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Allgemeiner Anzeiger für -ie Stadt Aue u. Umgebung. Erschein, M»tt»o«s, Kr«t«iS u. «»««tag», Md»«««m««t»»««tS Infl. der»werthvollrn Beilagen vierteljährlich mit Bringerlohn 1 Mk. tznrch die Post 1 LU. Mt S AamMenVtättern: Arohstnn, Aule Heister, Aeitlpiegek. Verantwortlicher Redakteur: Emil Hegemetfter, Aue jErzgebirge.) Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Inserat« die einspaltige Petitzeile 10 Psg. amtliche Inserate die Corpus-Zeile 2S,'Pf. Reklamen pro Zeile 20 Psg. Alle Postanstalten und LandbriestrSger nehmen Bestellungen an. Nr. 92. Freitag, den 5. August 1898. 11. Jahrgang. Bekanntmachung. Das aus den Fluren unseres Gutes in Zschorlau (des sog. Klötzergutes), an- H stehende Getreide soll im Ganzen oder in 3 Theilen meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. k Erstehungslustige werden ersucht, sich Montag, den 8. Angust Rachmit» tags 4 Uhr im Schmidt'schen Gasthofe in Zschorlau einzuftnden. «ne, den 3. August 1898. Dkl? Nüth RathSassesfor Lande. End. Bismarcks Tod. Aas strecken die Eichen im Sachsenwald Go klagend gen Himmel die Aestr ? Was raunen die Wipfel sich stöhnend zu ? WaS klageu die stutzenden Aeste? AaS schimmert so fahl heut' der Sonne Glanz? Wem winden sie dort den Todtenkranz'? Der Alte vom Walde ist gestorben. UL' Deutschland wirst jammernd sich hin am Sarg, O, daß nun auch Du bist entwichen, Der strahlende Blick, der so klar geschaut, O, daß er dem Volke erdli chen. Du, Alter vom Walde, nun schlafe in Ruh', Wir deck« mit Eichengrün Dich zu, Leb' wohl! Auf Wiederseh'n droben. Für die Motte ist folgender kaiserliche Befehl ergan gen: Die Offiziere und Beamte der Marine haben für acht Tage Trauerflor am linken Unterarm anzulegen. Alle Schiffe in der Heimat setzen die Gaffelflagge Halbstocks; eine entspre chende Bestimmung ist auch für die Flaggen am Land getrof fen. Nm Brisrtzungstage werden die Gaffel- und Toppflag- grn aller Schiffe, sowie die Flaggen am Land Halbstocks ge hißt, Mittags wird ein Trauersalut von IS Schuß gefeuert. Emjptechende Bestimmungen find auch für das Heer ergan- gru. Me Hostrsmer währt zehn Tage. Der Kaiser hat ^rffM .telegraphilqen Befehl an das Reichsamt des Innern gelangtn lasten, all« Vorbereitungen zu einer großen Trau- erfrier auf dem König-Platz in Berlin zu treffen. Der Tag ist noch Nicht festgesetzt. Auf dem Mittelplatz der Auffahrt dich ReichStagsgrbäuSeS wird ein Katafalk errichtet. Zu der Feier werden Einladungen an alle deutschen Regierungen und hervorragende Persönlichkeiten erfolgen. Das Beileidstelegramm des Kaisers an den Fürste» Her bert BiSmarck hatte nach dem „ReichSanz." folgenden Wort laut: „In tiefer Trauer teilnehmend an dem Schmerz, der Sie Alle um den teuren großen Toden ersaßt, beklage Ich dm Verlust von Deutschlands großen Sohn, dessen treue Mitarbeit an dem Werke der Wiedervereinigung unseres Va terlandes ihm die Freundschaft MemeS in Gott ruhenden Groß vaters, deS Großen Kaisers Majestät, fürs Leben erwarb, und dm unauslöschlichen Dank des ganzen deutschen Volke» sür alle Zeiten. Ich werde seiner Hülle in Berlin im Dom an der Geste meiner Vorfahren die letzte Stätte bereiten." — Fürst Herbert rrwiederte, daß diesem Wunsche die eigenen letziwilligen Verfügungen des Verstorbenen entgegenständen. In der Thal hat der Heimgegangene bereits im Juni 1896 nicht nur dm Wunsch ausgesprochen, in FriedrichSruh begra bt» zu werden, sondern sogar die Schriftart bestimmt, in welcher die von uns schon mitgeteilte Grabschrist gehalten fein soll. Im Sachsenwalde werden Fürst und Fürstin Bis marck also vereint ruhen, und was das Lied einst von The odor Koerner und seiner Gruft unter der Eiche zu Wöbbe lin gesungen: Ihr habt in Fürstengrüsten . Bestatten mich gewollt, Hier in den frischen Düften Jhr ruhn mich lassen sollt! da» wird in Zukunft auch von dem Fürsten Bismark gelten. Inmitten des Waldes, den er so geliebt, unter dem Rauschen seiner Buchen und Eichen, umwogt von dem Dufte seiner Tannen wird der Schöpfer deS Deutschen Reiches den ewi ge« Schlaf schlafen, seine Grabstätte wird ein Nationalheilig- rtznn inmitten des deutschen Waldes sein. MArmrrcks Leich» sollte schon Dienstag im engsten Fa milienkreis« «ingesegnet werden. Der Sarg bleibt im Trau erhaus« geschloffen stehen, bis das Mausoleum aus dem so- genarmten Schneckenberge gegenüber demFriedrichsruher Her- rmdaufe erbaut ist, was bis spätestens Anfang Oktober ge schehen wird. Der Kaiser beauftragte den Prof. Begas, die Zeichnung gu einem Sarkophag zu entwerfen, der den großen Toten in voller Küraffieruniform barstellen soll. Pros. v. Lenbach wird di, Leiche Bismarck» sür ein spä tere» Gemälde skizzieren, Meister Menzel aus Berlin die Totenmaske abnehmen. Da» Aussehen des Fürsten Bismark ist jetzt nach dem Verl. L-A. erschütternd. Da» Gesicht ist «ehr eingefallen, da» Kinn tief nach abwärts gesunken. In der Hand hält der Fürst eine weiße Roj«. Dagegen berichten dir B. N. N.: Das Gesicht ist marmorweiß, die Züge find Vicht entgestellt, sie machen trotz der immer noch ausgrpräg- Hst» -«am-m Energie einen friedlichen Andruck, von der einen Seite aus gesehen sogar den ciucr idealenVerklärung, die alle- Irdische abgestreist Hai. Fürst Hohenlohe hat sich am Montag Nachmittag mit Extrazug nach FriedrichSruh begeben, um Namens des Staats ministeriums einen Kranz am Sterbelager Bismarcks nieder- zulegen. Die zum Tode Bismarks führende Ursache ist akutns Ocdem der Lungen gewesen. Es liegt die Annahme nahe, daß insolgc der länge ren Bettruhe, zu welcher der Fürst in der letzten Zeit gezwungen war, eine bei so hohem Alter stets verhängnisvolle starke Ausschwitzung von Flüssigkeit in den Lungenbläschen eingetreten ist. Die trotz anfängliche. Besserung stetig sich steigernde Altersschwäche vermochte der überhand nehmenden Lungenübcrsüllung keinen Wiederstand entgegenzusetzcn, und so folgte die unvermeidliche Lungen- und Herzlähmnng. Die im letz ten Stadium neben den lichten Augenblicken ausgetretene» Anfälle von traumhafter Benommenheit und Bewußtlosigkeit beruhen daraus, daß infolge der Flüssigkeitsanjammlung in den Lungenbläschen der sonst durch die Lungen vermittelte Gasaustausch behindert wird und eine An häufung von Kohlensäure auslritt, die wie bei der Koytensäure-Bergis- tung aus das Gehirn einwirkt. Mit dem alten Benenleiden, an dem Fürst Bismark bekanntlich schon sein fünfzehn Jahren gelitten hat steht seine letzte Krankheit nicht im Zusammenhang. Prof. Schweningec erzählte in Friedlichsruh, er sei selbst von der jähen Katastrophe überrascht worden. Sechsmal habe der Fürst der gleichen Anfälle gehabt und sie stets überstanden. Es konnte nicht ver mutet werden, daß der zuletzt eingetretene und gleichfalls schon glücklich überstandene Anfall einen derartigen Ausgang nehmen werde. Die Testamentseröffnung wird keinerlei Ueberrasch- ungen bringen, da der Fürst mit seinen Kindern seit vie len Jahren die Verteilung seiner Hinterlassenschaft ver einbart hatte. FriedrichSruh fällt mit dem Fürstentitel dem Grafen Herbert zu. Vorläufig bleibt die Familie Rantzau dort wohnen. Bismarcks Barvermögen, welches teilweise bei der Bank von England, teilweise bei Bleich rüder deponiert ist, übersteigt die bisherigen Schätzungen um Millionen. Eine Million Wert Haven die bei den Hosjuweliers Gebrüder Friedländer deponierten Orden, Brillanten? Goldsachen und Ehrengeschenke. Ein großer Teil des Baaroermögens ist den Söhnen des Grafen Ran tzau, die der Fürst zärtlich liebte, zugedacht. Anständig benimmt sich unter den Pariser Zeitungen der „Matin" Sein Herausgeber, der einst den Fürsten besuchte, führt aus, daß sich die Deutschen jetzt frei der Dienste erinnern können, die er ihnen erwiesen. Sein Schatten steht Niemandem mehr im Wege, sein Ruhm ver letzt nicht mehr . . . Der Zweck des Kriegs war sür Bis. marck nur die Eroberung des Elsaßthales. Er wollte Mühlhausen, Kolmar und Straßburg, zunächst kraft des Prinzips, daß die Grenzthäler von Rechts wegen dem Stärkeren gehören; und dann, weil er die noch zweifel hafte Treue der Südstaaten durch ein Art Wall sichern zu müssen glaubte. Hierauf beschränkte sich sein Ehrgeiz Metz und das französische Lothringen wurden Frankreich erst aus das Drängen Moltkes als Strafe für dessen hero ischen Widerstand entrissen. Die Errichtung des deutschen Kaiserreichs ist mehr dem Kronprinzen Fritz als ihm zu danken. Nach dem Siege besonders erschien das Genie Bismarcks in seiner ganzen Größe. Der Frankfurter Ver trag, den er diktierte, ist ein Meisterwerk der Voraussicht der deutschen Interessen. Dann ließ sich der Kanzler, um das von ihm geschaffene Reich zum Wohlstand zu brin gen, das Handelsministerium zuerteilen, um die Quellen des inneren Reichtums zu öffnen und dein ausländischen Wettbewerb die Thore zu schließen. Er gab der Indus trie seines Landes jenen schreckenerregenden Aufschwung, der alle alten produzierenden Nationen beunruhigte. Die schnelle Erhebung Frankreichs veranlaßte ihn zum Abschluß des Dreibundes. Oestreich war ihm nützlich, um Ruß land in Schach zu halten, Italien, um Frankreich zu be unruhigen und in Atem zu erhalten. Durch den Berli ner Kongreß hatte er Oestreich und Rußland zu Neben buhlern auf der Balkanhalötnsel gemacht; indem er Frank reich nach Tunesien trieb, grub er zwischen Frankreich u. Italien einen Abgrund, der tiefer ist, als die Alpen hoch sind. Die tschechischen Blätter benehmen sich anständiger, als die französischen. Sie erkennen an, .daß Freund u. Feind Bismarck den Ruhm nicht nehmen können, daß er ein großer willensstarker Staatsmann gewesen sei, auf welchen die Deutschen im Reiche, besonders aber die Preu ßen stolz sein könnten. A n Sarge eines solchen Man nes müßten alle persönlichen Feindseligkeiten aufhören, trotzdem er immer ein großer Feind aller Slawen ge- wesen sei. Di« Familie Bismarcks erschwert den Berichterstat tern^die Arbeit sehr. Die auf Befehl des Kaisers aus Altona eingetroffene Ehrenkompagnie, deren Thätigkeit ' als Ehrenwache am Sarge und Korridor zum Schlafge- mach gedacht war, wird zur Absperrung jedes Weges u. Steges im weitesten Umkreise verwandt, und wo etwa die Soldaien daskle inste Löchlein zum Durchschlüpsen las- sen könnten, sind Gendarmen, Förster und Schloßbedien- te ausgestellt — mit einem Worte, die Absperrung ist her- metisch, um so mehr, als der neu errichtete hölzerne Pal- lisadenzaun auch jeden Blick aus das Schloß verhindert. Daß unter solchen Umständen die mehr als hundert, aus allen Gegenden zusaminengeströmten Journalisten aufs Schwerste enttäuscht sind, ist selbstverständlich, zumal, da der Aufenthalt alles weniger ist als bequem und sür ein Zimmer in den wenigen Logierhäusern 15 bis 20 Mark gefordert werden. Ein Beispiel sür die ungewöhnlich strenge Absperrung von Schloß und Park Friedlichsruh gegen die ge,amte Außenwelt ist, daß der Staatssekretär Gras Posadowsky, der mit drei Räten im amtlichen Auftrag und in feier lichem Gewände in FriedrichSruh erschien, einige 20 Mi nuten vor dem Parkthor warten mußte, obgleich Professor Schweninger ihn gesehen hatte. Erst nach geraumer Zeit brachte ein Förster die Genehmigung, daß der Minister mit den Räten eintreten dürfe. Die Deutschnationalen in Oestreich wollen 14 Tage lang Trauerflore am Arm tragen. In vielen Orten fin- den Trauerfeierlichkeiten statt. In Pest hob wegen Bismarcks Tod die Regierung die Sonntagsruhe für Zeitungen auf, sodaß alsbald alle Blätter Sonderausgaben veranstalten konnten. Fürst Herbert Bismarck ist infolge der Aufregungen und Anstrengungen plötzlich erkrankt. Von Bismarcks Geschwistern lebt noch eins: seine Schwester Frau von Arnim. Sie ist in FriedrichSruh eingetroffen. Zettungsstimmen „Berl. Reuest. Nachr.": Ein Menschenleben, wie es in viesein Jahrhundert llin größeres gegeben, ist durch den All- vezwiuger Too überwältigt. Ei» Name der ein Menschen alter hindurch beherrsä end nno gewaltig den Erdball durch flogen, der dann, als sein Träger von der Weltbühne ab getreten zu sein schic», dennoch acht Jahre lang einem un- vecgllichtich schönen Loimeiiunlergang vergleichbar, am Ho rizonte leuchtete, ist ausgelöscht aus dem Buche der Le benden. Bis in die fernsten Grenzen zivilisierter Völ ker klingt die Nachricht: Bismarck ist tot! und alle, Freund und Feind, vereinigen sich vor der erschütternden Kun de, die unter das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. den letz ten endgültig abjchneidenden Strich zieht. Solange Fürst Bismarck noch da war, bedeutete die bloße That- sache seiner Anwesenheit eine unermeßliche Reserve der deutschen Staatskunst, sein Name allein wog sür uns Heere aus. Damit werden wir fortan nicht mehr zu rechnen haben. Umsomehr haben alle, die zur Mitwir kung an den Geschicken des Vaterlandes berufen sind, die Pflicht, doppelt darauf zu achten,, daß die Pfade der deutschen Politik sich nicht von jenen Wegen entfernen, auf denen einst Kaiser Wilhelm 1. und Fürst Bismarck Deutschland so hoch erhoben haben. „Berl. Tageblatt.": Wie die Sonnen im Weltall noch viele, viele Jahre ihre Strahlen erdenwärts senden, nachdem sie, die leuchtenden Lichtquellen, selber aus dem Buche des Dasein gestrichen, also erhellen auch biestern- grüßen der geschichtlichen, der moralischen Weltordnung noch die später» Geschlechter, wenngletch ihr irdisch Le- ben längst aufgehört hat. Die Körper verwesen, doch unermeßlich sind die Nachwirkungen ihrer unsterblichen Thaten, von denen noch gesagt und gesungen wird in fernen, fernen Zeiten. „Wiener Ztg.": Sein Name wird unvergänglich bleiben, seine Grabstätte der Wallfahrtsort sein sür künf- tige Geschlechter, besonders aber für all die Millionen, die in dem von ihm geschaffenen Reiche den Segen sei nes Schaffens genießen. „Wiener Neue Freie Presse": Damit ist das 19. Jahrhundert zu Ende, nicht bloß in Deutschland; soweit die Zivilisation reicht, wird diese Empfindung vorherr- schen, denn sein Name erfüllt die Welt. Mit diesem Na- men ist Alle» verbunden, was die Geschichte unserer Ta ge groß und denkwürdig gemacht haben.