Volltext Seite (XML)
Amts- M AmBlatt für den Gchrk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung ISSN 4« Abonnement viertelj. 1 M. 20 Pf. einschließl. des „Jllustr. Unterhaltungsbl.-' o. der Humor. Beilage »Seifen blasen-' in der Expedition, bei unfern Boten sowie bei allen Reichspostanstalten. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag u. Sonn abend. Jnsertionspreis: die kleinspallige Zeile 10 Pf. Im amtlichen Theile die gespaltene Zeile 2b Pf. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: E. Hannebohn in Eibenstock. - 48. Jahrgang. Donnerstag, den 27. April Einkommensteuer betr. Die Austragung der diesjährigen (Kinkommensteuerzettel wird am heutigen Tage beendet. Es werden daher diejenigen Beitragspflichtigen, welche einen solchen nicht erhalten haben, in Gemähheit von 8 46 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 hiermit ausgefordert, sich wegen Mittheilung des Einschätzungsergebnisses in hiesiger Stadt steuereinnahme zu melden. Die in 8 49 des angezogenen Gesetzes geordnete Rcklamations- srist ist in Fällen dieser Art vom Erlah gegenwärtiger Bekanntmachung ab zu rechnen. Gleichzeitig wird darauf aufmerksam gemacht, daß der 1. Einkommcnsteuertermin am 30. April fällig ist und nach Ablauf einer 3 wöchigen Zahlungsfrist gegen säumige Zahler das Zwangsvollstreckungsversahren eingeleitet werden wird. Eibenstock, den 27. April 1899. Der Rath der Stadt. Hesse. Beger. Bekanntmachung. Zufolge Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern ist alljährlich eine Zählung der Fabrikarbeiter nach Anleitung eines hierfür vorgeschriebenen Formulars vorzunehmen. Im Jahre 1899 hat diese Zählung am 1. Mai stattzufinden. Es werden demgemäß sämmlliche Gewerbetreibende hiesiger Stadt, denen Zählungs formulare zugestellt worden sind, ausgcfordert, dieselben bis zum 4. Wai dieses Jahres vorschriftsmäßig ausgefülll in der Rathsregistratur wieder abzugeben. Eibenstock, den 26. April 1899. Der Rath der Stadt. Hesse. Müller. General-Versammlung der Ortskrankenkasse für daS Handwerk und sonstige Betriebe zu Eibenstock Donnerstag, den 4. Wai 1899, Avends ' -9 Mr in » s Restaurant — Gute Quelle — 1) Richtigsprechung der Jahresrechnung auf 1898. 2) Eventuell Weiteres. Eibenstock, am 24. April 1899. Der Vorstand. K. Ott, Vorsitzender. Samoa. Samoa, unser ältestes und schmerzensreichstes Objekt deuischer Kolonialpolitik, ist in den letzten Wochen wieder einmal Ver anlassung zu ziemlich ernsten internationalen Verwickelungen ge wesen. Die nach dem Tode de» Malietoa Laupepa sich nöthig machende Neuwahl de« König» hat den auf Samoa mit Deutsch land konkurrirenden Mächten, besonder» England, erwünschte Gelegenheit geboten, zu versuchen, durch Inlriguen und Gewalt den deutschen Einfluß zurückzudrängen. England und Amerika haben den von der Minderheit der Bevölkerung und noch dazu unter gröblicher Verletzung de» altsamoanischen Herkommens ge wählten Tanu gegen den von der Mehrheit rechtmäßig gewählten Mataafa zu schützen unternommen. Der deutsche Konsul hat natürlich dagegen protestirt, weil ersten« nach der zwischen Eng land, Amerika und Deutschland abgeschlossenen Samoaakte nur nach einstimmigen Beschluß der 3 Konsuln den 3 Mächten ge meinsam ein kriegerische« Eingreisen gestattet ist und weil zweiten« Mataafa (also der von der Mehrheit gewählte) trotz seiner früheren deutsch-feindlichen Gesinnung nunmehr doch genügende Sicherheit für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu bieten schien. Darob sind England und Amerika auf« äußerste empört und bemühen sich auf alle mögliche Weise, den Deutschen Abbruch zu thun. — Vor allem ist die Stimmung auf beiden Seiten noch dadurch verschärft worden, daß über England und Amerika (eine eigene Kabelvcrbindung mit Samoa besitzen wir leider nicht) allerhand Nachrichten zu un» gedrungen sind, die von Beschimps ungen deutscher Offiziere und Beamten feiten« der amerikanischen und englischen Befehlshaber zu erzählen wußten, welche in unserer Tagespresse eine gewaltige Erregung hervorgerufen haben, obgleich sic für den nüchternen Beobachter den Stempel de^Erfindung, zum mindesten der maßlosen Ucbcrlreibung deutlich an der Stirne trugen. — E» ist erfreulich, daß unsere Regierung gelegentlich vcr Interpellation von feiten der Abgeordneten im Reichstage sofort die Gelegenheit ergriffen hat, sich in dieser Angelegenheit über ihre Haltung auSzusprechen. Herr v. Bülow betonte, daß wir zur Zeit an der durch die Samoaakte geschaffenen Rechtslage festhalten und jede einseitige Aenderung England« und Amerika« .al« recht-unverbindlich" betrachten, daß wir aber bereit sein werden, durch gemeinsame Verhandlungen die Samoaakte abzu ändern und in eine .schiedlich-sriedliche Thcilung jener Gebiete cinzrNreten. Diese Haltung unserer Regierung scheint durchaus korrekt zu sein und durchau« dem zu entsprechen, wa« man unter den heutigen Verhältnissen erstreben kann. Unsere Politik aus Samoa hat zu sorgen, daß wir an unserem erworbenen Recht sesthalten, daß wir die Deutschen aus Samoa vor Wildheiten der Ein geborenen und englischen UnterdrückungSplänen schützen, daß Ruhe, Sicherheit und Stetigkeit aus Samoa einkehren, ohne die ja unsere Handelsbeziehungen immer schwerer geschädigt werden müßten. Die lang ersehnte Stetigkeit wird aber erst vollständig einkehren, wenn eine einzige zivilisirte Nation eine starke Schutz herrschaft auSübt. Aber e» ist mehr al« fraglich, ob wir bei dem heutigen Stande unserer Marine in der Lage sein werden, den Alleinbesitz jener Inselgruppe gegenüber England und Amerika zu erringen. L« bleibt un» leider bloß die schiedlich-sriedliche Theilung übrig. Im Jahre 1880 wäre die Alleinherrschast leichter zu erreichen gewesen, aber an der Versäumung der Annexion der Inselgruppe trug der verstorbene Reichstagsabgeordnete Bam berger Schuld. Er hat sich gerühmt, einmal einen Sieg über Bismarck davongelragen zu haben. E» ist richtig — aber ein trauriger Sieg! In der Budgelkommission halte Bismarck bean tragt, den Verhältnissen auf Samoa durch Unterstützung der deutschen Interessen näher zu treten. Dagegen machte der Ab geordnete Bamberger geltend, daß da« Reich nicht dazu da wäre, da« Hamburger Hau« Godeffroh zu unterstützen, da« schlug da mals ohne Weitere« durch, jetzt würde die« nicht mehr der Fall sein ; wir haben seither gelernt! Hätten wir'« nur früher schon! „Was kehrt uns Samoa!" Unter diesem Titel richtet der bekannte Nationalökonom und Professor an der Berliner Universität Gustav Schmoller in der modernen, illustrirten Zeitschrift „Die Woche" (Verlag von August Scherl, Berlin 8VV.) den folgenden warmherzigen Appell an alle nationalgesinnten Deutschen, der zweifellos allenthalben ein lautes Echo finden wird: „Die deutsche "Nation steht unter einem ungewöhnlich starken, ja ergreifenden Eindruck. Zähneknirschend rufen die Einen: „Da« ist ein zweites Olmütz, da« hätten wir unter Bismarck nickt erlebt!" .Haben wir nicht seit 1880 vorauSgesagt, daß wir un« nur Nasenstüber durch neue Kolonialpolitik holen werden?" sagen ihre alten verbissenen Gegner. Daß wir Ursache zur Trauer haben, geben alle zu. Aber eine männliche, aufwärtSgehendc Nation schöpft au« Beleidigungen, die ihr zugefügt werden, neue Kraft, neue Impulse zu einheitlichem, energischem Auftreten, neue bessere Einsicht in die Wege und Mittel, die zu ergreifen sind. Lassen wir un» also nicht entmuthigen, ergehen wir un« nicht in Verdächtigungen gegen Personen, die an der jetzigen Katastrophe unschuldig sind, sondern sagen wir offen: ES ist ein Stück Lehrgeld, da« wir naturgemäß auf der Straße nach dem „größeren Deutschland" zahlen müssen. Rufen wir stolz den Völkern, die e« verschuldet, zu: „Der Tag wird kommen, da Ihr un« den Schaden mit Zinsen werdet zahlen müssen." Trösten wir uns damit, daß die Engländer viel Schlimmere« erlebt haben, z. B. al« die Holländer sic im siebzehnten Jahrhundert au« den Molukken hinaurwarfcn, oder al« die Franzosen sie im achtzehnten Jahrhundert in Indien fast an die Wand gedrückt hatten, und al« Großbritannien 1783 die Vereinigten Staaten und Port Mahon auf Minorka herau«geben mußte. Auch in unserem Jahrhundert mußten sie sich Viele« gefallen lassen, wa« ihnen viel bitterer war, als un» die Vorgänge in Samoa zu sein brauchen: Der ganze deutsche und französische Aolonialerwcrb in Afrika und Asien war der englischen Politik so unangenehm wie möglich. Sie mußte ihn, gelb vor Aerger und Mißgunst, dulden, weil Ferrh und Bismarck geschickt zusammen operirtcn. Solche Conjuncturen werden wiederkommen. Und liegt dann die Leitung unserer Politik in mulhigen, kühnen und klugen Händen, so wird die Schande von heute so sicher auSgewetzt werden wie die von Olmütz. Freilich gehört dazu eine«: Nämlich daß die deutsche Nation vom letzten Arbeiter bi« zum Großindustriellen und Großbanguier hinauf wisse, wa« sie wolle. Wir sind die kinderreichste Nation der Welt — „die Kinder stube und da« Schulhaus der Welt" hat man un» genannt. In den Vereinigten Staaten allein sind 7 Millionen, die selbst oder deren Eltern in Deutschland geboren sind; sic haben, gering ge rechnet, an Erzichung«koften, Fahrgeld und mitgenommenem Capital der Heimath 7—8 Milliarden Mark gekostet. Welche Kolonieen hätten wir nicht mit diesem Menschenmaierial und diesem Gelde erwerben können, wenn Deutschland schon von 1815 an ein geeinte« Reich unter Preußen gewesen wäre, bei Zeiten eine Flotte gebaut hätte! Wenn die 52 Millionen Deutsche künstig wie bisher jährlich etwa um 1 Procent zunehmen, werden wir 1960—70 über 104 Millionen Deutsche zählen. Wie sollen wir sie in ter Heimath ernähren? Wenn wir keine großen Kolonieen haben, keinen maßlos gesteigerten Export erhallen sollen, so ist das nicht möglich. Proletarische Zustände, Lohndruck der schlimmsten Art müssen eintreten, wenn wir nicht die Kraft haben, un« auszudehnen. Hübbe-Schletden hat prophezeit: im Jahre 1980 würden 900 Milli onen Anglosachsen (Engländer u. englisch redmde Amerikaner) und 300 Millionen Russen den größeren Theil der Erde innehaben Alle anderen kleinen Nationen würden dagegen verschwinden, ja erdrückt werden. Er — al« Deutscher — hofft, die Deutschen würden dann auch 150 Millionen ausmachen. Selbst der Fran zose Leroh Beaulieu sagt — bei einer Betrachtung über die Zu kunft der Nation — über Frankreich, Spanien, Italien, Skandi navien Aehnliche»; nur die Deutschen, meint auch er, würden wohl um« Jahr 2000 gegen 200 Millionen Menschen auSmachen und so vor diesem Schicksal bewahrt bleiben. Sollen wir an uns verzweifeln, wenn so selbst ein gelehrter Franzose spricht? Nur darüber müssen wir uns klar sein. Wenn wir still hintcrm Ofen hocken bleiben, wenn wir nicht an den großen Machtkämpfen theilnehmen, so ist diese Zukunft un« verschlossen. Gewiß sollen wir, soweit c« geht, friedlich bleiben, soweit e« geht, im Verein mit den andern Culturnationen die übrigen Theile der Erde der Gesittung ver europäischen Raffe unterwerfen. Aber definitiv müssen wir auch den Kinderglaubcn aufgcben, den wir bi» 1866 und 1870 hatten, ja, den unser Reichstag noch 1880 bei der ersten Samoavorlage hegte, die Welt sei durch da« moderne Völkerrecht und die Handelsverträge so sriedlich, so harmonisch geordnet, daß der deutsche Handel, die beulsche Arbeit, der deutsche Auswanderer überall auch ohne deutsche Flotte den gleichen Platz und Schutz finde wie der Angelsachse und der Russe, hinter denen Flotten und große Machtmittel stehen. Das ist nicht der Fall. Da« sah auch Bismarck ein; er Halle in seiner ersten Zeit noch, aus diesem optimistischen Stand punkt stehend, seine freihändlerisch-antikoloniale Politik getrieben. Die harte Wirklichkeit lehrte ihn, daß der Deutsche überall draußen gcmißhandelt wird, daß der Export in« Stocken kommen muß, wenn nicht die Mittel der nationalen Macht für den Schutz der Deutschen draußen eingesetzt werden. So kam er zu seiner Kolonialpolitik. So kamen wir zu einer deutschen Fiottc, die nur jetzt schon den Stand erreicht Haden sollte, den sic 1905 oder 1920 haben wirb! Da« sollte jetzt auch jeder Deutsche sich al» Lehre in« Herz schreiben. Darin sollten wir einig sein oder werden. Wa« ist aber da« Haupthinderniß dieser Einigkeit? E« liegt doch wohl vorwiegend in den Mißverständnissen der sozialen Klassen untereinander, in der Thatsache, daß naturgemäß gewissen Gruppen ter Gesellschaft Flotte, Kolonieen, und Exportindustric ganz direkten, offenbaren, den übrigen Klassen nur indirekten und späteren, weniger sichtbaren Vortheil bringen. E» nimmt häufig den Anschein an, al« ob den Großindustricellen und Großcapita- lislen, deren Reichthum ohnedies so gewaltig steigt, die die Staats gewalt mehr al« andere beeinflussen, ja beherrschen oder zu be herrschen scheinen, allein aller Vortheil au« einer kühnen Welt- machtSpolitik zusalle. Schon 1880 fiel die Samoavorlage im Reichstag doch wesentlich unter dem schiefen Vorurtheil, eine unserer Großbanken stecke mit ihrer Spekulation allein dahinter. Und seither hat der Mißmulh der Agrarier, breiter Theile de« Mittelstände« und der Arbeiterschaft wesentlich au« solchen Gefühlen seine Nahrung gezogen. Viel wirb auch, da« ist zuzugcben, nach dieser Seite gesündigt. Wie oft hört inan: „Haben wir Kiautschou nur erworben, um einem Bankconsortium ein Monopol u. Monopolgewinne zu verschaffen?" Ist nun an solchen Vorwürfen einzelne« auch berechtigt, im Ganzen sind sie maßlos übertrieben; sie übersehen, daß in allem Menschlichen Egoi«mu« steckt und ohne ihn doch wirthschaftlich nicht voranzukommen ist. Der Weg zu einer wirthschaftlichen Großmacht ist un» verschlossen, wenn wir nicht großen und kühnen Unternehmern große Gewinne gönnen, wenn wir nicht, den klein lichen Neid bei Seite lastend, einsehen, daß geniale Geschäftsleute, die draußen dem deutschen Namen Ehre machen, doch in zweiter Linie mehr dem Vaterlande, den künftigen Generationen, den übrigen Klassen, als sich selbst dienen.