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Tageblatt für -ie Stadt Aue und Umgebung» Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Erscheint täglich Nachmittags, außer an Sonn- u. Feiertagen. — Preis pro Monat frei ins Hau« SO Pfg., au-wärt« 28 Pfg. — Mit der Sonntagsbeilage: „Der Zeitspiegel" 5 Pfg. mehr. — Bei der Post abgeholt pro Vierteljahr 1 Mk. — Durch den Briefträger 1.40 Mark. Nr. 82 Airenthal-Z eituirg erscheint jetzt täglich, kostet pvs Alsirat nur SO Pfennige. Dsirtfetzs* Reichstag 94. Sitzung vom 16. Juni, 1 Uhr. Das Haus ist schwach besetzt. T.-O.: Erste (und ev. zweite) Beratung des Handelsprovisoriums mit England. — In der Generaldebatte beklagt Abg. Gras Kanitz (kons.) die Schwierigkeiten, wel che durch das stets wachsende Bestreben der eng- lichen Kolonien nach wirtschaftlicher und poli tischer Selbständigkeit dem deutschen Handel erwach sen. England sei beim besten Willen nicht mehr in der Lage, einen Einfluß aus die Zollpolitik sei ner Kolonien auszuüben. Deutschland müsse da her seine Handelspolitik ebenfalls dahin einrichten, daß es die englischen Kolonien als selbständig be handele und mit ihnen selbständige Lerträge schließe. Die von der Regierung erbetene Bollmacht „bis auf weiteres" würde vielleicht nicht bedenklich sein, wenn man nicht die Erfahrungen kenne, welche mit einer gleichartigen im vorigen Jahre erteilten Vollmacht in Belgien gemacht worden sei. Er em pfehle Annahme der Vorlage mit der Aenderung, daß die Worte „bis aus weiteres" ersetzt werden durch Einschaltung eines bestimmten Termins, und zwar des 1. Juli 1S00. Abg. Deinhardt (nl.) hält es für erforderlich, daß dem Bundesrate die erbetene Ermächtigung nicht erteilt werde „bis aus weiteres", sondern nur aus eine kurz bemessene Zeit. Abg. v. Kardorff (Np.) stimmt dem durchaus zu. Abg. Roesicke-Kaiserslautern (Bd. d. Landw.) tritt dafür ein, daß England mit seinen Kolonien alS einheitliches Wirtschaftsgebiet behandelt werde. Staatssekretär Gras Posadowsky erwidert, es komme nur daraus an, welche Kreise man höre. Die Ansichten seien aber ganz verschieden. Die Dar stellung des Borredners über „das Verhältnis Eng- lands zu seinen Kolonien sei vollständig irrig". Kanada habe seine eigene Zollwirtschast und ge währe nur dem Mutterlande einen um 25 Proz. niedrigeren Zoll. Redner führt weiter aus, es wer de zunächst wieder gegenüber Kanada von dem autonomen Tarif Gebrauch gemacht werden. Soll ten andere englische Kolonien dem Beispiel Kana das folgen, so werde Deutschland auch gegen sie den autonomen Tarif verwenden. Die deutsche Regierung wird England die Meistbegünstigung nur so lange einräumen, als durch die englische Zollpolitik, durch Zuschläge auf unsere Provenienz, Deutschland kein Schaden geschehe. Abg. Paasche (nl.) vermißt eine Auskunft .dar- über, weshalb ein Vertrag mit England noch nicht abgeschlossen werden könne. Abg. Hahn (Bd. d. L.) entnimmt der Debatte, einen gewissen Ton des Mißbehagens über unsere Zollpolitik. Daß uns die englischen Kolonien so schlecht behandeln, habe seine Ursache nur darin, daß wir uns von den Vereinigten Staaten alles Hütten gefallen lassen. Abg. Broemel (srs. Vp.) entnimmt der Debatte daß die Redner des Bundes der Landwirte heute selbst aus der rechten Sette nicht den erhofften Wt-' rßall gefunden hätten. Den Vorschlag, die ver- Verantwortlicher Redakteur: Ernst Kunk«, Aue (Erzgebirge.) Redaktion u. Expedition: An«, Marktstraße. Dienstag, den 20. Juni 1899. langte Vollmacht nicht „bis auf weiteres" zu ge- währen, sondern nur auf begrenzte Zeit, halte auch er für richtig. Abg. Möller (nl.) befürwortet einen Doppeltarif, Minimal- mit Maximaltarif. Hiermit schließt die 1. Lesung der Vorlage; die 2. Lesung wird für heute abgesetzt. Die Verträge mit Uruguay und Brasilien wer den in 1. und 2. Lesung genehmigt, ebenso die Vor- läge, betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz gebiete. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr. Zweite Lesung des Handelsprovisoriums mit England, 3. Lesun gen der soeben in 2. Lesung erledigten Vorlagen. Wahlprüfungen. Schluß 4 3/z Uhr. Ars» alle* wett. * Staatssekretär von Podbielski hat eine Ver fügung erlassen, welche eine ganz neue Regelung der Arbeitszeit bestimmt. Danach soll das Arbeits maß ohne Rücksicht auf die Klasse der Verkehrsan stalt lediglich nach der Schwierigkeit des Dienstes festgesetzt werden. Betreffs des Sonntagsdienstes ist bestimmt worden, daß die Beamten jeden zwei ten Sonntag einen gaq^en oder zwei halbe, sreie Sonntage haben, mindestens aber jeden Sonntag ganz frei sind. * Der Berliner Arbeitgeberbund nahm in einer gestern Mittag abgehaltenen Versammlung den Bericht der Aussperrungskommission entgegen. Der Vorsitzende, Baumeister Döbler, bezeichnete die augen blickliche Lage für die Unternehmer als günstig. Westphal-Steglitz gab bekannt, daß die Absicht be stehe, die Aussperrung über ganz Deutschland zu erstrecken. — In einer Versammlung der ausgesperr ten Maurer wurde bekannt gegeben, daß gegenwär tig etwa 5500 Maurer in Berlin und den Vororten sich im Ausstande befinden, bezw. ausgesperrt sind. Ferner wurde beschlossen, den Maßnahmen der Arbeitnehmer ruhig entgegen zu sehen. * Den Morgenblättern vom 17. Juni zufolge beträgt die Zahl der ausgesperrten Maurer 6000. * Der über das ganze Reich verbreitete Deutsche Bauarbeitgebetbund tritt heute hier zusammen, um sich mit den hiesigen Bauarbeitgebern solidarisch zu erklären und zu verhindern, daß abreisende Maurer gesellen anderswo unterkommen. * Die Köln. Volkszeitung meldet, daß das Koh lensyndikat eine Erhöhung den Kohlenpreise anstrebt. * Die Tschechisirung der Aemter in Böhmen geht mit Riesenschritten vorwärts. Trautenau, Gablonz, Friedland, Tetschen-Bodenbach, Aussig, Teplitz-Schönau werden mit tschechischen Beamren geradezu überschwemmt. In West- und Südböhmen ist es »ächt viel anders. Während am Pilsener Kreisgerichte, dessen Sprengel über 130,000 Deutsche angehören, von 39 Beamten nur ein einziger ein Deutscher ist, sind am Bezirksgericht im reindeutschen Saaz beide Adjunkten Tschechen. Aehnlich liegen die Verhältnisse in den Böhmerwaldstädten. In jüngster Zeit wurde auch zur Tschechisirung der so genannten deutschen Abtheilung am Prager Ober- landesgericht geschritten, und der jüngste Erlaß Dr. Kaizls beruft nicht weniger als 500 slavische Beamte nach Wien in die Departements des Finanzminis teriums. Es sollen eben planmäßig die Deutschen aus dem Staatsdienste gedrängt werden, damit die Begriffe „Staatsbeamter" und „Tscheche" identisch werden. Daß' die Post und Staatseisenbahnen in Deutschböhmen fast vollständig tschechisiert sind, weiß jeder Halbwegs Informierte. Kein Wunder, daß die Aufregung in Deutschböhmen über diese Verhältnisse wächst. * Die Amerikaner haben wieder einmal die Tapferkeit und ungemeine Kühnheit der Filipino» am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Mit knap per Not sirid stein dem Gefecht vom 13 d. M., das in unmittelbarer Nähe von Manila, also ihrem die einspaltige Petitzeile lEPfa., «Ntliche Inserate die CorpuS-Zeile 25 Pfg., Reklamen pro Zeile 20 Pfg. Bei 4 maliger Ausnahme 2V«/, Rabatt. — Bei größeren Inseraten «. mehrmaliger Aufnahme wird entsprechend höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstälten und Landbriesträger nehmen Bestellungen an. IS. JaHkMMg. eigentlichen Hauptquartier, stattsand, einer fürchter lichen Niederlage entronnen. Hätten sie nicht Lkt Geschütze der im Hasen liegenden Kriegsschiffe wirk sam unterstützt, dann würden die Filipinos höchst wahrscheinlich sich der Hauptstadt ihre» Landes be mächtigt haben. Die Streitmacht der Filipinos «ar die größte und bestorganisierte, die überhaupt bis her den Amerikanern begegnet ist. — Eine Mittei. lung aus Manila besagt, dort verlautete gerücht weise, Aguinaldo sei von den Anhängern LünäS ermordet worden. Diese Nachricht aus amttika- nrscher Quelle verdient ebensowenig Glauben wie die von der Ermordung Lunas, eines der Ober führer der Filipinos und Rivalen AgUinaldvSUM den Oberbefehl. * Washington, 17. Juni. Nach einer Depesche des Generals Otis griffen die Filipinos unter An führung Aguinaldos (der also doch noch lebt), di« Amerikaner bei San Fernando an, wurden jedoch mit sehr schweren Verlusten zurückgeschlagen. Die Amerikaner hatten 14 Verwundete. * In Kien-ning (in der Provinz Fokien) find ernste Unruhen gegen die Fremden ausgebrochen. Die Kirche und die Missionsanstalten wurden niedergebrannt. Die Missionare sind nach dem ans dem Wege nach Futschou gelegenen Orte Ningchtva entkommen. * Au- Parts. Infolge kritischer Aeußerung« des Majors Carriere, des Anklägers vor dem Kriegs gericht in Rennes, wird dieser durch einen anderen Offizier ersetzt. Die Zeichen einer bevorstehenden offenen Auflehnung mehrerer Generale mehrensich, sodaß die Lage gefahrvoll ist, falls kein energische» Kabinett gebildet wird. * Der Dreysus-Prozeß in Rennes wird am 17. Juli beginnen. Die Mitglieder des Kriegsgerichts sind bereits sämtlich ernannt; Vorsitzender ist der Genieoffizier Jouaust. Die Beisitzer sind ausschließ lich Artillerieoffiziere. * Die Bemühungen Poincares zur Bildung eine neuen Kabinetts sind ergebnislos gewesen, er hat daher seinen Austrag dem Präsidenten in die Hände zurückgegeben. * Aus Paris verlautet, Delcasse wird das An erbieten Loubets, die Kabinettsbildung zu überneh men, ablehnen. Maltogrosso werde das Anerbieten annehmen und alles aufbteten, mit der Kabinetts bildung zustande zu kommen. * Die Mehrheit des Unterausschusses für Heer und Flotte auf der Haager Friedenskonferenz hat sich für das Verbot des Gebrauches solcher Explo sivstoffe ausgesprochen, welche den Zweck haben, Stickgase zu verbreiten. Ebenso hat die Mchrhett sich für das Verbot der Verwendung von Schiffen mit Sporen ausgesprochen. Die Frage, -ob da» Geschützkaliber, die Explosivkraft der zur Verwen dung gelangenden Pulversorten und die Stärke der Panzer für eine bestimmte Zeit gewissen Einschrän kungen unterworfen werden sollen, wurde bis zum Eintreffen endgiltiger Instruktionen für die Dele- girten bezüglich dieser Frage offen gelassen. e * in r s H < S. 8 Bregenz (Bodensee), 17. Juni. AIS gestern Nachmittag zu einer heute hier stattfindenden Ver einigung sämtlicher um den Bodensee garnisonieren- der Offiziere die Oesterreicher hier einrückten, scheute das Pferd eines Postwagens und stürmte in die Volksmenge, wobei sechs Personen schwer verletzt wurden. 8 Kiel, 16. Juni. Eine Feuersbrunst äscherte in Poyenberg acht Gebäude, darunter da» Schul haus, «in. — Die Schooner „Marte" und „Kardlinr", welche nach Dänemark beziehungsweise Rußland unterwegs waren, sind in dänischen Gewässern »bet heftigem Nordoststurm leck gesprungen und °ge- strandet. z Görlitz, 17. Juni. Die Noacksche Dampfmühle in Troitschendors ist nebst Gesindehau», Oelstampf- werk, Mehl- und Getretdeoorräthen niedergebrannt. Di« Wirtschaftsgebäude blieben vom Feuer verschont.