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Vesper in der ArenMrdie Dresden, Sonnabend, den 9. Novbr. 1895, nachm. 2 Uhr. 1. Aonstülk für Orgel (b'-äur) von Niels W. Gäbe. 2. Motette (op. 224) von Cnrl Reinecke. Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der du die Menschen lassest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder. Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Du lässest sie dahin fahren, wie einen Strom, und sind wie ein Schlaf; gleich wie ein Gras, das doch bald welk wird. Unser Leben währet siebenzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen, denn es führet schnell dahin, als flögen wir davon. 3. Geistliches Lied mit Orgelbegleitung von Th. Kirchner, gesungen von Herrn Carl Prager, Concertsänger hier. Gott, deine Güte reicht so weit, so weit die Wolken gehen. " Du krönst uns mit Barmherzigkeit und eilst uns beizustehen. Herr, meine Burg, mein Fels, mein Hort, vernimm mein Fleh'n, merk' auf mein Wort, denn ich will vor dir beten. Ich bitte nicht um Ueberfluß und Schätze dieser Erden. Laß mir, so viel ich haben muß, nach deiner Gnade werden. Gieb mir nur Weisheit und Verstand, dich, Gott, und den, den du gesandt und mich selbst zu erkennen. Ich bitte nicht um Ehr' und Ruhm, so sehr sie Menschen rühren. Des guten Namens Eigenthum laß mich nur nicht verlieren. Mein wahrer Ruhm sei meine Pflicht, der Ruhm vor deinem Angesicht und frommer Freunde Liebe. So bitt' ich dich, Herr Zebaoth, auch nicht um langes Leben. Im Glücke Demuth, Muth in Noth, das wollest du mir geben. In deiner Hand steht meine Zeit; Herr, laß mich nur Barm herzigkeit vor dir im Tode finden. 4. Gemeinde: Gesangbuch Nr. 188, V. 1. Sichrer Mensch, noch ist es Zeit, aufznsteh'n vom Schlafe; nah' ist dir die Ewigkeit, nahe Lohn und Strafe. Hör', Gott spricht! Säume nicht, seinen Ruf zu hören und dich zu bekehren. Vorlesung. 5. Zireue. Lied für Bariton von Felix Draeseke, gesungen von Herrn Carl Prager. Wenn alle untreu werden, so bleib' ich dir doch treu, daß Dankbarkeit auf Erden nicht ausgestorben sei. Für mich umfing dich Leiden, vergingst für mich in Schmerz, d'rum geb' ich dir mit Freuden, auf ewig dieses Herz. Ost muß ich bitter weinen, daß du gestorben bist und Mancher von den Deinen dich lebenslang vergißt. Von Liebe nur durchdrungen hast du so viel gethan, und doch bist du verklungen und Keiner denkt daran. Du stehst voll treuer Liebe noch immer jedem bei, und wenn dir keiner bliebe, so bleibst du dennoch treu. Die treuste Liebe sieget, am Ende fühlt man sie, weint bitterlich und schmieget sich kindlich an dein Knie. Ich habe dich empfunden, o lasse nicht von mir, laß innig mich verbunden auf ewig sein mit dir! Einst schauen meine Brüder auch wieder himmelwärts und sinken liebend nieder und fallen dir an's Herz. 6. Motette für Doppelchor von Johann Christoph Bach (1643-1703). Unsers Herzens Freude hat ein Ende. Unser Reigen ist in Wehklagen verkehret. Die Krone unseres Haupts ist ab gefallen. O weh, daß wir so gesündigt haben. Unsers Herzens Freude rc. Druck von Lievscki k Reickmrdt in Dresden.