Volltext Seite (XML)
Tageblatt Nir Mch-fS-rr—, m» »«,e,«a, sowie für die angrenzenden Bezirke Pulsnitz, Neustadt, Schirgiswalde rc. ^^«-ch-ttttdf-chstsster Jihrgaxg.-^ Telegr.. Adr.: Amtsblatt. Fernsprecher Nr. 82. Amtsblatt der Kgl. LkutShauptmanNschast, der Kgl. Schulirrspektton und des Kgl. Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Kgl. Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda. v Mit den Wöchentlichen Beilagen: Jeden Mittwoch: Belletristische Beilage; jeden Freitag: Der fSchsische Landwirt, jeden Sonntag: Illustriertes SonntagSblatt. Das Neueste vom Tage V Bei den Londoner Docks kam es am Dienstag nachmittag wiederholt zu Ruhestörungen. Auf den Märkten habe» fast sämtliche Zuträger die Arbeit eiagestellt. * Die Lagt in Fez wird als überaus ernst br. zeichnet. Nach Nachrichten, welche in Madrid ein- getroffen find, soll die Stadt in die Hände der aufrührerische» Stämme gefallen sein. (Siehe Letzte Depeschen.) I« amerikanischen Se»at erstattete Senator Smith Bericht über daß Ergebnis der „Titanic". VütersuHuag üüd MeÜr dabei da- englische! Hdn-^ delsamt, dessen Nachsicht das Unglück zuzuschrei. tzr» sei. (Siehe Bericht.) ... V*. Das Hochwasser in Ungarn hat beträchtliche» Schaden ungerichtet. In LugoS find 28S Häuser tiügestür-t. Die Internattonale Lage. Bon staatsmännischer Seite wird dem B. L.-A. geschrieben: „Wenn man die Zeichen am politischen Himmel recht zu deuten versteht, so mutz man zu dem Schlüsse kommen, daß sich in der europäischen Politik Verschiebungen, vielleicht sogar bedeutende Verschiebungen vorbereiten. Das russisch-italie nische Techtelmechtel, die mühsam verhüllten fran» zöfischen Unstimmigkeiten, die erneute Reise Lord HaldaneS nach Deutschland, von welcher wir Wohl noch nicht das letzte Wort gehört haben, vor allem aber die Abberufung Marschalls von Konstanti nopel angesichts einer so wichtigen Phase deS in ternationalen Schachspiels — das olles weist da rauf hin und erklärt, weshalb am Bosporus augenblicklich ziemlich beträchtliches Unbehagen herrscht. Sollte cs wieder einmal die Türkei sein, auf deren Kosten die europäischen Mächte ihre Karten mischen? In Lybien dauert der arabische Widerstand un geschwächt weiter, im Scherifen-Reiche bereiten sich blutige Kämpfe vor, auf Malta konferiert Lord Kitchener mit Mitgliedern des britischen Ka- binettS wegen militärischer Verstärkung für den Sudan Und Privatmeldungen aus Indien spre chen von der Vorbereitung mohammedanischer Botschaften an Georg V. von England, als Kaiser von Indien zum Schutze des Kalifen-ReicheS ein zutreten. Was unsere eigenen Angelegenheiten anbo- trifft, so mutz vor allem auf die große politische Beruhigung hingewiesen werden, welche in dem , stolzen Gefühl unserer gewaltigen Kraft im gan zen deutschen Volke eingetreten ist, seitdem durch eine erhebende Betätigustg wahren Patriotismus . unfyr Reichstag dem Vaterland« so überlegene Waffen geschenkt hat, daß die deutsche Ehre und Ärötze gegen jeden Angriff geschützt erscheinen mutz. Aber auch sonst macht sich in bezug auf au«- wärtige Angelegenheiten ein bedeutender ünd durchaus heilsamer Umschwung in den Anschau- Stimmungen deS deutschen Volkes be merkbar. Man versetze sich nur im Geiste um we nige Monate zurück. Es häuften sich damals die Kundgebungen, nach denen das Deutsche Reich sich gedemütigt habe, weil seine Regierung alle marok kanischen Gebietserwerbungen von der Hand ge wiesen hatte, und es waren nicht jugendliche Heiß sporne allein, sondern ernste und gewiegte Män ner, die in düsteren Tönen von der blutigen Aus einandersetzung mit England als von einer unum gänglichen Notwendigkeit sprachen. Gibt es heute im Lichte der sich zurzeit vollziehenden Ereignisse noch viele Deutsche die im Ernste wünschen kön nen, datz Deutschland wegen Erwerbung marokka nischer Gebietsteile sich der Gefahr eines Welt krieges ausgesetzt hätte? Auch jenseits ^ie^ÄanW ist der Umschwung In der öffentlichen Meinung beträchtlich. Der gele gentlichen Paniken vor deutscher Invasion schämt sich schon lange jeder vernünftige Engländer, und man mutz sich heute fragen, wie sie überhaupt je mals möglich warey. Auch hat man sich drüben daran gewöhnt, datz Deutschland, unbeeinflußt durch Drohungen und Repressalien, den Ausbau seiner Flotte so fortsetzt, wie er zum Schutze un serer Interessen geboten erscheint und ohne datz diesseits des Meeres jemals an einen Angriffs krieg gedacht worden wäre. Seit langen Jahren hat sich die Stimmung beider Völker, sowie die allgemeine Lage nicht so sehr zu einer Annähe rung und Verständigung geeignet. Wir wollen daher hoffen und wünschen, datz das, was Haldane begonnen, von Marschall erfolgreich zu Ende ge führt werden möge. Nicht, als ob di« Bahn schon glatt und die Arbeit leicht oder gesichert wär«! Nicolson sitzt in London noch im Auswärtigen Amt und Cartwright in Wien! Aber Marschall ist mit der britischen Psyche vertraut, und das ist bei der Eigenart des britischen Volles ein wich- tiger Faktor." Offiziöser Rückblick. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: In einer kurzen, angestrengten und ungewöhn- lich bewegten Tagung hat der Reichstag Leistun gen vollbracht, die sich mit den fruchtbarsten Ses sionen messen können. Und doch hat man dem Wirken dieses Reichstags mit schwerer Sorge ent- gegengesehen. Nach einer Zeit tiefer Verstimmung zu den Wahlen berufen, hatte das deutsche Doll seiner parlamentarischen Vertretung eine Zusam mensetzung gegeben, die sichtbare Zeichen der schweren Parteizerwürfnisse an sich trägt. Die Verleugnung deS Gemeinsamkeitsgesühls unter den bürgerlichen Parteien bei Len Wahlen und der daraus resultierende Kraftverlust ließen für die gefährliche Bestrebung Raum, die das libe- rale Bürgertum auf Gedeih' und Verderb' an die Seite der Sozialdemokratie bringen wollte. Die Sozialdemokratie selbst kam diesen Bestrebungen zunächst durch ein maßvolleres Verhalten äuher- lich entgegen. So konnte es geschehen, datz dis liberalen Parteien einem sozialdemokratischen Ab geordneten Sih im Präsidium einräumten. Es war, al» ob der ganz« Jammer der Patteiwirren noch einmal drastischen Ausdruck suche, ehe der Reichstag zur Arbeit kommen sollte. Aber gerade an diesen Vorgang und seine Fol gen knüpfte sich der Stimmungsumschwung, der dann zu einer überraschenden Regelung der gro ßen Aufgaben dieser Tagung beigetragen hat. Der Widerspruch der Sozialdemokratie und der rechtsseindlichen Splitterparteien ist angesichts der großartigen Kundgebung des Reichstags nach innen wie nach außen ohne Eindruck geblieben. Regierung und Reichstag dürfen mit Befriedigung auf das vollbrachte Werbblicken, und wohlverdient waren die Worte des Dankes, die der Reichs kanzler bei der Vertagung im Namen des ge samten Vaterlandes, des Kaisers und der ver bündeten Regierungen im Reichstage aussprach. Konnte schon seit geraumer Zeit darauf ge rechnet werden, daß die bürgerlichen Parteien den Wehrvorlagen ihre Zustimmung geben würden, so schien bis in die letzten Tage die Beschaffung der Deckung gefährdet. Bei der Beseitigung der sogenannten Liebesgabe kam es darauf an, die Einnahmen aus der Branntweinsteuer zu vermehren, ohne aber dem produzierenden Gewerbe die Grund lagen gesunder Entwicklung zu entziehen. Diesem Zweck dient es, wenn die Hälfte der Mehrerträge für Unterstützung des gewerblichen Spiritus ver wendet wird. Die verbündeten Regierungen konnten sich daher mit diesem Entschluß einverstanden er klären, nachdem für eine andere Deckung Sorge getragen war. Die verbündeten Regierungen ha ben auch dazu ihre Zustimmung erklärt, datz diese Deckung in einer allgemeinen Besitzsteuer bestehen soll. Der Reichsfinanzverwaltung wird nunmehr die Ausarbeitung einer allen Arten des Besitzes gerechtwerdenden Besitzsteuervorlage obliegen. Ob es gelingen wird, eine Besitzsteuer zu finden, die auch alle Arten der Parteianschauungen und Lehr meinungen gerecht wird, ist allerdings eine andere Frage. Bedeutsam ist vor allem, daß die gesetz gebenden Körperschaften unbeirrt durch Versn- chungen irgendwelcher Art an dem Grundsatz: „Keine Ausgabe ohne Deckung!" festgehalten ha ben. Sofern bei der Wirtschaftsführung des Rei- ches an der erprobten Sparsamkeit festgehalten wird, ist ein Rückfall der gesundenden Finanzen m die frühere Schuldenanhäufung nicht zu be fürchten. Die Sozialdemokratie, die am Anfang mit gedämpften Tönen operierte, hat sich im Laufs der Session voll zu ihrer alten Manier zurückge- funden. Während ihre Vertreter im preußischen Abgeordnetenhause andauernd durch Verleugnung der Grundlage jeder parlamentarischen Verhand lung die widerwärtigsten Szenen provozierten, holten sie im Reichstag noch in den letzten Tagen zu Angriffen gegen die Monarchie und den preu ßischen Staat aus, die an verbissenem und blinden Hatz ihresgleichen sucht. Der Reichskanzler prote stierte durch Tat und Wort gegen diese maßlosen Ausschreitungen, die jedenfalls aufs neue gezeigt haben, wie vorsichligman mit der Hoffnung auseine in ruhigere Bahnen lenkende Entwicklung der Sozial demokratie sein mutz. Auch jetzt hat sich bei ihr der revolutionäre Trieb wieder stärker erwiesen als die taktische Rücksicht. Gerade Scheidrmann war angesichts dieser Vorgänge am wenigsten ge eignet, den Nachweis zu wagen, daß seine Partei