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Amts- und Anzeigeblatt für den «»scheint , e «bonnement «-L-- «Mk des Ämtsgerchts Lidmstsck »-ZL- sertionsprei-: die kleinsp. ten, sowie bei allen Reichs- z >-i«P, und dessen Amgekung. «-»M,- Berantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 40. Kahr««««. —— — LV. Donnerstag, den 2. Miliz 18V3. 3. -sscntl. Sitzunz der Stadtverordneten Donnerstag, den 2. März 1893, Abends V28 Mstr im Rathhaussaale. Eibenstock, den 28. Februar 1893. Der Stadtverordneten - Vorsteher. Wilh. DSrssel. 1) Mitentschließung, Erlaß der OrlSkassenbeiträge für Besitzveränderungen an die Brandcalamitosen im Crottensee betreffend. 2) Petition der nicht pensionsberechtigten städtischen Beamten und Uebcrnahme ihrer Invalidität«- und Krankenversicherungsbeiträge auf die Stadtkasse. 3) Bekanntgabe de« Bericht« über die Revision der Stadtkasse. 4) Richligsprechung a. der Schulkassen-Rechnung für 1891. b. der Rath«sportelkassen-Rechnung für 1891. c. der Feuerlöschkassen-Rechnung für 1891. ll. der städtischen Pensionskassen-Rechnung für 1891. v. der Armenkassen-Rechnung für 1891. t. der Dienstbotenkrankenkassen-Rechnung für 1891. 5) Schulbau. 6) Herstellung de« Windischwegs. 7) Rakhsvorlage, Abänderung des städtischen Biersteuerregulativs und weitere Beschlußfassung darüber. Eine gewichtige Stimme läßt sich abermals zur Militärvorlage ver nehmen: Generalmajor Freiherr v. d. Goltz, der be kannte Instruktor der türkischen Armee, veröffentlicht eine Betrachtung, in der er das Verhältniß der vor geschlagenen Militärreform zum europäischen Frieden einer breiten staatsmännischen Untersuchung unterzieht. Von der Stärke Deutschland« hänge der Friede Eu ropas mehr als von allem anderen ab. Friedrichs deS Großen Wort: .Wenn ich König von Frankreich wäre, so sollte ohne meinen Willen kein Kanonenschuß in Europa fallen", sei nicht so zu deuten, daß der König- Philosoph sich nach einer Uebersiekelung nach Paris gesehnt habe, sondern doch nur so, daß er glaubte, den Frieden Europas erhalten zu können, wenn Preußen-Deutschland so einig und stark gewesen wäre, wie Frankreich. Sein weitvorauSschaucnder Blick habe die geschichtliche Nothwcnvigkeit erkannt, im Herzen Europas eine starke und einige Macht zu er richten — die geschichtliche Sendung seines Volkes. Wir Deutsche seien schwer für die Erfüllung solcher historischen Ausgaben zu erwärmen, weil es unmög lich sei, den augenblicklichen Nutzen, ter auf unser hausbackenes Gemüth den stärksten Eindruck mache, überzeugend nachzuweisen. Und dennoch lehre da« Schicksal aller Völker, daß ein jedes, welches von der Erfüllung einer großen ihm durch seine Lage zu fallenden Bestimmung abließ, damit nicht Ruhe und Frieden erntete, sondern Rückgang und Verfall. Dringender al« je mahnten die Umstände dazu, unö der Unsrigen zu erinnern. Man sage, daß der Orient eine gute Schule für den Diplomaten sei. Jedenfalls sei es ein geeigneter Boden für die Be obachtung der europäischen Lage. Jede Veränderung derselben spiegele sich am goldenen Horn wieder, wo von alterS her sich alle verschiedenen Einflüsse kreuzten. In neuester Zeit sei nun eine solche sehr wahrnehmbar gewesen. Während in Deutschland der Streit über die Militärvorlage entbrannte, habe hier in einer für da« Land sehr wichtigen Frage ein so lebhafter Kampf der Einflüsse stattgefunden, daß er nahe da ran war, von dem industriellen aus das politische Gebiet hinüberzuspielen. Da zeigte eS sich denn, daß man schon allgemein für selbstverständlich hielt, jede Bewilligung an eine deutsche Bcwerbergruppe, selbst wenn sie aus dem eigenen Wunsche de« Groß herrn hervorging, durch eine gleich große oder, wenn mög lich, größere an französische Mitbewerber auszuwiegen. Französische Ansprüche gälten, selbst wenn sie in sich keine Berechtigung trügen, doch al« jeder Berücksich tigung würdig. Da« sei nicht nur ein Zoll an da« Frankreich befreundete Rußland, mit dem man sich auf guten Fuß zu stellen wünsche, sondern vor allen Dingen auch eine Huldigung an da« wiedererstarkte Frankreich selbst, dessen Macht man heute geneigt sei, noch höher anzuschlagen, al« sie verdiene. In diesen bewegten Tagen nun habe der beliebteste illustrirte Alamanach, der in türkischer Sprache erscheint, der .Takwim-i-Ebusia", ein Bild gebracht, da« von Hand zu Hand wanderte, sech« Soldaten in der Tracht der verschiedenen Heere nebeneinander stellend. Voran stehe da ein riesengroßer Russe, über zwei Dritttbeile der Seitenhöhe emporragend, daneben ein viel kleine rer Franzose, der aber noch ganz stattlich au«sehe und Jenem etwa« über die Hüfte hinaufreiche. Dann folge als Dritter ein Deutscher, mit dem Helm in der Schulterhöhe des Franzosen, al« Vierter ein wenig kleinerer Italiener, als Fünfter ein Oesterreicher und als Sechster ein winziger Engländer. Darüber stehe die Inschrift: .Die europäischen Heere nach dem Grade ihrer Stärke dargestellt." Das Staunen über den kleinen Deutschen, den man sich früher als den Riesen unter Allen gedacht und den man nun am dritten Platze wiederfand, sei allgemein gewesen. Es wäre noch größer gewesen, hätte der Zeichner den Deutschen zwischen seine beiden Nachbarn gestellt, wo er seinen Platz habe und wo ihn auch in Wirklichkeit Jedermann, bedrängt und eingeengt, zu sehen glaube. Noch vor zehn, ja vor fünf Jahren sei im Orient an dergleichen Regungen nicht zu denken gewesen; Deutschland habe nicht nur für die größte Kriegs macht, sondern auch Rußland eng befreundet gegolten, und gar dem schwächeren Frankreich gegenüber. — Die Betrachtung gipfelt dann in folgenden Bemerk ungen: .Wer so die Umgestaltung der europäischen Lage wie ein Spiegelbild sich hat entwickeln sehen, mag da durch auf natürliche Art wachsamer geworden sein, als wer daheim im Vaterlande in sicherer Ruhe lebt und davon nur gelegentlich hört und liest. Es ist aber wahrlich für unS alle Zeit, die Augen zu reiben, die Lage ernst zu prüfen, gewissenhaft die eigenen Kräfte mit denen der muthmaßlicben Gegner zu ver gleiche» und den Blick auf die kommende Entwickel ung der europäischen Lage zu richten, soweit sie sich in großen Zügen im voraus erkennen läßt. Wer da« thut und inhaltlosen Schlagwörtern wie .Mili tarismus", Redewendungen wie denjenigen, .daß man die Ouantiiät nicht auf Kosten der Qualität degünsti gen dürfe", keinen Raum gewährt, der muß und wird am Ende zu derselbe» Ueberzeugung kommen wie die Regierung. E« ist auch keineswegs nothwcndig, der Zahlenwuth zu huldigen; die bekannten, in der Vor lage selbst und in der .Aufklärung" zu dieser sowie in anderen halbamtlichen Veröffentlichungen enthal tenen Angaben ertragen jede ernste Prüfung und be weisen nur zu deutlich, daß Deutschland seinen muth- maßlichen Gegner und der Erfüllung seiner wahr scheinlichen zukünftigen Aufgabe nicht gewachsen ist. Europa bedarf in seiner Mitte des großen, einheit lichen und so starken Staates, daß jeder Angriff auf denselben aussichtslos ist. Nur in diesem Falle wer den die im Osten und Westen vorhandenen, vorwärtS- Ireibenden Gewalten den Weg in benachbarte Welt- theile suchen, wo ihrer große zivilisatorische Aufgaben harren, die zwar auch nicht ganz ohne Kampf, aber roch ohne große völkervernichtende Kriege zu erfüllen sind und die am Ende neue« Leben wecken, statt vor handene« zu tövten. Es ist immer gewagt, mit Be stimmtheit da« Kommende Vorhersagen zu wollen. Soweit aber menschliche Voraussicht reicht, kann man mit Sicherheit annchmen, daß, wenn Deutschland seine kriegerische Verfassung nicht weiter entwickelt, wenn e« nicht jetzt noch, wo wir in der elften Stunde stehen, daß Versäumte nachholt, Europa einem Zeit alter neuer Kriege entgegengeht. Kein Bündniß kann den Mangel an einer einheitlich geschloffenen, über legenen Macht ersetzen, weil seine Gegner die Hoff nung niemals aufgeben werden, e« zu trennen. Auch der Dreibund wird bei aller Beständigkeit den großen europäischen Krieg nicht aufhallen. Da« kann, wenn cs überhaupt möglich ist, nur da« einige, kriegerisch neugestärkte Deutschland, dessen Kräfte in einer Hand ruhen. Unter dieser Bedingung darf man im Augen blick wirklich, ohne sich einer Uebcrtreibung schuldig zu machen, den Satz auSsprechcn: „Die Annahme der Militärvorlage ist der europäische Friede." — Hagesgeschichte. — Deutschland. Der am 17. März in Berlin zusammentrctende Deutsche Handelstag wird sich unter Anderem auch mit der Frage beschäf tigen, ob die Errichtung eine« dauernden Zollbei- raths beim Reichskanzler zu befürworten sei. Die Frage ist zuerst von einer süddeutschen Handelskammer angeregt werden und hat bei vielen Handelskammern Anklang gefunden. Sie dürfte auch vom HaneelS- tage in bejahrendem Sinne entschieden werden. Aber es ist überaus zweifelhaft, ob sich die verbündeten Regierungen entschließen werden, dieser Anregung Folge zu leisten. Allerdings hat sich die nämliche Einrichtung in Oesterreich bereits gut bewährt. Sie soll namentlich bei den Verhandlungen wegen der vorjährigen Handelsverträge den dortigen Industriellen gute Dienste geleistet haben. Indessen gilt die preußische Regierung als eine Gegnerin dieser Neuerung, die auf den ersten Blick unzweifelhaft viel Bestechende« hat. Doch lassen sich auch die Gegengründe nicht ohne Weiteres zurückweisen. ES wird hauptsächlich dagegen geltend gemacht, daß unmöglich alle Jndustrie- und sonstigen Erwerbszweige in einem Zollbeirath vertreten sein können, wenn man nicht gerade ein Zollparlament schaffen wollte. Naturgemäß würden sich diejenigen Zweige, die ganz unvertreten oder nicht genügend vertreten wären, beeinträchtigt fühlen. Die preußische Regierung würde cS daher verziehen, bei wichtigen Fragen auch ferner die Handelskammern zu befragen und bei den für jeden besonderen Fall geeigneten Sachverständigen Erkundigungen einznziehen. — Berlin. Die Entlassung des Rektor« Ahlwardt au« dem Gefängniß zu Plötzensee ge staltete sich am Donnerstag Nachmittag zu einer anti semitischen Demonstration. Ahlwardt« Strafzeit hatte um 3 Uhr 20 Minuten ihr Ende erreicht; man ent ließ ihn aber schon um 1 Uhr, voraussichtlich um Kundgebungen vorzubeugen. Ahlwardt begab sich zu nächst nach dem Moabiter Schützenhause, wo sich Ab ordnungen auS verschiedenen Ortschaften bei ihm als ihrem Führer meldeten. Um 3 Uhr erschienen nach und nach etwa 200 Berliner Freunde, die kurz vor 4 Uhr in einem Zuge von 47 Droschken erster Klasse Ahlwardt nach Berlin geleiteten. An der Spitze fuhr Ahlwardt mit seinem Vertbeieiger Hertwig. Zunächst schien eS, als ob man sogleich dem Norden zufahren wolle, dann aber, als man an der Schulzendorfer Straße angelangt war, hieß e« .Zurück nach dem Thiergarten" und Ahlwardt hielt durch das Branden burger Thor, gefolgt von dem langen Wagenzuge, seinen Einzug. Mochte eS Zufall oder Absicht sein: al« Ahlwardt da« Thor durchfuhr, traten ihm zehn Studenten entgegen, die ihm ein Hoch brachten. Nur schrittweise ging eS die Linden entlang, dann fuhr man durch die Friedrichstraße nach den Germaniasälen in der Ehausseestraße. Ab und zu wurden Hochrufe au« dem Publikum laut, die Ahlwardt grüßend er widerte. In den Germaniasälen halten sich etwa drei-