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Auerlhal -Zeitung. Allgemeiner Anzeiger für die Stadt Aue u. Umgebung Nr. 88. Freitag, den 29. IM 1898 Ü. Jahrgang. Si»se»cht< die einspaltige Petttzrile 1V Pf-, amtliche Inserate die Lorpud-Zeile ÄWs. Reklamen pro Zeile 20 Pf- All« Postanstaltenund Landbrieftrtger nehmen Bestellungen an. srL«Ä"'u. .-««t«-., Mit 3 AamM-uötätt-rn: Arohfinn, K«1e Keister, Aettlpi-g-t. ftl»»««cmc«t»»celS inN. der3werthvollen Beilagen vieneljLhrlich ^rantwortlicher Redakteur»mtl Hegemeister, A u e lErzgebirge.1 "" BnngeNohn 1«». Redaktion u. ikrpedition"««., Marktstraße durch die Post 1 Mk. 7 Aus dem AuerthaL und Umgebung. MUttzell»«-»« »»« localem Interest« ft«» »er ««»actio« stet» willtommeu. Morgen Abend wird in Trögers Garten der soeben eingetroffene „ Sommer-Variete-Ctrkus" seine erste Vor stellung geben. Von auswärtigen Zeitungen wird den Vorstellungen dieser Gesellschaft das beste Zeugnis gege ben. Es wird da behauptet, daß die Leistungen der Künstler und Künstlerinnen sich denen der großen Spectalitätentheater getrost an die Seite stellen können und die in jeder Beziehung voHüglichen Aufführungen allgemein ansprechend und anziehend wirken, und sich stet» eines reichen Besuchs erfreut haben. Namentlich die Damen-Specialitäten seien großartig in ihren Leistungen. Den Zuschauern im Circus steht demnach reiche Unter haltung in Aussicht, ein fleißiger Besuch ist deshalb nur zu empfehlen. Der geplante Sommerausslug des „Concertklubs Aue" nach dem herrlich gelegenen Scheibenberg vollzog sich am Sonntag in allgemein befriedigender Weise. Ueber SO Personen betheiligten sich daran. Theile der Auer Stadtkapelle waren mit u. spielten die Marsch-, Concert- u Ballmusik. Höchst lohnend war der Besuch des Schei. benbergeS, mit seinen herrlichen Anlagen seitens einer Anzahl Mitglieder. Man besuchte dort die interessanten Orgelpfeifen, das Zwergloch, die Morgensonne, das Ost. Panorama, den Schafbüschel-Krater, Stülpnersteig, sowie den schön angelegten Thurmpark und Aussichsthurm. Während dessen war im Schützenhause sür die Zurück gebliebenen Concert, später Ball, der sich im Feldschlöß chen zu Scheibenberg und bei Wiedereintreffen in Aue im »Muldenthal" sortsetzte. Trotz des anfänglich regner ischen Wetter, das sich aver bald aushellte dürste sich jeder Theilnehmer recht gut amüsirc haben. Am vergangenen Donnerstag versammelten sich im „Wettiner Hof" 20 Herren, behuss Gründung eines Rad- fahrer-Vereins. Es wurde dies von vielen Fahrern sür ein Bedürsniß befunden, da solche Vereine selbst in klei neren Ortschaften mit gutem Erfolge bestehen. Der Hauptbezirksvorsitzende des D. R. B. Gau 21, Herr Holz hausen aus Chemnitz, legte die Ziele und Zwecke, sowie Nechte und Pflichten der Vereinigung sür Radfahrer klar, und wies nach, 'daß der Zusammenhalt der Radfahrer unbedingt nothwendig sei, ebenso in Bezug aus regel rechtes Fahren, wie auch zum Schutze gegen Belästi gungen. Daraufhin wurde eine Liste ausgelegt, in wel che sich sämmtliche anwesenden 20 Herren zur Mitglied schaft einzeichneten. Bei der nun folgenden Wahl des Gesammtvorstandes wurden folgende Herren gewählt: Vorsitzender Eduard Höckner, Kasfirer Paul Klöppel, Schriftführer Alfred Roth, 1. Kahrwart, I. Schedlbauer, 2. Fahrwart Carl Wehner, Schrist>ührer Hans Dörffel. Seitens eines Sportskameraden wurde eine freiwillige Tellersammlung veranstaltet, welche den ansehnlichen Be trag von: Mk. 23 50 zur Deckung etwaiger Regiekosten ergab. Wir wünschen dem Verein, welcher den Namen „Radfahrer-Verein Aue" führt, ein fröhliches Blühen und Gedeihen. Weitere Anmeldungen zur Mitgliedschaft kön nen jederzeit beim Vorsitzenden Herrn Eduard Höckner, Markt 5, mündlich oder schriftlich angebracht werden. All Heil! Vom 1. August 1898 ab sind alle zu versendenden Eil- und Stückgüter an dem neu erbauten Güterschup pen des Bahnhofs Aue anzuliefern, während angekom. mene Eil- und Stückgüter nur im alten Güterschuppen -ür Auslieferung gelangen. Aus Fol. 246 des Handelsregisters sür Neustädtel, Au« und di« Dorfschasten ist am 19. Juli 1898 die Aen- derung der Firma August Wellner Löhne in Aue in: Sächsische Metallwaren-Fabrtk August Wellner Söhne verlautbart worden. Da» Königliche Minister um der Justiz erläßt folgende Bekanntmachung, die Waarenzeichen betreffend. Die gemäß dem ReichSgesetze über Mar'enschutz vom 30. November 1874 in di« ^«ichenregistrr der Gericht« eingetragenen Waarenzei- chen (Schutz-, Handels-, Fabrikmarken) gehen nach 8 24 de» Rrichsgrsetze» zum Schutz« der Waarenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 mit dem 1. Oktober dieses Jahre» ohne weitere» jeve» Schutze» verlustig, wenn sie nicht bi» dahin zur Ein tragung tn du Zeichenrollr bei dem Patentamt angemeldet worden sind. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte werden du' Zeicheninhabrr hierauf hingewiesrn. Die Ziehung der 2. Elaffe der 134. königlich sächsischen Lande»lotterie findet am 8. u. 9. August statt. Dir Erneue- r«ng der Loos« ist nach Z ü der dem Plane zu dieser Lot» t.tie angesügten allgemeinen Bestimmungen vor Ablauf de» 30. Juli bei dem Collekteur, dessen Name und Wohnort aus gestempelt ist, zu bewirken. Ein Interessent, welcher diele Erneuerung versäumt oder sein Loos von dem nurgedachten Collecteur vor Ablauf des 30. Juli nicht erhalten kann, hat sich nach Maßgabe de- angezogenen 8 ö bei Verlust aller An sprüche an das gespielte Loos an die königl. Lotterie-Direc- lion nach Ablauf des 4. August 1898 zu wenden. Der Obererzgebirgische Gausängerbund hielt am Sonntag iin benachbarten Bockau seinen Sängertag ab, womit die Bannerweihe der dafigen „Liedertafel" verbunden war. Für letztere, bezw. deren Banner wurden 40 Nägel, dem Bun- desliedermeister Musikdirektor Dost-Schneeberg ein kostbarer Taktirsiock gespendet. Zm Bereiche des Erzgebirges haben zahlreiche Bäder «rüher bestanden, welche jetzt keine Benutzung mehr finden. Man benutzte früher als Heilmittel Quellxitin Auerhammer, Lainsdocf, Eibenstock, EhreüMEsdorTT^siMlTsrMerg (bei Adorf), Glauchau, Gruinstadt (Jöhstadt', Marienberg, Neudorf und Crottendorf, Oberwiesenthal, Raschau, ReinS- dors (Zwickau), Ruppendorf, Thierfeld (Hartenstein) und Zethau (Sayda). Als Badeorte werben jetzt noch besucht: Bad Einsiedel oet Station Neuhausen, Grünthal bet Olbern hau, Bad Hohenstein (Hüttengrund), Otten- siet« bei Schwarzenberg, Wieseubad im Zschopauthal, Warm bad Wolkenstein und guter Brunnen ber Zwönitz. Neuere Bäder bezw. Kuranstalten finden sich zu Aue, Gottleuba Grüna, Reitzenhain, Reiboldsgrün und Tharandt. Aus Sachsen und Umgebung. — Mit der nunmehr erschienen ministeriellen Verord nung, die Rückzahlung der geleisteten Amtscautionen an Staatsdiener betreffens, sind zahlreiche Private und na- mentlich sogenannte Cautions-Gesellschasten in eine Kri sis Versalien, die bereits ihre Schatten wirft. Bekannt ist die Thatsache, daß zum mindesten der eine Amts- caution stellenden Staatsbeamten diese Caution entlie hen haben und zwar in letzter Zeit zum großen Theil von Cautions-Gesellschasten, die namentlich in Berlin, massig anzutreffen sind, die ober nichtsdestoweniger ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, da sie unter den denkbar coulanlesren Bedingungen an fest angestellte Staatsbeamte Caurionen bis zu dem höchsten Betrage liehen. Diese Geschäfte sind nun mit einem Male lahm gelegt worden, die Summen sind an die Beamten zurück gezahlt und letztere haben dcm zu Folge die Beträge so weit als sie nicht abgezahlt waren, an die Cautions-Ge- sellschasr verabfolgt. Es ist damit manche Sorge von den Beamten genommen worden, denn die Wenigsten vermochten von ihrem Gehalt die Cnution abzuzahlen, beziehentlich dieselbe zu hinterlegen. Interessant ist nun das allerneueste Verfahren verschiedener.Cautions-Gesell schasten, die jetzt „viel Geld flüssig haben". An Stelle der Aufforderung zur Entleihung von Amtscautionen werden die Beamten jetzt massig überschwemmt von An preisungen bezüglich eines günstigen „Pumpgeschästes". „Unter den coulantesten Bedingungen" und „weil wir viel Geld flüssig haben", ja selbst „aus ein volles Jahr zinsfrei" werden Summen in beliebiger Höhe angeboten. Verschiedene Gesellschaften warten gar nicht die Rückzah lung der Amtscaution ab, sie bieten den Darleihern der selben das Geld „zu anderweiter Verfügung" anl — Unter dem düngenden Verdachte, eine Reihe von Gift- morden verübt zu haben, wurde in Loschwttz bei Leitmeritz die 22jährige Lienflmagd Anna Gabler verhaftet. Die An gelegenheit welche weühm das größte Aufsehen erregt ist fol gende: Im Juli vorigen Jahre» starben die Mutter und die Guilin des Gastwirte» und Geii»«»ndevorsteherS Lchimpte an einem Tage unter auffälligen Lhmmpen der Vergiftung. Die damals emgelettele genchtliche Untersuchung bezüglich ve» Thäter» ergab em negative» Resultat und mußte ringe- eingestellt werden. Vor zwei Atonalen hat sich Schim- pke wieder verehelicht und am 8. d. Ml«, erkrankten seine drei Dienstmägde, am folgenden Tage seine junge Gat tin. Letztere starb trotz der ihr zugewendelen ärztlichen Pflege; von den Mägden liegt eine schwer krank darnieder, die beiden anderen haben sich bereit» erholt. Die Gendarmerie hat nun aus Grund belastender Anhaltspunkte die Dienstmagd Gabler verhaftet, welche jedoch die verbreche rische Thal m verschiedenster Werse in Abrede stellt. Sie wurde dem KreiSgrricht in Leitmeritz eingeliesert. Die Br- weggründe, welch« die Verhaftete zur Verübung dieser Gift» morde veranlaßten find in völliges Dunkel gehüllt, doch wird angenommen, daß e» sich um einen Racheakt handelt. — Letsntg 2d. Juli. Der Radfahrer Sachse au» Ger»- dorf hatte heute da» Unglück, mit einem Leiterwagen zusam men zu stoßen. Durch eine Etsenspitze, mit denen die Lei tern beschlagen waren, wurde er tödtlich verwundet. Die au- gestellte Untersuchung wird ergeben, ob die Schuld an dem Unfall den Geschirrfahrer oder den Radfahrer trifft. — Energisch gegen die sog. Streikhetzer geht die Polizei des Dresdener Vorortes Plauen vor. Die Beamten streifen zu bestimmten Stunden des Tages auf den Straßen umher, um alle diejenigen anzugreifen, die arbeitswillige Zimmerer, überhaupt Bauarbeiter.zum Streik aufzuwiegeln suchen.Einige Aufwiegler sind bereits verhaftet worden. Auf allen Bauten wird inzwischen flott weiter gearbeitet, da die Stellen der Ausständischen meisten» durch Zuzug von auswärts besetzt find. - Einem schändlichen SiltlichkeitSverbrrchrn fiel die 67 jährige HandrlSfrau Wolf aus KleinkarSdorf bei Kreischa zum Opfer. Dieselbe ging Mittwoch in den Nachmittagsstun den von der Hummelmühle nach Kautzsch und wurde dort auf diesem Wege von einem anständig gekleideten Manne überfallen. Ganz in der Nähe haltende Geschirre hatten von dem Vorgänge nichts wahrgenommen, auch keine Hilferufe ge hört, denn der Verbrecher, welcher letder entkommen ist, hatte der bedauernswerten Frau den Mund mit einem Taschentuch verstopft. — Mn schreckliches Unglück ereignete sich dieser Tage unweit der Bahnstation Beucha-Brandt» bei Leipzig. Der dort stationierte im 70. Jahre stehende Bahnarbeiter Mauer hof wurde von der Maschine eines PersonenzugeS ersaßt und eine große Strecke weil mit sortgeschleift. Der Unglückliche trug hierbei so schrecklich« Verletzungen davon, daß er bald darauf starb. Mauerhof hatte bereit» um seinePenfton nach gesucht. — Ein Kaufmamz aus Breslau, der sicheinigeLagetnAnnaberg zum Besuch aushielt, hatte mit seinem Sohne ».einem nahen Ver wandten eine Radpartie nach Jöhstadt unternommen und sie gedachten ihre Fahrt über Schmalzgrube fortzusetzen und aßen auf der steilen, für Radfahrer besonder» gefährlichen Kirchstraße nicht ab. Der Vater fuhr Vorau». An der steil- ten Stelle versagte di« Bremse, auch die Pedale brachen un ter dem Druck der Füße, und so ginz es rasend schnell den Berg hinab, bis endlich das vorstehende Fladersche Wohn haus die Weilerfahrt hemmte. Mit lautem Gekrach zerschmet terte das Rad d e Ladenchür, der Fahrer aber schlug mit oem Kopfe so heftig gegen den Thürenstock, daß er blutüber strömt und mit zerschmetterter Htirnschale herabsank. Von Augenzeugen gewarnt, war der Sohn noch rechtzeitig abge- stiegen und so dem gleichen Schicksale entgangen; er sand seinen Vater tot im Blute liegen. — Am 20. Juli abends gegen ^ii Uhr ist da-Wohn- haus der Kohlenarbeiterswitwe Byyain in Lommichau bis auf die Umfassungen nieoergebranm. — Auf dem Verbandslage d s sächsischen JnnungSverban- des, der am Montag in Rochlitz statlsand, beschäftigte man sich eingehend mit der Frage, ob sreee oder Zwangsinnung vorzuzirhen seien. Für beide Arten wurden Stimmen laut. Eine Abstimmung unterblieb jedoch, da die Versammlung le diglich den Zweck haben sollte, eme Belehrung herbeizusüh- ren. Mn« interessante und angesichts der Neuregelung des Jnnung-wejens geradezu brennende Frage ist: „Was ist ein Aabrikbelrieb?" Auch hierüber sprach sich die Versammlung aus. Im allgemeinen sah man als Merkmale eines hand werksmäßigen Betriebes folgende Punkte an: 1. Ausbildung von Lehrlingen, gleichviel, ob sie von Geschäftsinhaber oder von anderen betrieben wird. 2. Handwerksmäßige Arbeits teilung. 3. Niedere Zahl von Arbeitskräften. -.Beschränkte Benutzung mechanischer Kraft. Als Fabrikbetrieb würde dem nach m der Hauptsache gelten: 1. Beschäftigung jugendlicher Arbeiter (nicht Lehrlinge.), 2. Arbeitsteilung nach fabrikmäßi gen Regeln. 3. Größere Zahl der beschäftigten Arbeiter. 4. Ueberwiegende Verwendung von mechanischer Kraft. Genau ere Grenzen solle» et st noch gezogen werden. — Bei dem Besitzer eine» Fahrradgeschäfte» in Gera sprach dieser Tage rin junger Mann vor, um rin Rad zu kaufen. Obgleich sein Aeußrre« auf keine großen Geldmittel schließen ließ, überließ man ihm ein Rad zu einem Versuch auf der neben dem Hause eingerichteten Fahrbahn., Al» er nach einigen ziemlich ungeschickt au«grsührtrn Hinfahrten den Wunsch äußerte, da» Rad auch auf der Straße versuchen zu dürfen, trug man hiergegen in dem Geschäfte kein Beden- ten. Gar bald änderte sich jedoch die Sache. Au» dem scheinbar stümperhaften Anfänger entwickelt sich ein Fahr« ersten Range», der mitBlitzeSschnrlle au» den Augen der ver blüfft nachblickenden Zuschauer verschwand und hitzher da» Wiederkoinmen vergessen hat,