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Veit G» ff» ff» ff» »IlMr ii Dienstag, SS. Januar 1907. öder äZuUU UbiMitm! Rr. 18. Zweiter Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Fritz Arnholb. Für die Inserate verantwortlich: Arthur Rupfer, beide in Aue. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Honntagsblatt. Sprechstunde der Redaktion mit Auanahme der Sonntage nachmittags von <z—5 Uhr. — Telegramm-Adreff«: Tageblatt Aue. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag Gebrüder Beuthner (Inh.: Paul Beuthner) in Aue. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins lfaur monatlich 50 pfg. 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Geheimer Obersinanzrai Dr. von Glasenapp ist zum Vizepräsidenten der Reichsbank ernannt worden. * Die Nachricht von baldigen neuen Steuern ent behrt nach offiziöser Versicherung jeder tatsächlichen Unterlasse. * Gestern nachmittag wurden in Tanger sünszchu Getangcne ringcbracht, die inArzila eine Verschwörung gegen den Macks en angezcttelt halten. Näheres siehe unten. Preußen und die Schiffahrtsabgaven. Als vor zwei Jahren der Gedanke an Schissahrtsab- gaben auftauchte, da war man in den Kreisen der Verkehrs freunde geradezu konsterniert, und rief die Reichsregierung zum sofortigen Schutz gegen derartige Jnsinationen an. Aber die R e i ch s rcgierung ist leider zugleich auch preußische Re gierung und als solche hat sie dafür zu sorgen, datz ihr vom Abgeordnetenhause die Kanalsstrecken bewilligt wurden, aus die man sich von den widrigen Verhältnissen hatte zurückdrängen lassen. Das stolze Projekt von einst war freilich lang preis gegeben, aber man war ja so genügsam geworden, und gab für das Butterbrot eines Kanalstückes die deutsche Stromsrei he i t preis. Denn d i e war der Preis, den die Reaktionäre des preußischen Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses vou der Regierung für die Bewilligung der Kanalforderungen ver langen. Nun macht sich die Zahlung dieses Kaujpreises allerdings schwieriger, als man ursprünglich gedacht haben mochte. Denn Preußen ist nicht Deutschland, und die übrigen Bundes staaten haben, da es sich um eine Abänderung der Rcichsver- sassung handelt, auch noch ein Wort mitzureden. Und tuen es, was man bei der sonstigen Bescheidenheit preußischen Wün schen gegenüber gar nicht erwartet haben mochte. Man ist in der Angelegenheit nun nach jahrelangem Unterhandeln noch nicht viel weiter gekommen, als man im Anfang war, denn wenn auch Bayern, Württemberg und die kleineren Staaten zugestimmt haben, Sachsen und Baden und viel leicht noch ein oder der andere mögen nicht. Und widersetzten sich vor allem der preußischen Insinuation, die ganze Ange legenheit unter der Hand abzumachen. So wurde uns dieser Kal; uns Huno. Von S. Halm. (Nachdruck verboten.) Sollte man cs für möglich halte», daß eine Ehe — geschlossen aus gegenseitiger Achtung und — und nun sagen wir sreund- schastlichcr Zuneigung — wegen eines Hundes und einer Katze gewissermaßen in die Brüche geht? Und doch das Faktum bestand. — Herr Emanuel Hagemann hatte sich nicht etwa als unreifer Dachs kopfüber in die Ehe gestürzt. Zehn Jahre kannte er seine Amanda bereits, als er sich entschloß, die vielen Kalamitäten des Altjunggesellendascinv mit den Annehmlichkeiten des Ehe standes zu vertauschen. Und seine Amanda war wirklich ein gutes Frauchen. Nicht mehr im Lenz des Lebens — ja schon mehr im Herbst stehend — war sie dem^Schicksal dankbar, das ihr doch noch einen guten brave» Mann bescherte. Freilich — ge wöhnen mußte man sich aneinander. Jedes hatte so seine Eigen tümlichkeiten und das Anpassungsvermögen der verliebten Ju gend fehlte hier. Jedes glaubte sein altes Leben wenigstens zum Teil wciterzusühren, seine alten Liebhabereien beibehalten zu dürfen. So waren sie zum Beispiel vernarrt in ein lebendes Wesen, dem die Liebe der einsamen Tage gehört — er in seinen Kater Puck — sie in ihre kleine Pinscherhündin Nelly. Jedes hatte auch sllr die Zärtlichkeit des andern, für seinen Liebling ein ge wisses, nachsichtiges Verständnis, und zur Zeit des kurzen Braut standes kraute Fräulein Amanda dem schnurrenden Puck gern die grauen Ohren und Herr Hagemann lachte zum quäkenden Gebell der winzigen Nelly. Aber die Sache wurde anders, als Herr Hagemann seine Amanda als sein Weib in die neue Wohnung führte und mit ihr Klein-Nelly Einzug hielt. Puck hatte entschieden Averstonen gegen das ganze Hunde geschlecht. Er bewies das in der ersten Stunde. Fauchend, mit Tage ganz bestimmt erklärt; wir freuen uns darüber, daß die reaktionären Pläne der preußischen Staatsregierung wenigstens aus ein paar Seiten auf energischen Widerstand stoßen. Es ist schon wiederholt behauptet worden, daß die preußische Regierung die angenehme Gewohnheit hat, die übrigen bundesstaatlichen Regierungen im Bundesrat zu majorisieren. In einer Frage, die aus die Aushebung eines verfassungsmäßig garan tierten Rechtes hinausläust, läßt sich das anscheinend nicht so leicht machen, und man wird sich in Berlin bescheiden müßen, bis in Sachsen und Baden eben auch Leute die Verkehrspolitik machen, die genau s o rückschrittlich denken, wie der selige Budde und sein Nachfolger. Was die Schissahrtsabgaben anlangt, ist über deren Berech tigung resp. über den Nachweis der Berechtigung viele unschul dige Tinte bereits vergossen worden. Es möchte im allgemeinen einleuchten, daß an den künstlichen Wasserstraßen Schiffahrts abgaben erhoben werden, obwohl nach unserer Ansicht der Staat die Pflicht und Schuldigkeit hätte, für Verkehrswege auch zu Wasser zu sorgen. Aber immerhin, wenn der Staat viel Geld in derartige Unternehmungen gesteckt hat, wird man es ihm nicht unbedingt übel nehmen können, wenn er die Zinsen des ausgewandten Kapitals wieder hereinbringen möchte. Daß aber die Erhebung von Abgaben aus den natürlichen Wasserläufen eine Ungerechtigkeit wäre, das liegt wohl aus der Hand. Denn selbst, wenn der Staat zur Instandhaltung der natürlichen Wasserläufe ab und zu einiges beizutragen hat, so muß man betonen, daß die ausgewandten Gelder ja von der Allgemeinheit ausgebracht worden sind. Die Schissahrt dient aber der Allgemeinheit, und wenn man sie wegen der unver hältnismäßig geringen Summen, die ausgewendet wurden, mit bedeutenden Aufgaben belastet, so ist das doch zu viel! Man könnte es also allenfalls verantworten, wenn aus den künstlichen Wasserstraßen Abgaben erhoben würden. Es wäre am Ende auch noch zu rechtfertigen, wenn da, wo der Staat ständige, größere Abgaben für die Instandhaltung der Schiffbarkeit zu leisten hat, geringe Abgaben erhoben würden, aber cs ist ganz entschieden ungerecht, an den Unterläusen der deutschen Flüße, die sich von selber instand halten, die Schissahrt gleichfalls zahlen laßen zu wollen. Freilich kann uns das unterm gegenwärtigen verkehrsseindlichen Kurs nicht wunder nehmen, wenn man die Bahnfahrt und den Bahntrans port i» einer Weise belastet, wie das geschehen ist, wäre es ja ein Wunder, wollte man den Verkehr zu Wasser nicht auch ent sprechend belasten. Zumal ja der Vahnvcrkchr ohnehin durch den Schisssvcrkehr eine wesentliche Einbuße erleiden müßte, wenn man beispielsweise den Intentionen des Prinzen Ludwig von Bayern folgen wollte. Was indes wohl so rasch nicht ge schieht! Uns schien die billigen Wasserwege, die Süd und Nord unter sich und mit dem Meere oder vielmehr mit den Meeren verbinden. Zu deren Schafsung war viel guter Wille vorhanden und ist es noch. Aber der gute Wille allein tut es nicht, insbe sondere, wenn so viele feindliche Kräfte gegen die schönen Ab sichten im Felde liegen. Zn wenigen Wochen wird der neue Reichstag vor die Rcichsregierung treten. Die Reichsregie gekrümmten Rücken, saß er in einer Ecke und beobachtete sprung bereit die wütend klässende Nelly. Nelly war nun ein kleiner Unhold. Puck gefiel ihr nicht und augenscheinlich war ihr ein ziges Bestreben, Puck aus der Wohnung zu bellen. Sie besorgte dies so ausgiebig — nämlich das Bellen — daß sie schon nach einem halben Jahre heiser war, was ihrem Organ nicht gerade zu erhöhter Klangschönheit verhalf. Tu doch den schrecklichen Köter weg! — murrte der neugebackene Ehemann, dem die Ohre» gellten — Das war die erste Stufe, die vom erträumten Ehefrieden abwärts führte. Frau Amanda war beileibe keine Tantippe. — Sic sagte nicht etwa, wie es vielleicht eine böse Sieben getan: Tu du doch deinen Kater fort. Aber sie fühlte sich beleidigt, gekränkt in die Seele ihres Lieblings hinein. Puck bekam die erste» scheelen Blicke. Freilich machte der sich nichts daraus. Sein ganzes Jntereße war von der giftigen kleinen Nelly absorbiert. Sie hielt ihn auch genügend in Atem. Woher sic die Lungenkraft »ahm, war zu bewundern, Herr Hagemann und die Nachbarn bewunderten die kleine Kreatur freilich nicht, sie verwünschten sie bald, und Frau Amanda hatte sehr oft rote Augen. In ihrer sonst so guten Seele erwachten zum ersten Male schwarze Gedanken. Menn sie diesen Puck, um den ihre arme Nelly sich so alterierte, doch aus der Welt hätte schassen können! Aber Puck sah garnicht darnach aus, als ob er ans Scheiden aus diesem Jammertal dächte. Im Gegenteil! Die Kost, die sein Herr ihm verabfolgte, bekam ihm gut. Er wurde dick und fett. Und das war auch ein Grund für Frau Amanda, sich zu kränken. Denn so wie Puck an Körpergewicht zunahm, so schwand Nellys ohnehin nicht besonders entwickelte Rundung hin. Die ewige Aufregung schadete ihr gewiß. Sie bellte und sprang zu viel. Herr Hagemann aber hatte nur für seinen Puck Leckereien über. Die schönsten Weißwursthäute bekam immer der graue Kater, ob auch Nelly vor Neid zu platzen drohte. Der Kater wird unappetitlich dick! meinte Amanda eines Tages. Vesser als solch Klappergestell! knurrte ihr Gatte zurück. rung wendet sich gerade jetzt mit besonderer Inbrunst an den Handel und an die Industrie um rührige nationale Wahlhilfe. Wäre es da nicht durchaus angebracht, den Herrn Reichskanzler sobald als möglich zu fragen, ob die bisherige verkehrsfeindliche Politik fortgesetzt werden soll oder ob man sich nicht mit Rücksicht auf die neuen Freunde etwas bessern möchte? Der Reichskanzler hat wohl einigen Einfluß auf den preußischen Ministerpräsi denten. Könnte der Herr Reichskanzler etwa dem preußischen Ministerpräsidenten den Wunsch vortragen, Preußen möchte in Zukunft davon Abstand nehmen, seine verkehrsseindliche Politik an den anderen Bundesstaaten aufzuoktroyieren? Es ist traurig genug, daß der größte deutsche Bundesstaat sich einer so rück schrittlichen Haltung in allen Dingen befleißigt — man laße also wenigstens den Kleineren ihr bischen Vorwärtstommen! Politische Tagesschau. Aue, 22. Januar lv07. Zur Wahlbewrgung. Der Hauptvorstand der ch r i st l i ch - s o z i a l e n Partei hat folgenden Beschluß gefaßt: Im Hinblick ans die Kanipfesweise der vereinig en Liberalen und der Freisinnigen in Liegen, die in der rücksichtslosesten Weise gegen Stöcker vorgehen, seine Krank heit ausbcuten und sein positives Christentum verdächtigen, können wir unsere Beschlüsse zugunsten der Liberalen beziehungsweise Nationalliberalcu in den rheinisch-wcstsälischcn Wahlkreisen nicht ausrecht erhalten. Wir behalten uns unsere Stellungnahme be sonders bei den Stichwahlen in jedem einzelnen Falle vor. — Die Liberalen in Mühlhausen haben sick' nun doch noch in letzter Stunde entschlossen, den bisher liberal vertretenen Wahlkreis nicht ohne Schwertstreich auszugebcn. Als Kandidaten haben sie den Vorsitzenden drr liberalen Landespartei, Notar Gütz, der auch im Wahlkreis Hagenau-Weißenburg kandidiert, ausgestellt. Line französische Stimme zur Kanzlerrede. Im Figaro nimmt Lautier Stellung zur Kanzlerrcdc und der Schluß des Artikels lautet: Unzweifelhaft hat Deutschland das R e cht, fremde Ratschläge dankend abzulehnrn Aber man mag wollen oder nicht, zwischen allen Volkern bestehl ei» gewißer soli darischer Zusammenhang, der zur Folge hat, daß die Schicksale des einen die anderen nicht unberührt laßen können. Und ist es denn wirklich eine Beleidigung, wenn man Deutschland das Gleiche wünscht, w..s ihm viele seiner besten : nd gan^ gewiß nicht die schlechtesten Bürger wünschen. Würden Kaiser und Reich etwa allzutief durch eine Rcgierungssorm herabgewüldigt werden, die sich der englischen nähert, und die diesem Volke und seinem König einen ganz hübschen Platz in der Welt gesichert hat ? Und ist es frivol, wenn man im täglichen Spiel der kaiserlichen Regierung etwas mehr Klarheit wünscht ? Die Völker Europas mischen sich ganz gewiß nicht in deutsche Angelegenheiten, aber sie leben doch immerhin in der Nähe Deutschlands. Jedesmal wenn in Berlin etwas knndgegebcn ivird, fragt inan sich: Was heißt das? Was ist die Absicht ? Wer steht dahinter? Keiner erfährt es. Man sitzt in einem antiken Tempel, wo der Glänbige das Orakel aus unsichtbarem Munde erwartet. Und das Schlimme war, sein Blick hatte — vielleicht ganz ab sichtslos — nicht nur Nelly allein gestreift. Die Gattin aber bezog die Anzüglichkeit auf sich und Berge türmten sich auf zwischen ihr, der ätherischen Frau und dem Manne mit dem vulgären Embonpoint. Bald wisperten es die Dienstboten im Stiegenhaus. Bei Hagemanns saß der Unfriede am Tisch. Die Ehe war unglücklich, mußte unglücklich sein und sie war es auch; denn jedes der Ehegatten bereute aus's tiefste, diese Ehe eingc- gangen zu sein. Die Spannung zwischen den Eheleuten schien nur den Haß der Tiere zu schüren. Es kam jetzt täglich vor, daß Nelly sich eine blutige Nase holte, und Puck hatte eine schlimme Bißwunde am Schwanz. Dafür hatte Herr Hagemann Nelly einen Fußtritt versetzt und Frau Amanda Puck für seine Kratz attacken beinahe mit einem Bügeleisen erschlagen. Tiere aber sind nachträglich. Puck war seiner Feindin heimtückisch am Nach mittag draus auf die Schulter gesprungen und hatte ihr einen Denkzettel gegeben, indem sein Pfötchen einige Tätowierungen aus Frau Amandas Wange zurllckließen. Nelly aber vergaß den Fußtritt nicht. Seit jener Stunde waren Herrn Hagemanns Hosen und Waden nicht mehr sicher vor den scharfen Zähnchen des kleinen Unholdes. — So hatte sich die Situation allmählich zugespitzt, um die Ka tastrophe vorzubereiten. Hatte die Ehe unserm Paar auch manche Enttäuschung bereitet, und die erhoffte Harmonie zur Disharmonie verwirklicht — eine Freude, ein Jntereße war ihnen doch gemeinsam. Sie waren beide leidenschaftliche Freunde schöner Zierpflanzen, und unter ihrer kundigen Pflege gedieh ihre kleine Kollektion seltener, schöner Pflanzen auch wirklich zu ihrer Freude. Schöne Palmen und Dracaenen, blühende Kakteen und Oleander und besonders ein stattliches Exemplar einer Aran- carie waren der Stolz des Ehepaares. An schönen Sommernach mittagen pflegten beide aus ihrem Balkon zu sitzen und sich am Gedeihen ihrer Pfleglinge zu ergötzen. Wieder war so ein schö ner Sommertag. Friedlich beschien die liebe Sonne das auf dem