, ob eine Aenderung des ReichStagSwahlrcchteS seitens der verbündeten Regierungen geplant ist. Beinahe gekränkt scheint Fürst Bülow von der angeblichen Unterstellung, die uns an sich schon vcstellte Arbeit schien, um den Regierungsparteien noch einen letzten Trumpf vor der Stichwahl in die Hand zu geben. Das Reichstagswahlrecht — wer sollte nur daran denke» eS zu andern! Rnn, kategorischen Erklärungen der RcichSregicrung ge genüber ist man gerade skeptisch geworden, und die Rolle, die der Reichskanzler in den legten Wochen gespielt hat, will uns gar nicht mehr recht gefallen. Ob wir nun von Ratnr etwas mist- irauischer sind, oder aber ob die Anzeichen, aus denen wir unsere Schlüsse ziehen, wirklich unsererseits nn richtigen Sinne gedeutet werden, — die Zukunst wirds ja zeigen! Dass es dem Fürsten Bülow bei der Reichslagsanslosung ausschliestlich »m die Erzwingung einer konservativen Mehrheit zu tun war, taü sicht man heute auch iu den liber alen Kreisen bereits ein, die erst voller Ovlimisniiis waren. Der deutsche Reichskanzler ist keineswegs liberal, wenn er sich auch manchmal so gebcrdct, sondern er gehört seiner politischen Ueber- zeugung nach zu den Beuten um .stardorff. Das hat inan 0 f t gesehen. Und nun hat derKanzler bei seinem Gewaltstreich sehr diplomatisch operiert, um den Konservativen den nötigen Zuwachs zu sichern. Der nationale Gedanke" wurde in den Vordergrund gestellt, und die Liberalen durch den angeblichen Vernichtungs kamps gegen das Zentrum geschickt mobilisiert. Das; cS der Re- gierung in Wirklichkeit um einen solchen .stampf g a r n icht zu tun ivar, das hat sie schon lange gezeigt, insbesondere dadurch, dass die Regierung im .stampfe gegen die Sozialdemokratie, die jetzt das Bad austrinken must, nun auch das Zent r u m aus den Plan ruft. Wäre die Zentrumspartei unterlegen, so hätte die Regierung wahrscheinlich nichts dagegen gehabt, vorausgesetzt, das; die Konservativen oder doch die Reichsliberaleu gut abge- schniltcn hätten. Aber nachdem das Zentrum in der alten An zahl wieder in den neuen Reichstag einzieht, stellt man sich mit dieser Mehrheit wieder aus einen möglichst guten Fuß Fürst Bülow ist eben ein Praktiker, Ob das Zentrum nun daraus ein geht, das ist natürlich eine andere Frage, doch wird um deS lieben Friedens willen das Kriegsbeil voraussichtlich bald begraben. Damit hat aber die Regierung eigentlich e r st r e ch t erreicht, was sie wollte. Die Konservativen k.hren v e r st ärkI in den Reichstag zurück, das Zentrum, das in seinem Innern ja doch auch dem konservativ-agrarischen Gedanken nicht ferne steht, ver stärkt mit den Rechl-slibe>alcn, und iveun der Liberalismus auch einen kleinen Zuwachs erfahren hat, so ist ec mit der sehr ge schwächten Sozialdemokratie nickp imstande, eine scharfe Oppo sition zn niachen. Was nun speziell die Frage der Wahlrc ch t S- änderung anlangi, io wird freilich das Zentrum vorerst für derartige Wünsche der .stouservativen und der Reichspartci nicht zu haben sein Aber man weist nie so recht im voraus, w i e sich die Dinge entwickeln, und mit den sogenannten Kompensationen ist schon so viel Handel gel .iebcn worden, dost man schon einiges für möglich halten kann Ganz abgesehen aber von der Frage einer eventuellen Wahlrechtsäudcrung; die neue Reichslagsmehrhcit wird in allen Steuer- und Z 0 lIsragen reaktionär sein. Denn mag das Zentrum auch in allen Wehr- und .stolonialsragen sich in die Opposition begeben, wenn cs sich um Agrarzölle und St en erfrag en handelt, dann ist es so gut reaktionär, wie die vommerschen Funker, lind da hat dann die Reaktion ein recht angenehmes Arbeiten; sie tut einfach, was sie m a g. Die Handvoll Linksliberaler und das Häuslein Sozialdemokraten kom men gar nicht mehr in Betracht. Wer also zahlt in dieser Richtung wenigstens die .stoffen der Reichstagsauslösung? Nus gefällt die Geschichte gar nicht mehr, und sehr viele liberale Blätter, die Anfangs über die Erfolge des Blocks ein wenig aus dem Häuschen geraten waren, ändern sich bereits recht sch war zsch er i sch, obwohl das bekanntlich verboten ist. DieLache des g e s u n d e n F 0 r t s chr i tIs hat an dem Ausfall der Wahl keincn Tcil. Und darum sehen wir der Zukunft nicht inil besonderen, Optimismus entgegen. — Vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus hätte die Wahl gar nicht schlechter aussallen können! Politische Tagesschau. Aue, 6. Februar >907. König Eduard in Paris. Nur naive Gemüter können glauben, daß die unerwartete stiesse des .stönigs von England mil der Sehnsucht zusannncu- hänge, sich in der schönen Leiuesladt ein wenig von den An strengungen der Regiernngsgeschüfte zu erholen. Seitdem der frühere Prinz von Wales den britischen Königsthron bestiegen hat, reist er ledigli ch in 0) e s ch äste n oder höchstens, zur Er holung seiner Gesundheit. Aber trotzdem zerbrach mau sich in Pariser politisch-'» Kreisen den Kops darüber, welchen prakti sch e n Zweck König Eduard mit seiner Anwesenheit in Paris eigentlich verbinde. Run meldet der gestrige Ganlois, das; cs aus schliestlich der Kirchenkonslikt war, der den englischen König veranlasste, nach Frankreich zu fahren, und das genannte Blatt begründet seine Ansicht mit folgenden ganz plausibel klingenden Informationen: König Eduard konnte sich der Befürchtung nicht erwehren, dass der Vatikan, im Falle eines offenen Bruches mit der französischen Regierung Frankreich das Protektorat über die Katholiken, im Oriente e nizi e h e u und an Deutschland übertragen werde. Dies will jedoch der Monarch um jeden Preis vcrhinde r n , und deshalb entsandte er kürzlich den Führer der englischen Katholiken, den Herzog von Norfolk, nach Rom, um den heiligen Stuhl zinn Nachgeben zu bewegen. König Eduard selbst aber reiste nach Paris um persönlich auf die sranzönscheu Machthaber zur Mästiguug einzuwirken. In der Tat wäre der letzte überaus e u t g e g e n k 0 m 1» ende Vorschlag des Vatikans aus die Initiative Eduards zurückzuführen und auch der französische Staat scheint — wenigstens nach dem Zirkular des UnIerrichtsministerS anznnehmeu — eine Aussöhnung mit der röhmischen Kurie auzustreben. — Wir haben keine Ursache, diese Informationen irgendwie anzuzweifeln, denn sie zeigen uns den englischen König in dem uns wohlbekannten Lichte des Deut schenhasser s. Japan und Amerika. Es wird nicht so heiß gegessen, wie cs gekocht ist! Die Wahrheit dieses alten deutschen Sprichwortes bewährt sich wieder einmal bei dein amerikanisch-japanischen Konflikte, denn so voll auch die Jingo-Presse den Mund uiinmt, die Kanonen werden wegen des kalifornischen SchulstreiteS sicher nicht loSgchcn. Das heisst: vorläufig nicht, denn dass Bruder Jonatän und der kleine Japs mit einander einmal die Klingen kreuzen werden, ist t 0 tsicher, aber der Zeitpunkt für diesen Waffengang ist noch nicht gekommen. Vor allem sind die japanischen Finanzen so schlecht gestellt, das, dem Mikado das Nötigste zuin Kriegführen fehlt, nämlich Geld. Eine neue Anleihe wird aber Japan nir- gcnS geborgt erhalten, denn cs. liegt wahrlich nicht im Interesse Europas, den Japanern die Möglichkeit zu bieten, nunmehr auch über Amerika hcrzufalleu. Für die gründliche Schwächung der militärischen Position Rustlands sind die europäischen Grobmächte dem Reiche der ausgehenden Sonne dankbar, aber eine Abschlach- tung Uncle Sanis würde das Prestige der Meisten in Ost-Asien auf das Bedenklichste erschüttern und den Japanern einen Gebiets zuwachs verschaffen, der sie zur dominierenden Grosstnacht im Ge biete des stillen Ozcans machte. Denn daß Nordamerika den Kürzeren ziehen würde, ist unschwer vorauSzusehen, weil seine Kriegsflotte in den Gewässern des stillen Ozeans der japanischen absolut nicht gewachsen ist. Ebenso wenig befinden sich die Phi- lippinnen und Hawaii in einem vcrteidignngssähigcn Zustande. Die Schlucht von Preukisch-Cylan. 18V7 — 7. und 8. Februar — 1907. Von Dr. Herm. Blank. (Nachdruck verboten.) Aus Preußens schweren Tagen zu Beginn des vorigen Jahr hunderts erzählt auch jene Episode, die wir als die Schlacht von Preußisch-Eylau bezeichnen. Hunder Jahre sind nunmehr seit dem Tage jener Schlacht verflossen und doch spricht die Vergan genheit mit lauter Stimme, denn sie bringt nicht nur geschicht liche Erinnerung, sondern auch Leben und Nutzanwendung. Die zweite Hältfe des ersten Monats des Jahres 1907 hatte den Kriegsschauplatz, aus dem die französischen Truppen als Akteure auftraten, im wesentlichen nach Ostpreußen verlegt. Mit einer gewissen, von russischer Seite wohl zu verstehenden Absicht, waren die preußischen Lande und das westliche Polen zum Kriegsschauplatz auoersehen worden: man wollte die Kriegs furie den russischen Stammlanden möglichst weil vom Leibe hal ten. Und Preußen, dessen Wasfenbriiderschast nnl dem östlichen Nachbar noch garnicht einmal recht warm geworden war, und außerdem durch die furchtbaren Schläge, die es erlitten, ohn mächtig am Voden lag, mußte von der Hand zu allem, was der Allierte sagte und tat, Ja und Amen sagen. Die peinliche Situation, der erst noch die wackeren Männer oer Befreiungs tage erwachsen sollen, verlangte das unumwunden. In unschein barer, kaum hervortretender Stellung hatte «s neben dem Russen zu marschieren und für diesen gewissermaßen die Kasta nien aus dem Feuer zu holen. So spreizte sich Rußland nach Kräften in der Rolle des gesuchten Freundes, Helfers, Be schützers und Erretters. Den Oberbefehl über dte gesamte Armee hatte denn auch Zar Alexander von Rußland dem kränklichen sechsundfiebzigjährtgen Feldmarschall Kaminsr 0 t zuerst über tragen. Nach dessen rasch erfolgtem Tode ging ote Kommando gewalt an den General Bennigsen über. Dieser war wohl persönlich ein tapferer Mann, seine militärischen Fähigkeiten werden aber von den Zeitgenossen als ziemlich minderwertig ge schildert. Es lag etwas Unlustiges in seiner ganzen Art der Kriegssührung. Waren auch die Truppen von gutem Geist beseelt, so schei terten dennoch alle ihre Anstrengungen an der mehr als min derwertigen Leitung. Zu einem offenen Kampfe mit dem Feinde wollte es durchaus und durchum nicht kommen. Ein offensichtliches Hinziehen gab dem ganzen letdlosen Hin und Her Charakter und Signatur. Endlich am 7. Februar 1807 — also morgen vor hundert Jahren — riskierte es Bennigsen dennoch, dem Feinde bet Preußisch-Eylau die Stirn zu bieten. Preußisch- Eylau liegt in Ostpreußen und zwar im heutigen Regierungsbe zirk Königsberg. Die im Jahre 1336 von dem Deutschordens ritter Arnolf von Eilen st ein gegründete Stadt, war also gewissermaßen eine Deckung der preußischen Hauptstadt Königs berg. Und hier, dicht hinter Eylau, bei Schloditten-Ser- pullen kam es zwischen den Gegnern zu den ersten die eigent liche Schlacht eröffnenden Zusammenstößen. Es war zu der Ent scheidung, der man aus jede mögliche und unmögliche Art hatte aus dem Wege gehen wollen, gekommen. Uno daß diese Ent scheidung keine nachdrücklichere geworden, lag in erster Linie an den schweren taktischen Fehlern der russischen Kriegssührung. Russen und Preußen zusammen zählten eine Truppenmacht von rund 66 000 Mann!* Napoleon verfügte über ca. 80 000 Sol daten. Eylau selbst war der Preis des Kampfes, wenn auch eigentlich Truppen gar nicht in der Stadt standen. Zähe wiesen die Russen in langem und heftigem Kampfe einundeinhalben Tag lang die Angriffe der Franzosen zurück. Die Stadt ward von den Franzosen erobert, wieder dann vyn den Russen genom men und fiel schließlich wiederum in die Hände der Franzosen. Am Mittag des zweiten Tages war die Kraft der Russen so gut wie erschöpft. Da aber kam der Retter in der Not in der Gestalt von 6000 Preußen unter der Führung Lestocq's, die immer Meilen lang auf verschneiten Wegen hatten marschieren müssen. Allein die wackeren Preußen hatten alle Widrigkeiten des bösen Februartages energisch überwunden. Die Preußen brannten förmlich vor Kampfesfreude. Mit einem Ungestüm, der alle Strapazen des Kampfes vergessen ließ, warfen sie sich aus den Gegner und entrissen ihm mit heldenhaftem Mut alle die Vorteile, die er bereits errungen hatte. Und die Position wurde denn auch nach Kräften ausgenützt. So waren die Preußen zu E r r e t te r n der russischen Trup pen geworden. Denn zu einem eigentlichen Kamps kam es nun nicht mehr.' Dazu waren beide Teile viel zu erschöpft. Den rich tigen Steg konnte sichkeiner zuschreiben. Wohl deckten 40 900 Soldaten den preußischen Boden, teils als Tote, teils als Verletzte. Es war wieder einmal viel Blut geflossen, wenn auch nicht ganz umsonst. Allein einen moralischen Erfolg zeitigte der Tag von Eylau dennoch: Napoleon hatte einsehen gelernt, daß es auch mit seiner Unwiderstehlichkeit nichts Dauern des war. Da griff er zur Diplomatie, indem er versuchte, mit dem Preußenköntg einen Separatfrieden zu schließen. Zu solcher Htntertreppenpolittk war jedoch Friedrich Wilhelm HI. viel zu gerade und ehrlich: er gab dem Korsen die verdiente Ab weisung. So kam es, daß Napoleon vor Eylau auch tn puncto der Diplomatie mit feistem Latein zu Ende war. Den Abzug der russischen-preußtschen Truppen suchte Na poleon nicht zu hindern. Die beiden Heere suchten bald daraus ihre Winterquartiere auf und verharrten in diesen. Und zwar hatten sich die Verbündeten nordöstlich der Passarge, die Fran zosen südwestlich von diesem Flusse eingerichtet. So war es den Verbündeten gelungen, den übermütigen Feind, wenn auch nicht zu besiegen, so doch tn Schach zu halten. Und doch war es damals etn schlechtes Verbundetsein für die Preußen mit den Russen. Ein namhafter preußischer Historiker berichtet über jene Episode des damaligen Krieges: Es hals da her zu nichts, daß dte 25000 Mann tn der Provinz Preußen unter Lestocq mit großer Tapferkeit dte Weichselltnie oehaupteten, daß hier, wo der König standhtelt, auch dte hohen Befehlshaber der Festungen und Truppen den Mut nicht verloren. Friedrich Wil-