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Amts- und Anzeigeblatt für den MM des Amtsgerichts Lidenjl-ck sertionSpreiS: die kleinst». len, sowie bei allen Reichs- Zeile 10 Pf und dessen Hlmgeöung. P-stanstatten Berantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. — »6. Jahrgang. 8S. Dienstag, den 30. Juli 188S. Bckanntmachllng. Am 1. August d. I. ist der zweite Grundsteuertermin für das lausende Jahr fällig. Es wird zu dessen Bezahlung mit dem Bemerken aufgcfordert, daß nach Ablauf der 14tägigen Zahlungsfrist gegen Restanten das Zwangsvollstreckungs verfahren eingeleitet werden wird. Eibenstock, am 29. Juli 1889. In Vertretung: Com-Rath Hirschberg. Bg. Der Stadtrath. Nothwendige Aenderungen im Straf vollzüge. Der in Deutschland noch nicht einmal einheitlich geregelte Strafvollzug ist neuerdings Gegenstand be sonderer Aufmerksamkeit geworden. Den äußeren Anlaß dazu gab das neue belgische Gesetz über die „bedingte Berurtheilung", das seit Kurzem in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz wird dem Richter in bestimmten Fällen die Ermächtigung ertbeilt, im öffentlichen Interesse auf die Geltendmachung des dem Staate zustehenden Strafvollzugsrechtes gänzlich oder doch bedingungsweise zu verzichten. Der Richter erkennt zwar beispielsweise auf drei Monate Gefäng- . niß, kann aber bestimmen, daß die Strafe nicht voll streckt werde, wenn der Verurtheilte innerhalb fünf Jahre nicht rückfällig wird. Läuft die fünfjährige Frist ab, ohne daß sich der Verurtheilte inzwischen von neuem straffällig gemacht hat, so gilt die Ver- urtheilung als überhaupt nicht geschehen, ja sie kann sogar später nicht einmal als strafverschärfend in Betracht gezogen werden. Man wird zugestehen müssen, daß diese Art der Strafzumessung und des Vollzuges wenigstens einer gründlichen Prüfung würdig ist. Denn das bisher allgemein geübte Verfahren hat sich als wenig praktisch erwiesen. Man denke nur an die Schädigung, welche das Nationalvermögen durch Unterhaltung der Zucht häuser und Gefängnisse erleidet; häufig genug aber steht die Strafe mit ihren Folgen in grellem Miß- verhältniß zu der vom Richter beabsichtigten Höhe. Das Gefängnißleben entwürdigt den, der noch einen Funken von Ehrgefühl im Leibe hat, eS schwächt seine Selbstachtung und sein moralisches Gefühl. AuS der Strafanstalt entlassen, kehrt der Sträfling in seine Familie zurück, als „bescholten" in den Augen seiner Angehörigen und seiner Kollegen; häufig genug findet er keine Stellung wieder und so, verbittert und durch Roth getrieben, sinkt er von neuem dem Verbrechen in die Arme. Nun hat die Medaille aber auch ihre Kehrseite. Die Kategorie der eben Geschilderten ist die weitaus bessere Art; für die schlimmere Art hat das Gefängniß überhaupt keine Schrecken. Unsere heutige Humanität hat die Gefängnisse theilweise zu Musterwirthschaften umgestaltet, an deren „Segnungen" theilzunehmen unverbesserlichen Strolchen als erstrebenswerthes Ziel erscheint. Der Arbeitsscheue und Vagabond, der in Freiheit je nachdem stiert und hungert, der unreinlich gekleidet ist und der keine Stelle hat, wo er sein Haupt zum Schlaf hinlegt, — er findet im Gefäng niß alles das gratis: eine kleine reinliche Zelle, gut gelüftet und im Winter geheizt, reinliche Kleidung, auskömmliche Nahrung bei nicht erdrückender Arbeit; er hat seine Schlaf- und seine Erholungszeit und bei etwaiger Krankheit seine Pflege. Alles dies bietet ihm die Freiheit nicht, weil er dieselbe wegen seiner moralischen Verkommenheit nicht gehörig zu benutzen versteht. Die erziehlichen Resultate unserer Zuchthäuser und Gefängnisse sind nicht hoch anzuschlagen; die Fälle, daß Verbrecher „gebessert" aus den Anstalten hervor gehen, sind zu zählen. Und das ist auch kein Wunder; eine Massenerziehung bei der durch den Strafvollzug bedingten Absonderung de« Einzelnen ist eben ein Ding der Unmöglichkeit. Die „bedingte Berurtheilung", wie sie in Belgien eingeführt ist, hat dem üblichen Strafvollzüge gegen über viele Vorzüge. Ihre moralische Wirkung ist durchaus nicht zu unterschätzen; nicht jeder, der sich etwa aus Leichtsinn, Uebereilung oder auch aus Nvth ein Vergehen zu schulden kommen läßt, wird gleich zu einem „Bestraften". Allerdings hängt die Ver- urtheilung wie ein Damoklesschwert über seinem Haupte, aber das wird in neun Fällen von zehn gerade die Veranlassung sein, daß der Verurtheilte mehr auf sich achtet und den moralischen Makel wieder abzuwaschen sucht. Fünf Jahre ehrsamen Lebens — und die Berurtheilung ist so gut wie nicht geschehen! Das ist ein gewaltiger Ansporn. Naturgemäß müßte denn auch die Rückfälligkeit härter bestraft werden; die Gesellschaft hat ein Recht, sich dagegen zu verwahren, daß unverbesserliche Tauge nichtse nach Ablauf ihrer Strafzeit immer wieder gegen sie losgelassen werden. Für Unverbesserliche dürfte doch irgendwo anders noch ein Platz sein, wo sie unter sich bleiben mögen. Hagesgeschichle. — Deutschland. Kaiser Wilhelm ist am Sonnabend Mittag von seiner Nordlandfahrt in Wilhelmshaven cingetroffen und rüstet sich nun mehr zu der Reise nach Großbritannien. Die Kaiserin hat sich an demselben Tage von Kissingen nach Wil- helmshöhe begeben; hier wird die hohe Frau die Freude haben, den jüngsten Sohn, den Prinzen Oskar zu begrüßen, der von Potsdam dorthin gebracht wor den ist. Nach nur zwölfstllndigem Aufenthalt gedenkt sich die Kaiserin von Kassel nach Wilhelmshaven zu begeben, wo sie mit dem Kaiser an Bord der Dacht „Hohenzollern" wohnen wird. Ob sich die Kaiserin nach der Abreise des Kaisers von Wilhelmshaven nochmals nach Wilhelmshöhe begeben wird, oder ob die hohe Frau geradewegs nach Potsdam reisen wird, darüber verlautet noch nichts Bestimmtes. — Kaiser Franz Joseph hat in so bestimm ter Weise den Wunsch ausgesprochen, bei seiner An wesenheit in Berlin möchte mit Rücksicht auf seine Familientraucr jeder feierliche Empfang unter bleiben, daß sogar die ursprünglich geplante Spa lierbildung seitens der Truppen des Gardecorps vom Bahnhofe bis zum königlichen Schlosse in Berlin fortfallen wird. Ebenso soll jeder Schmuck der Straßen, Plätze und Häuser unterbleiben. Daß der Empfang unseres bewährten Bundesgenossen seitens der Bevölkerung der Reichshauptstadt bei diesem Fehlen alles amtlichen Gepränges um so wärmer und um so herzlicher ausfallen wird, bedarf keiner besonderen Versicherung. Der Kaiser wird während seiner Anwesenheit in Berlin vom 12. bis zum 15. August hauptsächlich im Kreise der kaiserlichen Familie weilen. Zu seinen Ehren wird eine Parade über das Gardecorps und an dem folgenden Tage eine aus gedehnte Truppenübung bei Spandau stattfinden. Am 15. August, dem Feste Mariä Himmelfahrt, ist feierlicher Kirchgang zur HedwigSkirche. Zur Zeit des Eintreffens des Kaisers Franz Joseph werden alle Spitzen der Zivil- und Militärbehörden, vor Allem auch sämmtliche Staatsminister vom Urlaub zurückgekehrt sein. — Eine Vermehrung der Feldartillerie kündigen die „Hamb. Nachr." in einem anscheinend inspirirten Artikel als bevorstehend an, und zwar im Hinblick auf die Ueberlegenheit der französischen Feld artillerie. Dem nächsten Reichstage würde eine darauf bezügliche Vorlage zugehen. E« käme besonder«, so heißt es in dem Blatte, auf die Einrichtung neuer Stäbe, sowie auf die Vermehrung der Offizierstellen und der Batterien an. — Ueber Lanzenreiter und Lanzen bringt das „Militärwochenblatt" einen Artikel, in welchem auSgeführt wird, itian könne die Wahrheit, daß die Lanze die Königin der Waffen sei, dreist auch heute noch unterschreiben. Aber in ihrer jetzigen Gestalt sei die Lanze nicht geeignet, die volle Ueberlegenheit der Waffe zur Geltung zu bringen. Die heute ge führte Ulanenlanze sei zu lang und zu gebrechlich. Die Lanze müsse auf 2 in verkürzt werden. Bezüg lich der Zerbrechlichkeit erscheine cS angezeigt, die Lanzenschäfte in ihrer ganzen Länge aus Röhren von Stahlblech herzustellen. Diese Konstruktion des Schaftes würde dann weiter noch unschwer die Mög lichkeit ergeben, die Länge der Waffe beim Nichtge brauch durch Einschieben der oberen Hälfte, mit der Spitze nach oben oder nach unten in die untere, nach Art der Taschenbleistifte oder alten Federhalter, noch um die Hälfte zu vermindern. In dieser Form könnten die somit auf eine Länge von etwa 1 m reduzirten Lanzen beim Absitzen zum Gefecht oder überhaupt zum Dienst zu Fuß direkt in oder an dem dazu leicht einzurichtenden Karabinerfuttcral des eigenen Pferdes angebracht und somit die Pferdehaltcr von dem stets lästigen und oft direkt gefährlichen Transport der Lanzen gänzlich befreit werden. Ueber- dics würden die Lanzen in vicscr zusammengeschobenen Gestalt auch im Nothfall als Piketpfähle zum Auf schlagen des Stalles im Bivouak Verwendung finden können. — Kiel. Dem hier verhafteten Schifssbau- Oberingenieur Julius Pannecke wird zur Last ge legt, daß er sich nicht nur unerlaubte Vermögens- vortheile verschafft hat, sondern daß er auch eine ganze Schiffsladung Teakholz habe verschwinden lassen. Die Affaire daiirt schon vor 4 bis 5 Jahren und ist erst jetzt durch eine Bremer Firma an's Licht gezogen worden. Pannecke war s. Z. nach England gereist und hatte dort die Schiffsladung in Empfang genommen: nach Kiel soll von dem Holze aber nicht ein Balken gelangt sein. Aus dem Umstande, daß die Affaire so lange vertuscht werden konnte, wird geschlossen, daß zahlreiche Mitschuldige vorhanden sein müssen. — In enger Beziehung zu der Ange legenheit des verhafteten Oberingcnieurs der Kaiser lichen Werft steht der Selbstmord, den am Sonnabend ein Geheimsekretär Eremer, ebenfalls von der Werft, im Untersuchungsgefängniß zu Moabit beging. Cre mer hat sich die Pulsader geöffnet und starb an den Folgen dieser Verletzung in der Charitee in Berlin, wohin er geschafft worden war. Der ,N. Pr. Ztg." zufolge droht diese Bestechungsgeschichte einen großen Umfang anzunehmen. — München. Bei dem Begrüßungsabend des VII. deutschen Turnfestes am Sonnabend gab Prinz Ludwig einen Rückblick auf die Zeit Jahns, die Zeit, in welcher Deutschland unter der Gewalt herrschaft Napoleons seine größte Erniedrigung erlebte. Der damalige Kronprinz von Bayern, Ludwig, em pfand auf's Lebhafteste Deutschlands Schmach. Sein Enkel, König Ludwig II., des Beispiels seines Ahnen würdig, habe in dem denkwürdigen Jahre 1870 dem König von Preußen seine bayrische Armee unterstellt und demselben später Namens der deutschen Fürsten die deutsche Kaiserkrone «^geboten. Es sei nunmehr unsere Aufgabe, treu an Kaiser und Reich und Deutschlands Einheit festzuhalten (stürmischer App laus). Der Prinz sprach seine besondere Freude über die Anwesenheit der Turner aus dem befreun deten Reiche Oesterreich-Ungarn aus, mit welchem Deutschland fest verbündet sei, und er rufe ihnen zu, festzuhalten an deutscher Sprache, an deutscher Ge sinnung. Derselbe begrüßte sodann die anderen aus ländischen Turner und bat sie, überall das Deutschthum hochzuhalten. „Wir wünschen mit Allen in Frieden zu leben und freuen uns des geistigen Verkehrs mit