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Amts- lliiS Aiizeigebllltt Abonnement oiertelj. 1 M. 20 Pf. einschließl. des „Jllustr. Unterhaltungsbl." u. der Humor. Beilage .Seifen blasen' in der Expedition, bei unseren Boten sowie bei allen Reichspostanstalten. Lklrgr.-Ädrelsr: Amtsblatt. für den KM des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung. Verantwortlicher Redakteur, Drucker und Verleger: Emil Hannebohn in Eibenstock. Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag u. Sonn abend. Insertionspreis: die kleinspaltige Zeile 12 Pf. Im amtlichen Teile die gespaltene Zeile 30 Pf. Ftrnsprechcr Nr. 2IU. LS« ——------ 52. Jahrgang. Donnerstag, den 21. Dezember >S«L Sozialdemokratie und Hteichspokttik. Die letzten Tage der vorvergangenen Woche haben der Sozialdemokratie anstatt der parlamentarischen Lorbeeren, welche sie von ihrem Vorstoße auf dem Gebiete der äußeren und inneren Politik erhoffte, schwere Niederlagen gebracht. Bereits der russisch-japanische Krieg, so hatte der Parteidiktator Bebel im Reichstage ausgeführt, sei nur eine notwendige Folge der deutschen Einmischung gewesen. Jetzt sei es wie der nur das Verdienst der sozialdemokratischen Partei, daß Deutschland nicht in einen auswärtigen Krieg verwickelt wor den sei. In der Marokko-Affäre habe die deutsche Politik Frankreich und England förmlich zusammengeschweißt; die Reise des deutschen Kaisers sei eine Demonstration und Pro vokation gewesen, die notwendig bei den anderen Mächten das größte Mißtrauen habe erzeugen müssen. Die Vermeh rung der Flotte endlich bezwecke nur die Vorbereitung zum Kriege gegen England, während andererseits der Engländer, der ein kluger und überlegter Mann sei, niemals aus Eifer sucht einen Krieg gegen Deutschland führen werde. Auf das Gebiet der inneren Politik übergehend, stellte Bebel es als die Absicht der deutschen Regierungen und des deutschen Arbeitgebers hin, die Arbeiter zu entrechten, sie zu politischen Heloten zu machen und die Kosten für die not wendigen Ausgaben des Reiches der großen Masse der ar beitenden Bevölkerung aufzubürden. Er schloß seine Aus führung mit der Versicherung, bei der Fortdauer der jetzigen Zustände werde der deutsche Arbeiter, wenn das Vaterland von einer auswärtigen Macht angegriffen werde, sich fragen, ob er dasselbe verteidigen wolle! Diesen unwürdigen Entstellungen sind der Reichskanzler und der preußische Finanzminister m kernigen Ausführungen entgegengetreten. Wir können nur wünschen, daß diese über zeugenden Reden, welche auf die große Mehrheit der Reichs tagsabgeordneten den tiefsten Eindruck gemacht haben, in allen Schichten des Volkes gebührend beachtet werden. Vor allem wies der Reichskanzler mit äußerster Schärfe die Unter stellung zurück, als seien die deutschen Flottenpläne irgendwie gegen England gerichtet. Wer das behaupte, der verdiene eine Prämie für die mutwillige Störung unseres Verhältnisses zu England. Ueber die Entwicklung und die Schwierigkeit der Marokkofrage, die ohne die Schuld Deutschlands einen akuteren Charakter angenommen habe, ließ der Reichskanzler keinen Zweifel und erkannte in warmen Worten die Ver dienste des Kaisers um die Erhaltung des Friedens an, der bei dem Besuche in Tanger seine Person für die deutschen Interessen und das deutsche Ansehen eingesetzt habe. Fürst Bülow brandmarkte die von Bebel zum Ausdruck gebrachte hochverräterische Gesinnung mit gebührender Schärfe. Mit Recht hob er hervor, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden noch nicht von den sozialdemokratischen Agitatoren in der Hasenhaide abhänge. Sollte etwa die Sozialdemo kratie darüber befinden, ob die deutschen Arbeiter für die Verteidigung des Vaterlandes gegen frevelhafte Angriffe ein zutreten hätten oder nicht? Wer derartige Zweifel überhaupt aufwerfe, treibe mit der nationalen Wurde und dem An sehen Deutschlands im Auslande frevelhaftes Spiel. In Frankreich habe die Sozialdemokratie noch vor wenigen Tagen durch den Mund eines ihrer Führer erklärt, sie werde vor dem auswärtigen Feinde nicht desertieren. Die deutsche Sozialdemokratie aber behandele die Frage der auswärtigen Politik nicht vom Standpunkte des nationalen Interesses, sondern aus dem Gesichtswinkel des Parteidogmas und des Fraktionsinteresses. Der Reichskanzler beleuchtete aber auch die Haltlosigkeit der Bebel'schen Behauptungen von der Ausbeutung der ar beitenden Klassen und der fortschreitenden Verarmung des deutschen Volkes durch die Lasten der Wehrmacht und die Ansprüche des Reichssäckels. In Wirklichkeit hänge die wirt schaftliche Blüte des Reiches mit der starken Rüstung, einem Bollwerk des Welffriedens, eng zusammen, und diese Wehr kraft hinwiederum wurzele in einem gesunden Volkswesen. „Ohne geordnete Finanzen keine Wehrkraft, ohne Wehrkraft kein Frieden, ohne Frieden kein Wohlstand." Das alles wolle die Sozialdemokratie nicht anerkennen, weil ihr jedes Verständnis für deutsche Ehre und für die Aufgaben eines nationalen Staatswesens fehle. Daher ihr Widerstand gegen die Ausgestaltung unserer Flotte, die nur friedlichen Zwecken zu dienen bestimmt sei, daher das Liebäugeln mit allen Geg nern des Reichs im Auslande. Der Reichskanzler ließ es endlich an einer sehr ernsten Mahnung an die Mitläufer der Sozialdemokratie nicht fehlen, die er nachdrücklich darauf aufmerksam machte, daß für Plünderungen, Meuchelmord und Generalstreik in Deutschland nicht der geeignete Boden sei. Solche Versuche würden zerschellen an der Festigkeit unserer Institutionen, an der Entschlossenheit der Regierungen und an dem gesunden Sinn der deutschen Bevölkerung, die sich das Joch der Sozialdemokratie nicht aufzwingen lassen werde. Der Vorwurf einer ungerechten Verteilung der Steuer last zum Nachteil der Arbeiterbevölkerung erfuhr eine schla Tattesqeschichte. — Deutschland. Der Kaiser hat am Dienstag den Generalleutnant v. Trotha empfangen. — Rußland. Der Zar hat bessere Verpflegung und Erhöhung des Gehalts der Mannschaften des Heeres angeordnet. — Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Spärlichkeit lasten die Nachrichten aus Rußland noch immer eine Wendung vom Schlimmeren zum Schlimmsten befürchten. Gleich furchtbar wie früher lauten die Meldungen aus den gende Widerlegung durch den preußischen Finanzminister. Die sozialpolitische Gesetzgebung des Reichs habe allein den Arbeitgebern jährlich 276 Millionen Mark an Beiträgen für die Arbeiterversicherung auserlegt — eine Leistung, die uns noch kein Land der Erde nachgemacht hat und die auch keine besitzende Klasse der Erde unserer besitzenden Klasse sobald nachmachen wird! Der Finanzminister beschäftigte sich als dann mit der von der Sozialdemokratie verbreiteten Auffassung, wonach in Deutschland die indirekten Stellern, welche die großen Verbrauchsartikel des Volks belasten, eine übermäßige Ausdehnung erfahren haben, während die direkten Steuern, welche das Vermögen und das Einkommen aus diesem treffen, vernachlässigt würden. Zur Richtigstellung verwies der Finanzminister auf folgende Posten: In Deutschland werden an indirekten Stellern auf den Kopf der Bevölkerung im Jahre höchstens 18 Mark gezahlt, in Italien 20 Mark, in Oesterreich 23 Mark, in Frankreich und Großbritannien aber sogar 48 Mark. Es war ein lehrreicher Vergleich, als der Finanzminister dem Satze von l8 Mark den Betrag voll 20 Mark gegenüberstellte, welcher im Jahresdurchschnitte auf jedes Mitglied der sozialdemokratischen Partei an Partei beiträgen u. s. w. entfällt. Wenn die Belastung der arbeiten den Bevölkerung eine schwere sei, so sei es geradezu ein Ver brechen, sie nicht in diesen Parteibeiträgen zu entlasten! Was die direkten Steuern betrifft, so ist zunächst zu betonen, daß diese Lasten wesentlich von einem Drittel der Bevölkerung getragen werden, und zum großen Teil den minder Be mittelten zwei Drittel zu gute kommen. So wurde z. B. im Jahre 1004 63 v. H. der Bevölkerung (22422000 Köpfe) in Preußen von der Einkommensteuer nicht erfaßt. Von den verbleibenden 37 v. H. brachten 4,45 v. H- nicht weniger als 70 v. H. des gesamten Steuerertrages auf, und zwar ent fielen 44 v. H. der gesamten Einkommensteuer auf nicht ganz I v. H. der Bevölkerung. Man wird hiernach nicht sagen können, daß die großen Einkommen bei der Verteilung der Steuerlast geschont worden seien. Wie bei den Staatssteucrn, so liegt es in weit höherem Maße noch bei den Gemeindesteuern, die im wesentlichen im Wege des Zuschlages zu den direkten staatlichen Steuern er hoben werden und deren Ertrag ganz überwiegeno den minder bemittelten Klassen der Bevölkerung zu gute kommt. Man denke nur an die Schul- und Armenlasten der Gemeinden u. s. w. Diejenigen Preußen, welche überhaupt direkte Ab gaben entrichten, zahlen 200 Mill. Mark Einkommensteuer und 450 Mill. Mark an direkten Gemeindesteuern. Dies ergibt an direkten Steuern im ganzen rund 700 Mill.; hier zu tritt noch die Stempelsteuer, an der doch auch die wohl habenden Elemente überwiegenden Anteil haben. Rechnet man hierzu noch die Beiträge der Arbeitgeber zur Arbeiter versicherung in Preußen mit ca. 200 Mill., so ergibt sich eine Belastung der bemittelten Bevölkerungskreise von ea. 000 Mill. Mark. Erweist sich somit die Behauptung, daß der Reiche bei uns nichts leiste und alles auf die minder bemittelten Klassen abgewälzt werde, bei näherer Prüfung als eine höchst unge rechte, so fehlt es auf der andern Seite nicht an Anzeichen für die andauernde Hebung der materiellen Lage der Arbeiter schichten. Wenn die SterblichkeitsMer seit einem Menschen alter um fast '/, zurückgegangen ist und die durchschnittliche Lebensdauer von 35,4 Jahren in der Zeit von 1867—76 auf 41,i Jahre kn dem Zeiträume von 1801 — 1000 gestiegen ist, so ist dies ein unwiderleglicher Beweis für die verbesserte Ernährung und Lebenshaltung der Arbeiterschaft und gegen die Phrase von der fortschreitenden Verelendung der Massen. Nach der Unfallstatistik stieg ferner der Durchschnittslohn (einschließlich der Jugendlichen und Frauen) in 15 Jahren von 612 Mk. auf 810 Mk., also um 33'/, v. H.! Nach der Sparkassenstatiftik für Preußen endlich waren im Jahre 1875 Einlagen in Höhe von über 1 Milliarde vorhanden, und diese Einlagen stiegen im Jahre 1003 auf über 7 Milliarden Mk., die Zahl der kleinen Bücher aber mit Einlagen bis 60 Mk. stieg in dem gleichen Zeiträume von 530000 auf 2 727 000. Die Sozialdemokratie hat auf die herben Wahrheiten, die ihr vorgehalten worden sind, keine stichhaltige Widerlegung zu finden gewußt, und so mag auf diese Weise eine von ihr allerdings nicht beabsichtigte Wirkung erreicht werden: daß in breiten Schichten unseres Volkes das Vertrauen zu der besonnenen, friedlichen und doch kraftvollen Leitung der deut schen Politik gefestigt und gestärkt worden ist! Ostsee-Provinzen, wo die Anarchie unumschränkte Hei-rin des Landes und der Lage zu sein scheint. Durch ganz Kurland und Livland hin wütet die Brandfackel, dampft das Blut massakrierter Besitzenden und der zu ihrer Rettung entbotenen Truppen, zwingen die revolutionären Verkünder der „lettischen Republik" die Hüter der Ordnung und des Rechts unter ihr sinnlos tobendes Schreckensregiment, ist das Leben aller Deutschen in höchster Gefahr. Zu diesem Gesamtbilde liefert der Draht folgende Einzelzüge: Nach einer Meldung der „Nowoje Wremja" aus Mitau tritt die Regierungsgewalt in Kurland nicht mehr in Erscheinung. Das flache Land ist in den Händen der Aufständischen. Die Polizei ist voll ständig verdrängt. Die auf dem Lande verteilten kleinen Truppen-Abteilungen sind entweder von den Aufständischen niedergemacht worden oder haben sich in die Städte zurück gezogen, weil sie sich gegen die gut bewaffneten Banden nicht halten konnten. Alle Truppen sind in Mitau und Libau zu sammengezogen, wo sie vorläufig in der Defensive verharren. In Tukkum stachen Aufständische den Leichen der Gefallenen die Augen aus und schnitten ihnen Ohren und Hände ab. In den Straßen hatten die Letten Drahthindernisse herge stellt; nachts zündeten sie die Häuser an, in denen die Truppen untergebracht waren. Als die aufgeschreckten Mannschaften auf die Straße eilten, gerieten sie samt den Pferden in die Drahthindernisse und wurden aus den Häusern und von den Dächern beschossen. — Türke i. Nachdem die Pforte die Forderungen der Mächte bezüglich der macedo nischen Finanzre- form angenommen hat und bezüglich einzelner Streitpunkte ein Ausgleich erzielt worden ist, hat der Kommandant del inter-nationalen Flotte Befehl erhalten, die Demonstration einzustellen. — China. Shanghai, 18. Dezember. Hier fanden Ruhestörungen wegen der gemischten Gerichtshof-Ange legenheit statt? Die Boykottführer organisierten sie. Der deutsche Konsul wurde mit Steinen geworfen und der ameri kanische Vizekonsul verletzt. Mehrere andere Ausländer wurde» angegriffen und verwundet. Truppen wurden von den Kriegs schiffen gelandet, die Volontäre einberufen. Die chinesische» Läden sind geschlossen. — Seit heute früh revoltieren die Chinesen. Sie haben die Hauptstraßen verbarrikadiert. Eng länder besetzten das Zollamt. Die Matrosen vom deutschen Flußkanonenboot „Vaterland" sind gelandet. Das Freiwilligen korps der Europäer ist einberufen. In der Nanking-Road brennen verschiedene Häuser. Die Europäer werden von den Chinesen angegriffen und mit Steinen beworfen. Die Lage ist ernst. — Bei den jetzt beendeten Verhandlungen zwischen Japan und China ist, wie uns ein Privattelegramm aus Peking meldet, für die Mandschurei der Grundsatz der offenen Tür anerkannt worden. In allen anderen Punkten wird jedoch Japan ohne Beschränkung der Rechtsnachfolger Rußlands. Lokale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 10. Dezember. Ein hiesiger Bürger hat der Armenkasse hier 30 Mark schenkungsweise übergeben. Dieser Betrag wird mit dazu Verwendung finden, armen kranken Einwohnern eme Weihnachtsfreude zu bereiten. Ferner haben Mitglieder der Gesellschaft „Pfeifenclub" hier auch dieses Jahr zu Gunsten Armer und Kranker hiesiger Stadt in ihren Vereinsversammlungen freiwillige Gaben ge sammelt und heute den ansehnlichen Betrag von 30 Mark 20 Pfg. an die Armenverwaltung hier abgeliefert, die diesen Betrag der Schwester Clara zur Verteilung an hilfsbedürftige Ortseinwohner übergeben wird. Gott vergelte den Gebern und segne die Gaben. — Eibenstock. Der Bürgerverein bittet uns um Auf nahme folgender Zusendung: „Durch Notizen in verschiedenen Zeitungen sind über die Stellung des Bürgervereins zur Stadtverordneten - Wahl Unklarheiten entstanden. Er fühlt sich deshalb veranlaßt, folgendes zu erklären: 1. Der Bürgerverein huldigt sozialdemokratischen Tendenzen nicht, wie überhaupt Politik nach H 2 seiner Satzungen vollständig ausgeschlossen ist. 2. Um seinen zur Stadtverordneten-Wahl aufgestellten Kandi daten Unterstützung auch von anderer Seite zu verschaffen, wurde beschlossen, mit dem Verein für Stickmaschinenbe sitzer und -Pächter einen Compromiß zu schließen, und zwar so, daß der Bürgerverein vier, der andere Verein drei Kandidaten aufstellen sollte. Das Zusammengehen mit dem Verein für Stickmaschinenbesitzer und Pachter mußte ganz unbedenklich erscheinen, weil derselbe kein sozialdemokratischer Verein ist und außerdem ein Teil seiner Mitglieder auch dem Bürgerverein angehört. Nachdem die Nainen der vom Verein für Stickmaschinen besitzer und -Pächter aufgestellten Kandidaten durch dessen Vorsteher dem Bürger-Verein bekannt gegeben worden waren, wurde noch gefragt, ob die drei Herren Sozialdemo kraten seien, was genannter Vorsteher verneinte. 3. Zufolge Notiz in Nr. 283 der „Chemn. Allgem. Ztg.' („Neu gewählt Sticker Mehnert, Ott und Seidel. Die Sozial