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Tageblatt für die Stadt Aue und Umgebung. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Erscheint täglich Nachmittag«, außer an Sonn- u. ««ierlagen — Pr«iS pro Monat frei in« Hau« SO Pfg-, autwSrt« 25 Psg. — Mit d« Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" k Psg. mehr. — Bei der Post abgeholt «pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Marl. Nr. 89 Auerthal'Zeitung erscheint jetzt täglich, k ost et nur SO Pfennige. A«S «rlleir Welt. * Berlin, den 26. Juni. Der „Reichsanzeiger" vttöfsentlicht: Der Saatenstand im Deutschen Reiche um die Mitte Ium war für Winterweizen 2,2; Sommerweizen 2,5; Winterspelz 2,1; Winterroggen L,s;' Sommerroggen 2,5; Sommergerste 2,6; Hafer ' L;7; Kartoffeln 2,8; Klee 2,7; Luzerne 2,5; Wiesen - 4,6. 2 bedeutet gut, 3 Mittel. * In der Sonnabend Sitzung des Einigungsamtes d«-> Gewerbegerichts zu Berlin, betreffend die Sperre Im Baugewerbe wurde der Vermittelungsvorschlag angenommen, wonach der Lohn bis zum Jahres schluß 60 Pfg. stündlich beträgt, dann bis zum 30. September 1900 62*/, Pfg., weiter bis zum 31. März 1901 65 Psg. Die Arbeitszeit beträgt neun Stunden. Zur Regelung der Arbeitszeit, der Pausen, der,Lohnverhältnisse und Streitigkeiten wird eine au» je neun Arbeitnehmern und Arbeitgebern be stehende Kommission gebildet, gegen deren Entschei dung binnen drei Tagen an das Gewerbegericht appelliert werden kann. Bausperren sind nur zu- ' lässig, wenn der Entscheidung der Kommission, bzw. de« Grwerbegerichts nicht Folge gegeben wird Die i obengenannte Kommission tritt alljährlich zusammen, um die Arbeitsverhältnisse und die Lohnverhältnisse für das nächste Jahr sestzusetzen. Die bestehenden Maurerorganisationen verpflichten sich, im Wider spruch mit obigen Bedingungen ausbrechende Aus stände nicht zu unterstützen. Maßregelungen wegen d«S letzten Ausstandes finden nicht statt. Die Arbeit wird heute wieder ausgenommen. * Die Vorarbeiten zur Durchführung der Orga nisation des Handwerks auf Grund der Novelle vom 26. Juli 1887 und der Aussührungsbestim- mnngen dazu sind jetzt endlich soweit gediehen, daß die Bildung der Innungen nahezu abgeschlossen ist, sodaß alsdann auch die Bildung der Gesellenaus- schüfse wird in Angriff genommen werden können. Die Wahlen für die Handwerkerkammern dürsten etwa um Ende dieses Jahres zur Ausschreibung kommen, worauf dann sofort die Konstituirung der Kammer erfolgen wird. * Die „Kölnische Zeitung" meldet aus Halle a. S. folgendes merkwürdige Vorkommnis: Bei Gele genheit eines zu Ehren Bismarcks von der gesamten Studentenschaft veranstalteten Fackelzuges wurden Reden auf Bismarck verboten. Als ein Student «in Kaiserhoch ausbringen wollte, verbot der auf- stchtsührende Polizeiinspektor auch dieses, trotz der Erklärung des Studenten, daß es sich um ein Kaiser hoch handle. Die Studentenschaft beschloß, dem Kaiser durch ein Telegramm über den Vorfall Be richt zu erstatten. ? * Berlin, 26. Juni. Bei dem gestrigen 50 Kilo meter Veloziped-Dauersahren auf der Sportrenn- Lahn in Friedenau, an welchem sich auch der Eng- Länder Chase und der Franzose Tayler, sowie der Btsgier Buttteur beteiligten, errang der deutsche Äädfährer Alfred Köcher-Friedenau den Sieg (Preis 1000 Mk.) und schlug sämtliche deutsche Rekords. '* Lrauerseier am Sarkophage Bismarcks. Vor her Grabkapelle und am Sarkophage des Fürsten Bismarck fand am Sonnabend Mittag eine erye- dende Trauerfeier statt. Delegierte der deutschen Hochschulen legten Kränze nieder, wobei Studiosus Bredereck-Berltn eine zündende Ansprache hielt. Nach Lchluß der Frier sprach Fürst Herbert Bis. verantwortlicher Redakteur: Ernst Funk«, Aue i Erzgebirge.) Redaktion ». Expedition: Au«, Marktstraße. Mittwoch, den 28. Juni 1899. marck bewegten Herzens seinen Dank für die dem Andenken seines Vaters gebrachte Huldigung aus. * Essen a. d. R., 26. Juni. Die „Rheinisch- Westfälische Zeitung" erklärt die Meldung über Verhandlungen von Vertretern der Eisenindustrie mit dem Kokssyndikat über die Preisfestsetzung von Koks nach eingezogener Erkundigung für unzu treffend. * Der Klerikalismus in Oesterreich ist in ste tem Wachstum begriffen. Eng damit verbunden ist das äußerst rasche Wachstum der klösterlichen Niederlassungen. Es dringt nicht viel davon in die Öffentlichkeit. In den letzten Monaten sind in Wien und anderen Orten mehrere klösterliche Niederlassungen begründet^ worden. Aus Graz wird gar gemeldet, daß in Karen (Kärnten) dem nächst zwei neue Mönchsklöster errichtet werden sollen. — Aus Wien berichtet die dortige „Arbeiter- Zeitung": Vor einigen Tagen wurden 40 Wär terinnen auS den Diensten des Allgemeinen Kran kenhauses entlassen. Diese Entlassung erfolgte, weil es die Direktion vorzog, Nonnen zum Wärter dienst heranzuziehen. Am 3. Juni wurden 50 Nonnen in Dienst gestellt und am selben Tage noch mußten 50 „weltliche" Wärterinnen ihr Bündel schnüren. Sie verloren ihren Erwerb, weil die Spitalsleitung den Klerikalen dienstbar sein wollte. * London, 26. Juni. Der Dampfer „Tantal- lon" ist gestern mit 100 Tonnen Patronen und Geschossen nach Kapstadt abgegangen. 500 Mann, deren Abmarsch in voriger Woche angekündigt war, sind am 18. Juni abgegangen. 2 Offiziere und 75 Mann in Army Service-Fort haben Befehl er halten, bereit zu sein, nach der Kapkolonie abzu- marschieren. Shanghai, 25. Juni. Wie die „North China Daily News" aus Niutschwang meldet, wurden zwei russische Ingenieure und zehn Kosaken von Räubern in der Nähe von Kirin (Mandschurei) getötet. * Die türkischen Delegierten im Haag haben abermals gedroht, die Friedenskonferenz zu verlassen infolge beleidigender Angriffe des Jungtürken Achmel Riza und des Armeniers Armeghian in einer öffent lichen Versammlung aus die Person des Sultans. * Eine überaus scharfe Kritik über amerikanische Heeresverhältnisse hat der bekannte Mr. Poultney Bigelow, der Schulkamerad unseres Kaisers, in ei nem zu London gehaltenen Vortrage an seinen Landesleuten geübt. — Zum Schluß führte derselbe aus: „Durch Gottes Vorsehung war der Feind, den wir angriffen, hoffnungslos unfähig, irgend wel chen Widerstand zu leisten", sagte der Vortragende. „Der spanisch-amerikanische Krieg wäre zu Gunsten Amerikas ausgegangen, selbst wenn die Uankee-Krie- ger mit keiner anderen Waffe in die Schlacht ge zogen wären, als mit Ballspiel-Knüppeln". * Das Ende der Khalisenherrlichkeit im Sudan ist nahe. Der Khalis ist mit seinen Leuten nach Khardosan gegangen, um sich dort zu verprovian tieren. Die Derwische verlassen ihn immer mehr. Seine Stellung ist aus allen Seiten von Arabern eingeschlossen. * Wie aus Madrid berichtet wird, ist in der Deputiertenkammer der Antrag gestellt worden, eine Revision des Prozesses gegen die Gefangenen von Montjuich einzuleiten. Wenn auch eine Antwort bis heute noch nicht erteilt worden ist, so wird durch diesen Antrag doch die Aufmerksamkeit auf jene Unschuldigen in der Veste Montjuich bei Bar celona hingelenkt, welche, wie wir bereits vor ei- Niger Zeit ausführlich schilderten, die schrecklichsten Foltern zu erdulden hatten. Wenn nicht die Vor kommnisse durch verschiedene Zeugen erhärtet wären, sollte man kaum glauben, daß in Spanien im 19. Jahrhundert Gebräuche aus der Jnqutsitionszeit möglich wären. * In Rennes herrscht angesichts der nahe be- vorstehenden Ankunft des Hauptmannes DreysuS große Erregung. Eine Dame protestantischer Kon- sesston, Frau Godard, bot Frau Dreyfus in ihrem Inserat« die einspaltige Petitzeile 10 Psg», amtliche Inserate die CorpnS-Zeile 25 Psg., Reklamen pro Zeile SO Psg. Bei 4 maliger Ausnahme 25<>/o Rabatt. — Bei größeren Inseraten u. mehrmaliger Ausnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten und Landbricsträger nehme» Bestellungen an. 12. Jahrgang. Hause Gastfreundschaft an, als sie erfuhr, daß nie mand an sie vermieten wollte, weil die Nationa listen die furchtbarsten Drohungen gegen jeden, der Frau Dreyfus beherberge, ausstießen. Auch Frau Godard empfängt Stöße von Drohbriefen, aber sie sagte einem „Figaro"-Berichterstatter: „Ich bin alt, wenn man mich tötet, sterbe ich wenigstens nicht auf eine gewöhnliche Art. Ich fürchte aber nichts, die französischen Frauen lassen sich nicht einschüch tern." Das Haus hat einen großen Garten, dessen Zaun Frau Godard verdichten läßt, um Frau Drey fus gegen die Blicke der Neugierigen zu schützen. Uebrigens haben dreißig Studenten sich der tapfe ren Dame als Ehrenwache angeboten; sie wollen während der ganzen kritischen Zeit im Garten des Godardschen Hauses lagern und einander regel mäßig Tag und Nacht ablösen. * Das Gerücht, Dreyfus sei bereits in Rennes eingetroffen, ist unrichtig. Der „Sfax" hat erst am Freitag Madeira verlassen und trifft am 29. d. M. in Brest ein. * Paris, 26. Juni. Alsbald nach der Ankunft Dreyfus' in Rennes wird sich sei» Verteidiger De mange die Erlaubnis vom Generalkommandanten des Armeekorps in Rennes erbitten, mit seinem Klienten in Verkehr treten zu können. Der Tag für den Beginn des neuen Prozesses ist noch nicht festgesetzt. * Zum neuen Dreyfus-Prozesse in Rennes ha ben die Generalstäbler bekanntlich neue „Beweise" für die Schuld des Hauptmanns Dreyfus ange- kündigt. — Der „Gaulois" erzählt jetzt ganz ernst haft, der Kassationshof habe die wichrigsten gehei men Akten nie gesehen; die werde erst General Mercier dem Kriegsgericht in Rennes zeigen. Es sei darunter ein Brief des Kaplans des Berliner Auswärtigen Amtes, der ausdrücklich bezeuge, daß Dreyfus ein Spion in deutschen Diensten war. — Dieser deutsche Reichskaplan ist eine neue, sehr ko mische Erscheinung, aber leider ist der Wahnsinn doch verteufelt ernst. D e v iir i s H t e s H Berliy, 26. Juni. Die Paradetage während der diesjährigen Kaisermanöver sind wie folgt fest gesetzt-. Am 4. Septeniber findet bei Straßburg i E. die Parade über das 15. Armeekorps, am 7. Septem ber bei Stuttgart über das 13. (württembergische) Armeekorps und die Kavallerndivision A und am 8. September die Parade bei Karlsruhe über das 14. Armeekorps und die Knvalleriedivision B statt. 8 Ein interessantes militärisches Schauspiel in Schleswig. Zur Vergrößerung des Lockstedter La gers hat der Militärfiskus größere Strecken Landes, zum Teil noch mit Gebäuden besetzt, angrkauft; hierzu gehört auch das obengenannte Dorf Ridders, da§ jetzt bereits von den Bewohnern verlassen ist. Um dies Dorf dem Erdboden gleich zu machen, rückten die Feldartillerieregimenter Nr. 9 und 24 aus dem Lockstedter Lager aus. Es begann eine Kanonade auf das willkommene Zielobjekt, die eine ehrende Probe von der Trefflichkeit unserer Artil lerie ablegte. Mit dem fünften Schuß standen mehrere Häuser in Flammen, und als nun gar Schnellfeuer kommandiert wurde, brannte das gan ze Dorf in wenigen Minuten lichterloh. § Der frühere Schutzmann Ernst Karl Gustav Rüß in Berlin wurde wegen Wuchers, Urkunden fälschung und Erpressung zu 4 Jahren Gefängnis, 1000 Mark Geldstrafe und 5 Jahre Ehrverlust verurteilt. Der Angeklagte hat nach seinem Aus scheiden auS der Schutzmannschafi seit Jahren Geld geschäfte vermittelt und zwar auf Grund von Annoncen, in welchen er sich erbot, Offizieren und Personen höheren Standes Darlehen bis zur Höhe von 30000 Mk. zu gewähren. Er soll eine bedeu tende Kundschaft gehabt haben, obgleich er selbst kein Geld besaß; er stand mit Geldleuten, insbe sondere mit einem Herrn Moldenhauer in Verbindung