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DerSSGscheLrMer i«- Stark 1-10^ Pfg. Ewzelmmuner nummer 15 Pfg.) Tageblatt firZWoßwerda Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Der Sächsische ErM« ist dar zur Veröffentlichung der amtlichen Bekannt- machungell der AurtrhauptmannschaK de« Arbeitsgericht« und de, Haupt- Zollamt« zu Bautzen, de» Amtsgericht«, de« Finanzamt«, der Schulinspektion und de» Stadtrad» zu Bischofswerda behördlicherseits bestwnnte Blatt Akukirch und Almgegend Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. Dicht verbreitet in allen Volksschichten. Beilagen: Illustriertes Sonntagsblatt Heimatkundliche Beilage Frau und Heim / Landwirtschaftliche Beilage. — Druck und Verlag von Friedrich May, G. m. b. H. in Bischofswerda. — Postscheckkonto Amt Dresden Nr. 1521. Gemeindeverbandsgirokasse Bischofswerda Konto Nr. 64 Aazeigeaprri» (in Reichsmark): DI« 44 mm breite «mspaltta« Millimeterzeile 10 Pfg., örtliche Anzeigen 8 Pfg. 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Herr Herriot, der in der Donnerstagnacht in London eingetrosfen ist, wird vielleicht erstaunt sein über den kühlen Empfang, den ihm die Oeffentlichkelt und die englische Dresse bereitet; er wird diese Zurückhaltung nicht ganz in lieber« einsttmmung mit den freundlichen Worten finden, die er in Pari» von dem britischen Botschafter Lord Tyrell zu hören bekommt, und mit der wohlwollenden Unterstützung, die Frankreich bisher in der Frage der deutschen Abrüstungs forderung von dem Außenminister Sir John Simon in überreichlichem Maße zuteil geworden ist. Aber vermutlich sind dem französischen Ministerpräsi denten die Zusammenhänge vertraut, die vor einer Woche die Anregung zu einer Vier-Mächte-Konferenz von London ausgehen ließen, und die, nach dem ersten Mißlingen, jetzt noch einmal in gleicher Sache ihn zu einer Aussprache mit MacDonald fahren lassen, um einen zweiten Start der ge planten Zusammenkunft zu versuchen. Zusammenhänge, die mit der Demission Lord Snowdens und der liberalen Mini ster um Sir Herbert Samuel in engster Beziehung standen. Denn keineswegs beschränkte sich die englische Kabinettskrise auf Meinungsverschiedenheiten wegen des Wirtschaftspak tes von Ottawa, dessen Unterzeichnung die liberalen Kabi nettsmitglieder aus grundsätzlichen Freihandelserwägungen heraus glaubten verweigern zu müssen. Sie allein konnten nicht ausreichen, in kritischer Stunde auf das Kabinett über zugreifen und vor aller Welt zu dokumentieren, wie emst die Spannungen und Gegensätze innerhalb der Konzentra tionsregierung sind. Vielmehr bestanden in der liberalen Gruppe zwischen dem Simon- und dem Samuelflügel weit gehende Unterschiede in der Beurteilung der britischen Au ßenpolitik, wie sie seit Jahr und Tag von dem jetzigen Au ßenminister vertreten wird, der, wie ihm der „Daily Herold" bescheinigt, verstanden hat, „es mit allen zu verderben — außer Frankreich", und die jetzt in Genf im Begriffe ist, England zwischen alle Stühle zu setzen, da zwei Vorgänge, der mandschurische Konflikt und das deutsche Abrüstungs begehren, zwingen, Farbe zu bekennen. Diese Meinungs verschiedenheiten zwischen Simon und Samuel, erhärtet durch Hendersons Bericht aus Genf, dem in seiner Eigen schaft als Präsident der Abrüstungskonferenz das Auftreten seines Landsmannes als britischer Außenminister wieder holt das Konzept verdorben hat, sind offenbar nicht ohne Eindruck auf andere Mitglieder des Kabinetts geblieben. Unstimmigkeiten in so empfindlichen Fragen, bei denen da« englische Prestige überdies noch durch das Amt Hender sons sehr erheblich beteiligt ist, pflegt man hierzulande nicht gleich an die große Glocke zu hängen. Die Formel „Ottawa" war ein glücklicher Vorwand, die Demission der Liberalen zu begründen. Aber die Anregung zu einer Vier-Mächte-Kon- ferenz, die also das deutsche Thema statt in Genf nun in London verhandeln sollte, ist der deutlichste Ausdruck dafür, daß in dieser Frage das englische Kabinett nicht einhellig hinter dem Simonbrief an die deutsche Regierung steht und daß man einen Wetz sucht, die Vertretung der britischen Interessen und Auffassungen nicht mehr ausschließlich dem gegenwärtigen Ressortminister zu überlassen. Mit anderen Worten: Die Aktivität in der deutschen Frage ist auf den Tagesschau. * Am Sonnabend findet zwischen dem Reich»arbeit,«inister, de« Gewerkschaften «sw. eine Besprechung über Milderungen der Notverordnung und Erhöhung der Sähe der Arbeiklosenversiche- rung statt. * Herriot und Mardonald haben gestern vormittag und nach. Wittag mehrstündige Unterredungen gehabt. Vie darüber mwge- gebenen amtlichen Mitteilungen sprechen von zwanglosen Bespre chungen über die Schwierigkeiten, die hinsichtlich der neuen Ent wicklung in der Abrüstungsstage ausgetauchl sind. Die Unter redungen wurden, wie «» «eiter heißt, in sehr freundschaftlichem Geiste geführt und werden heute vormittag um 10 Uhr wieder ausgenommen. * 3m Finnischen Meerbusen kenterte der deutsche Motorschoner «Lasset", wobei fünf Personen ertrankest. An der schwedische« Lüste ist der deutsche Dampfer »Dstetal" gestrandet. Leim Unter gang de» estnischen Segelschiffe» sanden sechs Mann der Besat zung den Tod. * Chinesische Seeräuber raubten in der Nacht zum Freitag einen englischen Dampfer. *) Ausführliche» an anderer Stelle. Premierminister übergegangen, und MaeDonalds Stellung und Loyalität sollten eine Behandlung sichern, die eine Wie derholung der simonschen Tonart nicht erwarten läßt. Di« Haltung der öffentlichen Meinung wie der englischen Presse zum deutschen Abrüstungsbegehren ist ziemlich ein heitlich und wäckst schnell zu gemeinsamer Richtung zusam men. Man wirb fehlgehen, sie al, eine Aeuherung deutsch freundlicher Gefühle zu bezeichnen. Dazu liegt kein Anlaß vor. Wer man hat begriffen, worauf die französische Un duldsamkeit hinausläust. Die großen englischen Zeitungen haben den simonschen Brief an di« deutsche Regierung mit großer Zurückhaltung besprochen, und in der breiteren Oef- fentlichkeit hat kein Mensch mehr Verständnis für die fran zösische Sicherheits-Dialektik. Das Durchschnittsempfinden des Engländer» hat bei der vorgestrigen Eröffnung einer Diözesan-Konferenz der Erzbischof von Canterbury, der höchste Würdenträger der anglikanischen Kirche, mit weni gen Worten zum Ausdruck gebracht, „daß es auf die Dauer nicht geht, «in so großes Volk wie das deutsche unter dem Drucke minderen Rechte» zu halten". Man begreift in England endlich, daß der Rest zwischenstaatlichen Vertrauens auf dem Spiele steht, wenn in Genf nach der Versailler Machtverteiluna geurteilt werden sollte. Die englischen Zeitungen haben eine schone Einrichtung, „Briefe an den Herausgeber", die sie täglich bringen. Diese eingesandten Briefe mögen vor ihrer Verwendung durch einen tüchtigen Filter der Redaktton lausen, aber es bleibt bezeichnend für das jeweilige Blatt, was es von den Ein sendungen zur Veröffentlichung bringt. In den letzten Tagen machen die „Times", die sonst die deutschen Dinge höchst selten oder fast nie zu würdigen verstanden haben, ausgiebig unter der Ueberschrift „Der deutsche Anspruch" davon Gebrauch. Nachdem sie am Dienstag erst einem hohen Offizer, Herrn Spencer-Smith, einem ehemaligen Mitglied der interalliierten Kontrollkommission, für die Berechtigung des deutschen Anspruches zu Worte kommen lassen, öffnen sie am Mittwoch bereitwilligst ihre Spalten einem Kreis von Männern, der sonst nicht zu ihren Parteigängern gehört. Ein sehr ausführlicher Brief, der die deutschen Abrüstungs forderungen aus dem Versailler Vertrag wie aus dem be rühmten Clemenceaubrief namentlich ableitet, vackt in einer deutlichen Sprache und höchst klaren Gedankenführung vor der englischen Oeffentlichkeit, die ja nicht immer bestens ihre Meinung über das Ausland bildet, die gesamte Problematik der Abrüstungssituation aus, nicht ohne Geschick und Ver ständnis auf die innerpolitischen Rückwirkungen in Deutsch land eingehend. Der Brief spricht von einer „sittlichen Ver pflichtung" der Alliierten und beruft sich auf verschiedene praktische Vorschläge, so auch Hoovers und Mussolinis, eine einheitliche und gemeinsame Abrüstung durchzusühren, ohne nur mit einem Wort auf die französische Sicherheitsthese einzugehen, die es bisher verstanden hat, noch allenthalben Verwirrung anzustellen. Man kann das Schreiben nicht nur als eine Begrüßung Herriot» ansehen, sondern seine Schlußsätze, daß die Welt „eine mutige und entschlossene englische Politik" verlangt, als schärfste Kritik an der eng lischen Außenpolitik des letzten Jahres bezeichnen. Unter den zwanzig Unterzeichnern finden sich die bekanntesten englischen Politiker, Lord Cecil, der unermüdliche Führer der nicht zu unterschätzenden englischen Friedensbewegung, Lloyd George, der mit seiner Unterschrift zugleich einen per sönlichen Kommentar zu den Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrages glbt, Lord Grey. Sir Walter Layton. der Herausgeber des „Economist" und Vater des nach ihm genannten Baseler Berichtes, Lord Lothian, der eben zurück getretene Staatssekretär für Schottland, Sir Josiah Stamp, der englische Sachverständige bei allen Reparattonsverhand- lungen. Und mindestens ebenso bedeutsam für die englische Stimmung bleibt, daß diese Männer in den „Times" zur Aeußerung ihrer Ansicht kommen konnten. Die Besprechungen McDonald - Herriot in London Unterredung in freundschaftlichem Geiste. Wer Zweck der Londoner Besprechungen nach englischer Auffassung. London, IS. Oktober. Von maßgebendster englischer Stelle wurde nach Abschluß der heutigen Besprechungen mit Herriot als Zweck der Londoner Unterhaltungen bezeichnet, durch einen informellen Meinungsaustausch und persön liche Fühlungnahme zwischen den Vertretern der wichtigsten Staaten all das auszuräumen, was als Ursache dafür ange sehen werden kann, daß die Genfer Abrüstungsverhandlun gen auf dem toten Punkt angelang sind. Man sieht also in London seine Aufgabe darin, die Fortsetzung der Genfer Arbeit zu ermöglichen, nicht aber, sich an Aufgaben zu wa gen, die der Völkerbund und die Abrüstungskonferenz zu erledigen haben. Betont wird, daß es sich nicht um Ver handlungen handelt, sondern um informelle Besprechungen. Der Gedanke, aus dem sie berbeigeführt worden seien, sei der, daß es zur Zeit besser sei, öffentliche Erörterungen über die Abrüstungsfrage zu vermeiden, dazur Zeit solche Erör terungen nur die Differenzen verschärfen und die wohlge meinten Bestrebungen der in Betracht kommenden Regie rungen zuschanden machen könnten. Jedoch sei es nicht die Absicht au» dem Inhalt dieser Besprechungen ein Geheimnis zu machen. Auch die nichtbeteiligten Regierungen würden darüber unterrichtet werden, um so sicher zu stellen, daß die Einzelbesprechungen in zwangloser Art zu den Verhand lungen der Viermächtekonferenz übergeleitet werden. Von englischer Seite wird der heutige Tag als sehr befriedigend bezeichnet. Dadurch, daß man in der Lage gewesen sei, von der anderen Seite zu hören, welche Auffassung sie vertrete, und die eigene Auffassung darzulegen, sei das gegenseitige Verständnis gefördert worden, das zur Beseitigung der be stehenden Hindernisse notwendig sei. Englischerseits betont man mit besonderem Nachdruck, und legt Wert darauf, es der Oeffentlichkeit klarzumachen, daß man in London keineswegs bestrebt ist, zu abschließenden Ergebnissen zu gelangen, die dann anderen aufgezwungen werden sollen. Großbri tannien sei durchaus willens, über das Thema auch mit an- deren Mächten sich zu besprechen. Wenn die Viererkonfe renz zusammentrete, so werde selbstverständlich jeder der Teilnehmer volle Freiheit hqben, nach Lage der Sache zu den einzelnen vorgebrachten Punkten entsprechend Stellung zu nehmen. Dementsprechend wurde von englischer Seite heute noch einmal ganz besonder» hervoraehoben, daß »alle Türen offen bleibea". Von unterrichteter nichtamtlicher französischer Seite wird erklärt, daß Herriot dem englischen Ministerpräsiden ten bereits die großen Linien des französischen Abrüstungs planes mitgeteilt habe. Es dürfte jedoch nicht richtig sein, von einem fix und fertig ausgearbeiteten Plan zu spre chen, dessen Punkte bereits unabänderlich feststanden. Her- kTbt scheine versuchen zu wollen, Gegenvorschläge Macdo nalds irgendwie in die französischen Vorschläge hineinzu verarbeiten. Herriot habe tatsächlich ein allgemeines Abrü stungsabkommen, einen Konsuitativpakt und regionale Si cherheitsabkommen sowie die Bildung einer internationalen Streitmacht im Sinne. Auch die Mutmaßungen über einen Vorschlag, ein internationales Waffen- und Munitionsla ger anzul-gen, seien insofern nicht unrichtig, als Herriot eine Reihe technischer Anregungen mitbringe, die aber noch kei neswegs fest in den französischen Plan verarbeitet worden seien. Man gewinnt aber den Eindruck, daß Macdonald mit Erfolg versucht hat, die Erörterung von Plänen in den Hin tergrund zu schieben, die nicht unmittelbar mit der Aufgabe Zusammenhängen, die Genfer Abrüstungsverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Macdonald habe seinen ur sprünglichen Gedanken eines Meinungsaustausches zwischen den Mächten weiter verfolgt und habe sich im Verlauf der Verhandlung bereit erklärt, auch die kleineren Mächte hinzuzuziehen. veber den Ort der Zusammenkunft sei man sich offensichtlich noch nicht einig geworden. Es sei jedoch möglich, daß Mac donald nicht mehr unbedingt auf London bestehe, womit noch nicht gesagt sei, daß er sich dem französischen Wunsch gefügt habe, Genf zum Zusammenkunftsort zu machen Erweiterung des Kreises der Niermiichtekonferen?? London, 13. Oktober. In einer Reutermeldung über die heutigen Besprechungen zwischen Herriot und Macdo nald wird ergänzend mitgeteilt, daß man sich heute über die Unterschiede zwischen der englischen und der französischen Stellungnahme und der deutschen Gleichberechtigungsforde rung unterhalten habe. Von Herriot und Macdonald, so berichtet Reuter weiter, seien auch die Ansichten der kleinen europäischen Nationen über die Krise des Abrüstungsgedan kens nicht aus dem Auge verloren worden. Morgen werde man sehen, ob das Zusammentreffen Macdonald» und Her- riots unter anderem vielleicht auch zur Folge haben werde, daß der Kreis der Teilnehmer der Biermächtekonker-nz er weitert werde.