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Auktthal Zeitung. 1 Tageblatt für die Stadt Aue uno «rs«e««t «»glich Nachmittags, außer an L- > - » .^nerlagkii — Preis pro Moua» frei ms Hau« 22 Psg., abgehott 17 Psg- — Mii dir Lonnlagsbeilagc: „Ter Zeüjpiegel" Bei der Post abgeholt >.o Vierteljahr I Ml. — Durch de» Briestt.iger l.4O Marl. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. «eran,wörtlicher Redakteure Graft Kaake, Aue jErzge r»» Redaktion u. Expedition: Au», Marltstraße. Nr. 136 Sonnabend, 16. Juni 1900 Umgebung. Inserats «e einspaltige Petitzeile kV Pf«., «u.tltche Inserate die Eorpu« Zeile SS Psg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Aufnahm. SS"/o Rabatt. — Bei größeren Jnserater u. mehrmaliger Aufnahme wird entspre» ent höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten «nb Landbriefträgcr nehmen Bestellungen an. 12? Jahrgang' säetzfifetze». , Lößnitz, 12. Juni. Im Lonsumverein und Pro- duktivgenossenschaft „Vorwärls", findet die diesjährige Markenabgabe statt: Mittwoch, den 27. Juni a. c., abend» S—9 Uhr im Gasthose zu Ltreilwald für die Mitglieder zu Streitwald und Oberafsalter. Abends 8 bis 9 Uhr im Gasthofe zu Niederaffalter für die Mit glieder zu Niederaffalter und Oberaffalter. Abends 8 bis 9 Uh» im „Gasthofe zum kühlen Abend" zu Al- beroda für alle Mitglieder zu Albrrooa. Donnerstag, den 28. Juni a. c., abends 8 bis halb 9 Uhr rm Saale de» Herrn Schubert, Lößnitz, für die Mitglieder zu Lößnitz, Nieder-Lößnitz und Dittersdorf. Inventur weaen bleiben geschlossen: Der Laden zu StreitlvRld am 20. Juni. „ „ „ Niederaffalter und Alberoda am 1. Juli. „ „ „ Lößnitz am 1. und 2. Juli. s Oberwiesenthal, 11. Juni. Ein schwerer Unglücks- fall hat sich im benachbarten Böhmisch-Wiesenthal bei einer am Sonnabend stattgefundenen Hochzeitsseier zugetragen. Bei derselben sollten Böllerschüsse in der Nähe d«S Gasthofes „Zum Schlößl" abgebrannt wer den, wobei einem Beteiligten eine Ladung so unglück lich traf, daß das ganze Gesicht zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde und derselbe sofort in das Kran kenhaus befördert werden mußte. s Kirchberg, 11. Juni. Gestern gegen Abend wurde hier ein 13jähriger Knabe von einem Hunde in die Nase und in die Backe gebissen, wobei der Hund oen ganzen rechten Nasenlappen wegriß. 8 Werdau, 12. Juni. In einem der hiesigen Land wehrteiche wurde gestern Vormittag 8 Uhr der hier beschäftigte, aus Chemnitz gebürtige 23 Jahre alte, ledige Fabrikarbeiter Kcetzschmar ertrunken ausge funden. s Schneeberg, 13. Juni. Heule Mittag halb 1 Uhr brannte in Lindenau das Herrn Jmanuel Hofmann gehörige Wohnhaus nieder. « Plauen i. V., 12. Juni. Unter Theilnahme von etwa 300 Fleischern sand aia Montag, Dienstag und Mittwoch hier der Verbandslng der sächsischen Flei- scher statt. 8 Eibenstock, il. Juni. Herr Nathsregistratvr Knüchtel hier ist ln Morgenröthe- fiautenkranz ein stimmig zum Gemeindevorstand gewählt worden. 8 Annaberg, 11. Juni. Ein jäher Tod hat den 15 Jahre alten Sohn des Herrn August Hartmann aus Niederschlag ereilt. Er h rtte einen Langklotzwa ¬ gen zu begleiten und ist in der Nähe von Königslust an der Annaberg-Bärensieiner Straße derart unter den schweren Wagen gekommen, daß ihm der Ober körper vollständig zerdrückt wurde. 8 Reichenbach, 12. Juni. Gestern Vormittag in der 10. Stunde ist eine hiesige Dame auf der Strecke zwischen Reichenback und Mylau von einem Eisen- bahnzug überfahren und so schwer verletzt worden, daß sie im Krankenhause Aufnahme finden mußte. Vernrrfetzt*» Deutschland. 8 Der deutjche Müllerbund hielt am Sonntag in Leipzig seine erste Hauptversammlung ab. tz Berlin, 13. Juni. Eine gestern geplante Ver sammlung mir der Tagesordnung: „Der Blurmvrd in Könitz" ist von der Polizei untersagt worden aus Rücksicht aus die öffentlihe Ordnung und Sicher heit. 8 Die Pockenseuche greift in der Altmark beun- ruhigend um sich. Bereits vier Orte sind davon er griffen. Alle öffentlichen Veranstaltungen find ver bocken. In der Konitzer Angelegenheit ist amtlich nichts davon bekannt, daß in Könitz der Belagerungszustand verhängt worden sei. 8 Im Elberfelder Militärbefreiungsprozeß sind in Remfcheid neuerdings Verhaftungen erfolgt. Der Sohn eines dortigen Fabrikanten und der Landwirt C. K- von Bltedinghausen wurden in Haft genommen und nach Elberfeld überführt. 8 München, 13. Juni. Mit Rücksicht auf das Be finden des Königs Otto wurde die für nächste Wvche geplante Reise des Prinz-Regenten in die Rheinpsalz abgesagt. 8 Lübeck, 12. Juni. Aus Beseht des Kaisers wer- Den die Kanonenboote „Skorpion" und „Natter" zur Eröffnungsfeier des Elve-Lrave-Kanuls am 16. Ium hier eintreffen. Ein eigenthümlicher Kamps ist in Niederbayern enrorannl. Das Bier, das sünsre Element rn Bayern, soll theuerer werden. In Niederbayern und in der Oberpfalz har aus dem Lunde das Bier noch immer oen allen Preis, seitdem man mit Mark und Pfennig und nicht mehr mit Gulden und Kreuzer rechnet, näm lich das Liter 20 Pf., die Halbe lOPs. In den grö ßeren Städten kostet Ü«,S Bier 24 Pf. und aus dem Lande in Oberbayern 22 Pf. Nun wollten 'ne nieder ¬ bayerischen Brauer und Wirthe den BterpretS auf dem Lande erhöhen, da die ProductionSkosten bedeutend gestiegen seien. Sie thaten sich zusammen und an vielen Orten schlug man um 2 Pf. auf. Aber die Brauer hatten die Rechnung ohne die Bauern gemacht. Die Bauern leiteten eine Gegenagitntion ein, bildeten ein Couutee und drohten mit der Errichtung von Gr- nossenschaftSbrauereien; einstweilen sollte daSBier im Großen von München bezogen werden. Auch die Generalversammlung des Niederbayerischen Bauern vereins, die am Pfingstmontag in Frontenhausen ab gehalten wurde, nahm, nach der „Köln. Ztg", eine Resolution gegen die Bierpreiserhöhung an. 8 146 000 Mark verloren und wieder gefunden. Bei einem am l. Mai d. I. von Münster ,m Stein nach Kreuznuch erfolgten Umzuge waren einem Ren tier aus unerklärliche Weife Wertpapiere und ZinS- scheine in Höhe von 145 000 M. verloren gegangen. Wie jetzt die Polizeiverwalrung in Kreuznach bekannt giebt, fino die Wertpapiere dieser Tage wiedergefunden worden. — Wo mag das kostbare Gut wohl in dec langen Zeit verborgen gelegen haben? Ausland. 8 Der Bergführer Giuseppe Zecchini aus Primiero, der bei ei.,er Hochlour beide Hände erfroren hat, ist. ivie die „Meran r Zeitung" berichtet, jetzt aus dem Bozener Spital, wohin er sich zur Heilung begeben hatte, entlassen worden, freilich in einem recht trau rigen Zustande. An der rechten Hand mutzten thm drei, an der linken Hand zwei Finger amputirt wer- den. Seinem Führerberuj wird der Arme, d»r auch Vater einer zahlreichen Familie ist, wohl kaum mehr nachgehen können. Zecchini Halle Anfangs März den Hochalpinisten Dr. Schuster aus Dresden aus einer Tour in die Polagruppe begleitet. Beim Aufstieg auf die Groda Graude wurden sie von einem Unwetter überrascht und mußten die ganze Nacht aus einem Felsvorsprung zudringen Beim Abstieg posstrte ihnen elwas AehniicheS; auch diesmal mußten sie im Freien übernachten. Wahrend Dr. Schuster heil davon kam, sind dem Führer in den kalten Nächten beide Hände erfroren. 8 Rom, 13. Juni. Der steinreiche Baron Francica Nava, ein Brud, r des Cardinals, erschoß sich in Catania auf dem G:abe eines Fr undes. 8 Ein komisches Erlebniß halte zu Pfingsten ein Taschendieb in Wien. Die Pfingsiseiertage mit ihrem massenhaften Andrang in Kirchen und Gasthäusern, LV Des Aiitfets Lösung. Kriminalroman von Fr. Ferd. Tamborini. „Die Handschriften des Schreibens an die Ermordete und diese stimmen nicht überein; entweder ist die eine Handschrift verstellt oder Sie sind überhaupt nicht die Schreiberin. Welche Handschrift ist die verstellte?" Tiefe Scham deckte daSGesicht deSMädchenS, dann sagte ste stockend: „Die Handschrift des Briefes an Frau Seipel." „Aha!" machte Bauer, „das erschließt manches. Pro ben haben wir gar nicht nötig; im Täuschen scheinen Sie Ihresgleichen zu suchen." „Mit meinem Namen wechselte ich auch meine Hand schrift; die angenommene finden Sie auch auf dem Frem- denschein der Polizei." Jetzt fiel Seipel angsterfüllt ein: „Sophie, ich bitte Dich, gieb genaue Auskunft über diese Verwirrung!" Schweigen Siel" rief Bauer. „Ich frage!" Nach einer kleinen Pause erklärte Sophie: „Ich weiß, daß ich schuldig bin, deshalb bitte ich um die Anklage; er- lasten Sie mir jede weitere Erklärung, ich sage nichts wei ter. vergieb, Feodor, daß ich Dir anch jetzt weiteren Auf- schlutz schuldig bleibe; später wirst Du alle» erfahren; wen» s ich sterben mnß, wird mein Wunsch sein, Dich noch ein mal zu sehen. Schuld und Leid werde ich dann offenbaren können." Sie schwieg und starrte auf den Boden. Tiefe Stille herrscht« in dem Ramne. Seipel hatte das Gefühl einer Menschen, der gezwun gen ist, ruhig und thatenloS znzuschen, wie sein Liebste» tn einem verzweiflungsvollen Kampfe unterliegt. Da» Berkür wurde geschlossen, die Untersuchung-ge fangenen wieder abgesührt, nachdem ste ihre protokollari schen Au»sagen unterschrieben hatten. Als die Beamten er schienen, um die kaum Bereinigten unerbittlich auseinan der zu reißen, da griff wilde Verzweiflung um sich. So phie schrie, sie wollte nicht von ihrem Mitschuldigen ge trennt sein, und er fleht, standhaft zu bleiben. De» Mädchen» Seele war umhüllt von Hoffnungslo sigkeit, al» ste einsam in ihrer Zelle, den heißen Kopf an die kalte Mauer gelehnt, saß und stumpfsinnig vor sich niederblickte. Ob Feodor Seipel wirklich i» tobender Ver zweiflung da» Herz seiner Mutter im blinden Wahn durch bohrt hatte? Sie, diese Mutter, war nicht schuldlos an seinem Unglück. Sophie versank allmählich in wache Tränmerei; die Wirklichkeit rückte in die Ferne, die Vergangenheit legte sich vor ihre jetzt geschlossenen Auge», dann die Zukunft, alle» verworrene, trübe Bilder. Ein freudeloses Leben in der Jugend, ein Suchen und Streben nach Liebe, Tod der Eltern, Aufenthalt in der Fremde, junge Erzieherin und von da ab tauchte ein Bild wieder und immer wieder aus.. da» Bild Feodor Seipels. Sie sah sich mit ihm ver eint, die Zukunft öffnete sich ihr im Glanze unbeschreib- lichen Glücks. Sie lächelte, schlafend; ste träumte ihn fort den beglückenden Traum vom Paradiese in der öden Ge fängniszelle : Freiheit und Liebe in enger Fessel. *1 . Der Untersuchungsrichter durchflog nochmal» da» Pro- tokvll; dann warf er mißmutig die Akten zusammen, lehnte sich zurück und versankt»tiefe»Nachsinuen Er war allein und konnte die Miene des strengen Richters ablegen; der Mensch trat in seine Rechte, der nicht nur mit Thatsachen und Beweisen, sondern auch mit dem Gefühl zu rechnen hat. Er zweifelte ernstlich an der Schuld de» Mädchen»; weniger eindrucksvoll schien ihm da» Wesen Seipel» zu sein; der Mann war ihm zu wankelmütig, zu unsicher, er schien etwa» sorgfältig zu verbergen Die Thatsachen verurteilten allerding» da» Mädchen: Namenänderung, Handschriftwechsel, Laß gegen die Ermordete. Doch konnte er den Gedanken nicht los werden, daß Sopie tn furcht- bare Ereignisse verwickelt doch an dem Morde schuldlos war. Bom juristischen Standpunkte schienen ihm beide schuldig, beide hatten di« That vollbracht, hierfür war der schwerwiegendste Bewet« bi« gemeinsam« Rückkehr beider au» dem Auslände, da» plötzliche Zusammentreffen au der- selben Stelle uud zur selben Zeit. Bauer stellte aber jetzt den Juristen in den Hintergrund, nahm an, daß das Mädchen nur Seipel zu Liebe falsche Aussagen gemacht habe. Wer solche Züge von Wahrheit im Ausdruck und der Sprache je gesehen, weiß Echte» vom Unechten zu unterscheiden. Uud doch die Thatsachen. Der Phsychologe strafte sie Lügen. Es war ihm aber schon mehrfach begegnet in seiner Praxis, daß Mensche» vor ihm gestanden hatten mit der heiligsten Versicherung ihrer Unschuld und Ehrlichkeit, er hätte auf deren Aussagen eine» Eid abgelegt, uud doch war er getäuscht worden. Aber jetzt war er an Erfahrung reicher geworden und diese» Mal wurde er irre an sich oder an dem Mädchen. Die Unter suchung war abgeschlossen, die Akte» konnten der Staats anwaltschaft übergeben werden. In einigen Wochen be- gann die Schwurgerichtsperiode, e» war ja möglich, daß eine geschickte Verteidigung einen Freispruch erzielte bet ihr, um so schlimmer stand e» dann für Seipel. Al» Bauer da» GerichtSaebäudeverließ, begegnete ihm Laubell. der ihn gerade aufsuchen wollte. E» dunkelte be reit» und in den Korridoren de» Gebäude» entzündet« man die Gasflammen. „Herr Laubell," sagte der Richter überrascht, „wa» führt Sie so spät noch zu mir?" „Ich möchte gerne wissen, oh Fräulein Rap» au» der ' Untersuchungshaft entlassen ist." Bauer war wieder ganz Beamter; er knöpfte gelassen seinen Ueberzieher zu und sagte kalt: „DäS Mädchen tut- findet sich noch in Untersuchungshaft; die Untersuchuug ist " abgeschlossen, die Sache geht jetzt in die Hände der Staats anwaltschaft." Man schritt auf der Straße langsam weit«. „Und Seipel?" fragte zornig Laubell. „Damit steht'» genau so." ,,Wa»? Beide?" Bauer mußte über den jungen Mann lach«. «Ja, beide, weil beide tn gleichem Maß« belastet find." 7S,1S*