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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.12.1920
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1920-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19201209025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1920120902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1920120902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-12
- Tag 1920-12-09
-
Monat
1920-12
-
Jahr
1920
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Abend-Ausgab« 114. Jahrgang 1920 Donnerstag, den S. Dezember Da« Lelpltpr* Tageblatt enlhStt dir amtlichen vckanntm rckmngeu der .Kates und des Poliiet.imteS der Ltavt Lcisziq, re» «mtSgertchtt» Leipjtp, towir vrrlcdredcner anderer «ebSrdrn. Anzeigenpreis: ^/t. ernj.l,.« v»» ^S«b»rd«a I» amMch», L.It »r« ir»n,«r,tll«,,u. -kN.^.Sa v.ai«w. M.: kl.in« 4taz«t,«i> »I. N-i,par,IU«j,Il. Ai »on a«»wlrlt Mk. l itt, 2>«lchast<aaj«>g,!i mU Vl»tz»»r1chllN»n t» Pretl» «rhödl. Platz «nd Vat.xvorlchklft »kn» P.rdlntzllchtz.lt. V»»I»g»nPr»U» für ÜI« »«iamlaaflag« Mk. 17 — aello, für I.llaisla,, Mk IlN—e«N« »ra Atlll«. P»st»,slag- Post,»Kühr «plra. <i»n>l»r«a, tmlchlat*.. - P,stl<t,,Äkoal»7r,k>. öchkMl.N»»« 1»» ««^dLsUH»»»: "tptis. ^vhairaiszag, lir. a. P.klo, Dr. stt.Intzolk ck L», e»t»,iG Dez«g»pr-is: LML.^L.".! L'L'L'LL Moaall. , »tarlel lützrt. Ä At^-. für Bdtzolae »«»all. M. vüst. 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Rein grundsätzlich und auch. waS die Begleit- umstände anbetrifft, war das ein Vorgang, wie ihn wohl keine Parla mentsgeschichte irgendeines Landes, vielleicht Haiti oder Honolulu aus genommen, aufzuweisen vermag. Herr Wirth von den MehrheitS- sozialislen schlägt als Kandidaten zum Ministerpräsidenten Herrn Buck vor. Die bürgerlichen Parteien geben kurze ruhige Erklärungen ab, worin sie zunächst übereinstimmend betonen, dah sie keinen Ministerpräsi denten, dessen Wahl die Kommunisten unterstützen, wählen könnten, da diese ganz offen für den Sturz der Verfassung einträten. Der demo kratische Sprecher fügt noch hinzu, daß sich diese Wahl mit den Grund sätzen einer demokratischen Verfassung nicht vereinbaren ließe. Auch die Kommunisten fühlen sich verpflichtet, eine Erklärung adzugeden. Sie sind noch sehr jung im Parlament und haben zweifellos ein grotzes Rede bedürfnis, aber nur deswegen, um durch die Fenster zu wirken und ihre Gefolgschaft von ihrer Tüchtigkeit zu überzeugen.. Was sie aber er klärten, wirkte mehr als eine Sensation, erregte im Lager des „großen Staatsmannes' Fellisch Entsetzen und löste bei den bürgerlichen Parteien mehrmals schallende Heiterkeit aus. Herr Renner von den Kom munisten war dazu ausersehen, dieses Strautzenei in das Kolibrinest des Herrn Fellisch zu legen. Er spricht mit hartem, russischen Akzent — immerhin schon eine Eignung für einen Getreuen des noch etwas größeren Lenin. Es fällt überhaupt auf, daß die Kommunisten alles andere als Sachsen sind. Sie hat offenbar der Wind aus allen Himmelsgegenden des deutschen Reiches und noch aus einigen anderen Gegenden jenseits der ehemaligen schwarzweißroten Grenzpfähle in -atz rote Dorado Sachsen geweht. Indessen, wie dem auch sei, was Herr Renner sagte, war außerordentlich bezeichnend. Es seien nur einige Blüten aus seinem Redestrauß gezogen: ..Sturz der Verfassung und des Landtages mit allen Mitteln, einen Fußtritt für die Regierung, wenn sie nicht wirklich revolutionär, sprich kommunistisch regiert, Sabotage der Verfassung, Diktatur des Proletariats. Rätesystem, Zerschmetterung der Bourgeoisie, Sclmsfung einer roten Armee, Schürung des ALassenaufstandes mit allen zu Ge bote stehenden Mitteln.' Man wird sich nicht wundern können, wenn er dann noch die For derung aufstellte, daß die mit ihrer Hilfe aufgerichtete Regierung das kommunistische Programm, das ihr vorgesetzt worden fei, erfüllen müßte. Offener konnte tatsächlich das kommurmstifche Spiel nicht enthüllt wer den. Die Wirkung der Rede war, wie schon oben kurz erwähnt, dem Inhalt entsprechend, und Herr Fräßdorf traf den Nagel auf den Kopf als er erklärte, daß nunmehr Klarheit geschaffen fei. Man merkte, daß ihm ein Stein vom Herzen fiel. Indessen, er hatte die Rechnung doch ohne Herrn Fellisch gemacht. In der Sitzungspause, die zu Verhandlungen hinter den Kulissen benutzt wurde, gelang es diesem Katastrophen politiker von den Ausmaßen eines Kolibri, ohne Anstrengung alle Straußeneier mühelos zu verschlucken, die Herr Renner verabreicht hatte, und auch seine anderen Fraktionsgenossen haben offenbar das Vorgesetzte verdaut, wenn wir auch anerkennen wollen, daß manch einer kräftiges dNagendrücken verspürt hat. Die Sozialisten aller Schaltie- rungen sind sich, das haben die heutigen Verhandlungen bis zur Evidenz erwiesen, alle in dem einen einig: Ausrichtung der Dik tatur -es Proletariats und Zerschmetterung des Bürgertums. Wohl gaben die Sozialisten noch eine Erklärung ab, um, wie der Chinese sagt, das Gesicht zu wahren. Indessen an der Feststellung läßt sich nichts mehr ändern, daß ihnen die Demokratie, von der sie bisher in allen möglichen Tönen sprachen, nur Phrase ist, dah sie das Wort nur als Deckmantel benutzt haben, um das Bürgertum zu täuschen und so um so leichter ihre Pläne verwirklichen zu können. Aber der heutig« Tag hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das Bürgertum weiß jetzt mit aller wünschenswerten Klarheit, wohin der Weg führt und wird sich danach zu richten wissen. Dom parteipolitischen Standpunkt konnte man den heutigen Tag auf das freudigste begrüßen. Aber wir machen den sozialistischen Parteien einen solchen Regenwurmstandpunkt nicht streitig und wollen es offen aussprechen, daß wir ihn als einen schwarzen Tag erster Ordnung nicht nur in der Geschichte Sachsens, sondern auch des Deutschen Reiches bezeichnen. Er ist ein schwerer Schlag gegen den Parlamentarismus und offenbart die politische Unreife der sozialistischen Führer mit einer so erschreckenden Klarheit, daß wir, wenigstens vorerst, nicht damit rechnen können, uns Achtung und An sehen jenseits der Grenzpfähle wieder zu erwerben, vom Vertrauen gänzlich zu schweigen. Zum Schluß können wir noch eins vor aller Öffentlichkeit feststellen: In Sachsen regiert fortan nicht mehr Buck, sondern Herr Renner von den Kommunisten, victesnt consules . . . O Sitzunnsbericht (Drahkbe richt unserer Dresdner Schriftleitung.) Dresden, 9. Dezember. Am Ministertisch Ministerpräsident B n ck, die Minister Schwarz, Heldt, Dr. Harnisch und Kommissare. Präsident Fräßdorf eröffnet um 10 Uhr die Sitzung. Auf der Tages ordnung steht die Wahl und Vereidigung des Ministerpräsidenten. Das Wort zu einer Erklärung erhält zunächst Abg. Hofmann (Dtschnat.). Er führt auS: Wirlehnenesad, HerrnBuckalsMinister. Präsidenten zu wählen. Für die Ablehnung sind einmal die Gründ« mohgeberch, die uns berelts bet der vorigen Wahl abgehalten haben, Herrn Buck unsere Stimme zu geben. Für die heutiqe Wahl kommt hin«, daß Herr Buck genötigt ist, ein rein sozialistisches Ministe rium zu bilden, und dabei auf die Unterstützung der Kommunisten anqr- tvieson ist. Eine so zusammengesetzte Regierung widerspricht dem Volks willen, wie er bei den Dahlen zum Landtag zum Ausdruck gekommen ist. Abg. Dlüher (Dksch.Vp.) gab namens seiner Fraktion folgende Er- Klärung ab: Wir werden nicht für di« Kandidatur Bucks stimmen. Hinter ihr steht eine rein sozialistisch« Regierung, die, um «ine Mehrheit zu haben, sich auf die Kommunisten zu stützen beabsichtigt. Wir halten diese Kagterung nicht für tragfählg, vor allem aber bedeutet sie «in« so starke HNißachlung des am 14. November deutlich bekundeten Willens der sächsischen Wählerschaft, daß wir vorbehaltlich dec politischen Aus sprache, die in der nächsten Woche stattsinden soll, schon heute gegen ein solches Vorgehen scharfe Verwahrnug einlegen müssen. Namens der demokratischen Fraktion gibt Abg. Seyfert folgende Erklärung ab: Nach den der Oeffentlichkeit bekanntgewordenen Abmachungen soll eine rein sozialistische Regierung gebildet werden. Line solche kann nur bestehen mit Unterstützung und unter Duldung der kommunistischen Frak tion, die sich zur offenen Feindschaft gegen die sächsische Verfassung be- bannt hat. Die Fraktion der Demokratischen Partei erklärt eine solche Regierungsbildung für unvereinbar mit wahrhaft demokratischen Grund sätzen und sieht in ihr ein Unglück für den Bestand und das Gedeihen des Freistaates Sack sc n. Deshalb lehnt sie es ab, dem Vorschlag zuzusttmmen. Eine kommunistische Sprengpatrone Abg. Renner (Komm): Von uns Kommunisten ist es bekannt, daß wir nur die Regierung mit bilden helfen wollen in der Voraus setzung, daß sie sozialistisch.proletarisch regiert. Unsere Stellung ist bekannt. Wir wollen mit allen zu Gebote stehenden Atilteln die Vers assuno. und den Landtag stürzen. Die bürgerliche Gesellschaftsordnung muß gestürzt werden. Eine sozialistische Regierung ist nicht imstande, unser Ziel zu erfüllen, nämlich die Befreiung des Proletariats. Wir wollen die Verfassung sabotieren. Es leb« die Diktatur dcS Proletariats, es lebe das Rätesystem! Wir sind nur in d«n Landtag eiugetrelen, im ein Instrument in die Hand zu bekommen, die Regierung zu beseitigen und an die Spitz« des Staates eine wirklich sozialistische Regierung zu bekommen. Die jetzige Regierung ist nur Geschäftsführer der kapitalistischen Klasse. Der sozialistischen Regierung wollen wir den Fuß tritt versetzen, um di« Bourgeoisie mit allen Mitteln zu schädi gen. Die Mehrheitssozialisten sind grundsätzliche Gegner der Diktatur des Proletariats. Die Unabhängigen sind verkappte Scheidemänner. Wir wollen den sozialistischen Parteien Gelegen heit gebe», ein« sozialistisch« Regierung .zu bilden, uuterflühen sie aber nur dann parlamentarisch und außerparlamentarisch, wenn sie sozialistisch- proletarisch-revolutionär regieren. Wir fordern die Beseitigung der Orgesch, die Schaffung einer zuverlässigen Selbstschuhorgani- saklon aus Arbeitern. Wenn die bisherige Politik weiter ge führt wird, so werden wir sie mit allen Mitteln bekämpfen, und zwar mit allen Mitteln des Massenaufstandes. Die Ent- scheidungen werden nicht im Parlament gefällt, sondern a u f der Straße.. Das Programm, das wir der Regierung vorgesetzt haben, muß ersällt werden. Diese Erklärung Renners wurde mehrfach von stürmisch«. Heiter- keil auf der bürgerlichen Seite unterbrochen, während sich in den Reihen der Mehrheitssozialisten, besonders um den Abg. Fellisch, Bestürzung in steigendem Maße bemerkbar machte. Präsident Fräßdorf- Ich hätte vielfach Gelegenheit gehabt, einzu greifen, aber ich wollte dem Landtag Gelegenheit geben, diesen Erguß vollinhaltlich zu genießen, damit Klarheit geschaffen werd«. Der Zweck ist erreicht, Klarheit ist geschaffen. Auf Antrag des Abg. Wirth (Mehrheitssoz.) wird die Sitzung auf eine Stunde unterbrochen, um -en Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu der neuen Situation Stellung zu nehmen. Unter großer Erregung leert siry dann dos Abgeordnetenzimmer. Nach Wiederaufnahme der Sitzung ergreift das Wort der frühere Ministerpräsident Buck: Die Bedingungen, die wir soeben von den Kom munisten vernommen haben, können feine Grundlage für eine Regie- rungstätigkeit sein. Die Grundlinien, nach denen ich -ie Regierung zu führen gedenke, sind bekannt. Nur die Verfassung kann als Grundlage einer Regcerungstätigkeit maßgebend sein. Der Ministerpräsident ist verpflichtet, vor -em Landtag den Eid auf die Verfassung zu leisten. Ich will nicht um die Stimmen derjenigen buhlen, die die Absicht haben, die Verfassung zu stürzen. Abg. Wirth (Mehrheitssoz.): Unsere programmatischen Grundsätze sind bekannt und auch, daß wir nur alles innerhalb der Reichs- und Landesverfassung erreichen wollen. Der Erklärung des Herrn Buck schließen wir uns an. Abg. Müller (U. S. P.): Zn den Bedingungen der Kommunisten er klären wir, daß sich unsere Partei bereiterklärt hat, eine sozialistische Regierung zu bilden. Ich verweise auf unser Minimalprogramm. Wir lehnen es ab, uns von irgendeiner Seite Bedingungen vorschreiben zu lassen. Wir haben alles getan, um eine sozialistische Regierung zu er möglichen. Wir lehnen alles ab, was diese Absicht verhindern könnte. Rückzug -er Kommunisten Abg. Siewert (Komm.): Wir sind bereit, die Bildung einer soziali stischen Regierung zu ermöglichen. Wenn diese Regierung nicht sozia listisch regiert, dann erst wollen wir sie bekämpfen. Hierauf schreitet das Haus zur Wahl des Ministerpräsidenten. Es werden insgesamt 95 Stimmen abgegeben, davon entfallen aus Buck 48, Hofmoan 20, Blüher 18, Dr. Seyferl 8, Dr. Htlle 1 Stimm«. Fräßdorf: Auf Herrn Buck sind 48 Stimmen vereinigt. Das ist dke Mehrheit. Ich frage Herrn Buck, ob er die Wohl «»nimmt Back: Ich nehme di« Wahl an. Hierauf erfolgt -ie Eidesleistung des Ministerpräsidenten, wobei sich alle Abgeordneten mit Ausnahme der Kommunisten erhoben haben. Ministerpräsident Back leistet den Eid in die Hand des Präsidenten Fräßdorf. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung Dienstag, 15. Dezember, nachmittag 1 Uhr. Tagesordnung: Abgabe einer Regierungserklärung. Schluß gegen )i1 Uhr. Wer wird in Oesterreich regieren? (Eigener Drahtbericht.) Wien, 9. Dezember. Auf Grund der ergebnislosen Präsidentenwahl und des dabi»i zutage getretenen Kampfes der Parteien soll, wie verlautet, am Mittwoch der Stoolskanzler Dr. Mayor die Vertreter der aus.ändischen Missionen empfangen and ihnen erklärt haben, am heutigen Donnerstag mit dem gesamten Kabinett zurückzutreten und die Führung der Staatsgeschäste der Reparattonskommisslon überlassen werden. Ein Fall oder ein Skandal? Ls handelt sich uni die Sache Kahn. Aus den Berichten über die Verhandlungen iin Hauptausfchnß -es Reichstags wil der Leser wissen, wgs das für eine Sache ist. Sie kann aber auch noch einmal skizziert werden. Die dein Staate gehörenden industriellen Werke, die vor dem Kriege erhebliche Summen abmarsen, arbeiteten nach der Revo lution mit großen Verlusten. Das kam daher, daß in -en Betrieben eine große Mißwirtschaft eingerissen war; es fehlte an der nöligen Autorität, die Arbeiter sozialisierten aus eigene Lullst und verbrachten ihre Zeit mit der Herstellung von privaten Bedarfsartikeln aus dem Material der Werke. Es blieb dem Staate nichts weiter übrig, als die Unternehmen zu schließen oder sie in anderer Weise auszuziehen. Lr entschloß sich sür das letz« tere und schuf aus den Werken eine Art G. m. b. H., ein Zwischen ding zwischen Staats- und Privatbetrieb. Hauptaktionär ist -äs Neichsschatzminisierium; em großes Direktorium verwaltet die Werke, hat aber bei Abschlüssen von Bedeutung -ic Genehmigung des Reichsschatzmmisteriums einzuholcn. Die ungeheuren Mengen von Heeresmareriai, die nach dem Zusammenbruch .zu verkaufen waren, wurden, weil sie beim Verkauf durch Beamte nicht den Nutzen abwarfcn, den man erwartete, den Deutschen Werken zur Verwertung überwiesen. Diese Werke nun haben mit einem siebenundzwcinzigjährigen Kaufmann Richard Kahn einen mehr als seltsamen Vertrag abgeschlossen: sie verkauften sämtliche stei- werdenden Werkzeugmaschinen und fämtötclie Spezialmaschinen sür Kricgsgercil kommissionsweise an Kahn. Das Objekt beträgt ungefähr 47 000 Tonnen Werkzeugmaschinen. Als Verrechnungs grundlage nahm man den doppelten Tages-Schrottpreis an, ferner sollte Kahn von dem erzielten Ueberpreis die Hälfte an die Werke zmückzcchlen; er erhielt aber außerdem eine Provision von 5 bis 1? Prozent. Der Vertrag ist vor acht Wochen geschlossen worden. Der Schrotlprcis wurde damals auf 1050 Mark für die Loimc festgesetzt, ist aber inzwischen auf rund 1600 Mark gestiegen. Kahn hat hieran also schon, eine stattliche Anzahl Millionen vn- dicnt. Noch besser war das Geschäft mit den nicht verschrotteten Werkzeugmaschinen, für die -er Tagespreis 6 bis 8000 Äiark pro Tonne beträgt. Wenn Kahn bisher nur 10 000 Tonnen Werkzeugmaschinen verkauft hat, so ergibt das einen Gewinn von 36 Millionen Mark. Der Vertrag sieht aber auch noch Einzel bestimmungen vor, die für Kahn sehr vorteilhaft sind: u. a. «rhälk er 10 Prozent des Unterschiedes zwischen dem Maschinell- un trem Schrottpreis als Neugeld sür alle Maschinen, die das Reich oder die Reichstreuhandgesellschaft behalten will. Der Vertrag wurde nach seinem Bekanntwerden von allen Seiten angegriffen, nicht zuletzt von den Kollegen -es Herrn Kahn, den Händlern. Als Reichstagsabgeordnete der Sache nach gingen, stellte sich heraus, daß weder die Reichstreuhandgesell- schaft noch das Reichsschatzministcrium von der Direktion der Deutschen Werke über den Abschluß dieses Mlllionekwertraget unterrichtet waren. Das mußte geschehen, denn schon bei einem Geschäft von lOO OOO Mark hatte die Direktion die Behörden zu verständigen. Einige der Direktoren haben inzwischen Ihr Amt niedergelegt, andere haben den Vertrag als ordnungsgemäß ab geschlossen bezeichnet und die Angriffe auf politische Motive zurückgeführt. Die Verhandlungen im Hautpausschuß brachten keine vollständige Klarheit; der Reichsschatzminister von Raumer hat sich mit aller Entschiedenheit gegen den Vertrag ausgesprochen. Man versuchte, Kahn zu bewegen, vom Vertrage zurückzutreten, aber der junge Mann, der ohne Frage ein Geschäftsgenie ersten Ranges ist, hat sich dazu nur unter Bedingungen bereit erklärt, die an Kühnheit nichts zu wünschen übrig lassen. Er kann in dieser Weise auftrumpscn, denn er hat sich in dem mit allen Finessen ausgearbciteken Vertrag, der bis 1923 läuft, ziemlsch gesichert. Es ist überflüssig, an Herrn Kahn Kritik zu üben; diese muß vielmehr gegenüber der Direktion der Deutschen Werk^ die sich in dieser Weise einwickeln ließ, angewendet werden. Da aber der Vertrag die Interessen des Reiches in ungcheuerllchfler Weise verletzt, und Herr Kahn das Material in einem land läufigen Kettenhandel verwertet haben soll, ist doch wohl die Mög lichkeit gegeben, den Vertrag zu beseitigen. Ls ist zu verstehen, daß die Direktion -er Deutschen Werke sich windet,^m von dem Vorwurf loszukommen, sie habe sich in einer noch nie dagewesenen Weise von einem jungen Händler übres Ohr hauen lasten. Ihr linkerfangen ist aber um so aussichsloser, als auch ernste Werk zeugfabrikanten und Cisenhändler die Ungeheuerlichkeit dteses Vertrages bestätigen. Diese Leute sehen Herrn Kahn durchaus nicht als seriösen Geschäftsmann an, sondern erblicken in ihm einen jener Revolutionsgewinnler, die mit allen möglichen Dingen Handel treiben: so soll Herr K.cckn außer mit Schrott und Werk zeugmaschinen auch mit Mililärtorniskern, Hausschuhen, Huf nägeln, Reis und Südfrüchten seine glänzenden Geschäfte machen. Man sollte nun annehmen, daß die Parteien des Reichstages die Aktion des Reichsschatzministers nach Kräften unterstützten. Dem ist aber nicht so: ausgerechnet die Partei, die sich nicht genug tun kann, die korrumpierende Wirkung der kapitalistischen Wirt schaft zu brandmarken, die Sozialdemokratie, stellt sich schützend vor Herrn Kahn und die Direktion der Deutschen Werke. Die Gelinde dieses merkwürdigen Vorgehens schimmern, etwas ver schwommen noch, aus dem Dunkel der geschäftlichen Verbindungen des Herrn Kahn. Der junge Mann soll nämlich nur vorgeschoben sein von der Eisenfirma Schweitzer L Oppler in Berlin, deren Prokurist und Teilhaber einer der vier berühmten Gebrüder Sklarz ist. Herr Leon Sklarz hat sür Schweitzer L Oppler In den letzten zwei Jahren ungeheure Metallgeschäfte nach dem Auslände gemacht; die guten Verbindungen seiner Brüder dürften ihm be» Ausfuhrbewilligungen usw. sehr zustatten gekommen sein. Eiu Fall ist da besonders interessant: Schweitzer L Oppler haben in Kiel zwei alte Kriegsschiffe aus Abbruch gekauft; abgewrackt wurden die Schiffe aber nickt, sie waren eines Tages verschwunden und sollen in der holländischen Marine wieder cmfgetaucht sein.
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