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Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint , s „ Abonnement -2LL-- Sy» des Amkgmästs Eibenstock Zi-ZS sertionspreis: die Neinsp. ten, sowie bei allen ReichS- Zel w Pf und dessen Umgebung. P°^^lte». Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 35. Jahrgang. 141. Donnerstag, den 29. November 1888. Aagesgeschichte. — Deutschland. Die gesammte Reichs schuld beträgt nach einer dem Etat beigegcbenen Denkschrift 1,148,664,756,»« Mk. Davon sind 4pro- zentig 450,000,000 Mk. und 3'/„ proz. 698,664,756,»« Mark. Zur Verzinsung der ersteren sind danach im Etat für 1889 90 18 Millionen, zur Verzinsung der letzteren 18,480,000 Mark in Ansatz gebracht. — Im neuen RcichshaushaltSetat sind die Be züge der Kommandanten von Sonderburg-Dllpppel und Stralsund als „künftigwegfallend" bezeichnet. Sonderburg-Düppcl und Stralsund sind danach, wie cs im vorigen Jahre mit Kolberg der Fall war, als Festungen aufgegeben worden. — Die Einführung der Lanze, welche zu nächst bei den Kürassier-Regimentern erfolgte, hat seit einigen Wochen nun auch bei dem Leib-Garde- Husaren - Regiment stattgefunden. Diese Verallge meinerung einer Waffe, welche in der französischen, österreich-ungarischen und russischen Armee beseitigt und in die Rüstkammer gelegt wurde, erregt begreif licher Weise das allgemeine Interesse der militärischen Kreise, insbesondere der Cavallerie. In Deutschland sind nun militärische Stimme» laut geworden, nach denen die deutsche Cavallerie, wenn sie durchweg mit Lanzen bewaffnet wäre, unbedingt eine beträchtliche Ileberlegenheit über jede andere, nicht mit Lanzen bewaffnete Reiterei gewinnen würde. Im Chek muß die mit Sicherheit geführte Lanze den Gegner eher erreichen als der Säbel, und da der schützende Küraß beinahe von aller europäischen Cavallerie abgelegt wurde, so könnte die Wirkung der Lanzenspitze überall zur Geltung kommen. — Die Annahme eines neuen, ganz eigen artig konstruirten Infanterie-Gewehres für die deutsche Arince ist seitens der Waffenprüfungs kommission erfolgt. Wie die „N. N." von unbedingt zuverlässiger Seite in Erfahrung bringen, ist man bereits mit der Herstellung der erforderlichen Werk zeugmaschinen in unseren Kriegswerkstätten beschäftigt, nm die gesammte deutsche Armee in möglichst kurzer Zeit mit dieser neuen Waffe ausrüsten zu können. — Nach längerer Pause haben bekanntlich die Panslavistenblätter wieder begonnen, Deutschlands ehrliche Makler-Rolle in den orientalischen Dingen zu verdächtigen, und ganz in des seligen Katkows Geist schmähen sie den deutschen Nachbar, der Alles im eigenen Interesse zu lenken und zu „schieben" wisse, und eine Verständigung zwischen Oesterreich und Rußland mit großer Kunst hintertreibe. Besonders ist es des Fürsten Westschersky „Grash- danin", in welchem jene Aufreizungen den unverschäm teste» Ausdruck finden. Das Blatt geht in seinem Eifer so weit, der Tripel-Allianz einen lediglich offen siven Charakter beizumessen und die Friedensliebe der vereinten Mächte als eitel Heuchelei zu verdächtigen. Heute unternimmt eS nun die „Köln. Ztg." — an scheinend von kompetenter Stelle dazu inspirirt — jenem hetzerischen Organ einmal auf den Mund zu klopfen. Zugleich legt das rheinische Blatt noch ein mal die so oft präcisirte Stellung Deutschlands zu den orientalischen Wirrnissen klar, indem es ausführt: „Der vom „Grashdanin" behandelte Gedanke, daß Rußland und Oesterreich sich in ihren Einflußsphären an der Balkanhalbinsel theilen müßten, ist nicht nur vom Grafen Herbert Bismarck mehreren hochgestellten Persönlichkeiten Wiens gegenüber geäußert worden, sondern er bildet seit Jahren und noch heute das amtliche Programm der deutschen Politik, soweit letz tere sich überhaupt um die Balkanhalbinscl bekümmert. Wenn Deutschland um eine billige Lösung gefragt, würde es ohne Zweifel empfehlen, daß Serbien inner halb der österreichischen, Bulgarien innerhalb der russischen Einflußsphären belassen werde, mit diesem Rath hat aber Deutschland seit einem Jahrzehnt we der bei der russischen noch bei der österreichischen Re gierung Anklang gefunden. Diese vernünftige Lösung einem Betheiligten aufzuzwingen, liegt der deutschen Politik fern. Deutschland würde gern sehen, wenn Rußland und Oesterreich sich verständigten, kann aber auch ruhig mitansehen, wenn das nicht geschieht." — Neues ist für uns in dieser Darlegung nicht enthal ten. Der Hinweis darauf, daß Deutschland mit sei nen Rathschlägen weder bei Rußland noch Oesterreich Anklang gefunden habe und schließlich auch mit an sehen könne, wenn Oesterreich und Rußland sich nicht verständigten, soll eben nur nochmals der Friedens liebe Ausdruck geben, und andererseits die Gelassen heit kennzeichnen, mit welcher die Reichsregierung allen Eventualitäten ins Auge sieht. — Es wurde jüngst der eigenlhumlichen Erschein ung gedacht, daß in der Hauptstadt unserer Bundes brüder, in Wien, eine Reihe von Organen existiren, welche in Bezug auf deiitschenhetzerische Fähigkeiten der „Lanterne" und dem „Jntran- sigeant" nicht ein Jota »achzugeben brauchen. Seit einigen Wochen ist — vermuthlich mit französischem oder russischem Gelbe — ein Wochenblättchen zu jenen älteren chauvinistischen Blättern getreten, das „Schwarzgelb" betitelt ist und mit Jnvectiven gegen alles Deutschfreundliche um sich wirft, als sei sein Redakteur Ehren-Präsident der „Patriotcnliga." Vor einigen Tagen hat das Blättchen in allerlei geheim- nißvollen Andeutungen zu verstehen gegeben, daß es mit der deutsch-österreichischen Allianz doch nicht für alle Zeiten so unerschütterlich bestellt sein dürste. Kronprinz Rudolf hätte — so hieß es in dem von Schmähungen gegen Deutschland strotzenden Artikel — ganz andere Ansichten und wenn der einmal mehr zu sagen hätte, würden die Grundsätze der glorreichen Maria Theresia und die französisch-russische Ver brüderung wieder zu Ehren gelangen. In ernsten politischen Kreisen achtete man dieses Geschreibsels Anfangs nicht, es scheint aber doch, daß dies nunmehr geschieht, denn die zweite Nummer der betreffenden Wochenschrift ist bereits mit Beschlag belegt worden. Als charakteristisch glaubt das „Fremdenblatt" er wähnen zu sollen, daß dieses Wochenblatt ausschließlich in der französischen und russischen Presse eine reklame artige Vertretung gefunden habe, und daß speziell der Artikel, welcher die Indignation der deutschen Blätter hervorgerufen, und der Kenntniß des österreichischen Publikums durch das Einschreiten der Staatsanwalt schaft rechtzeitig entzogen worden, schon am nächsten Tage vollinhaltlich in dem amtlichen „Dnjewnik Warschawski" abgedruckt worden sei." — In Hamburg ist in der Nacht vom vorigen Freitag zum Sonnabend der Spediteur L. H. Hülse berg ermordet worden, und wird über das entsetz liche Verbrechen Folgendes berichtet: Am Sonnabend Vormittag etwa gegen 10 Uhr kam ein etwa 24jähr. gut gekleideter Mann zu einem am Bahnhof stationirten Hülfsmann und fragte denselben, ob er wohl allein einen ca. 200 Pfund schweren Koffer »ach dem Baaken quai transportiren könne. Als der Hülfsmann dieses bejahte, gab er ihm einen Thaler und beauftragte ihn, den Koffer aus seinem Logis, Altstädter Neustr. Nr. 10, abzuholen. Dies geschah, und die Wirths- leute, der Grünwaarenhändler Thielemann und dessen Frau, nahmen keinen Anstand, den Koffer verabfolgen zu lassen, da der Eigenthümer, ihr Einlogirer, sie damit beauftragt hatte. Letzterer wohnte seit acht Tagen bei ihnen, nannte sich Dau und gab an, aus Frankfurt a. M. zu sein. Am Sonnabend Morgen bezahlte er die Miethe, sowie die für ihn gemachten Auslagen und erklärte seinen WirthSleuten, daß er nach England reisen wolle. Der Arbeitsmann, welcher den Koffer auf einer Karre transportirte, bemerkte schon unterwegs, daß Blut aus dem Boden des Koffers heraussickere. An Ort und Stelle theilte er dem Schuppenaufseher seine Wahrnehmung mit. Auch Letzterer bemerkte bald eine Blutlache auf der Stelle, wo der Koffer gestanden hatte, und nun wurden sofort Beamte der Hafenrunde requirirt. Einer der Beamten ließ den Koffer öffnen, und nun bot sich den Anwesenden ein entsetzlicher Anblick dar. In den Koffer eingezwängt fand man eine männliche Leiche, mit schweren Wunden an der Schläfe, Stirn, am Hinterkopf und am Halse bedeckt. Eine Lokalinspektion in dem oben genannten Logis wurde sofort vorge nommen, und man fand in dem von ihm im Parterre bewohnten Zimmer eine Menge Blutspuren. Die Wirthsleute hatten nicht die geringste Ahnung von dem Verbrechen bezw. von der Verpackung der Leiche. Der Mord dürfte wohl kaum in dem Logis selbst auSgeführt sein. Nach Angabe der Thielcmann'schen Eheleute, welche im Keller wohnen, haben sie in der Nackt vom Freitag auf Sonnabend nichts weiter ver nommen, als häufiges Hin- und Hergehen in dem von Dau im Parterre bewohnten Zimmer. Die Nachbarn über demselben wollen nicht bas geringste Geräusch gehört haben. Während seines Aufenthalts bei der Familie Thielemann kam Dau regelmäßig Abends gegen 8 Uhr nach Hause und verhielt sich überaus ruhig. Am Freitag Abend jedoch kehrte er ausnahmsweise erst gegen 10 Uhr heim. Niemand von den Hausbewohnern will irgend einen Gegenstand bemerkt haben, den er mitgebracht hätte. Man vcr- muthct, daß er die Leiche zur späten Nachtstunde durch eins der Fenster, welche nach der Straße zu liegen, hineinspedirt und sie dann in den Koffer, welchen er schon seit einigen Tagen besaß, eingepackt hat. Unter allen Umständen muß er dabei Helfershelfer gehabt haben. Nachforschungen nach den Thätern sind bisher erfolglos geblieben. Hülseberg ist ca. 44 Jahre alt geworden, hinterläßt Frau, 2 Stiefkinder und eine alte Mutter. Bon allen den Werthsachen, wie Kette, Uhr re. die er angeblich beim Verlassen seiner Wohn ung an sich trug, sowie von dem Geld selbst, das er zum Umwechseln mitgenommen, fand man nichts vor. Hamburg, 25. November, lieber den Mord Hülsebergs entnehmen wir Hamburger Blättern noch Folgendes: Der Leichnam des ermordeten Spe diteurs Hülscbcrg war in den Koffer mit Gewalt hineingcpreßt. worden, denn die Füße schnellten bei Eröffnung des Koffers aus demselben heraus. In dem Koffer, welcher an der Seite die Aufschrift „Kjobenhavn-Hamburg" trug, worunter ein Zettel mit der Bezeichnung „von Rostock nach Warnemünde" geklebt war, fanden sich zwei weiße Taschentücher, gestickt mit den Buchstaben II. II. und ein Brief mit der Adresse H. L. Hülseberg. In Folge dieses Namens wurde der verstümmelte Leichnam von den Polizei offizianten am Brookthor als derjenige des Expedienten für Passagiergnt der Hamburg-Amerikanischen Packet- fahrt-Aktiengesellschaft Hülseberg erkannt. — Der crmordcte Hülseberg hatte in seinem Geschäft einen früheren Steward, der vorgestern Nachmittag im Hause seines Prinzipals erschien und ihn auffordcrte, gegen 9 Uhr mit ihm auf dem Großneumarkt zusam menzutreffen, da ein Bekannter von ihm ein Geld geschäft machen wolle. (Hülseberg soll, wie verlautet, »eben seinem anderweitigen Geschäft auch Wechsel geschäfte betrieben haben.) Bevor er, der Einladung seines Stewards folgend, an dem betreffende» Abend aus seinem Hause ging, hat er zu seiner Frau ge sagt: „3000 M. will ich mitnehmc», die werden wohl genügen", worauf er sich auf den Weg machte. Die Frau, welche krank zu Bette liegt, empfing die Trauer botschaft gestern Nachmittag und bezeichnete ohne Weiteres den Steward als den Mörder ihres Mannes. Derselbe soll in dem gestern Abend bereits angedeute ten Keller in der Altstädter Neustraße gewohnr haben, und zwar in einem Hinterzimmer, welches heute Mittag bei Eröffnung des verschlossenen Raumes keinen Zweifel aufkommen ließ, daß in demselben ein Mord verübt wurde, da Blutspuren nicht allein am Fußboden vorhanden waren, welch' letztere durch eine Tischdecke, die man über sie gebreitet hatte, verdeckt zu werden versucht waren ; es handelt sich nach diesen Jndicien also um einen Raubmord, da die mitge nommenen 3000 Mark wie auch eine goldene Uhr nebst goldener Kette bei der Leiche fehlen. Letztere wurde »ach Besichtigung an der Brookthor-Hafen- polizciwacke durch den Polizei-Arzt Or. Lang in dem Koffer, in ihrer Lage wie dieselbe gesunden wurde, nach dem Kurhause gebracht. Man nimmt hier allgemein an, daß der Mord von mindestens zwei Personen verübt worden sei. Der nach der Angabe der Frau Hülseberg des Mordes verdächtige Steward heißt Staudt und ist aus Gießen gebürtig. Staudt fuhr wiederholt auf