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Allgemeiner Anzeiger für die Stadt Aue u. Umgehung. Mittwoch», Freitag» u. Sonntag», Aamitienötttttern : Arohstnn, Aule Heiner, Aeitspieget. die einspalti?e*PAitzeile 10 Pf». «bonnem«nt»prei» amtliche Inserate die Lorpu«-Zeile SS/Ps. ink'. der 3 wert^ollxp Beilagen vierteljährlich Verantwortlicher Redakteur: «mit Hegemeister, Aue jErzgebirge-f Reklamen pro Zeile 20«L Brmg-rohn IMk. Redaktion u. Lzpedilion?«»., Marktstrage «>». Postanstaltenund LandbriestrLger durch die Po,t 1 Mk. " nehmen Bestellungen a». , "Nr. 9K Montag, den 1. August 1898. 11. Jahrgang. .0« Jurist Wrsmctrrck Durch den Telegraphen der den Erdball umspannt, fliegt Überallhin die Tranerkunde, daß das ruhmvolle Leden de» großen deulschen Staatsmannes erloschen ist. Im gesammten Bere'che der Zwillswiou, überall, wo Menschen wohnen, de nen mchl jeglicher Zukunmeuhang nur oen> Denken und Ind ien der menschlichen Gesaiwiuhell adgeschnilten ist, wird tue- ^seS Ereignis als ein weltgeschichtliches licse Bewegung Her vorrufen, und überall, wo ein deulscheö Herz schlügt, wird es schmerzlich zusammenzucken unter deut Eindrücke der Todes- mark-Schönhausen dieser Ersehnte ist. Er selber, der begei sterte »Stockpreuße", der stramme Junker, scheint es am allerwenigsten zu ahnen. Schroff bekämpft er die schwarz- rol-goldene Schwärmerei. Bom preußischen Heere sagt der Abg. Bismark in sei ner Rede vom 6. Sept. 1849: „Diese Armee hegt keine dreifarbigen Begeisterungen, in ihr werden Sie eben so wenig als in dem übrigen preußischen Volke das Bedürf nis nach einer nationalen Wiedergeburt finden Sie ist teilung in einer Festschrift zu Bismarck» SO. Geburtstage, „ward ich aus einem Saulus ein Paulus, au» einem BiS- marthasser ein begeisterter Bismarckverehrer — und wie mir, so erging es damals Mustonen in Süddeutschland". Das war dieselbe Enuviu^luug, die dann immer weiter griff und die der einleitende Spruch im Bismark- Album des Kladderadatsch kennzeichnet: „Erst verspottet, dann befehdet, * Und in demselben Jahre tritt der Ersehnie in die Vielgeschmähr in allen Landen, Har er dennoch hohen Mutes Aufrecht stets und sest gestanden. Dann gehaßt und bann gejnrchtet, Dann verehrt, und dann bewundert: Also steht er, eine Säule, Ueberragend das Jahrhundert." Erheb dich wie aus einem Munde Du Schrei der Not nach eurem Mann! Das deutsche Fahrzeug geht zu Grunde, Es fängt schon rief zu sinken an; Schon bog es hoffend um tue Klippe, Schon nach dem Hafen ging sein Zug; Da fiel auf der Bemannung Sippe Der Wahn, wie er noch Keinem schlug. Tritt aus der Führer wildem Zanken Kem jo antiker, ganzer Mann, Der den unstervlichen Gedanken Der deutschen Große fassen kann ? Der ohne Ansehn und Erbarmen Zuhauf uns treibt un Schlachlenschweiß Und dann mit unbeugsamen Armen Die deutsche Mark zu runden weiß! Nur Siuen aus den Millionen, So weit die deutsche Langgut haust! Zum Heil den Völkern u«d den Thronen Nur eine eifern harte Faust .... Sie riß herab der Einheit Fahne — O unerhörte Meuiereil Und jeder schrie in seinem Wahn« : „So vm ich stark, so bi», ich srer l" — Du herrlich Schiff, das uns getragen, Jlt's möglich läßt es Goll geschehen, Daß du zertrümmert und zerschlagen Und rettungslos sollst untergeben? Man weiß, welch klug vorausblickende Zurückhaltung Bismark — entgegen einer sehr ^starken Strömung im preußischen Hauptquartier — nach oem 1886er Siege in Bezug aus die Ausnutzung dieses Sieges durchzusetzcn wußte, um die Möglichkeit eines späteren Bündnisses mit Oestereich frei zu halten. Und weiter: ein staatsmän-1 nischer Meisierzug nach dem anderen — das große Jahr I 1870, die herrliche Erneuerung de» deutschen Reiches,das I Dreikaiser-Bündnis und — nachdem die Eifersucht Gor-1 tschakows sich gegeir ihn wendet, das FriebensbündniS I mit Qestereich und später mit Italien. Die Fülle von Erinnerungen, die der Heimgang des! mit unauslöschlichem Ruhm gekrönten Altreichskanzlers neu belebt wird ja jetzt lange in ausgiebiger Wei,« efn- herfluten, ,es wird vielleicht auch manch neues Licht fallen ! auf die weltbewegende Lebensarbeit des gewaltigen Geisteshelden und auf sein vorzeitiges Scheiden aus dem Amre. Von seinen Worten, die den Flug durch hie Welt genommen, aber dauernde Stätte in den Herzen aller treuen Deutschen gesunden, soll nrit seinem Anden ken vor Allem jenes verknüpft sein, das ec in der hin- reißenden, herrlichen Rede am 6. Februar 1888 gesprochen; das Wort: „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts aus der Welt." Und dieses Wort soll auch unser Wahlspruch in diesen trüben Stunden sein, da der unvergleichliche und fln- vergeßliche von uns gegangen ist. Wir Deutsche hatten uns gewöhnt, den Blsmark für uns sorgen zu lassen, alles von ihm und seinem Genre zu erwarten und seit seinem Rücktritt jeden Fehlschlag feinem Fernsein zuzu schreiben. Jetzt stehen wir auein. Aber nur wollen Les- halb nicht kleinmütig, sein. Zeigen wir» das Bismarks Lebenszweck, das deutsche Voll rn den -sattel zu heben, damit es retten könne, sich erfüllt hat, indem wir ge trost und im Vertrauen auf den unerschöpflichen Schatz von Kraft, den das deutsche Volk in sich birgt, in die Zukunft schauen. Und in demselben Jah^> will der Ersehnie in die Er scheinung. Niemand „n», daß der Abgeordnete v. Bis- zufrieden mit dem Namen Preußen uno siolz auf den Namen Preußen. Diese Scharen folgen dem >chwarz-wei- ßen Banner, nicht dem dreifarbigen das dreifarbige Ha ven sie seit dem 18. März als Feldzeichen ihrer Gegner kennen gelernt, Unter ihnen sind die Töne des Preußen liedes, des Dessauer und des Hohenfriedbergcr Marsches wohl bekannt und geliebt, aber ich habe noch keinen preuß- ischen Soldaten singen hören, was ist des Deutschen Va terland? Das Volt, aus dem diese Armee hervorgegan gen, dessen wahrhafter Repräsentant diese Armee ist, hat lein Bedürfnis, sein preußisches Königtum verschwimmen zu sehen in der fauligen Gährung süddeutscher Zuchtlosig keit-. Das war in jener Zeit, von welcher der Kanzler nach mals sagte: „Ich bin einmal ein scheußlicher Junker ge wesen". Und was ihn damals befangen hielt, w»r je ner „preußische Partikularismus", den er später den „ge fährlichsten" Parnlularlsmus nannte. Wie gewaltig wuchs dieser Mann mit seinen höheren Zweckenl Und wie er wuchs, da wurden auch Jene an dern Sinnes, die in Bismarck immer nur einen „militär wütigen Junker ', einen Feind der deulschen Einheitsbe- wegung erblickt hatten. So sehen wir ihn zunächst im Konflikt mit der Volksvertretung, glühend gehaßt von den deutschen Patrioten. Sein Vorhaben, die ElVherzogtümer zu gewinnen, hat ganz Europa, gegen sich. Nichts stützt thn, als das Vertrauen seines Königs und sein mächti ges Selbstvertrauen. Sein Genie überwindet die 'Miß gunst der Riächte und vollbringt das Meisterstück, den östreichischen Rivalen, bevor es mit diesem zum Entschei dungskampfe kommt, noch zur Hilfe im Schleswig-Hol- fteinschen Kriege heranzuziehen. Schon 1862 war sein Wort von „Blut und Eisen" gesprochen worden in Schen- lendorss: „Denn nur Eisen kann uns retten, und erlö sen kann nur Blut!" — In der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses wars am 30. September 1862, da that Bismarck den lapidaren Ausspruch : „Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, das ist der Fehler von 1848 und 1849 gewesen,sondern durch Blut und Eisen". Jetzt wird Las Wort zur That. Freilich, furchtbar genug, als deutscher Bruderkrieg, hebt die Verwirklichung an. Ins Ungemessene wächst der Haß auch in Sachsen gegen den Mann mit den drei Haaren, der scheint es, Deutschland zerfleischest will. Man hält ihn sogar verräterischer Ab machungen mit dem Franzosenkaiser für fähig. Eine Sze ne nach dem Eintritt der Waffenruhe schildert aus das Lebendigste diese Zeit. Im bayrischen Abgeordnetenhause wird von der Notwendigkeit gesprochen, sich mit den „preußischen Brüdern" wieder zu vertragen. „Das sind die Brudergrüße der Preußen! ruft demgegenüber der Würzburger Bibliothekar Ruland voll bitteren Hohnes, und wirst in den Saal eine der Kanonenkugeln, die bei der Beschießung auf die Universität gefallen waren. Und als Ruland sortsuhr, Bismarck habe lediglich Preußen ver größert und Süddeutschland schutzlos dem ^ranzosenkai- ser preisgegeben, da sprang Fürst Hohenlohe aus (derjetz ige Reichskanzler) und ries: „O nein!" und zog die Ur- künde der Schutz- und Trutzbündnisse hervor, die der Sie ger Bismarck, während noch die Gewehre heiß waren, schon in den Verhandlungen zu Nikolsburg den süddeutschen Staaten angeboren hatte, und verlas dazu noch Bismarcks amtliche Erklärung, er habe niemals einen Fußbreit deut scher Exbe Napoleon in Aussicht gestellt. „An jenem großen Tage,- so schreibt Felix Dähn im Anschluß an diese Mir- nachrlcht aus Frieviichsruh. Was Bismark dem deulschen Volke war, was das deut sche Volk durch diesen gewalllgeu persönlichen Ausdruck sei- ,ner geistigen Kraft geworden ist, iu unzählig.ii begeistern» Kaudgevmigeii, m Schrift uno Rede, m Verfett uno in Pro sa ist dres bet verschiedenen festlichen Geiegenhellen gesagt wor den — ost genug viel schöner und treffender, als es im Rah men eines Zeilnngsaufsatzes und umer der Aufregung des geschichtlichen Augenblickes möglich ist. Allein um so rech» zu ermessen, welch machtvoller Aufschwung sich »n und nm ^oem Lebenslause dieses unsterblichen Führers der deulschen Nation vollzogen Hal, muß man aus eigener lebendiger Er innerung vertraut sein mu der Zell, aus welcher Bismarl hervorwuchs — muß man aus unmittelbarer Anschauung die Zerrüttung und Schmach kennen, von welcher das große Levenswcrk Blsinarks die Deutschen erlöst hat, freilich nicht ohne schmerzliche Opfer, die der Notwendigkeit gebracht wer den mußten. Welch eme Zeil deutscher Hilf- und Ratlosig- keil und anscheinend heilloser Zerklüftung! Der Welt zum Gespötte, heiter angestaunl ms das Volk der unverbesserlichen Schwärmer, dem kein anderer Trost beschieden sei, als gleich dein Poeten in Schillers „Teilung der Erde" den Vater Zeus m seinem Himmel besuchen zu dürfen — so standen die Deutschen m einem bundscheckigen, jammervollen Durch einander von Vaterländern und Vaterlanbchen. Stimmen na tionaler Sehnsucht aus Nord und Süd klangen zusammen in dem Ruse nach einem Neuer und Helfer. „O Schicksal, gieb uns Einen, Einen Mann!" sang Emanuel Geibel vor mehr als fünfzig Jahren. Und der Schwabe I. G. Fischer er hebt un Februar 1849 denselben Ruf: Ue-er die letzte« Gluude« Bismarcks berichten die „Hamburger Nachrichten" : LaS Befinden Bismarck» mar am Freitag verhältuitzinajtig besne- tilgend. Am Sounabeno Vormittag la» der Fürst Zeitungen, sprach über Politik, aß uno trank. Ptopiich trat «ine Verschlimmerung durch akute» Lungenödem ein. Nachmittag verlor oer Fürst häufig da» Be- wußtjein. Abends nahmen die bedenlächen Erscheinungen zu. Der Tod trat leicht und schmerzlos gegen 11 Uyr abend» ein. Da« Sterbe- lager umstand die gesamte Familie. Kurz vorher waren Schweninger, Lyrysander, Baron und Baronin Merck «iugetroffen. Die letzten Worte richtete Bismarck an die Gräfin Aanhau, al« sie ihm die Stirn trocknete „Danke mein Kind." Der Fürst tiegt schlafähnlich, der Aurdrust q, mild, friedlich. Die Beisetzung eifolgl nach Bismarck« Wunsche au, der Anhöhe gegenüber dem Schlosse, nahe der Hirschgrupp«. Bergen (Norwegen), 3t. Juli. Der Kaiser erhielt gestern Abend spät die erst- bejorgnißerregende Nachricht über da« Befinden Bismarck» Heute früh erhielt er die Todesnachricht, die ibn tief erschauerte. Die Flagge der Hohenzollern weht auf Halbmast. Die Flaggenparade unter- blieb. Der Kaiser befahl sofortige Rückvhr uach Deutschland und trikkt am Montag Abend ein.