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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.04.1921
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1921-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19210428024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1921042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1921042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-04
- Tag 1921-04-28
-
Monat
1921-04
-
Jahr
1921
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Abend-Ausgabe k»re,ipz>, ,»» v»r,tt< z«»Im«I tt,Nch M« » H„t »«drachl, S»nlag1 »l«Morge»o»1g»de monatl. üi.19.-, viertel «drl. ÄöNI^. slr Abholer m»»atl. M. 9L«i. Morgeu-AuLgade allem M. 7LV monatlich, eldend-Aatgad« all«l» M L— monaillch. D»rch »vier« ou»lvLi!lg«n gillal«» M» Hao» ««- brach! monalliw 4N. 10.—, v!er!«!jLhrlich 3V.—; dvrch dl» Volt lnnerbold Beullchland», Ire« in» Hau» aelieseri, D«samt-Av»gad» monatlich M. 9.—, »ierteljLbrllch M. 27^-. 4lutland»o«rlaa»: monaillch M. NI.— and Druckiackea-Porto. Einzelnammer»: Morz»»- A»4gad» AI P,. Ad»n>.Au»aad« 70 Pi. S,nnlaa«-B»«,abe « Pf. Handels-ZeUurrg Das Letvztae, Tizehlatt enthält die amtlich?,, Bekanntmachung«, de« Rate» und deS Polizei.,mt-S der Stadt Leipzig, re» «mt»ge,tcht» Leipzig, lowle »ruchiedcit« anderer vehSrden. 115. Jahrgang Anzeigenpreis: Li. Anzeigen „» ^z«dtrd«» »m »miilch«» T«U dl» dk»»P«r«II«H«U» M.ZLÜ, o.aa«a>. M.L—: klein« Anzeige» bl« 4t»apar«lg»j«U»M U«ti, m,n ao»wLrI« Mk. >LU,<veschLsI«anz«Igen »r« Plahvorlchrlfte» l» Preik« rrbbdt. Ploft an» Datenvorlchritt ohne Verbindlichkeit. B»tlag»»pr«ll« sür di, <?rl^mtaufiage ,'NK. 12.— aello, sür Telloaslage Mk IS.— »eit, pro Mlll«, pvstaaliage Postgebühr «zira. ij«raipr«ch ri»Ichlulr Ar. lliikL ilbnz. tlvsz. — P»stlch«(kkonlo72>>.. Echrittleitaog »»k ivetchüstüftelr: Leipzig, 3»ha»»t^al>« «e- ii. Verla, De. R«t»h»l» » <» : Lei»,!» Nr. 202 Donnerstag, den 28. April 1921 Amerikas Abfichten Die amerikanische Regierung hat bisher, wie es scheint, zu den deutschen Vorschlägen noch nicht endgültig Stellung genommen. Gleich wohl wissen italienische und französische Pressevertreter aus Washington schon allerlei über die mutmaßliche Haltung Amerikas zu berichten, wobei ein jeder das für wahrscheinlich hält, was er im Interesse seines eigenen Londes wünscht: der Italiener, daß Amerika der Besetzung des Ruhrgebiets widerspreche und sie zum mindesten aufgehoben wissen wolle,- der Franzose, daß Amerika den Franzosen freie Hand lasse. Die Meldungen lauten: Basel, 28. April. Aach einem Telegramm des .Lorriere della Sera' aus Washington beabsichtigt das amerikanische Schatzamt, mit den Alli ierten Verhandlungen über die Bezahlung der alliierten Schulden an Amerika anzuberaumen Der erste Staat, der nach Washington eingeladcn wird, ist England. Der dort festgelcgte Weg soll auch bei den übrigen Alliierten eingeschlagen werden. Die am Mittwoch aus Amerika eingegangenen Nachrichten deuten darauf hin, dass man Frankreich zu verstehen geben wird, daß eine Be setzung des Ruhrgebietes, solange nicht alles versucht worden ? ist, Amerika unangenehm sein würde. Nach der Meinung Lloyd Georges soll Frankreich damit rechnen, daß eine Ent scheidung nicht vor dem 10. Mai getroffen werden könne, da die Wiedergutmachunaskommission und die Sachverständigen erst gehört werden sollen. Rom. 28. April. Havas verbreitet folgende «Temps'-Meldung aus Washington: Die Mitteilung Hughes an den britischen und franzö sischen Botschafter bedeute in keiner Weise eine offizielle Verständigung und lasse den Alliierten vollkommene Freiheit, zu beurteilen, ob die deutschen Vorschläge eine annehmbare Grundlage zu Besprechungen darstellen oder nicht. Wenn die alliierten Regierungen der Ansicht sind, daß sie keine geeignete Grundlage darstellen, wird der Schritt Deutsch lands keine weiteren Folgen i>abcn. Die amerikanische Regierung bleibe den Mächten gegenüLer loyal, die die Assoziierten der Vereinigten Staaten während des Krieges waren, und wünschen, sich in keiner Weise von ihnen zu trennen. Der englische Botschafter bei vr. Simons Berlin, 28. April. Der englische Botschafter, Lord d'A bernon, hat am Mittwoch den Reichsminister Dr. Simons ausgesucht, der diesem erläuternde Erklärungen zu deu deutschen Vorschlägen machte. Beratungen in Paris und London Paris, 28. April. Heute vormittag tritt unter Vorsitz des Prä sidenten Miller and der Ministerrat zusammen. Paris, 28. April. Briand wird am Freitag mittag nach London abreisen. London, 28. April. Das britische Kabinett hielt Mittwoch vormittag eine Sitzung ab und man glaubt, daß das Kabinett über die deutschen Vorschläge beraten hat. Die Alliierten haben die Vereinigten Staaten noch nicht gebeten, die deutschen Vorschläge an sie zu über mitteln, weil ihre Vertreter in Washington ohnehin von ihrem Inhalt Kenntnis erhalten haben. Washington, 28 April. Reuter. Bis Mittwoch 12 Uhr hatte die amerikanische Regierung noch keine einzige Erklärung über die Vermittlung von den Alliierten empfangen. * i Paris, 28. April. In ciuer Haoas-Meldung aus London heißt es: Die Besprechung zwischen den belgischen, französischen und englischen Vertretern wurde heute nachmittag fortgesetzt, während die englisch.» und französischen Sachverständigen ihre Arbeit weikerführen. Es wurde beschlossen, zwei englisch-französischen Unter kommissionen, die morgen vormittag zvsaminentreien werden, die Prüfung verschiedene» Fragen zu überlassen, besonders der Kohlenfragc. Der Tag endete mit einer wichtigen Besprechung zwischen Loucheor und I a s p a r. Unrichtige Uebersetzung der deutschen Note Rotterdam, 28. April. Von amerikanischer Seite erfährt .Nieuwe Robterdamsche Lourant', daß sich herausstellt, daß die Uebersetzung der deutschen Note m mehreren Beziehungen unrichtig ist, so daß man in Washington ein falsches Bild von der Lage erhalten mußte. Die Depesche an die amerikanische Regierung sei von dem amerikanischen Geschäftsträger Dienstag nacht 1 Uhr auf dem Berliner .'Zaupk- telegravhenamt aufgegebcn worden und dort bis 10 Uhr morgens liegen geblieben, bevor sie weitergegebcn wurde. Die Wiedergutmachungsrechnmrg der Reparationskommission Paris, 28. April. (Agence Havas.) Die Reparaklonskom- mission hat auf Grund des Art. 283 des Versailler Vertrages be schlossen, den Betrag der Schäden, für die Deutschland nach den Be stimmungen des Art. 232 und des Anhangs zum Teil 8 des genannten Vertrages eine Reparation schuldet, auf 132 Milliarden Goldmark fest zusetzen. Bei Festsetzung dieser Ziffer hat die Reparationskommission von der Summ« der Schäden die Abzüge vorgenommen, die notwendig sind, um die in Ausführung des Art. 238 bereits geleisteten oder noch zu leistenden Rückerstattungen zu berücksichtigen: infolgedessen werden Deutschland diese Rückerstattungen nicht gut geschrieben Die Re parationskommission hak in der oben genannten Ziffer die Summen nicht mit einbegriffen, die der Verpflichtung entsprechen, die Deutsch land außerdem in Ausführung des 3. Absatzes des Art. 232 zu über nehmen hat, nämlich die Rückzahlung aller Summen durchzuführen, die Belgien bis zum 18. November 1918 bei den alliierten und assoziierten Regierungen geliehen hat, einschließlich 3 Proz. Zinsen jährlich für die erwähnten Summen. Herr v. O e r h e n, der in Abwesenheit des Staatssekretärs Berg mann an der Spitze der Kriegslastenkommission steht, wurde um 9 Uhr abends von der Reparationskonimission, die in amtlicher Sitzung tagte, berufen. Der Vorsitzende brachte ihm im Namen der Kommission die obig« Entscheidung zur Kenntnis. Diese mündliche RUkreltung wird der Kriegslastenkommission schr-stlich bestätigt werden. Keynes über die Besetzung des Ruhrgebiets Haag, 28. April. Im .Manchester Guardian' bespricht Professor Keynes die gegenwärtige Situation. Er entwickelt zunächst die An sicht, es könne Deuksch'and, rechtlich genommen, gar nicht vorgeworfcn werden, daß es mit der Erfüllung seiner Wiedergutmachungspfiicht ab sichtlich im Rückstand« sei. Selbst Li« Leistung der Zahlung von 20 Milliarden Goldmark sei bisher in einer Form gefordert worden, daß sich keine Schuld Deutschlands an der Nichtleistung ergebe. Nur daS Reichsbankgold könne Deutschland tatsächlich zahlen. Es sei daher anzunehmen, daß die an sich wahnsinnige Forderung, Saß dieses Gold ausgeliefert werden müsse, nur gestellt worden sei, um einen Rechksgrund für die Besetzung des Ruhrgebietes herbeizuführen. Aeber die Ruhrbesehung selbst gibt Keynes folgendes Bild: Es handele sich um ein Gebiet wie das bei Liverpool und Manchester oder um Piktsburg, mit einer Bevölkerung von vier Millionen Menschen und überzogen von einem Netzwerk von Fabriken. Da die Bevölkerung unbewaffnet sei, so erwarte Frankreich mit 100 000 Monn in diesem Gebiet herrschen zu können und Deutsch land, soweit es nicht Landwirtschaft treibt, auf den gegen wärtigen Zustand Oesterreichs herunterdrücken zu können. Solche zerstörende Maßnahmen können zwar nie eine Wiedergutmachung herbciführen, wohl aber die Ausgaben decken un gewiß einem gehaßten und gefürchteten Nachbar bald den HalS brechen. Das Vorgehen Frankreichs sei ein Streichholz gehalten an dos Pulverlager Europas. Terror und Verzweiflung könnten Deutschland vielleicht dazu bringen, in. Bedingungen einzuwill'zen, die cö nicht durchführen kann und ihm neue Demütigungen vor sich und der Welt auferlegen. LirüSs Lahnenweihe (Von unserem zur Tiroler Abstimmung entsandten Sonderbericherstatter.) Innsbruck, Ende April. Man könnte nicht ohne leise Uebertreibung davon sprechen, daß die Willenskundgebung des Tiroler Volkes, das nahezu einmütig den Wunsch noch dem Anschluß ans Deutsche Reich ausgesprochen hat, eine großartige politische Demonstration gewesen sei. Das war nicht das Bild des 24. April. Wohl wehten von ollen Giebeln die schwarz rot-goldenen Fahnen (nur selten schwarz-weiß-rot!), wob! wim melte es von Umzügen, Versammlungen und Ansprachen. Aber >m Grunde wor's doch eine .Kirchweih im großen', ein heiter lustiges Volksfest voll verhaltenen, verschüchterten Jubels. Das gab ein herzliches Wiedersehen von Verwandten und Freunden, ein frohes >>ändescy.itteln zwischen Menschen, die sich seit Jahr und Tag nicht mehr gesehen hatten. Der .Anschluß' war die Parole geworden für den einzelnen, für die Familie, für das Volk. Dabei waron die äußeren Umstände der Abstimmung keineswegs besonders günstig. In der Organisation der Werbearbeit, der Unter kunft, zu allen Veranstaltungen war man nicht ganz frei von der un bekümmerten Nonchalance des einstigen k. und k. Regimes. Aber es ging trotz alledem ganz gut, und über die .Schlamperei' hat man sich in Oesterreich nie besonders ausgeregt. Bewundernswert war jeden falls, wie manches aus der Situation heraus rasch und entschlossen improvisiert wurde. Die Sonne war den Tirolern hold. Nach einer abscheulichen Woche voll Regen und Schnee brachte der Sonntag ein prächtiges Himmelblau, in das di« vom Neuschnee glitzernden Bergeszinnen hineincagten. , Mit angespannter Neugier, wie kei einer Wahlschtacht, wartete die ALasscnorrsammlung in der Stadlhalle auf die Abstimmungsergebnisse Der 24. April sollte durch Blut geweiht werden. Die Bluttat von Bozen riß die Freudenstimmung aus aller Herzen, und doch war dies der erschütterndste, erhebendste Augenblick. Tränendes Auges hörten Frauen und Männer die Schreckenskunde von ihren Brüdern in Süd tirol, mit denen sie innerlich stets verbunden waren. Im Leid waren sie enger vereint denn je, und die Herzen schlugen heißer und stürmischer der großen Mutter Deutschland entgegen. Wir fühlten: Der Schmerz hatte dies Bauernvolk geadelt, das schlicht und fröhlich ohne Pathos, ja der Bedeutung sich nur halb bewußt, den Anschluß wie ein frohes Fest zu feiern meinte, und mit einem Blitzstrahl plötzlich die bittere Not der Stunde, den Todesernst ferner Lage wiedererfaßte. Nicht daß ich das Elerid der Tiroler vernleinern möchte — es ist unsagbar groß, keine Feder kann «S zu beschreiben wagen. Es ist nicht bloß Innsbrucks ver- armier Milirrisland. Auch der einstige Generalissimus Conrad von Hoehentorf und manch kaiserlicher Hoftak befinden sich unier jenen, die ihr tägliches Mahl sich aus der Gemeinschaftsküche holen lassen müssen, weil sie die teuren Restaurationspreise nicht bezahlen können, ja ihr Einkommen nicht einmal für die Führung eines eigenen Haushaltes ousreicht. Aber an diesem Tage fühlten sie es nicht, 'sie glaubten alle Not vork»:i. Plötzlich war sie wieder da: riesengroß, zermalmend, un erbittlich. Und still, in schweigender Trauer, ging die Versammlung aus einander. Auf der Straße aber ballten sich die ^Nassen, und bis in die Nacht hinein dauerten die Kundgebungen der erregten Leidenschaft, müh sam vor Unbesonnenheiten bewährt. Der 24. April hat ein blutiges Mahl ausgerichtei. Wie jenes schwer fällige Bergvolk nur langsam lernt, vergißt es auch nicht schnell. Hoffen wir, daß die Flamme fortglühen möge bis der Tag der Befreiung für das unglückliche Land gekommen ist. Denn es wird wohl noch eine Weile dauern, bis das Land alle legalen Mittel erschöpft hak. bevor es nötigen falls aus eigenem Entschluß seligen Willen in die Tat umsehl. 8. *- Salzburg, 28. April. Im Landtage wurden gestern folgende Anträge einstimmig angenommen: Der Landtag legt Verwahrung gegen den von dem fran zösischen Gesandten in Wien unternommenen Schritt ein, der nicht imstande ist, die Bevölkerung in ihrem Anschlußgedonken wankend zu machen, die Volksabstimmung im Lande Salzburg am 29. Mai vorzunebmen, falls nicht durch die Bundesregierung ein früherer Termin für das ganze Reich festgesetzt wird. Die Volksabstimmungs frage hat zu lauten: Wird d«r Anschluß an Deutschland gefordert? Linz, 28. April In der gestrigen Sitzung des Lanotages brachten die Großdeutschen einen Antrag ein, in dem di« Bundesregie- rung, d«r Rattonalrat und der Bundesrat ausgesordert werden, daS ein gebrachte Gesetz zur Durchführung einer Volksabstimmung über den Anschluß der Republik Oesterreich an das Deutsche Reich zur Verab- fchiedung zu bringen, andernfalls würde die Volksabstimmung im Lande Oberösterreich selbständig vorgenommen werden. Für diesen Fall wird die oberösterreichische Regierung ermächtigt, die er forderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Antrag wurde unter stürmischem Beifall einstimmig ange nommen. Voreilige Kritik Die Pflicht des Staatsbürgers Ist auch nach unserer Meinung nicht damit erschöpft, Steuern zu zahlen und den Mund zu halten. Sie besteht aber auch nicht darin, das volkswirtschaftliche Wissen und das politische Können des Zeitung lesenden und Zeitung schrei benden Bürgers in Gestalt kühn amnutender, in Wirklichkeit halt loser Phrasen den Regierungshandlungen ein für allemal enl- , gegenzustellen. Bor allen Dingen aber nicht darin. Kritik um jeden Preis zu üben, weil die Kritisierten nicht zu den Partei freunden gehören. Wer von den 60 Mllionen Staatsbürgern (die Unmündigen sind nicht allein unterhalb der Zwanzig-Iahr-Grenze zu finden) ist denn imstande, nachzuweisen, ob und weshalb das neue deutsche Angebot über unsere Kraft geht? Höchstens doch die paar Sach verständigen! Deren Legitimation aber ist umstritten, und dann sind sie sich auch nicht einig. Nun sagt der Bürger (und er hätte recht, ließe man der primitiven Auffassung die Enischeidung in hochpolitischen und hochwirtschaftlichen Fragen): «Wenn eine Frage so wenig gelöst werden kann, dann ist es im Interesse des Volkes immer besser, jene Lösung als die beste anzusehen, die das Volk am wenigsten gefährdet, in diesem Falle also am wenigsten belastet!' Der Bürger darf so reden, aber die Zeitungen sollten nicht so schreiben, und die politischen Führer sollten nicht so argumentieren, denn von Zeitungen und Parlamentariern kann man erwarten, daß sie im stande sind, jene außerl-alb unseres Volkes liegenden Kräfte richtig einzuschähen, die bei der heutigen Lage der Dinge imstande und willens sind, die große Frage in einem für uns noch ungünsffgeren Sinne zu lösen. Wir haben den Weltkrieg verloren. Der Friedensvertrag, den wir unterschrieben haben, legt uns diese schweren Lasten auf. Der Friedensverkcag ist nach verschiedenen Wortbrüchen zustande gekommen und wirkte sich aus in verschiedenen Rechtsbrüchen. Der FricdenSvertrag hat als Fundament ein von einem parteiischen Gericht formuliertes, auf keine Beweise gestütztes, von uns er preßtes Schuldgeständnis. Unter Anerkennung der Empörung über alle diese Schandtaten: Hilst uns heute unsere Beteuerung, unschuldig zu sein, helfen uns unsere Beweise, hilft uns unsere Weigerung, die Lasten tragen wollen? Der Gegner, der hier Richter war, hat die Macht; der Zuschauer teilt seine Ansichten, hält uns für schuldig und, wenn wir uns sträuben, für böswillig. Das Urteil wird ausgeführt in seiner ganzen Brutalität. Wir leiden. Die Welt sagt: Zu Recht! Sollen wir da nicht lieber politisch sein und versuchen, das Urteil abzuschwächen? Zweifellos fahren wir noch besser dabei, als bei der Ueberschwemmung durch Krieg, Zwangsmaßnahmen, Revolution und Bolschewismus. Den Ehrenstandpunkt in Ehren. Aber Karthago ist untergegangen, weil es die Ehre über alles stellte: Preußen dagegen wurde nach sieben Jahren sogar gegen den großen Korsen frei. Und zum Frei werden gehört durchaus nicht immer eine militärische Aktion. Man soll aus der Geschichte nicht bloß dies, sondern auch jenes lernen. Es ist bedauerlich, daß solche Selbstverständlichkeiten immer wieder gesagt werden müssen. Das unpolitische Denken im Volke, die rasche Ablehnung der Regicrungsvorschläge in weiten Bürger kreisen und die Politik der vielen Zeitungen, die der öffentlichen Meinung nachläust, zwingen leider Gottes dazu. Heißt es nicht, verantwortlich Politik .zu treiben, wenn man der Gasse schmeichelt; so auch nicht, wenn man dem Stammtisch zu Gefallen redet. Die neuen Vorschläge nun. Den 30 Milliarden von London, mit denen die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit sollte er reicht worden sein, stehen nach acht Wochen 50 Milliarden gegen über. Das ist auf den ersten Blick beunruhigend. Aber wenn auch Gegenwarlswert bleiben muß, was Gegenwartswert ist, so kann doch der geänderte Zahlungsmodus eine Art Gleichwertung herbciführen. Die Zahl der Annuitäten wird größer werden; dadurch und durch den veränderten Zinsfuß verringert sich die Höhe der Annuitäten. Im übrigen soll die Höbe durch die Lage der dcuischen Wirtschaft bestimmt werden. Bei einem Sinke« dieser Lage würde sich auch die Jahresleistung verringern. (So selbstverständlich das ist, war es vielleicht doch überflüssig, es so stark zu betonen.) Der ganze Komplex der deutschen Gegenvor schläge komprimiert sich auf den 50 Miiliarden-Gegenwarlswert. Ebenso, wie dieser sich auf 200 Milliarden in Annuitäten aus dehnen läßt, ließe er sich auch auf 22i> Milliarden strecken. Wäre das deutsche Volk politisch geschulter, hätte Simons es vielleicht wagen können, das Bild umgekehrt zu malen. So mußte er Rück sicht auf die Denkart im Lande nehmen. Von dem Gegenwart- ivert geht zunächst der Ertrag der internattonalen Anleihe ab. Nur, was übrig bleibt, ist in Wiederaufbau-, Sachleistungen und in bar zu zahlen. Für die Anleihe wieder hätten wir deutsche Werte zu verpfänden: Zölle, Verkehrsmittel, Grundwerte. Dann noch eine sofortige Zahlung von einer Milliarde Goldmark zu leisten. Die bisher geleistete Wiedergutmachung ist natürlich anzurechnen; zwanzig Milliarden werden leider nicht heraus kommen. Es ist heute müßig, über die Repaoationsnote und über di« anderes Vorschläge sich zu unterhalten, well wir noch nicht wissen, ob die Alliierten überhaupt gesonnen sind, sie zur Grundlage für Verhandlungen zu nehmen. Eie sötten in Amerika freundlich auf- genommen worden sein; das werde allerdings genügen, um den französischen Willen, eine Verständigung nach Möglichkeit zu Hintertreiben, zunichte zu machen. Auf keinen Fall aber werden sie bleiben, wie uür sie gemacht haben. Erst, wenn wir wissen, was die Alliierten an Abänderungen verlangen, erst, wenn die Einzelvorschläge beraten werden, ist es Zeit zu einer detaillierten Kritik. Heute bliebe nur der Gegemvartswert von 50 RÜlliarden zu erörtern. Wenn nun das Angebot der 50 Milliarden wett über das hinausgehk, was wir nach unserem Gefühl zu leisten im stande sind, so ist doch zu berücksichtigen, daß die Festsetzung mehr politischen, als technischen Erwägungen entsprang. Dr. Simons
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