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Auerchal -Zeitung. Allgemeiner Anzeiger für die Stadt Aue u. Umgehung. e sritivucks, Areitag» u. Soontagt, ^it«? Iami5ien6ktt11ern : AroMnn, Aule Aeitter, Jeilspiegek. die einspaltige Pctitzeile 10 Pf-. Avonnernentsprei» . amtliche Inserate die CorpuS-Zeile 25M. ink'.derllwerihvvllenBeilagen vierteljährlich ««antwortlicher Redakteur: «mtl Hegemeister, A u c sErzgebirge.s Reklamen Pro Zeile 20 Pfg. nnt Brmgerlohn 1 Mk. Redaktion u. Expedition, «ue, Marktstraße. «a. Postan,taltenund Landbriesträger durch die Post 1 Mk. nehmen Bestellungen an. Nr. 94. Mittwoch, den 10. August 1898 11. Jahrgang. Bekanntmachung. Hundesteuer iu Aue. Alle Hundebesitzer werden hierdurch ausgefordert, binnen 3 Tagen ihre Hunde zur Versteuerung auzumelden und gleichzeitig die Hundesteuer zu entrichten, soweit sie dies noch nicht gethau haben. Nichtbefolgung dieser Aufforderung zieht die bereits in der Bekanntmachung vom 4. Juli 1898 angedrohten Strafen nach sich. Eilte wettere Aufforderung zur Anmeldung der Hunde und Ent richtung der Steuer ergeht uicht. Aue, den 9. August 1898. DSV Rüth hkv I. V : Bochmaun« Sch. Bismarck. Die Trauerseier für den Fürsten Bismarck in der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche zu Berlin am Donners tag vereinigte den Kaiser und sein Haus, die Vertreter seiner Verbündeten, die Spitzen von Staat und Armee und alle Kreise, die dem Heimgegangenen Kanzler nahe gestanden. Das Gotteshaus, das dem Andenken des Herr schers gewidmet ist, als dessen treuester Dieuer der Da- hinschiedene sich selbst bezeichnete, war, der ernsten Feier entsprechend, schlicht aber würdig geschmückt. Um 9 Uhr schlugen zum ersten Mal die Glocken der Kirche an. Bald daraus rückte die vom 2. Garderegiment z. F. gestellte Ehrenkompagnie mit der Musik und der Fahne an und nahm vor dem Hauptportal Aufstellung. Als eine hal be Stunde später die Glocken zum zweiten Male läuteten war schon die größte Zahl der Geladenen erschienen. Das Saiserpaar kam in offener Kutsche, begleitet von einer Schwadron Gardekürassiere. Der Kaiser trug die Uniform des 1. Garderegiments mit verkette des Schwarzen Ad lerordens, die Kaiserin war in tiefer Trauer. Die Trup pen präsentierten, das Spiel ivurde gerührt und die Glocken schlugen zum dritten Male an. Unter Borantritt der Geistlichkeit traten die Majestäten in das Gotteshaus ein. Der Chor eröffnete die Feier mit dem Spruch : „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt'. Es wechselten dann, dem litur gischen Charakter der Feier entsprechend, Gesänge und Schriftoerlesungen des amtierenden Geistlichen, des Ge neralsuperintendenten Faber. Der Chor sang den Spruch : „Ja, der Herr sagt, daß sie ruhen von ihrer Arbeit', u. die Motette: „Sei getreu '. Dann nahm der Geistliche das Wort zu der rn die Form eines freien Gebets gekleideten Ansprache. Diese lehnte sich an den 149. Psalm, derbem Fürsten in einer bedeutungsvollen Stunde seines Lebens von einem bewährten Freunde als Stecken und Stab auf den Lebensweg gegeben war, und aus den er sich so man ches Mal gestützt hat. Das Gebet mit herzergreifender Wärme gesprochen, war von tiefster Wirkung. Nachdem die Gemeinde nunmehr den Choral gesungen: „Wenn ich einmal soll scheide ", sprach der Geistliche den Legen. Der Chor: „Wie herrlich ist die neue Welt" schloß dann di« Andacht. Leises Orgelspiel ertönte, als beide Maje stäten die Kirche verließen. — Die Trauerftaggen aus den Reichs- und Staatsgebäuden sind am Donnerstag Abend eingezogen worden. — Die Stadt Berlin zeigte gestern ein der traurig-weihevollen Bedeutung des Tages ange messenes würdiges Außere. Biele Geschäfte waren geschlos sen, der Trauerschmuck der Häuser war reicher geworden. Fürst Herbert Bismarck wollte, wie es hieß, am Donners tag in Berlin eintreffen. Die Trauerfeier, die der Kaiser ursprünglich geplant hatte, sollte großartig werden. Der Kaiser hatte zurAus- schmückung des Königsplatzes drahtlich Besetzte erteilen > lassen. Der Katafalk sollte auf der Rampe des Reichs tagsgebäudes errichtet werden, Reinhold Begas dazu die Zeichnung entwerfen und sich wegen aller sonstigen künst lerischen Veranstaltungen mit Anton von Werner ins Einvernehmen setzen. Es war ausdrücklich eine großar tige Schaustellung befohlen worden. Dazu wurden dem gemäß auch sofort Entwürfe angefertigt. Doch während man noch in Berlin die Einzelheiten beriet, traf ein Te legramm des Kaisers ein, das alles abbestellte. Bereits am Sonntag hatte der Kaiser auf seiner Aacht „Hohenzollern" eine Rede über Bismarcks Tod vor versammelter Mannschaft gehalten, in welcher er die Ver dienste des Fürsten Bismarck rühmend betonte und sagte, „wir müßten ihm danken, da wir Deutsche seien." Ueber die Konservierung der Leiche des Fürsten Bis marck war ein Gerücht verbreitet, daß sie mißlungen sei. Die „Hamb. Nachr." können diese Angabe als durchaus irrtümlich bezeichnen. Die Konservierung ist im Gegen tell besonders gut gelungen, und es war der fürstlichen Familie bis zum letzten Augenblick, bis der Sarg geschlos sen wurde, ein lieber Trost, daß die Züge des teuren Ber- storbenen den friedlich verklärten Ausdruck behalten, den sie nach dem Tode angenommen hatten. Der herrliche Bau des Kopses und die charakteristischen Züge des Ge- sichts, selbst die weicheren Partien desselben, zeigten keiner lei Veränderung. Warum aber ist dann der Sarg so zeitig geschlossen worden? — Mehrere Zellungen haben Bilder gebracht, die den Fürsten Bismarck auf dem To tenbette liegend darstellten und nach einer Skizze nach der Natur gemacht sein sollen. Aehnliche Abbildungen finden sich auch auf Postkarten. Allen diesen Abbildun gen kann nach den „Hamb. N." kein anderer Entwurf zu Grunde liegen, als ein nach Hörensagen und Zeitungs berichten erfundener. Niemand sei in der Lage gewesen, im Sterbezimmer eine Skizze des verstorbenen Fürsten aufzunehmen. — Dagegen berichtet das „Bert. T.": Ein ärgerlicher Skandal steht bevor. Zwei Hamburger Pho tographen haben in der Nacht zum Sonntag im Einver ständnis mit dem am Sarge des Fürsten Wache halten den Förster einen Vertreter in das Sterbezimmer einge schmuggelt, welcher die Leiche photographisch ausgenom men hat. Bismarcks Sozialpolitik. Die politischen Verdienste des Fürsten Bismarck sind in den letzten Tagen in der Presse nach aller Gebühr ge würdigt worden. Auch daß er in seiner inneren Politik nicht immer dasjenige Maß von Verständnis finden konn te, das notwendig war, um ihren Erfolg zu sichern, wur de vielfach eingehend dargelegt. Eine Leite seiner Tä tigkeit aber, die zu recht segenövoller Entwickelung ge langt ist, hat dabei noch nicht diejenige Würdigung ge funden, die sie zweifellos verdient: Bismarcks Sozialpo litik, insonderheit die Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Die Notwendigkeit, auf diesem Gebiete gesetzgeberisch vorzugehen, hat Bismarck schon früh begriffen. Er er kannte die „soziale Frage" schon, als das Manchestertum noch maßgebend war und das Vorhandensein einer sol chen Frage leugnete. Beim ersten Auftreten Bismarcks in der Oeffentlichkeit, 1847, war Deutschland noch so sehr Ackerbaustaat, daß die Arbeiterbewegung nur sehr gerin ge Bedeutung hatte und auch in den Zuckungen des „tol len Jahres " keine Rolle spielte. Erst später vollzog sich in Deutschland der gewaltige Umschwung in der gesam ten Produktionsweise. Deutschland, bis dahin ein Land des Handwerks und der aus diesem beruhenden Hausin dustrie, wurde mehr und mehr ein Industriestaat und das hatte die natürliche Folge, daß ein zahlreiches Pro letariat entstand, das in dürftigen Verhältnissen lebte. Bereits im Beginn der 00er Jahre waren die sozialen Zustände so wett gediehen, daß einem weiten Blicke die Notwendigkeit positiver Maßregeln zu Gunsten der Ar- beitervölkerung nicht verborgen bleiben konnte. Im all gemeinen fehlte dieser Blick durchaus, Bismarck aber hatte ihn, um so anerkennenswerter, als er durch keinerlei Studien oder Ratgeber auf das Vorhandensein einer so zialen Frage hingewiesen worden war. Die Nationalö konomie lag damals noch sehr im argen und die öffent liche Meinung huldigte noch durchaus dem Manchester tum. Von Bedeutung für die spätere sozialpolitische Thä- tigkeit Bismarcks ist aber gewiß der Umstand gewesen, daß er längere Zeit in diplomatischer Vertretung inParis war, wo er Gelegenheit hatte, die Sozialpolitik Louis Napoleons an der Quelle kennen zu lernen. Er war aber nicht der Mann, eine Sache mechanisch nachzuahmen. Als nach den Attentaten neben dem Sozialistengesetz auch die vorbeugenden Maßregeln gegen den Einfluß der So zialdemokratie, die Vorbereitung der Versicherungsgesetze, angekündigt wurde, begann für die soziale Entwickelung Deutschlands eine neue Aera. Die kaiserliche Botschaft vom 17. November 1881 gab das Programm der neuen Sozialpolitik. Bismarcks Plan war dabei, durch eine umfassende Versicherungsgesetzgebung eine große Anzahl von Personen zu schassen, die Renten empfangen oder doch sie erwarten dürfen. Diese Leute würden, so meinte er, an der Erhaltung der bestehenden Wirtschaftsordnung interessiert sein und darum einen festen Stamm zufriedener, ruhiger Bürger abgeben. Da rin hat er sich getäuscht. Die Arbeiter haben anfangs die Versicherung zurückgewiesen, dann mit einer verächt- ltchen Handbewegung sie angenommen, und heute aller dings wisse- sie schon ihren Wert zu schätzen, aber das, was Bismarck erwartete — zufriedene, geduldige Leute sind sie nicht geworden. Das Gute, das man besitzt, weiß man selten gebührend zu würdigen Erst vor kurzem ging eine Zusammenstellung der Leitungen der verschie denen Verstcherungszweige durch die Blätter. Sie zeigt wie die Arbeiteroersicherungsgesetze — ganz abgesehen von ihren Mängeln — für Hunderttausende überaus se gensreich wirken. In der Arbeiierversicherung ist Deutsch land geradezu vorbildlich für alle Kulturstaaten geworden. Daß ihm die Zufriedenstellung der Arbeiter nicht ge lungen, das hat den Fürsten bis an das Ende seiner Ta ge tief verdrossen. Die Emvftndung, daß er trotz man gelnder Anerkennung seitens der Beteiligten sich nnt der Arbeiterversicherung allein schon ein unvergängliches Denk mal gesetz hat, ist ihm nie gekommen. Und doch hätte er darauf stolz zu sein alle Ursache gehabt und eine spä tere Zeit wird ihm hoffentlich den ihm zu seinen Lebzei- ten vorenthaltenen Dank auch für jenes große Werk zollen. In seiner letzten ParlamentSrede vom 18. Mai 1889 kam Fürst Bismarck auf die sozialdemokratisch« Gefahr und aus die Erfolge der sozialdemokratischen Agitatoren zu sprechen und äußerte: Die sozialdemokratischen Füh rer und die sozialdemokratischen Massen. Die Massen, welche mit nirgend etwas zufrieden sind, dem auch die Sozialdemokratie nicht abhelfen könnte, stimmen bei den Wahlen für die Sozialdemokraten, weil ne ihrer Unzu friedenheit durch eine regierungsfeindliche Abstimmung einen Ausdruck geben wollen. Auf einem ganz anderen Boden stehen Vie Herren, deren ganze Bedeutung, deren Herrschaft darauf beruht, daß die von ihnen geleiteten und mißleiteten Massen unzufrieden bleiben. Täuschen wir uns darüber nicht, daß wir mit der Sozialdemokra tie nicht wie mit einer landsmannschaftlichen Partei in ruhiger Diskussion sind; sie lebt mit uns im Kriege und' wird losschlagen, gerade so gut wie die Franzosen, so bald sie sich stark genug dazu fühlt. Und diese Stärke vorzubereiten, ist ja die ganze Aufgabe ihrer Politik, u. was diese -tärle zum Losschlagen, zur Erzeugung de- Bürgerkrieges, zur Herstellung des MassentrittS der Ar-' beiterbataillone schädigen, hindern und hemmen kann, daS werden sie natürlich bekämpfen, also wird ihnen auch je des Entgegenkommen für die Leiden des armen Mannes, welches von Ltaatswegen geschieht, hinderlich sein. DaS mindert die Unzufriedenheit und diese brauchen sie. Aus einer Unterredung, die Fürst Bismarck im Jah re 1867 mit emem londoner Journalisten über die eu ropäische Politik hatte, wird folgendes veröffentlicht. Ich glaube, sagte Bismarck, keinen Augenblick, daß uns Frank reich allein bekämpfen wird, denn wir sind stärker. Ein Angriff muß von Frankreich kommen, wir werden ni'e an-^ sangen. Belgien wollen wir nicht. Nach meiner Mei nung wird Frankreich nie einen Bundesgenossen bekom- men. Frankreich als Sieger, wäre eine Gefahr für Jeden, Preußen für niemand. England wünscht ein Gegenge- wicht gegen Frankreich, deshalb wendet es sich uns zu. Oestreich ist wie ein Haus aus schlechten Ziegeln, die je doch durch vorzüglichen Mörtel zusammengehalten wer- den. Dieses Ferment ist seine deutsche Bevölkerung. Ein Bündnis mit Frankreich zur Verhinderung der deutschen Einigkeit wäre verhängnisvoll für Oestreich. Rußland wird sich niemals mit Frankreich gegen uns verbünden; es ist unmöglich. Bezüglich seiner Abneigung gegen einen Krieg mit Frankreich erklärte Bismarck: Ich sagte unse ren Generälen dieses Frühjahr, wenn Ihr mir so klar veweisen könnt, wie das Dasein Gottes, daß wir Frank reich vernichten können, werde ich doch alles thun, um^ den Krieg zu verhindern Denn Sie müssen bedenken, ein Krieg zwischen so nahen Nachbarn und alten Fein den ist, gleichviel wie er ausfällt, nur der erste von we- nigstens sechsen, und wenn wir alle gewönnen, was wür den wir davon haben. Als Bismarck 1871 mit Thicrs über den Frieden verhandelte und dabei ganz Elsaß mit Einschlnß von Belfort, die Stadt und Festun- Metz, einen Teil von Lothringen und eine Kriegsentschädigung von sechs Milliarden Marl forderte tu that der kleine ThierS, als sollte er aus der Haut fahren. Bei dem Wort „sechs Milliarden" fuhr er empört von feinem Sipe auf und rief französisch: „Das ist ja eine wahre Bo> raubung, eine Schlechtigkeit!" Bismarck entgegnete gelassen: „Ich be- daure, diese Worte nicht zu verstehen" — natürlich verstand er st« sehr gut — „ich sehe, daß ich des Französischen dochnicht mächtig genug bin. Wir iverden von jetzt ab deutsch reden müssen, um so mehr, al« ich keinen Grund erkennen kann, warum wir das nicht von Anfang gethast haben." Graf Bismarck sprach von dem Augenblick an deutsch und Herr Thiers sah sich veranlaßt, dasselbe zu »hun, jedoch machte der Gebrauch der fremden Sprache ihm so viele Schwierigkeiten, daß sich sei« Zorn darüber abkühlte Er wurde ruhiger und machte schließlich so erhebst* che Zugeständnisse, daß Bismarck lächelnd sagte: „Auf dies« Grund lage brn ich bereit, die Verhandlungen in französisch« Sprach« lvstd« aultmHwn,'