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Amts- und Anzeigeblatt für den äWSZ «esirk des Amtsgerichts Ltbenßock sertionSpreiS: die kleinsp. ten, sowie bei allen Reichs» Zeile 10 Pf und dessm Amaeöuna. P°st°nst°l en Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. -— »7. Jayrg««,. 4V. Donnerstag, den 3. April 18VO Hagesgeschichte. — Deutschland. Deramtl. „Reichsanz." schließt einen Artikel über die Abreise des Fürsten Bis marck wie folgt: Der Kanzler wird die Reichshaupt stadt mit der Ueberzeugung verlassen haben, daß er den Herzen des Volkes lheuer ist und daß eS tiefge fühlter Dank für seine unsterblichen Verdienste war, der sich in den Abschiedsgrüßen der Berliner Be völkerung offenbarte. Diese dankbare Gesinnung wird von der ganzen Station getheilt, welche mit schwerem Herzen den Kanzler scheiden sieht, aber fest entschlossen ist, die Güter, die sie dem großen Manne verdankt, das einige Deutschland und festgewurzelte Königstreue, zu pflegen und zu bewahren. Einen schöneren Lohn für sein Wirken und Schaffen wird der Fürst nicht finden können, als wenn er fern von den Geschäften wahrnimmt, wie die Nation die Ge fühle der Dankbarkeit und Verehrung, die sie ihm jetzt darbringt, in Thaten umsetzt, treu zu Kaiser und Reich hält und sich der großen Zeit stets würdig zeigt, die sie in und mit der Aera „Bismarck" er leben durfte. An dem Tage, an welchem der Fürst sein 7b. Lebensjahr vollendet, wird die Nation ihre Gedanken und Gebete dem stillen Hain von Fried- richsruh zuwenden und einig in dem Wunsche sein, daß — wie es Se. Maj. in dem allerhöchsten Schrei ben vom 20. März ausdrückte — sein „für das Vaterland unersetzliches Leben" so lange wie möglich erhalten bleibe und daß „Gott ihm noch viele Jahre eines ungetrübten und durch das Bewußtsein treuer füllten Alters" schenken möge. — Berlin, 1. April. Behufs Ausführung der von vielen Seiten angeregten Errichtung eines Na tionaldenkmals für den Fürsten Bismarck in der Reichshauptstadt traten gestern eine Anzahl angesehener, den verschiedensten politischen Richtungen angehörige Männer zusammen, um demnächst einen diesbezüglichen Aufruf zu erlassen. Das Komitee beabsichtigt, Se. Majestät den Kaiser um die Ueber- nahmc des Protektorats zu bitten. Den Vorsitz übernahm der Landesdirektor Levetzow. — Am Montag und Dienstag wurden vielerorts aus Anlaß des 75. Geburtstages des Fürsten Bismarck festliche Veranstaltungen abgehaltcn. Be sonders hervorzuhebcn ist die Ovation, die dem Fürsten in Friedrichsruh von Hamburg aus dar gebracht wurde. Dreitausend Personen mit 2000 Fackeln hatten sich in Friedrichsruh eingefunden. Der Fürst hielt eine längere Anrede, in der er be tonte, daß nach 38jährigem Dienst ein Minister natürlich viele Feinde haben müsse. Die letzten Tage haben ihm aber bewiesen, daß er auch viele Freunde, selbst im unzufriedenen Berlin habe. Noch mehr erfreue ihn die Ueberzeugung, in unmittelbarer Nähe so viele Freunde zu wissen. Dies sei Zeugniß dafür, daß seine Arbeit Deutschland genützt habe und aner kannt worden sei. — Oesterreich. Ein in Wien unter den Mau rern ausgebrochener Streik hat im Laufe des Mon tags Abends ernstliche Ruhestörungen im Ge folge gehabt, über welche ein Wiener Correspondent in nachstehenden Telegrammen berichtet: Wien, 31. März, 7 Uhr Abends. Die Angaben über die Zahl der streikenden Maurer schwanken zwi schen 5000 u. 12,000. Eine auf morgen cinberufene Versammlung der Streikenden ist von der Polizei verboten, gegen etwaige Ausschreitungen sind umfass ende Maßregeln getroffen. Da nicht ausgeschlossen ist, daß der Pöbel aus den Vororten sich den Streik enden anschließt, bleibt ein Theil der Garnison in den Kasernen konsignirt. Wien, 31. März, 9 Uhr 40 Minuten Abends. Der Maurerstreik gewinnt immer mehr an Ausdehn ung. Mit den Maurern ziehen sowohl Frauen wie fremde Clemente in den Straßen umher. Gegen Abend kam eS in der Vorstadt Hernals zu einem ernsten Zusammenstoß, wobei ein Wachmann verletzt und zwei der Streikenden schwer verwundet wurden. Im Verlauf de- Tages sind zusammen 60 Personen verhaftet worden. Die Agitatoren wollten auch die iin Prater beim Bau des landwirthschaftlichen Aus stellungsgebäudes beschäftigten Arbeiter zur Teil nahme am Streik bewegen, wurden jedoch versprengt. Wien, 31. März, I I Uhr 10 Minuten Nachts. Heute Abend wurde im Bezirk Favoriten die Polizei von den Streikenden mit einem Steinhagel empfangen. Die Polizei wandte blanke Waffen an, und es gelang ihr nur mit Mühe, die Ansammlungen zu zerstreuen. — Für heute wird eine Wiederholung der Unruhen befürchtet, da die Streikenden trotz des polizeilichen Verbotes die geplante große Versammlung abhalten wollen. — Frankreich. Die Ovationen, welche dem scheidenden Reichskanzler von der Bevölkerung Berlins dargcbracht wurden, haben auch im Aus lande Beachtung und Würdigung gefunden. So be ginnt der telegraphische Bericht des Pariser „Figaro" mit den Worten: „Was sich heute in Berlin zuge tragen hat, spottet aller Beschreibung; niemals hätte ich geglaubt, daß der Enthusiasmus der Deutschen solche Höhe erreichen könnte." — Rußland. Die Studenten-Unruhen in Rußland nehmen immer größeren Umfang an. Alle Universitäten, mit Ausnahme deren von Dorpat und Tomsk, waren der Schauplatz mehr oder minder ausgedehnter Studenten-Unruhen. Die Studenten aller Fakultäten in Charkow, Kiew, Odessa, Moskau und Petersburg haben Aufsehen erregende Demon strationen zu Gunsten einer Verfassung gemacht. Mehr als 800 Studenten wurden bis jetzt verhaftet. Tag und Nacht werden die Straßen der genannten Universitätsstädte durch Gektdarmerie bewacht. Die Truppen sind in ihren Kasernen konsignirt und es ist wahrscheinlich, daß alle Universitäten Rußlands ganz geschlossen werden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 2. April. Die gestern Abend im Saale des Feldschlößchen Hierselbst zum 75jährigen Geburtstage unseres scheidenden Reichskanzlers Für sten Bismarck veranstaltete Dankeskundgebung ver lief als ein echt patriotisches Fest unter zahlreicher Theilnahme der hiesigen Bewohner. Nach Einleitung der Feier durch einen Instrumental-Vortrag des hie sigen Stadtorchesters hielt Hr. Ferd. Brandt einen die Bedeutung des Tages feiernden Prolog, welchem sich der außerordentlich wirkungsvolle Vortrag des LiedeS: „Brüder reicht die Hand zum Bunde", aus geführt durch die drei hiesigen Gesangvereine, anschloß. Nach einem zweiten musikalischen Vortrage Seitens der Oeser'schcn Capelle sangen die sämmtlichen An wesenden das herrliche Vaterlandslied: „Deutschland, Deutschland über Alles", worauf Herr Diaconus Fischer frei aus dem Gedächtniß folgende nach Form und Inhalt gleich vorzügliche Festrede hielt: Hochverehrte Anwesende! Wir find beute Abend hier versammelt, um in einer gemeinschaftlichen Feier den 75. Ge burtstag unseres hochverdienten ersten deutschen Reichskanzlers zu begehen, des herrlichen Mannes, den wir mit berechtigtem Stolze den Unsrigen nennen und um den die übrigen Nationen der Welt uns beneiden, des größten Diplomaten und Staats mannes, durch dessen Kunst der sehnsüchtige Traum unserer Väter von einem geeinten mächtigen deutschen Kaiserreiche zur Wirklichkeit geworden ist, des eisernen Reichskanzlers, der in unermüdlicher Thätigkeit und Schaffensfreudigkeit drei Kaisern als erster und bester Rathgeber zur Seite gestanden ist. Es ist unmöglich, die weltgeschichtliche Gestalt dieses Helden in ihrer ganzen und vollen Bedeutung für unser deut sches Vaterland, ja für die ganze gebildete Welt der Erde zu kennzeichnen. Auch kann es für uns heute Abend nicht die Aufgabe sein, die Thaten und Erfolge dieses Mannes aufzu zählen und zu nennen. Wir kennen sic alle zur Genüge; auch sind diese Thaten und Erfolge trotz ihrer Größe und Bedeut ung noch nicht allein die Ursachen unserer Liebe und Ver ehrung für den bisherigen Reichskanzler. Ein Napoleon I. hat auch gewaltige Erfolge errungen, man hat ihn darum bewundert und anaestaunt, aber ebenso gehaßt und gesürchtet. Unser erster Reichskanzler jedoch, der jetzt auS seinen Aemtern geschieden ist und in ländlicher Stille und Zurückgezogenheit die wohlverdiente Ruhe genießt, nimmt in diesen Ruhestand nicht nur die Bewunderung aller, die leinen Namen kennen, auch seiner Feinde mit sich, sondern auch, was tausendmal werthwoller ist, die unbegrenzte Liebe und Verehrung, die innigste Dankbarkeit aller, die deutsch denken u. deutsch fühlen, mit einem Worte: Das Herz des deutschen Volkes. Darum sind es auch nicht Gefühle der Bangigkeit und Beforgniß, die sein Abschied in uns erweckt; zu solcher Bangigkeit haben wir keinen Grund ; denn auf Deutschlands Thron sitzt ein Kaiser, zu dessen Kraft und Weisheit tvir das vollste Vertrauen haben dürfen; es sind die schmerzlichen Empfindungen der trauernden Liebe, einer stillen Wehmuth, die uns bei seinem Scheiden erfüllen, und denen, allen Deutschen voran, Se. Maj. der Kaiser selbst in so herzlichen und tiefempfundenen Worten Ausdruck verliehen hat. Was ist es nun, wodurch sich Bis marck solche Liebe des deutschen Volkes errungen hat? Er hat die Mahnung befolgt, die einst der alte Arndt dem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in der Art eines alt- testamentl. Propheten zurief: Wage es, voll und ganz deutsch zu sein. Das ists, warum jeder wahre Deutsche ihn liebt und lieben muß, warum aber auch die Gegner Deutschlands von so grimmigem Haffe gegen ihn erfüllt sind, daß er es wagte deutsch zu sein. Deutsch freilich nicht im Sinne einer engherzigen Winkelpolitik, deutsch im idealsten Sinne des Worts, ein deutscher Mann vom Scheitel bis zur Sohle, deutsch in seiner Treue, Wahrhaftigkeit und Frömmigkeit. Daß die Treue, diese uralte deutsche Tugend, von der schon ein römischer Schriftsteller mit Bewunderung spricht, die so viel von den Dichtern in begeisterter Weise besungen ist, noch im Schwange, noch kein leerer Wahn geworden sei, das hat er seinem Volke, der Welt gezeigt. In seiner Königstreue, mit welcher er vom Anfang seiner Thätigkeit an das monarchische Prinzip betonte und die Rechte der Krone den zügellosen An forderungen des Liberalismus gegenüber vertheibigte, in der Treue, mit der er, getrieben von einer glühenden Vaterlands liebe uneigennützig und selbstlos nur das eine Ziel verfolgte, Deutschland einig, mächtig, glücklich zu machen in seiner Be rufstreue, die nur der eisernen Pflicht gehorchte und auch unter einer erdrückenden Arbeitslast nicht müde ward, ist er ein Vorbild für jeden deutschen Mann. Es hat ja wahrlich nicht an Versuchungen von Seiten Frankreichs und Oester reichs gefehlt, denen er hätte erliegen können, es hat nicht an Hindernissen gefehlt, die ihn hätten wankend machen können. Die Geschichte wird einst das endgiltige Urthcil sprechen über alle diejenigen seiner Landsleute, die, weil sie den, Fluge seiner Gedanken und Pläne nicht zu folgen vermochten, weil sie sich engherzig an ihre Parteiintercffen klammerten, kein Mittel unversucht gelassen haben, ihm Schwierigkeiten zu be reiten und an der Verwirklichung seiner Pläne zu verhindern. Um so größer aber wird er dastehen in der Geschichte, den nichts abzubringen vermochte von dem, was er als Recht er kannt, unerschütterlich und fest, gebunden in seinem Gewissen von der Liebe und Treue zu König und Vaterland, ein deut scher, ein treuer Mann. — Und deutsch wie in seiner Treue war er es auch in seiner Wahrhaftigkeit. Ist er es doch gewesen, der als Erster mit dem bis dahin in der Diplomatie gütigen Lehrsätze brach, daß die Sprache da sei, um die Gedanken zu verbergen. Mit kühner Offenheit hat er stets und überall der Wahrheit gehuldigt, Freunden sowohl wie Feinden gegenüber. Diese Wahrhaftigkeit, die kein Falsch, keinen Hintergedanken hegte, die sich auch nicht scheute einen Jrrthum freimüthig einzugestehen, hat ihm jederzeit das hohe moralische Ucbcrgewicht über seine Gegner und Widersacher gegeben. Sie mochten wohl mit den Zähnen knirschen, wenn er ihre Ränke vereitelte und mit starker Hand ihre Lügenge webe zerriß, mit denen sic ihn zu umstricken und zu Falle zu bringen suchten, aber sie konnten ihm nichts anhaben, konnten ihn keiner Lüge, keiner unredlichen falschen Handlungsweise zeihen, immer stand er auf dem festen sicheren Boden der Wahrheit, ein deutscher, ein wahrer Mann. Und diese Wahrhaftigkeit und Lauterkeit seines Wesens wurzelt tief in seiner Gottesfurcht und Frömmigkeit. Hat er auch die Hoffnungen und Wünsche der evang. Kirche nicht erfüllt, hat er auch den kühnen Vorsatz: Nach Canossa gehn wir nicht, nicht ganz durchgcführt, sondern die Neigung u. Gunst Roms zu gewinnen gesucht, seinem evang. Glauben ist er doch stets ein treuer Anhänger gewesen und er hat mit großer Energie von Seilen der Ultramontanen Achtung vor seiner und aller evang. Christen Ueberzeugung gefordert. Als im Jahre 1870 im Bundesreichstag das Strafgesetzbuch zur Be ratung kam, hat er in der Debatte über die Todesstrafe das echt evang. Wort gesprochen: Eine menschliche Krast, die keine Rechtfertigung von oben in sich spürt, ist zur Führung des Richtschwertes nicht stark genug. Als er nach dem Friedens schlüsse von 71 zum ersten Male wieder seine Heimath besuchte und ihm bei der Begrüßung der Superintendent die Ver sicherung gab, daß auch in seiner Gemeind« viele Gebete für ihn zum Himmel ausstiegen, da antwortete der Fürst: Ich danke Ihnen herzlich, denn ich weiß, daß das Gebet Hilst. Während seines ganzen Wirkens und Schaffen« im Dienste des Vaterlandes ist er beseelt und erfüllt gewesen von dem Glauben und dem Vertrauen, daß er eine von Gott gewollte und ihm übertragene Mission am deutschen Volke zu erfüllen habe. Und diesen Glauben hat er auch ausgesprochen in dem be kanntesten seiner geflügelten Worte: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst Nichts in der Welt." Ein deutscher, ein frommer Mann. Nun ist er gegangen, hat den Schauplatz seiner Thätig keit verlassen, um in der Stille auszuruhn vom gewaltigen Tagewerk seines Lebens. ES folgen ihm Wünsche heißer Liebe und innigster Dankbarkeit aus dem Herzen seines Volke«. Ja das deutsche Volk kann nicht dankbar genug sein, vor allem Gott, daß er, wie einst im 18. Jahrhundert, als auf religiösem und kirchlichem Gebiete ein Geistesfrühling gekom men war, in unserem Luther, so in diesem Jahrhundert, da auf politischem Gebiete ein Frühling angebrochen war, in unserem Bismarck einen deutschen Mann berufen hat, der sei nem Volke und aller Welt zu zeigen vermochte, wie reich Golt doeb gerade das deutsche Volk begnadigt hat mit Tugen-