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t, s'i Billigste Tageszeitung im Erzgebüu^ Nr. 59 Dienstag, den 13. März 1900. Veraniwortlßhrr Redakteur: Ernst Funk«, Aue Erzgebirge ! Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn- u. Feiertagen. — Prei» pro Monat frei ins Haut ,'v Psg., abgeholt 1b Psg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Ml. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Auetthal -Zeitung. Lagcvlatt fÄr die Stadt Aue und Umgebung. °Inserat» >ie einspaltig« Petitzeile 10 Pfg., »„.tltche - Inserat« die Corpuä-Zeile Lb Pfg., Reklamen pro Zeile LV Pfg. Bei 4 maliger Aufnahm. >8'/» Rabatt. — Bei größeren Jnferatrn >. mehrmaliger Aufnahme wird entspreä end höherer Rabatt gewährt. Alle Poftanstalten und Landbrieftriger nehmen Bestellungen an. 13. Jahrgang. Des Bußtages wegen erscheint Mittwoch keine Zeitung. Derrtfetze* 2^eiehSt«s. 163. Sitzung vom 9. März Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung des Flrisch- beschaugesetzes Ztz 1, 2 und 14. — ^Abg. Pachnicke tfrs. Vg.) meint bezüglich der Kommissionsbeschlüsse, daß das, was Graf Klinckowström als „mittlere Linie" bezeichne, in Wirklichkeit das Aeußerste an Kühnheit sei, was von den Agrariern in der letzten Zeit gelei stet worden sei. — Staatssekretär Gras Posadowsky: ES handele sich hier nicht um eine international« An gelegenheit, sondern um einen autonomen Akt der Reichsgesetzgebung. (Bravos rechts.) Es handle sich um «in hygienisches Gesetz, ein Gesetz zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung. (Rufe rechts: Sehr rich tig! Heiterkeit links.) Man müsse verweben, auch nur den Schein zu erwecken, als ob mit diesem Gesetz irgend welche wirtschaftlichen Zwecke verfolgt würden. (Rufe rechts: Sehr richtig! Links große Heiterkeit.) Daß zurzeit der Bedarf Deutschlands an Fleisch im Jnlande gedeckt werden könne, glaube >>u, Redner nicht Er bitte, die Regierungsvorlagen wieder herzustellen, weil an maßgebenster Stelle schwere Bedenken gegen die Kommissionsbeschlüsse beständen. Bei dem Alb schluß neuer Handelsverträge werde man aus politischen und wirtschaftlichen Gründen einen wesentlich verstärk ten Schutz der Landwirtschaft schaffen müssen, und da sei es doch taktisch nicht richtig, jetzt, 2^ Jahre vor Abschluß neuer Beiträge, ein solchesGesetz zu beschließen, das die Industrie in so hohem Maße beunruhige. Der Beschluß, den das hohe Haus jetzt sasse, sei von ganz außerordentlicher Tragweite und vielleicht von einer Schwerkraft, die viel weiter gehe, als man jetzt denke. — Hamburgischer Senator Dr. Burchard bittet dringend im Interesse von Handel und Industrie und Rhederei, die Kommissionsbeschlüsse zum H 14. ablehnen zu wollen. — Reichskanzler Fürst yohenlvtze werft den ihm vom Abg. von Wangenheiw gemachten Borwurf, daß er ein gegebenes Versprechen nicht erfüllt habe, als unberechtigt zurück. - Abg. Paasche (natlib.): Die Mehrheit seiner Freunde werde für die Kommissions beschlüsse stimmen. Nunmehr wird ein Schlußantrag gestellt. Derselbe wild mit 195 gegen 89 Stimmen angenommen. 8 1 wird fast einstimmig, 8 2 mit 209 gegen 75 Stimmen in der Kommissionssussüng angenommen, desgleichen 8 14 mit 168 gegen 99 Stimmen, und zwar ebenfalls in der Kommissionsfassung. Mit der Minorität stimmte der kleinere Teil der Nationalliberalen, vereinzelte vomZentrum. — Morgen 1 Uhr: Fortsetzung. Kleinere Vorlagen. — Schluß 6-7. Uhr. Arr* -e* pstttisHeir wett. Deutschland. * Die Agrarier erlebten im Reichstage eine bittere Enttäuschung: Die Reichsregierung erklärte durch oen Staatssekretär,Grafen Posadowsky, daß sie diejenigen Kommissionsbeschlüsse zum Fleisch- und Schlachtvieh beschaugesetz, welche das landwirtschaftliche Interesse zu - inseitig wahrnähme, bestimmt ablehne. Auch die Zustimmung des Kaisers soll für diese Auffassung ge wonnen sein. * Der deutsche Reichspostdampfer „Kaiser", der am Dienstag in Delagobai angekoinmen ist, brachte fünfzig Deutsche für Transvaal, darunter vier deutsche Artil- lerie-Offiziere. Diese wurden aus Verlangen des bri tischen Konsuls das Gepäck untersucht und bei jedem ein Gewehr mit Munition vorgesunden, die beschlag nahmt wurden. Ausland. * Zum zweiten Vizepräsident des österreichischen Abgeordnetenhauses wurde der Tscheche Zacok gewählt * In San Domingo, diesem fogenannten Neger staat", ist's wieder einmal zu e'nem Reoolutiönchen gekommen. De* LLpttK in * Die Aufmerksamkeit der englischen Militärbehör den in Kapstadt wird von der Erhebung im Nord westen der Kapkolonie in hohem Maße in Anspruch genommen. Die Bevölkerung dieser Gegend besteht fast ganz aus Afrikandern. Englische Truppen sollen gegen die „Empörer", die 5000 Mann stark sein sol len, entsandt werden. * London, 9. März, ^as Erscheinen des Prüsit en tert Krüger und Steijn im Lager am Modderflusse rief eine tiefgehende Begeisterung hervor. Die Siegeszu versicht aller Buren ist ungebrochen. Die Stellung bei AbrahamSkraal wird nur solange gehalten, bis die schweren Geschütze in der Hauptstellung ausgestellt worden find. Tausende bisher Dienstbefreiter bieten sich überall freiwillig zum Kriegsdienste an. Die Frauen übernehmen den Schutzdienst im Innern des Landes und dränzen ihre Männer, an die Grenze ab zugehen. Die Freistaatler wie die TranSoaaler zeigen eine unerschütterliche Entschlossenheit und einen felsen- festen Glauben an einen endlichen Sieg. * Die Hauptkorps von Ludysmith blieben in Na tal in den Biggars bergen unter Gen:ral Louis BotliaS Oberbefehl. General de Wett erhielt den Oberbefehl am Modderflusse, während General Joubert die ge samten Operationen leitet. * Ein englischer Offizier, der an dem Sturm auf PieterS Hill teilgenommrn hat, erzählt eine tragische Geschichte vom Tode eines schönen Burenmädchens von 19 Jahren. Sie erhielt im Kampf einen Schuß in die Brust. Kurz vor ihrem Tode gab sie an, man habe sie, als die anderen Frauen im Burenlager nord wärts zogen, nicht forrgelassen, weil sie eine ausge zeichnete Schützin sei. Derselbe <s ewährsmann bekun- det, daß in den verlassenen Burenslellungeu sich un trügliche Anzeichen fanden, daß Frauen in großer Zahl durch Laden von Gewehren am Kampfe beteiligt ge wesen wären. * Brüssel, 10. März. General French erlitt bei dem Zusammenstoß mit der Burendivision d« Wett eine empfindliche Schlappe, verlor 7 Todte, 68 Ver wundete und 400 Gefangene. Letztere wurden von de Wett zerniert und durch rasches Zusammenschießen der Pferde zur Kapitulation gezwungen. * London, 10. März. Eine Reutermeldung aus Popiar Grove besagt: Die Abteilung French, welche 10 Mellen vor der Hauptmacht Lord Roberts sich be findet, meldet zurück, daß ihre Front frei vom Feinde sei und jeder Bencht darauf hindeute, daß,sowohl die Streitkräfte der Transvaalburen als auch hie des Oranje- Freistaates in der Auflösung sich befänden. V e * in r s etz t « Deutschland. tz Berlin, 10. März. Im Feenpalastsand gestern Abend eine von 3500 Handelsangestellten besuchte Protestversammlung gegen die geplante WarenhauS- Auf falschem Wege. Roman von Oswald Reicher. 10 In dem Wohnzimmer einer der hübschesten Villen,welche die Landstraße umgrenzen, saßen sechs oder acht junge Mädchen um einen mit Seide, Spitzen, Bändern und Blu men bedeckten runden Tisch. Unter fröhlichem Lachen und heiteren Scherzen regten sich die fleißigen Hände und die Nadeln flogen emsig hin und her. Alles in dem lieblichen Kreise deutete auf die Vorbereitungen zu einer Hochzeit. Die Braut und der Bräutigam waren beide Waisen. Der junge Mann war ein Maler von nicht gewöhnlichem Talent, dessen Zeichnungen die ernste Aufmerksamkeit der Akademie erregten. Landseer hatte ihn durch Worte des, Lobe» ermutigt, Turier seine Perspektive bewundert, und Etty eigenhändig eine Verkürzung in dem Gemälde des Jünglings verbessert. Offenbar hatten diese großen Mei ster au» dem Keim den künftigen Genius schon in den er sten Leistungen de» Jünglings erkannt. Die Spinnen von Clapham hatten ihn längst den mo dernen Apollo, den englischen Raphael genannt, mit dessen künstlerischen Vorzügen er auch wie dergroße Italiener den Reiz persönlicher Schönheit verband. Arthur Bedford war ein vollkommener Typus der rei- nen angelsächsischen Rasse, ein Mann von stattlicher Ge stalt, blauen Augen und einer so durchsichtigen Gesichts- färbe, daß die zarten Linien der feinsten Aederchen auf der Haut durchschimmerten, und sonnigem, blonden Haar, das sich eigensinnig lockte; dennoch lag nichts Weibisches tn seiner Erscheinung. Er war kräftig wie ein Athlet und gewandt wie ein Jongleur. Al» die Verlobung Arthur Bedford» mit Olga Har- rt», der Nichte einer ehemaligen Musiklehrerin bekannt wurde, gab e» manch traurige» Mädchengemüt tm Ort. viele Personen au» den Freundeskreisen fanden, daß er «ine vernünftigere Wahl hätte treffen können. Olga war keine regelmäßige Schönheit, der große Reiz ihrer Züge lag t" dem wunderbar seelenvollen «u»drua desselben. Sie hatte prachtvolle Augen, eine tadellose Ge stalt und war von dem Zauber holdester weiblicher An mut und echter Bescheidenheit umflossen. Am bittersten enttäuscht durch die herannaheude Der- mählung fühlten sich die Tanten der beiden Liebenden; sie warf alle ihre Pläne um. Frau Sator hatte für ihre Nichte auf eine glänzende Laufbahn als Sängerin gehofft. Mit der unermüdlichen Liebe, die keinen anderen Gegenstand kennt, als den, welchen ihre Fürsorge umfaßt, hatte sie die Stimme und das musikalische Talent des jungen Mäd chens ausgebildet. Olga war bereits eine vollendete Künst lerin, die sich in gleichem Grade für da» Auftreten in der Oper wie in dem Konzertsaal eignete. Die Verstimmung der Tante Arthur Bedford» ent sprang ganz anderen Gründen. Sie besaß eine Tochter, die sie seit deren Kindheit ihrem Vetter zur Braut zuge dacht hatte. Keiner von beiden war reich, ihr Vermögen genügte eben nur zu einer behaglichen Existenz. Frau Siddon konnte die Thorheit ihres Neffen nicht begreifen. Das Mädchen, das er gewählt, hatte keine Mit- gift, während ihre Tochter ein jährliche» Einkommen von dreihundert Pfund befaß Seine Handlungsweise war wi dersinnig und unnatürlich. Die junge Dame selbst ertrug den Verlust ihre» Bet- ter» sehr gelassen, obgleich man allgemein glaubte, ste habe nur seinetwegen den neuen Lehrer ausgeschlagen. Mutter und Tochter waren zu streng in den Grund sätzen und Anschauungen der Gesellschaft Clapham» ausge wachsen, um durch da» geringste äußere Zeichen ihre Kränk ung zu verraten. Die Liebe Arthur Bedfords zu der be scheidenen Olga hatte in dem Kreise der Freundinnen we der Neid noch Eifersucht hervorgetufen, so lange man die Huldigungen de» jungen Künstler» nicht für ernst nahm, die wohlwollende Gesinnung aber änderte sich, al» die Ver lobung der beiden nicht mehr zu bezweifeln war. Die Tanten hatten von Anfang an klar gesehen. Der Stolz schloß Frau Siddon, die Liebe Frau Sator bi- Lippen. i D«N l schönen jungen Mädchen erschien ihr Glück wie ein seliger Traum. Der Künstler hatte ihr sooft Liebe geschworen, bi» sie ihm endlich glaubte, und ihm ihr Herz schenkte. Frau Siddon und ihre Tochter nahmen die Einladung zu« Hochzeit mit einem Lächeln entgegen, das Märtyrern Ehre gemacht haben würde. Emilie Siddon beteuerte, di« Wahl ihre» Vetter» entzücke sie, und täglich kam sie in die Villa der Frau Sator, um die neuen Verwandten zu besuchen. E» war Abend geworden, ehe die jungen Damen das Brautkleid ganz nach Geschmack fanden, aber immer noch gab e» etwa» daran zu ändern, hier eine Schleift, dort einen Myrtenzweig und eine Orangenblüte zu befestigen. Endlich entfernten sich die Freundinnen. Der Maler wünschte nicht, sich vor so vielen Zeugin" nen zu verabschieden und erklärte, noch eine Weile bei seiner Braut zurückbleiben zu wollen, aber Frau Siddon bestand darauf, daß ihr Neffe sie nach Hause begleite. Olga la», wa» in seinem Herzen vorging, der bedau ernde, balbvorwurfsvolle Blick, mit dem er ihr beim Fort gehen in die Augen sah, that ihr weh, und eine» dichten Schleier über den Kopf werfend, verließ sie die Billa durch den Hintergarten, welcher zu einer schattigen Allee führte. Sie wußte, dort würde sie Arthur auf seinem Rückwege treffen. Inder Mitte dieser Allee, wenige Schritte von der Landstraße zurücktretend, befand sich, zwischen Haselae- sträuch fast ganz verborgen, eine Ruhebank. Manch süßes Geständnis war an diesem traulichen Plätzchen schön au»- getauscht worden. Hier versteckte sich das schöne Mädchen, um den Bräutigam angenehm zu überraschen. Eine Stunde war beinahe vergangen und noch war Arthur nirgend» zu erspähen. Plötzlich hörte Olga die Stimme des Ersehn ten. Sich vorbeugend,' sah sie ihren Bräutigam, seine Tante und Emtlte am Arm. Sckeu zoa ste sich in ihren Schlupf winkel zurück. S-,1»