Volltext Seite (XML)
Amts- M AiUUblatt für den Shirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung Erscheint täglich abends mit.AuSnahme der Sonn- und Feiertage für den fol genden Tag. JnsertionspreiS: die kleinspaltige Zeile l2 Pf. Im amtlichen Teile die gespaltene Zeile 30 Pf. Fernsprecher Nr. 210. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. __ , , , 5tz. Jahrgang. —— Usbnnnemant oiertelj. 1 M. 50 Pf. «tnschließl. des »Jllustr. UnterhaltungSbl.' u. der Humor. Beilage .Seifen blasen' in der Expedition, bei unseren Boten sowie bei allen Reichspostanstalten. Ltlrgr.-L-resst: Amtsblatt. ISS Dienstag, den 16. November Ländliche Sozialpolitik. In einem tveiffMchivni kleinen Buchte, das der Dar stellung idhp Persönlichkeit unsd des Wirkens Heinriche Shhnreys die,nt (Henrich Sohnrey von Professor vr. Eduavd Kück, Dresden 1909. BeriHg von Wilhelm Bänsch, Preis Mark 1,50) unterzieht der bekannte Rostocker Nationalekonom. Professor vr. Richard Eh- renberg das Wesen unsd den Wert ländlicher Sozial- Pvlitik einer ziwar kurzen, aber desto inhaltsreicheren Erörterung. Professor EhreWerg geht von der Tatsache aus, daß wir nunmehr bereits ein Menschenalter lang, städtis chl-industvislle Sozialpolitik getrieben hab em und knüpft daran -die Forderung, künftig der Aera städti scher Sozialpolitik eine gleich lange Aera ländlicher Sozialpolitik folgen, zu lassen. „Wir werden künftig mindestens ebensolange ländliche Sozialpolitik zu trei ben haben, aber mit anderen Mitteln, unter liebei voller Berücksichtigung und Schonung der Besonderhei ten unseres Landlebens, m,it liebevollem Verständnis für die natürliche und historisch gewordene Eigen art jeder Landschaft, jedes Dorfes, jedes Standes. Wir müssen HeimatpoWik treiben". Eine solche Heimat politik, die in ihrem Kern zusammenfällt mit einer richtig betriebenen ländlichen Sozialpolitik, ist ein unbeding tes Erfordernis der Zeit, weil unser ganzes Volksleben durch die zu raschle und einseitige städtisch-industrielle Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu.verarmen, ja in seinen Wurzeln zu erkranken droht. Wie sich unser Autor aber eine den Interessen des Platten Landes wahrhaft Rechnung tragende Sozial politik vorstellt, das setzt er mit den folgenden Wor ten auseinander: „Wollen wir der übermächtigen städtisch-industriellen Strömung entgegenwirken, so be dürfen wir nicht! einer engherzigen Bekämpfung der Industrie. Wohl aber bedürfen wir einer agrarischen ^Sozialpolitik, die allen Teilen der landwirtschaftli chen Bevölkerung zugute kommt. Wir bedürfen nicht einer Sozialpolitik, die Haß erregt gegen die Besitzen den, um die Liebe der Mchtbesitzenden zu erwerben, wohl aber einer Sozialpolitik, die möglichst viele Nicht besitzende zu Besitzenden machst. Wir bedürfen nicht einer Sozialpolit'i-k, die nur msit dem Herzen oder nur Mit dem Verstände arbeitet, sondern einer Sozialpo litik, die beides miteinander verbindet, die Sinn hat für alle Seiten des menschlichen Lebens, die sich nicht auf das Nützliche beschränkt, sondern sich auch zum Guten und Schönen erhebt. Aber wir bedürfen auch einer Sozialpolitik, die über solchen Idealen nicht die sichere wirtschaftliche Grundlage vergißt, welche jeder Mensch und jedes Volk besitzen muß, ehe eine höhere Kultur entstehen kann, der nicht vergißt, daß ein kräf tiger Erwerbstrieb nötig ist, usm diese Grundlagen zu schaffen". Eine derartige Sozialpolitik soll vor allem dazu dienen, der Landflucht zu steuern, in der Professor Ehrenberg geradezu den Kern der sozialen Frage er blickt. „Das soziale Problem der Gegenwart läßt sich nur dort lösen, wio es seinen Ausgang genommen hat, bei der Landflucht. Sie, nicht der sogenannte „Kapi talismus", ist die Sphinx, die sich selbst vernichtet, wenn wir ihr Rätsel lösen,, die uns vernichtet, wenn wir es nicht lösen. Die Lösung heißt: Ansiedlung einiger ^Millionen jugendkräftiger Landbewohner im Laufe eines Jahrhunderts, und zunächst Schaffung vieler guter Wohnungen auf dem Lande, Pflege der Wohlfahrt, des Heimatsgefühls, der Kultur unserer Landbevölkerung ! Für diese Ziele mit Aufgebot aller Kräfte erfolgreich sein Lebenlang gearbeitet zu haben, Mrd das unvergängliche Verdienst unseres Sohnrey bleiben". Jeder, der gewohnt ist, die Dinge der Welt nicht ausschließlich mit den Augen eines großstäoti- fchen Asphaltpolitikers anzusehen, wird diesen Zie len einer ländlichen Sozialpolitik hm Sinne Sohnreys und Ehrenbergs gewiß von Herzen zustimmen. Tagesgeschichte. Deutschland. — Der Kaiser wohnt am heutigen Montag in Kiel der Vereidigung der Rekruten der Marinestation der Ostsee bei. Der Kaiser nimmt an Bord des Flotten flaggschiffes „Deutschland" Wohnung. Während des Kieler Aufenthalts ist auch eine Besichtigung des ersten 18500 Tonnen->Linienschiffs „Nassau" geplant. — Am Dienstag wird der Kaisor, von Kiel kommend, zu einem zweistündigen Besuch bei der Großherzogin-Witwe Luise von Baden in Baden-Baden eintreffen. Von hier aus erfolgt dann die Wsiterfahrt nach Donaueschingen, wo der Kaiser 5 Tage lang mit dem Fürsten Fürstenberg jagen wird. Es schließen sich an die Jagdbesuche in Neudeck und Pleß. Die Rückkehr des Kaisers nach Ber lin ist für den 29. November vorgesehen. . — Neue Kaiser-Aeußerungen werden von einem Londoner Blatte veröffentlicht. Vor Jahres frist erregten die Veröffentlichungen des Londoner „Daily Telegraph" über Kaisergespräche so großes Auf sehen und führten zu dem historischen Vortrage des Fürsten Bülow am 17. November im Neuen Palais zu Potsdam. Gerade nach einem Jahre teilen jetzt Lon doner Blätter Aeußerungen uwsers Kaisers über das englische Heer mit. Kaiser Wilhelm soll diese Aeuße rungen zu seinem Bruder, dem Prinzen Heinrich, ge- getan haben, der sie an den englischen Admiral Sir Nathanael BowdenMmith weitergab. Der Admiral wie der gab die Kaiserwovte in der Jahresversammlung der National-Service-Keague, eines der Hervorragmosten militärischen Klubs Londons, bekannt. Danach sagte Kaiser Wilhelm: Ich bin von den englischen Kritiken über mich tief berührt. Ich will den Engländern na türlich keine Lehren, erteilen, meine aber, England sollte eine starke Territovial-Aymee mit allgemeiner Mili tärpflicht haben". Aus diaser ganz privaten Aeußerung gegenüber dem eignen Bruder können die Londoner Blätter auch in dem Falle, daß die Worte des Kaisers genau so gelautet haben, wie sie Admiral Bowoen-Smith im Militärklub mitteilte, keine Angriffswaffen 'gegen den deutschen Kaiser oder das deutsche Volk schmieden. Allerdings, was vor Jahresfrist im „Daily Telegraph" veröffentlicht wurde, war auch durchaus england-freund lich. — Der genannte englische Admiral pflichtete der Ansicht des deutschen Kaisers durchaus bei und betonte, daß Englands Kriegsflotte eine weit größere Beweg ungsfreiheit haben würde, wenn das Land über eine reguläre und starke Territorial-Arznee verfügte. — Die Geräuschlosigkeit des Reichs kanzlers v o n B e tlhm ann -H o ll w e g ist hier und da als Zeichen der Schwäche gedeutet worden. Dieser Auffassung tritt der konservative „Reichsbote" ent gegen. Wer zur Zeit in den Reichsämtern zu tun hat, so schreibt er, gewinnt den Eindruck, daß in allem aus nahmslos riesig gearbeitet wird — aber ohne Lärm. Denen, die in der Arbeitsweise des Reichskanzlers ein Zeichen der Schwäche erblicken, ruft das Blatt zu: Viel leicht darf es auch in diesem Falle heißen: „Umge kehrt wird ein Schuh draus'." — Deutschland zur See voran! Die Ge schwindigkeit unseirpr Panzerkreuzer ist von Jahr zu Jähr gestiegen. Unsd auch der jetzt unter die Flagge ge tretene, auf der Kieler Werft erbaute Panzerkreuzer „Blücher" hat gegenüber desm letzten Neubau „Scharnhorst" eine nahezu nm It/z Seemeilen in der Stunde gesteigerte Geschwindigkeit" aufzuweisen. Bei per am Donnerstag in den Danziger Gewässern ausge führten Fahrt an der gemessenen Meile bei Neukrug wursde eine mittlere Höchstgeschwindigkeit erzielt von 25,25 Seemeilen in der Stunde (eine Seemeile mehr, als kontraktlich ausbedunMn). Ein hochbefriedigendes Ergebnis! Dieser Erfolg hat aber in der letzten Stun de, wo in dem sogenpnntnn Kieler. Werftprvzeß ver suchst wird-, gewisse Mißstände in dem Magazin,betrieb auk die Arbeitsführung der Werft zu verallgemeinern, sine ganz besondere Bedeutung, denn er bringt den äu ßeren Beweis dafür, daß die Leistungsfähigkeit der Kieler Werft als Kriegswerft durch die Vorkommnisse, die zum Prpzeß führten, in keiner Weise berührt wirb. — EinemerkwürdigeVerteidigung. Der nationaltiberale Landtagsabgeordnete Legationsrat a. D. vom Rat fühlt nun doch endlich das Bedürfnis, sich gegen die Bestreitungen seiner Behauptung von oen englischen Unterseebooten unsd gegen den scharfen Tadel zu wehren, der gegen seine unter allen Umständen ver werfliche Handlungsweisse von vielen Seiten erhoben worden ist. Zunächst ist festzustellen, daß Herr rom Rat bei seiner Behauptung bleibt. Nun wird es doch wohl Zeit, daß die Regierung anstatt durch mehrdeutige Aus einandersetzungen auf dem Umwege über Frankfurt und Köln vielmehr durch eine eindeutige Erklärung „ohne Hörner und Zähne" in der „Noridd. Allg. Ztg." dem Un fug ein Ende setzt. Irgendwelche Beweise für seine Behauptung bringt Herr vom Rat auch jetzt nicht. Der ehemalige angehende Diplomat sieht auch jetzt noch nicht ein, daß seine „Enthüllung", falls sie er weislich wahr, geradezu Gift für die deutsch-englischen Beziehungen werden müßte, daß sie aber, wenn auch nur der Schatten eines Zweifels an ihrer Wahrheit zurückbleibt, als gemeingefährliche Wichtigtuerei zu be zeichnen ist. Herr vom Rat will, nach feinen neuen spaltenlangen Ausführungen im „Tag", mit seiner „Enthüllung" für den Wert der Unterseeboote gegenüber den Linienschiffen gezeugt haben — wie schon mancher marinepolitische Dilettant vor ihm. — Die Rei chse vb s chafts ste ne r auf dem Marsch. Der konservative „Reichsbote", er von An fang gn sich als Freund der Erbanfallsteuer bekannt hat, hält den preußischen, Konservativen von Zeit zu Zeit vor, daß sie mit der Ablehnung dieser Steuer ei nen Fehler begangen, dessen Folgen so schwer seien, daß nur „sine nationale, eine rettende Tat" sie wisoer gut machen könne. Darunter versteht er, daß die Kon servativen selbst die Initiative zur Wiederherstellung der Erbanfallsteuer ergreifen. Begreiflicher Weise ist hie Antwort, die die „Kreuzzeitung" darauf erteilt, außerordentlich scharf. Mit einem solchen Vorschlag werde, meinte sie, der konsservativen Partei Selbst mord zugemutet. Aber auch andere Konservative — nicht zuletzt die sächsischen — bekennen sich zur Erb schaftssteuer und erklären offen ihre Ueberzeuguug, daß sie in anderer, vielleicht Härterer Form wiederlehren werde. So hat dies kürzlich der ehemalige Staatsse kretär der Reichslande von Köller in einer Wählerv'r- sammlnng getan. Und in einer anscheinend offiziösen Notiz der „Bert. Polit. Nachr." findet sich derselbe Gedanke. Des Vorschlags des „Reichsboren" — heißt es da — bedarf es zurzeit nicht, denn es sei durch strenge Sparsamkeit gelungen, in dem Reichshaushaltsplan für 1910 Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. (Und die 452 Mill, an Nachforderungen?) Dabei ist auf Mehreinnahmen aus den im Sommer bewilligten Steuern nur in Höhe von etwa 300 Mill. Mark gerechnet worden. Aber man wird mit der Mög lichkeit rechnen müssen, daß, wenn in der späteren Fol ge beträchtliche Mehrausgaben unabwendbar sind, an weitere Vermehrung der Deckungsmittel im Reiche zu denken sein wird. Nach den Erfahrungen dieses Jah res erscheint es aber gänzlich ausgeschlossen, daß eine Neubewilligung von Mehreinnahmen zu erreichen ist, wenn damit wicht eine allgemeine Besitzsteuer verbun den ist. Als solche kann, ohne den Finanzen und der Selbständigkeit der Bundesstaaten einen schweren Schlag zu versetzen, nur die Evbanfallsteuer in Be tracht kommen. Diese wird also nicht zur Ergänzung des jetzigen Finanzplanes zu verbrauchen, sondern für künftige Notfälle in Reserve zu halten sein. Danach scheint es also nach wie vor die Absicht der Regierung zu sein, die Erbanfallsteuer für den etwaigen künfti gen Finawzbedarf des Reiches zu reservieren. — Das Ergebnis der Reichstagsersatz- wahl in L a n d sd er gS o l d i n erinnert, wie das aller voraufgegangenen seit Erledigung der Finanzre- form, leider nur allzusehr an das Wort des Fürsten von Bülow, das Philippi wird nicht ausbleiben. Siegte der konservative Kandidat dös Kreises in der Haupt wahl des Jahres 1907 gleich, im! ersten Wahlgange über seine beiden Gegenkandidaten, so muß er jetzt in eine Stichwahl mit dem Sozialdemokraten eintreten, in der die Entscheidung bei den Freisinnigen liegt. Immerhin müßten die Freisinnigen nicht nur nicht iStimmenertthaltung Wen, sondern zu einem starken Drittel für den Sozialdemokraten stimmen, wenn der Wahlkreis den bürgerlichen Parteien verloren gehen sollte, in deren Besitz er sich bisher andauernd befun den hat. Beachtenswert bleibt es in jedem Falle, daß der Sozialdemokrat diesmal 1800 Stimmen mehr er hielt als 1907, der konservative Kandidat dagegen über 4000 Stimmen weniger als bei der letzten Hauptwahl. Da die Zahl der abgegebenen freisinnigen Stimmen nahezu unverändert ist, so müssen viele Wähler, die vor,2 Jahren konservativ wählten, am Freitag vori ger Woche auf die Stimmabgabe verzichtet haben. Aber auch divser Umstand ist charakteristisch und in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. — Der Kieler Unie rsch le i f e-P r o ;e ß. Der durch den Kieler Prozeß von Anfang an gewon nene Eindruck, daß die auf der Werft bestehenden Ge schäftsgepflogenheiten einer Reform stark bedürftig sind, wird durch jeden neuen Bevhandlungstag bestätigt. „Ei ne richtige Mogelei" nannte der Vorsitzende die Ge schäfte auf gemeinschaftliche Rechnung, die von den Alt- eisenhändlern der Werft gegenüber arrangiert wurden.