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Amts- und Anzeigevlatt für den — ' Abonnement Semk des Amtsgerichts Eibenstock ZuML tag und Sonnabend. In- e ten, sowie bei allen ReichS- sertwnspreiS: die Nemsp. Postanstalten. und dessen Amgebung. Verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. »8. Aatzr,«»« " 3«. Dienstag, den 10. März Per sozialistische Zukunstsstcat. z i « i d-H v Bi ,dn « h ' -"> Herr Liebknecht ist in Halle jede Antwort auf die Bitte schuldig geblieben, doch wenigsten« einen Zipfel des Vorhangs von diesem verhüllten Zukunftsstaat zu lüsten. Er hat dieses Begehren mit Entrüstung von sich gewiesen. „Die reaktionäre heutige Klassenherr schaft", sagte er, „könne auch nicht prophezeien, wie eS in fünf Jahren bei ihr aussehen werde; wie könne ein Billigdenkender also verlangen, daß man ihm sage, wie der kommunistische Zukunftsstaat aussehe?" Nun, der Unterschied liegt doch klar vor Augen. Die be stehende Gesellschaftsordnung darf ohne Bangen und Uebcrhebung prophezeien, daß sie in fünf, auch in zehn und zwanzig Jahren — ohne gewaltsame Stör ung — noch genau so aussehcn und arbeiten wird, wie heute. Aber von den Herren, welche diese Ord nung umstürzen wollen, darf nicht blos jeder Ar beiter ihrer Gefolgschaft, sondern auch jeder andere deutsche Reichsbürger allerdings die sofortige Ant wort auf die Frage erwarten: Wie sieht es in Eurem Zukunftsstaate aus? Was vermögt Ihr uns Besseres zu bieten als die heutige Gesellschaft, und welche Gewähr habt Ihr für Euer Versprechen künftiger allgemeiner Glückseligkeit? Daß darauf keine Antwort gegeben wird, beweist das schlechte Gewissen der Führer. Freilich würde die ganze Par tei hinter ihnen zu Luft, wenn sie mit der Sprache herausrücken wollten. Wir bedürfen aber ihrer Antwort gar nicht, wir können ihnen haarscharf beweisen, daß ihr Zukunfts staat der Staat der unwürdigsten Knecht schaft und des elendesten Daseins sein würde, welcher je über Menschen geherrscht hat. Daß in diesem Staate jeder Mensch nur das und nur soviel verbrauchen und genießen dürfte, als das Machtgebot des Staates ihm zutheilt, ist klar. Aber auch nur das thun und treiben dürfte der Bürger des kommunistischen Staates, was dieser Staat ihm vorschriebe. Zunächst müßte Jeder das arbeiten, was ihm aufgetragen wird, denn Jeder ist „arbcitspflichtig", und nur der Zukunftsstaat, nicht der Einzelne, hat zu bestimmen, welche Arbeiten noth- wendig sind und welche Bürger sie zu verrichten haben — ganz wie in unfern heutigen Zuchthäusern. Wo dann die Arbeiter für die gefährlichen, ekeler regenden, widerwärtigen menschlichen Dienstleistungen in Zukunft herzubekommen sind, ist ein Räthsel. Heutzutage reizt bei einzelnen dieser Arbeiten ein entsprechend höherer Lohn, bei anderen, wie der Krankenpflege, spornt dazu christliche Liebe und Barm herzigkeit. Aber im sozialistischen Zukunftsstaate ist das Christenthum wie alle Religion abgeschafft, „Privatsachc", und höhere Löhne für besonders ge fährliche, widerwärtige, anstrengende Arbeitsleistungen giebt eS nicht, da Löhne überhaupt nicht mehr gezahlt werden, sondern Jeder seinen „vernunftgemäßen", d. h. den vom ZwaugSstaat bestimmten Lebensunter halt empfängt. Es ist auch unmöglich, daß irgend Jemand für größeren Fleiß, größere Geschicklichkeit, größeres Talent etwa besser bezahlt wird, als der Faule, Ungeschickte, Unbegabte, oder daß Jener gar etwas ersparen und erübrigen und dadurch sich und den Seinen ein behaglicheres Dasein schaffen kann. Denn Privatbesitz giebt es ja im kommunistischen Staate überhaupt nicht mehr: aller Grund und Bo den, alle Häuser, alle Arbeitsmittel, alles Kapital gehört dem Staate, und alle Glieder der Gesellschaft erhalten gleich viel, nur ihren Lebensunterhalt. Das Geld, da« Erbrecht ist abgeschafft. Der Entgelt des Staate« für die Arbeit besteht eben nur im Lebensunterhalt und — in der Erziehung der Kinder. Ja, auch die Familie von heute, an welcher das ganze Herz des Deutschen hängt von der Wiege bis zum Grabe, giebt es im sozialen Zukunftsstaate nicht mehr! Die Kinder sind Gemeingut de» Staates und werden dem gemäß behandelt und erzogen. Die Ehe ist ein leerer Schall, denn die „freie Liebe", die schrankenloseste Sinnlichkeit beherrscht beide Geschlech ter, Es ist, wie l)r. Götz-Lindenau treffend gesagt hat: „die reinste Karnickelwirthschaft". Hagesgeschichle. — Deutschland. Die Situation bezüglich der Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn hat sich, so wird aus Wien berichtet, erheblich verschärft. Von unterrichteter Seite werde, so heißt es, als Grund angegeben, daß die deutschen Forderungen in der Frage der Getreidezölle zu hochgespannt erscheinen. Die Wiener Handelskammer hielt eine außerordent liche Versammlung ab, um in Anbetracht der Kund gebungen des „Deutschen Reichsanzeigers" eine Re solution zu beschließen, worin auSgcsührt wird, daß ein Handelsvertrag mit Deutschland für Oesterreich- Ungarn nur dann von Nutzen sein würde, wenn die gewährte Herabsetzung der Getreidezölle nicht gleich zeitig auf andere Staaten ausgedehnt werde. Ande renfalls möge man sich aus Bindung der gegenwär tigen Tarife beschränken. — Die am Sonnabend in Berlin versammelt gewesenen Vertreter der deutschen privaten Berg werksindustrie einigten sich zu folgendem, einstim mig gefaßten Beschluß: „Die aus allen Revieren heute in Berlin versammelten Vertreter der deutschen pri vaten Bergwergsindustrie erklären angesichts der zur Zeit von den Bergarbeitern in verschiedenen Revieren Deutschlands erhobenen Forderungen cinmüthig, daß sie in der Aufstellung dieser Forderungen nur den verwerflichen Versuch, eine allgemeine Ausstandsbe wegung einzuleiten, erblicken können. Die anwesenden Vertreter erklären, daß Forderungen der Bergarbeiter, welche allgemein berechtigt sind, zur Zeit nicht bestehen, und daß auch die Androhung einer Arbeitseinstellung oder die Niederlcgung der Arbeit die deutsche Berg- wcrksindustrie nicht veranlassen wird, von dem von ihr für richtig erkannten Standpunkt abzugehen und irgendwelche Zugeständnisse zu machen." — Der Kaiser hat dem polnischen Abgeordneten v. Koscielski, welcher als Referent der Budget kommission für den Marineetat bekanntlich für die ge forderten ersten neuen Raten des Etats mit Aus nahme des Avisos eintrat, am Donnerstag ein Bild- niß übersandt, darstellend die Flotte des Großen Kur fürsten. Der Kaiser hat eigenhändig die Namen der Boote und deren Kanonenzahl am Rande des Bild nisses verzeichnet. Da« Bild trägt folgende Wid mung: „Dem Herrn v. KoScielski zur Erinnerung an sein mannhaftes Eintreten für meine Marine von seinem dankbaren Kaiser und König." — Der Vorgang wurde in parlamentarischen Kreisen vielfach besprochen. — Wie dem Graudenzer „Geselligen" geschrieben wird, gehen die Regierungen von Königsberg und Gumbinnen energisch damit vor, die in ihren Be zirken vorhandenen Moore zu kultiviren. Es sind nunmehr die Bedingungen erschienen, unter wel chen die Abgabe von Parzellen an Ansiedelungslustige fernerhin erfolgen soll. Bisher wurden solche aus bestimmte Zeiten verpachtet. In dieser Art soll aber die Hcrgabe von Grund und Boden nicht mehr statt finden, sondern in Form von Rentengütern, welche erbliches Eigenthum der Ansiedler sind, gegen eine jährlich verhältnißmäßig geringe Rente oder Ablösungs summe, die gleichfalls niedrig bemessen werden soll. In fünf Jahren glaubt man, sämmtliche ostpreußische Moore bevölkert, in fruchtbaren Acker umgewandelt zu sehen; das wäre eine Fläche von etwa 8000 Hektar Größe. — Behuf« Feststellung und Erhöhung der Hilfs- bereitschaft der Garnisonen bei Wassers- noth sollen, wie dem „B. L." mitgetheilt wird, auf Wunsch de« Kaisers die Kommandanten der in Be tracht kommenden Orte zukünftig auch Alarmirungen in Anwendung bringen. Hierbei ist dann vom Höchst- kommandirenden die Tüchtigkeit der Offiziere in der Leitung der Rettungsthätigkeit ins Auge zu fassen, eventuell anwesende Genie-Offiziere haben dem Rett- ungsmaterial jeglicher Art ihre Aufmerksamkeit zu widmen, und auf jeden Fall sollen sich die Komman- direnden mit den zuständigen Königlichen Wasserbau- Inspektoren beziehungsweise deren Stellvertretern in dienstliches Einvernehmen setzen. Ueber Menge und Beschaffenheit des regulären Rettungsmaterials, wel ches den Truppen zur Verfügung steht, sollen regel mäßig jährlich zweimal Berichte eingesammelt werden und Gemeinden, deren Mittel eS gestatten, die aber auch wegen ihrer gefährdeten Lage ein stetiges Selbst interesse daran haben, veranlaßt werden, Fähren, Kähne, Gefahrensignale und dergleichen zu halten. — Oesterreich. Der deutsche Kaiser wird, wie verlautet, am 3. September nach Wien kommen, um den viertägigen Manövern im Wiener Wald bei zuwohnen. Diese Manöver werden die größten sein, die bisher in Oesterreich stattfanden. Die Nordarmee soll das böhmische Armeekorps, verstärkt durch die Linzer Division und noch zwei Kavallerie-Regimenter unter dem Kommando des Feldzeugmeisters Grafen Grünne umfassen; die Slldarmee umfaßt die nieder österreichischen n. südmährischen Truppen unter Führ ung des Feldzeugmeisters Baron Schönfeld, denen drei bosnische Bataillone zugetheilt werden. Diese Bataillone treffen schon vorher in Wien ein, um hier ständig zu bleiben. Zu den Manöver» werden die Reserven einberufen werden. — Die Knute in Rußland. Die in London vom Verein der Freunde russischer Freiheit heraus gegebene Zeitschrift „Free Russia" enthält in ihrer Märznummer wieder einige charakteristische Berichte über die innere Lage im Czarenreiche. Danach scheinen die Gouverneure und die an Stelle der Friedensrichter vor einiger Zeit ernannte» Distriktskommissäre, die sogenannten Zemskije Natchalniki, in jüngster Zeit ans höhere Weisung hin die körperliche Züchtigung durch Knutenhiebe recht schwunghaft zu betreiben. So ließ der Gouverneur von Tubernigow, Herr Anastassin, kürzlich einen ehrwürdigen, greisen Bauer ohne jeglichen legalen Grund knutc»; der Schullehrer der betreffenden Ortschaft drückte hierüber seine Ent rüstung aus und geschäftige Denunzianten beeilten sich, dies dem Gouverneur zu hinterbringen. Darauf hin ließ der Letztere den Schullehrer in die Gouver nementsstadt bringen nnd denselben dort mittels der Knute züchtigen. Der Lehrer, ein Edelmann und als solcher gesetzlich gegen körperliche Züchtigung ge feit, protestirte gegen solche Willkür und rief den Schutz des Kronanwaltes an. Dieser intcrvenlrte denn auch bei dem Gouverneur, welcher ihn aber mit dem Befehle fortschickte, sich nicht in Dinge zu mengen, die ihn nicht- angingen. Und jetzt wurde der Schul meister trotz seines Diploms nnd trotz der Interven tion des Kronanwaltes erst recht dnrchgepeitscht. Auch aus anderen Orten werden ähnliche Grausamkeiten und Uebergriffe in großer Anzahl gemeldet. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 9. März. Am gestrigen Sonn tag wurden hier drei Schadenfeuer beobachtet. Das erste wurde früh gegen 5 Uhr hier wahrge nommen und soll das alte Gutsgehöst deS Herrn Alwin Göschel in Rothenkirchen niedergebrannt sein. Vieh ist dabei nicht umgckommen. Abends gegen 8 Uhr und später gegen 11 Uhr röthtete sich der Himmel abermals, nnd zwar in der gleichen Richtung. Da« Feuer um 8 Uhr war, wie wir erfahren, eben falls in Rothenkirchen, und soll dabei das Wohnhaus des Besitzers Carl Leist« er niedergcbrannt sein. DaS Feuer um 11 Uhr soll dagegen in Hundshübel gewesen sein. — Dresden, 7. März. Die Hoffnungen, daß da« Wasser der Elbe nicht höher steigen werde, haben sich nicht erfüllt, denn seit vorgestern Abend ist mit einem Male, und zwar hauptsächlich infolge Thauwetters in Böhmen und der sächsischen Schweiz, die Elbe gestiegen und fortwährend wird dieselbe noch höher. Laut telegraphischen Meldungen aus Leitmeritz hatte daselbst daö Wasser heute Morgen um 8 Uhr einen Stand von 328 cm über Null erreicht, während heute früh um 9 Uhr in Dresden 286 cm über Null erreicht waren. Bis morgen früh haben wir in Dres den zuversichtlich einen Wasserstand von 3ö0 em zu erwarten. Durch diese Wasserhöhe werden sowohl