Volltext Seite (XML)
Ein Ultimatum an Budapest <> Militärdiktatur in Weftungar« Der Anhang des Prätendenten wächst. — Ultimatum an Budapest? Wien, 31. März. (Eigener Drahtberichk.) Wie das .Neue Wiener Tagbt." erfährt, ist gestern abend in feierlicher Weise in Steinamanger die Militärdiktatur für West un gar» ausgerufea worden. Exkaiser Karl hat als König von Ungarn die Leitung der Diktatur übernommen und den Obersten Lehiir zum Kommandanten seiner Truppen ernannt. Der Telegraphen- und Telephonoerkehr mit Budapest ist sehr er schwert bzw. durch die Zensur verhindert. Soweit man sich mit Budapest verständigen kakm, werden dort alle diese Gerüchte de mentiert. Aus hiesigen monarchistischen Kreisen erfährt das .Reue ««Wiener Tagbl? weiter: Die Landbevölkerung wandert in Scharen nach Steinamanger unter Borantragung von Bildern des Königs Franz Joseph und des Exkönigs Karl. Die Garnison von Steinamanger war schon bereit, gegen Pest zu mar schieren; König Karl erhob aber Anspruch, um unnötiges Blut vergießen zu vermeiden. Er verlangte dagegen, daß man sich noch einmal mit Budapest in Verbindung sehe. Daraufhin stellte Graf Andrasfy der ungarischen Regierung in Budapest eine Art Ultimatum. Zwischen dem Minister des Aeuße- ren Dr. Graeh und dem Grafen Julius Andrassy find Verhand lungen im Gange. Karls Anhänger werden zuversichtlicher Wien, 31. März. Der Sektionschef Schräger, der Wiener Vertrauensmann Karls von Habsburg, äußerte sich gegenüber einem Mitarbeiter des .Wiener Tagbl.": Da die Reise des früheren Kaisers Karl nach Ungarn nun einmal durch- geftchrt ist, gibt es nichts anderes, als durchzuhalten. Die Nach richten aus Steinamanger besagen, die Lage werde für König Karl zunehmend günstiger. Das Korps Lehsr und die angrenzen den Garnisonen hätten sich dem König zur Verfügung gestellt und ihren Entschluß kundgegeben. gegenBudapestzu mar schieren, falls die Ungarische Regierung sich nicht dem legitimi- fkischen Standpunkte anpassen würde. — Oberst Lehär verfügt über drei Divisionen. Eingreifen -er großen und -er kleinen Entente Wien, 31. März. Wie eine Zeitungskorrespondenz erfährt, ist der angekündigte Schritt der großen und der kleinen Entente gegen jeden Versuch einer Restauration der Habsburger in Ungarn bei der ungarischen Regierung bereits erfolgt. ReichSverweser Horthy beharrte auf seiner Haltung gegenüber dem Exkönig Karl, womit sich die Vertreter der tschechoslowakischen, der jugoslawischen und der rumänischen Regierung MfrSeden gaben. wie kam der Exkönig nach Ungarn? Wien, 31. März. (Eigener D r a h t b e r i ch t.) Die von aint- licher Seite eingeleitete Untersuchung, wie es Karl von Habsburg möglich gewesen ist, trotz aller Grenzkontrolle die österreichische Grenze zu überschreiten, hat bisher kein Ergebnis gehabt. Rach einer Aeuße- nmg deS hiesigen Vertrauensmannes des Exkönigs, Sektionschefs Schräger, hat die Reise unter dem Schuh mindestens einer Entente macht stattgefunden. Zahlreiche Gerüchte sind darüber im Umlauf. Nach einem soll Karl die Grenze in Verkleidung überschritten haben, nach einem anderen soll er mit dem Paß eines neutralen Landes versehen gewesen sein. Es verlautet ferner, daß der Exkönig in Wien an einem Diner teil genommen habe, zu dem sich seine engsten Anhänger — im ganzen 14 Personen — vereinigt hatten. Einberufung -er österreichischen Nationalrats Wien, 31. Alärz. Wie die .Pol. Korr.' erfährt, sind in der Ange legenheit des früheren Kaisers Karl keine Schritte anderer Mächte bei der österreichischen Regierung unternommen worden. Die Regierung betrachtet die Angelegenheit zunächst als eine ungarische und ist der Auffassung, daß sie im eigenen Wirkungskreise alles vorgesehen hat, um eine Gefährdung der eigenen Interessen hint- anzuhalten. Von sozialdemokratischer Seite wurde das Präsidium beauftragt, in der morgigen Sitzung des Ausschusses für Aeußeres die Rückkehr des ehemaligen Kaisers nach Ungarn sofort allgemein zur Sprache zu bringen und beim Präsidenten des Nationalrates die so fortige Einberufung des Hauses zu beantragen. Es sei unbedingt notwendig, daß unter Mitwirkung der Volksver tretung entschieden werde, ob und unlerwelchen Umständen die Rückreise Karls von Habsburg durch Deutsch österreich zugelasfen werden könne. Infolge der außer- ordentlichen Eretzmsfe der letzten Tage ist der Nationalrat für Freitag nachmittag 2 Uhr einberufen worden. Der Vollzugsausschuß der Grotzdeutschen Volks Partei hak eure Entschließung gefaßt, wonach jeder Ausdehnung des monar chistischen Putsches auf Oesterreich rücksichtsloser Widerstand zu leisten sei. Die Partei erwartet, daß die österreichische Regierung alte Schritte tue, um zu verhindern, daß durch das habsburgische 2lbenteuer Oester reichs Ansprüche auf das Purgenland geschädigt werden. Der Lan-tag von Steiermark gegen -ie Rückkehr -er Habsburger Graz, 31. März. Im Landtage haben die Großdeutschen und Bauerndündler eine dringende Anfrage eingebracht, welche Vor kehrungen gegen die Durchfahrt und einen evtl. Aufenthalt des Exkaisers Karl in Steiermark getroffen worden seien. Der Großdeutsche Landes- rat Dr. Hü bl e r erklärte, es dürfe nicht geduldet werden, daß durch das Vorgehen der Habsburger der Anschluß Oesterreichs an Deutschland verhindert werde. Der Vertreter der Sozialdemokratie gab seiner Vermutung Ausdruck, daß der Ent schluß des Exkaisers auf irgendwelche Einflüsse österreichischer Monarchisten zurückzuführen sei. Landeshauptmann Rintelen erklärte, daß die Bundesregierung entsprechende Weisungen erlassen und daß auch die steiermärkische Landesregierung die erforderlichen Ver fügungen getroffen habe. Hierauf gelangte ein Antrag der G-roh-eut- schen zur Annahme, der sich gegen ein« Rückkehr der Habsburger wendet und jede Gemeinschaft mit ihnen ablehnt. Das Schweizer Asylrecht verwirkt? Wien, 31. März. (Eig. Drahtber.) Bundeskanzler Mayr hatte gestern eine längere Aussprache mit dem Schweizer Gesand ten Äoucart. Man nimmt hier an, daß die Schweiz den Putsch Karls von Habsburgs als eine Verletzung des Asylrechts erklären und sich der Rückkehr des ehemaligen Königs in die Schweiz wider setzen werde. stehenden Genossen einlrak. Die Versammlung nahm eine Ent schließung an, nach der die Eisenbahner protestieren gegen jede Besetzung von Bahnanlagen durch die Reichswehr und Sicherheitspolizei und gegen jede Truppen- und Munltionsdeförderung. Die Versammel ten verpflichteten sich, falls dies geschehe, sich unmittelbar dem Generalstreik anzuschbießen und den Eisenbahnbetrieb still zulegen. In den am 30. März abends abgehalkenen 5 Versammlungen der Kommunisten wurde -ringend angeraten, in die Betriebe zu gehen undzu versuchen, die Arbeitswilligen, wenn nötig mit Gewalt, aus -en Betrieben zu holen. An -!« Arbeitslosen wurde das Ersuchen gerichtet, den Streikenden bet Still legung der Betriebe Hilfe .zu leisten. Bei etwaiger Versäumnis der Kontrolle soll rhnen ihre zuständige Unterstützung von kommunistischer Seile gewährleistet werden. In der Delegierten-Versammtlung der links radikalen Parteien Sachsens und Thüringens, die am 36. März im Volkshaus« abgehalten wurde, ist es nicht zur Einigung gekommen. Die Vertreter der USP haben einmütig er- klärt, den Kommunisten, allein -ie Folgen ihres Vorgehens tragen zu lassen. Nur für Gera sollen sich die Unabhängigen Vertreter mit den Kommunisten zur Durchführung des Generalstreiks geeinigt hoben. Für heute, den 31. März, sind Versammlungen der Äreikenden vormittags im VolkShanse und nachmittags 4,30 Uhr in der Grünen Schänke, Leipzig-Anger, angeseht worden. Des wetteren soll abends 8,30 Uhr eine BetriebSoLteoersammlung im VolkShaose abgehalten werden. Festgenommen wurde hier das Mitglied des geschäftsführenden Aus schusses der VKPD Berlin, Johann Utzelmann, Deckname Franz Kempin, der vor der Einnahme -er Leuna-Werke geflüchtete Führer der KO mit seinem Begleiter Prenzlow. vor -em En-e -er Generalstreiks in Halle Halle a. S^ 31, März. (Lig. Draht bericht.) Von dem Freien GewerkschaftskartM und den Freien Angestelltenverbänden wurden Mittwoch abend in den Straßen der Stadt Halle Flugblätter ver teilt, in denen die Arbeiter und Angestellten aufgefordert werden, un verzüglich die Arbeit wieder aufzunehmen. Zum grüßten Teil haben die Arbeiter auch dieser Aufforderung Folge geleistet. Mit 387 Stimmen beschlossen die Arbeiter der Hallescken Maschinenfabrik am Mittwoch abend, am heutigen Donnerstag die Arbeit wieder aufzu- nehmen. Auch in den übrigen Maschinenfabriken sind di« Arbeiter zum größten Teile wieder angetreten. In den Etsenbaknzentralwerkstätten wird voll grardeitet. Der Zugverkehr nach Thüringen wird am heutigen Donnerstag eingleisig wieder ausgenommen. ' i-s ' -(Weiter* Nachrichten steh« Sette 24 Kommunistische Schurkentat auf dem Bergwerk Gottesfegen Gefährdung der eingeschossenen Mannschaft. ^Dresden, 31. März. (Drahtberichk nusererDreS- deuer Schriftleltuug.) Ein unerhörtes Verbrechen ist Mittwoch nachmittag von Kommunisten im Oelsniher Kohlenbezirk begangen worden. Gewissenlose Schurken ver löschten die Kesselseuer auf den Schächten auf dem dem Staat gehörigen Werke Gottessegen und besetzten die Schächte. Wie ein Telegramm des Dergamtes Zwickau an das Finanzministerium meldet, ist die AnSfahrtauSderGrube nicht unbedenklich, so daß die noch im Schacht «ingeschlossene Mannschaft erheblich gefährdet ist. Die nächsten und offen- bar beabsichtigten Folgen dieser Schurkentat waren das völlige Darniederlegen der Ventile and der Fahrkunst, so daß de» noch la der Grude eingeschlosseaen Bereleulen weder frische Wetter zngesührt werden können, noch sie selbst zutage gefördert werden können. Ls ist dies ein Verbrechen, das von Arbeitern ausschließlich gegen Arbeiter gerichtet worden ist. Wie wir hören, hck die Regierung sofort das Erforderliche zur Rettung der bedrohten Bergleute and Schächte und zur Verhütung weiterer Verbreche» angevrdnet. Die Lage in Leipzig Waffeoansgabe an die revolutionären Arbeiter In Leipzig-Mockau Dom Pvllzetamt erhalten wir folgende Darstellung der Lage in LetpAg: 3n Leipzig-Mock au sollen am 29. Mär- Gewehre an die revolutionären Arbeiter verteilt worden sein. Einem Konrtnunistea in Thekla bei Leipzig fln- von einem Gendarmerie- Wochtmeifier kurz nach der Verausgabung 5 Gewehre, Modul! S8, ab genommen worden. der Streikbewegung in Leipzig sind Mreit kaum »ehr als -00 Personen beteiligt. Di» Stzreikverstimmlunzen wecken in der Hauptsache gefüllt von den Arl> eitslosen, die zum weitab grössten Teil« den llnkskradikalen Parteiey angehören. Die dnrchschnittllche Vr so ch e rza hl der Streikversämmlungen be- liinst sich auf etwa 1S00 Personen. Sitz der Streikleitung ist -os Volkshaus. cki einer Versammlung der Eisenbahner, die am 30. März «mchmittags Nn Volksbaus abgehalten wurde, und die von etwa SNO Per- »nen besucht war, sprach Friedrich Seyer, der einen Ueberblick über De lvtMNmMm gah M KK v« Msrftütznng tzg tm Streck« Abend «Ausgabe Nernasoreis' ««» v.ron, zweimal «,llch 11,1 Ha»1,«brach». S»»n»og«,l»Mvrgenau»-ad« «anal». «LIU.—. »t«N»1 «br». sllr Addolrr mono«. M. VLO. Marg<»-A»1,ab» all«», M. 7S« »»»atUch, «dind-Aulgad» all«», M monatlich. Dnrch ,ns«r« »»«wlrlltzen ZMal«» i», Han» a«. dracht monatlich M. 10^, »l«N«l>adrltch M. SV.-: dnrch dl« Poft »»»«rdalb l0«n»lchla»ds, fr«i ins -ans a»l»«f«ri, V«lamt.Ba<gob, inonatltch Al. K—, »I«rt«lldbrllch DI. 27^-. Aa41and4o«rlanb: »»natllch M. M— n»d wrucklach«,-Par»» Ei»,«In»mm«rn: Mor,e«. Anigad« Ni Ps, Db«ad-Ai1^,d« Ü0 Pt. Sonntagl-Ai-zad« 40 Pf. handels-IeUung Das Lrlpztger T »gedkatt enthSIi bi« mnMchen vekanninmchnnm'' de« Nate» und de» Poliviamtr» der »lad» Sri»,»,, de» LmtOgertchi» Lctptck, iowlt oeriaieoen«, andere« lvrhLrde» VS. Jahrgang Anzeigenpreis: M.2.2.-: ünzilgen o»»D«biidea »m amtlich«» I«li »i« R»»par«t0«z«»I« W.LL0, o.-alw. M. S.—: klein« Dnz«lg«n ol« AonparilUeziU« At »o» aalwäri« Mb. »LV, D«Ird4f»1anz«lg«n nut Platzo,rlchrl»»«n I» Pr«il« «rdidr. Platz »pd Dat«»o»rlchrtst obn« D«rblndlichb«It. P»Uaz«npr<ls« fiir di« ch«Iamta»flog« Mb. IL— n«tt», für T«Ila»flag« Wb tll.— ,«tt» pro Mill«. Postonilag« Postgrditdr «z»ra. z«rn>»r«ch-a»Ichl»h Ar. i4ai»L llu!«». — Poltlchelbkon!o72l«.>, Schrisll«ll»,a und Brfchäfis»«»«: «»ipzig. ^»dannisgail« Rr. It. A«rla, Dr. A«lnd»id N L» ? t.'«t»zl» Rr. 184 Donnerstag, den 81. März 1V21 r ». l. r 1 a a L 1 1 Deutschland und die Sozialisierung Bon Dr. Pachnicke (Berlin) Vorsitzendem -es Hauptausschusses des Reichstages. Ware nicht der Vertrag von Versailles, dann würde Deutsch land die Folgen des gewaltigsten aller Weltkriege in einem halben Menschenalter überwunden haben- Sie groß sind die Kräfte, die im deutschen Volke leben, so stark die Schwingen, die es zur Höhe tragen könnten. Mit dem Aufschwung Deutschlands aber wäre der Aufschwung Europas verbunden, denn in dem Organismus der Weltwirtschaft wirkt jedes Glied auf das andere. Steigende Nachfrage läßt das Angebot steigen, wachsende Kaufkraft die Erzeugungsmenge wachsen. Darum liegt eine Milderung des sogenannten Friedensvertrages nicht nur im Interesse Deutsch- " lands, soirdern der Welt. Der zweite Umstand, der das Entwicklungstempo und damit das Vertrauen auf die nationale Energie bestimmt, ist die So zialisierung. Steht zu befürchten, daß Deutschland den Boden der Privatwirtschaft verläßt, daß es den dRotor des Eigeninter esses aus dem Triebwerk ausschaltet, dann ist sein Kredit er schüttert. Das Ausland weiß genau, daß, wenn nicht mehr die Hoffnung auf Gewinn und die Furcht vor Verlust die Köpfe und Hände lenkt, wenn der Unternehmer die Leitungsgewalt verliert, der Ertrag der Unternehmungen sinkt. Die Frage ist, ob Deutsch land diesem Zustande zutreibt oder nicht. Wir beantworten diese Frage mit einem Nein. Deutsch land wird auf dem Wege der Gemeinwirtschaft in absehbarer Zeit nicht weitergehen. Die Gründe dafür liegen auf der flachen Hand: man sozialisiert nicht inmitten einer Wirtschaftskrisis; und /.ran vermehrt den öffentlichen Besitz nicht, wenn dieser der Be schlagnahme durch den Feind ausgesetzt ist. Das sieht selbst die Arbeiterschaft ein, soweit sie nicht vom Phrasenrausch benommen ist. Darüber dürfen auch die Zuckungen nicht täuschen, die de» Volkskörper vorübergehend ergriffen haben. Der kommunistische Aufruhr, dem außer verbreä-erischen Neigungen die Sucht nach der Räteherrschaft zugrunde liegt, bleibt eine Episode, so viel Geld und Mühe Moskau auch darauf verwenden mag. Unter diesen Umständen dürfen schon heute die vorbereiten den Arbeiten der Sozialisierungskommission als gegenstandslos bezeichnet werden- Weder das Mehrheits- noch das Minder- heitsgutachton über die Sozialisierung des Bergbaues, das von ihr erstattet wurde, gilt als durchführbar. Nach dem einen Vor schläge sollten sämtlicl-e privaten und staatlichen Stein- und Braun kohlenbergwerke einschließlich der Kokereien und Brikettfabriken sowie der Anlagen für Gewinnung von Nebenprodukten unter Enteignung gegen Entschädigung zu einem einheitlichen Wirt schaftskörper, der deutschen Kohlengeineinschast, vereinigt werden. Der zweite Vorschlag begründet die Unentbehrlichkeit des Unter nehmers noch für eine Uebergangszeit von höchstens 30 Jahren: dann aber soll sein Besitz zugunsten der Allgemeinheit enteignet und die Triebkraft des persönlichen Nutzens durch die Triebkraft des Gemeinsinns erseht werden. Durch ein System von Prämien und Strafen hofft man die Arbeitsfreudigkeit und Leistungs fähigkeit zu steigern. Man dachte nur nicht daran, daß die Durchführung eines solchen Systems Hunderten von Werken gegenüber aus fast unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, daß es der Willkür allzu weiten Spielraum läßt, und daß der Stachel der Belohnung und Bestrafung sich in dem Maße abstumpft, wie sich die Zahl der Beteiligten vergrößert. Prämien würden von der Arbeiterschaft schließlich als fester Lohnbestandteil hingenommen werden, den uran sich nicht mehr kürzen läßt. Der Regierungs entwurf hatte keinen der beiden Kommissionsentwürfe über nommen und sollte seine endgültige Gestalt erst gewinnen, wenn darüber mit dem Reichswirtschaftsrat verhandelt worden wäre. Diese Verhandlung hat bisher nicht stattgefunden, und so darf die ganze Aktion als verschoben gelten. Die Parteien des Reichstages drängen nicht mehr auf Vorlegung, und selbst die Bergarbeiter, die die Vertagung ursprünglich als Kampfansage behandeln wollten, scheinen sich davon überzeugt zu haben, daß sich ihre Wünsche einstweilen nicht erfüllen lassen. Der Mehr- yeitssozialdemokratie lst mit Fug und Recht entgegengehalten worden, daß sie zu der Zeit, als sie in der Regierung sah, den Bergbau nicht zu lokalisieren wagte. Angriffen, die sie jetzt gegen die bürgerliche Regierung richtet, ist damit von vornherein die Spitze abgebrochen. Man braucht nur auf die zahlreichen Stim men hinzuweisen, -ie sich damals aus dem sozialistischen Lager gegen die Sozialisierung erhoben haben, so auf Aeußerungen von Särerrng, von Müller-Franken, Bernstein und anderen- Neuer dings hat sich der Sozialist Max Lohn, Mitglied des ReichSwirt- schaftsrates, zu der Frage der Kohlensozialisierung in ähnlich kriti scher Weise geäußert. Er schreibt, es komme bei der sozialistischen Wirtschaft nicht allein auf «ine möglichst gleichmäßige Nutznießung der erzeugten Güter, sondern vor allem auf eine ungeheure Steigerung der Pro duktion an. Diese ist das Primäre, di« Verteilung das Sekun däre, und die beste Art her Verteilung führt zu nichts, wenn die Menge der erzeugten Güter ungenügend ist. Er rät zur Vorsicht, damit die Massen, wenn sie von der Vollsozialisierung einmal ge täuscht sind, nicht mit grimmiger Faust auf den Tisch schlagen und -er Partei den Rücken kehren. Das alles sind Anzeichen, die beweisen, daß man mit der Gefahr einer Sozialisierung nicht mehr zu rechnen braucht. Aber auch der Gedanke der Kommunalisierung tritt zurück. Ein im Reichsministertum des Innern ausgearbeiketer Gesetz- enkwnrf ist der öffentlichen Kritik unterbreitet worden. Die Sd- zialisierunqskommiMon hat ihn mit einem Gegenentwurf beant wortet. Die öffentlich« Meinung ging an beiden Vorlagen gleich gültig vorüber. Ihre Krittk knüpste sich mehr an die SoÄalisck- rungÄrommisston selbst, deren Daseinsberechtigung bezweif«t uüd derpp Verschmelzung mit deeu Reichswirtjchiaftsral lMMstk letz» t