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Amts- M AnMblatt Grschei«« wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- sertionspreis: die kleinsp. Zeile lv Pf. - für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung. Abonnement viertelst 1 Ai. 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhalts.) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei allen Neichs- Postanstalten. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: E. Hanne bohn in Eibenstock. i ' 42. Jahrgang. - M S. Dienstag, den 15. Jaunar L8SL B e k a n n t m a ch n n g. Ein Knabe im Alter von 8 Jahren und ein Mädchen im Alter von 5 Jahren sind in ffamilienpflege unterzubringen. Eltern, welche zur Aufnahme eines oder beider Kinder bereit sind, wollen sich unter Angabe des beanspruchten Vcrpflegbeitrags baldigst in unserer Ralhsschreiberei melden. Eibenstock, den 9. Januar 1895. Der Rath der Stadt. »»-. Körner. Gnnchtcl. Zwangsversteigerung. Das im Grundbuche aus den Namen des Webers eingetragene Grundstück, bestehend ans dem Wohnhause Nr. 6 des Brandkatasters, dem Flurstücke Nr. 706 des Flurbuchs, Zolium 7 des Grundbuchs für Schönheide, geschätzt auf 1450 M., soll an hiesiger Gcrichtsstelle zwangsweise versteigert werden und cs ist der 25. Januar >89', Vormittag tl Ahr als Bcrsteigrrungstermin, ' ' der I. Aevruar >895, Vormittag >1 Mr als Termin zu Verkündung des Bertheilungsplans anberauml worden Eine Nebersicht der auf dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rang- verhältnisseS kann in der Gerichtsschreiberei des unterzeichneten Amtsgerichts Ange sehen werden. Eibenstock, am 6. Dezember 1894. Königliches Amtsgericht. Kautzsch. Friedrich. Aus dem Keichslage. Bei der ersten Berathung der sogen. Umsturzvorlage am 9. d. Mt«. Hal der Abg. Freiherr v. Stumm-Halbcrg (Rp.) eine Rede gehalten, die wir ihres hochwichtigen Inhalte« wegen hier nachstehend folgen lassen. Der genannte Abgeordnete sagte folgendes: Die Rede de« Abg. Auer war nicht nur lang, sondern in gewissem Sinne auch langweilig. Trotzdem war sic für mich höchst interessant, weil ich annehmcn muß, daß diese Rede al« offizielle Programm re de zu betrachten ist. Etwa« hat mich in Staunen versetzt, nämlich, daß dem Abg. Auer ein funda mentaler Wider spruch in seiner Rede entgangen ist. Ans der einen Seite stellt er die sozialdemokratische Partei al« eine harmlose Rcformpartei hin, auf der anderen Seite sagt er: Wir sind, wa« wir immer waren, und werden cs auch bleibcn. Haben Sic cin so schlechte« Gcdächtniß, daß Sie nicht mehr wissen, mit welchen Citaten Sic selbst, in und außer dem Hause den revolutionären Charakter der Sozialdemokratie betont haben? Abg. Bebel spricht bei jeder Gelegenheit vom großen Kladderadatsch. (Redner ver liest darauf einige Citate, unter Anderen: „Zwischen der kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung, die revolutionäre Diktatur de« Proletariats.") Herr Liebknecht hat im Jahre 1874 ge sagt: „Die sozialdemokratische Partei ist eine revolutionäre Partei." Da« waren Sie und das sind Sic! Die Illu sionen derjenigen aber, die da meinten und vielleicht noch meinen, daß seit der Aushebung de« Sozialistengesetze« die sozialdemokratische Partei sich in eine Rcformpartei umge wandelt hätte, sind durch die letzte Rede des Abgeordneten Bebel zerstört worden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit wiederholen, wa« ich vor zwei Jahren gesagt habe. Die sozialdemokratische Partei muß auf Grund der Geschäftsordnung al« Partei hier anerkannt werden, außerhalb des Hanse« werden wir sie als eine politische Partei nicht anerkennen. (Zwischenrufe links.) Die sozialdemokratische Presse greift alle« an, wa« dem Menschen heilig sein soll, die Ehre, die Familie, die Religion und die Sitte. Nun sagt der Abg. Auer: Ihr da drüben macht c« ja nicht besser. E« kommen dort auch Unsittlichkeiten und MajestätSbelcidigungen vor. Der Unterschied besteht doch aber darin, daß die bürgerliche Gesellschaft ihre Unsittlichkeiten und Majestätsbeleidignngen nicht rechtfertigt, sondern sie tadelt und Unwürdige ausstößt, während die Sozialdemokratie die Unsittlichkcit geradezu zum Prinzip macht. (Unruhe bei den Sozialdemokraten, j Ich weiß wohl, daß die Sozialdemokratie an die Stelle dessen, wa« wir als sittlich bezeichnen, auch ihrerseits ein sittliches Prinzip in ihrem Sinne stellt; die freie Liebe wird an die Stelle der Ehe gesetzt; die Sitt lichkeit de« Meineide« an die Stelle der Heiligkeit de« Eide«. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Nicht blo« außerhalb de« Hause« geschieht die«, sondern auch hier im Hause sind gerade diese beiden Punkte vom Abg. Auer sowohl wie vom Abg. Bebel betont worden. Herr Auer sagte gestern, der Arbeiter habe immer noch sein Liebchen gesunden; der Arbeiter braucht also keine Ehe. (Widerspruch bei den So zialdemokraten.) Herr Bebel hat gesagt: „Ich bin Atheist, Sozialist, Republikaner. ' In demselben Athem sagt er: „Führen Sic den Eid ein, wir schwören ihn!" Die Sozial demokratie ist also geblieben, wa« sie war, und wie ich sic jetzt Ihnen gezeichnet habe. Die Sozialdemokratie hat geradezu den deutschen Anarchismus geboren. Unter der Herrschaft de« Sozialistengesetze« wäre dieser ganz unmöglich gewesen. E« ist ein Wunder, daß bei den Hetzer eien der Sozialdemokratie keine größere Anzahl von Verbrechen zum Vorschein kommen. Es hat noch kein anarchistische« Verbrechen gegeben, da« nicht speziell von der sozialdemo kratischen Presse vcrtheidig», zum mindesten entschuldigt wurde. Die Pariser Kommune wird al« Kinderspiel hingesteüt, die russischen Nihilisten wurden sogar hier im Hause verherrlicht, die Bombenatkeutatc werden entschuldigt oder als kleine Ver gehen hingestellt. Fast alle Anarchisten waren früher Führer der sozialdemokratischen Partei, Reichstagsabgeordnetc oder -Kandidaten. Ich erinnere an Most, Hasselmann, Werner, Auerbach. Die sozialistische Partei in den Niederlanden er klärt, für die Verwirklichung ihrer Prinzipien mit allen Mitteln, gesetzlichen und ungesetzlichen, friedlichen und gewaltsamen einzutreten. Da« sind keine „Anarchisten!" Der Abg. Auer hat den „Sozialist" vorsichtiger Weise al« nicht zu seiner Partei gehörig bezeichnet. Das widerspricht aber den wirk lichen Verhältnissen. In einem Tableau, in welchem die „diene Zeit" sämmtlichc sozialdemokratischen Blätter aufführt, steht auch der „Sozialist" friedlich neben dcni „Vorwärts"; auch er wird also zu den sozialdemokratischen Organen ge zählt. Einen weiteren Beweis für den Zusammenhang zwischen Sozialdemokraten und Anarchisten liefert der Kalen der de« „Vorwärts" für da« Jahr l895. Derselbe verzeichnet neben allerlei wichtigen und halbwichtigcn Daten au« der Geschichte sämmtlichc Attentate, welche jemals gegen Staats oberhäupter verübt wurden, von Zeiten der Römer an. Ich habe in dem Kalender nicht weniger als 28 anarchistische Ver brechen verzeichnet gefunden, die demnach al« historische Thatcn angesehen werden. Es ist nach alledem ganz unmög lich, den Zusammenhang zwischen den Sozial demokraten und den Anarchisten zu leugnen. (Schr richtig! rechts.) Sie sind ein Herz und eine Seele. Sie unterscheiden sich lediglich durch die Taktik oder die Herrsch sucht ihrer Führer, die in dem Streite zwischen Bebel und von Vollmar so offen zu Tage getreten ist. Wa« diesen Streit anlangt, so bin ich überzeugt, daß die Redensarten, welche die Herren sich gegenseitig an den Kops geworfen haben, ehrlich gemeint waren. Die ganze Angelegenheit wäre aber gewiß nicht so anfgebauscht worden, wie cS thatsächlich geschehen ist, wenn mau auf sozialdemokratischer Seite dabei nicht einen bestimmten Zweck verfolgt hätte. Man wollte nämlich den Gedanken erwecken, eine Partei, deren Führer sich so in den Haaren lägen, könne unmöglich so gefährlich sein, wie eS vielfach dargcstellt werde. ES ist nämlich Thal sache, daß die Sozialdemokraten eine heillose Angst vor den drohenden schärferen Gesetzesbestimmungen haben. (Wider spruch bei den Sozialdemokraten.) Aus diesem Grunde ist noch nachträglich der Versuch gemach« worden, den Vorgang vom 6. Dezember in diesem Hause als harmlos hinzustellen. Den gleichen Eindruck gewinnt man durch eine Vergleichung der gestrigen Rede de« Abg. Auer mit der Rede, welche kürz lich der Abg. Bebel hier gehalten hat. Sic (zu den Sozial demokraten > fürchten eben, daß Sie mit eiserner Hand nieder gehalten werden. Da« ist thatsächlich da« einzige Mittel gegen die Sozialdemokratie; hier heißt es: Gewalt gegen Gewalt! Mit geistigen Waffen allein ist da nicht auszukommen. (Sehr richtig! rechts.) Jedem Angriff niit geistigen Waffen weichen Sie durch „Mauserungen" aus! Ich bin der Ansicht, daß ein möglichst scharfe« Gesetz gegen die Sozialdemokratie allein helfen kann. Wie ein solche« Gesetz ausfallen würde, wenn ich c« zu machen hätte, kann ich dem Abgeordneten Auer mit wenigen Worten sagen. Der 8 1 des Gesetzes würde lauten: (Ab geordneter Singer: „Jeder Sozialdemokrat wird todtgeschlagcn." (Präsident v. Levctzow verweist dem Abg. Singer derartige Zwischenrufe als nnparlamentarisch.) „Den Sozialdemokraten einschließlich der Anarchisten wird das aktive und passive Wahlrecht entzogen." In 8 2 würde ich bestimmen: „Die sozialdemokratischen Agitatoren werden entweder ausgcwicscn oder internirt." (Zuruf au« der sozialdemokratischen Partei: Gerädert!) Da« Rädern überlasse ich den Herren Bebel und Genossen; ich bin ini Gcgcnthcil der Meinung, daß in einer gewissen Beziehung die weitestgehende Milde anzuwcnden wäre. Ich bin nämlich überzeugt, daß der aller größte Theil derjenigen, welche der Sozialdemo kratie Gefolgschaft leisten und ihr ihre Stimmen bei den Wahlen geben, nicht weiß, was er eigent lich thut. Die Milde dürfte aber nicht so weit gehen, daß der Zweck de« Gesetzes nicht erreicht würde. Die Sozial demokratie muß und kann unterdrückt werden. (Zustimmung rechts.) Das Verhalten der Sozialdemokratie war früher cin schüchternes. DaS entsprach dem Umstande, daß man versuchen mußte, schon den Kinverseeleu das Gift einzuflößen. Bei den Kinderfesten, in den Jugeuvschristcn, überall ging man darauf aus, jedes Pietätsgcsühl iu der Kinderseele zu ersticken. Auch die Pietät gegen die eigenen Eltern. Jetzt, nachdem man schon eine größere Zahl von Anhängern in der hcrangewachscncn Generation besitzt, nachdem die Zahl der Vergifteten sich vermehrt hat, tritt man offener auf. Das ist auch cin Programm der Sozialdemokratie. Im Jahre 1889 wurde im Berliner Volksblatt die Zufriedenheit als das größte Laster bezeichnet und erklärt, kein Laster könne ein Volk so zurückbringen wie Zufriedenheit. Zufriedenheit sei geistiger Tod, Zufriedenheit schließt jeden Fortschritt aus. Sie sei Wahnsinn, eine Gehirnkrankheil. (Hört, hört!) Wenn so etwas in da« Bewußtsein der nrtheilsloscn Masse gebracht wird, so muß die Folge davon eine Störung jeder wirthschaft- lichen und politischen Ordnung sein. Die Sozialdemo kraten beuten die gewonnene Macht in der rück sichtslosesten Weise aus. Sie bilden schon jetzt einen Staat im Staate, halten ein wohlgezähltcs Bcamtenheer und treiben Steuern ein, regel mäßiger als irgend cin dcutschcr Finanzministcr. Ja sie schicken Geheimpolizisten in die Wohn ungen, sogar bis in die Keller, und bohkottircn alles, was sich ihnen irgendwie widersetzt. Früher wurden die kleinen Handwerker und Gewerbtreibenden durch die Kontrolmarkcn der Sozialdemokratie dienstbar gemacht. Jetzt werden sie schon zu Beiträgen hcrangezogcn, und sie werden boykottirt, wenn sie sic nicht leisten. Die Arbeiter, die nicht Genossen sind, werden von den Arbeitsstellen, wo die Sozialdemokratie die Herrschaft hat, ausgeschlossen. Ich bedauere, daß jüngst von einem großen Gewerbe ein Arbeits nachweis anerkannt worden ist, welcher die Arbeitgeber zwingt, sogar die entlassenen sozialdemokratischen Rädelsführer wieder in ihre Dienste einzustellen. Man boykottirt sogar die Kirche. Es paßt da« sehr gut zu dem angeblichen Grundsatz: Religion ist Privatsache. So ist neulich eine Wittwc gezwungen wor den, ihren verstorbenen Mann ohne kirchliche« Geleite be graben zu lassen. (Ruf links: Wo?) Das ist in Harburg geschehen. Am schlimmsten sind aber die Arbeiter dran, die sich nicht an einem sozialdemokratischen Streik bctheiligen wollen. „Streikbrecher" ist da« größte Schimpfwort bei den Sozialdemokraten. Wir sind vielleicht noch nicht so weit wie in Amerika, wo auf den Werken von Carnegie die „Rluelc- l«8u" vergiftet wurden; aber auch bei uns geht die Tyrannei der Sozialdemokraten in den Streiks schon weit genug. Viel leicht wird demnächst auch eine internationale Organisation der Sozialdemokratie bewerkstelligt, wie sic jüngst cin Kon greß in Pari« beschlossen hat. Wer Angesicht« solcher Verhältnisse die Hände in den Schooß legt, macht sich mitverantwortlich für die Ströme von Blut, welche fließen werden. (Beifall recht«.) Vor zwanzig Jahren, als wir Arbeitgeber an der Saar, vielleicht weitsichtiger al« die Arbeitgeber im übrigen Deutschland, be schlossen, keine sozialdemokratischen Arbeiter aufzunchmen, er hob man ein große« Geschrei. Damals glaubte man noch die Koalitionsfreiheit der Arbeiter begünstigen zu müssen. Seither haben sich die Ansichten über die Koalitionsfreiheit wesentlich geändert. Auch dem blödesten Auge ist klar geworden, daß die gesetzliche Koalitionsfreiheit nicht mehr zur Wahrung der wirthschaftlichen Interessen der Arbeiter dient, sondern dazu benutzt wird, die Arbei ter im Interesse der sozialdemokratischen Arbei terführer zu knebeln. Pflicht und Ehre gebieten den Arbeitgebern heute, da« Beispiel zu befolgen, da« wir vor