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Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint e Abonnement -SLL-- «Y»rk des Lmtsgmchts TideHock L-LL sertionspreis: die kleinsp. ten, sowie bei allen ReichS- Z°il-i0Pf und dessen Amgeßung. P-sta.stallen Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. SS. I-Hraang. M ISS Donnerstag, den 1. November 1888. Deutschland und Ostafrika. Die deutsche Colonialpolitik ist viel zu jungen Datums, als daß man heute schon von Erfolgen oder Mißerfolgen in derselben reden könnte. Erzeugte es in den sogenannten ..Colonialkreisen" übermäßige Freude, wenn im vorigen und vorvergangenen Jahre Meldungen einliefen, daß da und dort unter fernen Himmelsstrichen die deutsche Flagge gehißt worden sei, so sind die hinkende» Boten nicht ausgcbliebcn: Ab gesehen davon, daß zahlreiche Menschenleben dem un gewohnten Klima der beißen Zone zum Opfer fielen, blieb anch der schnell erhoffte reiche Ertrag der Co lonien aus. Bon Angra Pequena spricht heute kein Mensch mehr und auch Kamerun scheint die hohen Ansprüche nicht zu erfüllen, die man an seinen Be sitz knüpfte. Indessen muß dem gegenüber immer wieder betont werden, daß bei ernsten und mit den einschlägigen Verhältnissen vertrauten Leuten von vornherein die Hoffnung nicht allzugroß war und daß vor Allem keine Hoffnung auf schnelle Ernte aus der ge streuten Saat den Blick trübte. In den Kreisen der Einsichtsvollen, der Hamburger und Bremer Groß- kausteute, der ernsten Forschungsrcisenden war man keinen Augenblick über die Schwierigkeiten der Saat und Ernte im Unklaren und so wird man dort auch durch die betrübenden Nachrichten, welche aus Ost afrika kommen, nicht allzusehr enttäuscht. Wir sind jetzt darüber belehrt worden, daß der Aufstand in Sansibar nicht etwa den Deutschen allein, sondern den Weißen im allgemeinen und der Zivili sation gilt. Seit nahezu einem Jahrtausend „blüht" daselbst der von den Arabern betriebene Sklaven handel, der sich durch das Vorrücken der Kultur in seiner Existenz bedroht sicht und deshalb jetzt den Berzweiflungskampf gegen dieselbe unternimmt. Aber glücklicherweise lehrt uns die Geschichte, daß der Fort schritt des Menschengeschlechts sich nicht dauernd hemmen läßt — und wie die Negcrsklaverei in Amerika abgeschafft und dort jüngst in Brasilien ihre letzte Zufluchtsstätte cingebüßt hat, so wird auch der ara bische Sklavenhandel über kurz oder laug sein Ende finden. Die umfassende Agitation, welche der greise Erz bischof Kardinal Lavigcrie gegen die Negcrsklaverei ins Leben gerufen hat, fällt im Grunde genommen mit den Interessen Deutschlands in Ostafrika eng zusammen. Wollen Deutschland und England in dem Machtbereich ihres Gebiets die Ausfuhr von Sklaven verhindern — Frankreich seinerseits drückt ein Auge zu — so geht das Streben des Kardinals Lavigerie dahin, den Sklavenfang, die Menschen jagden unmöglich zu machen und wenn der greise Kirchenfürst auch vielleicht die dazu nöthigen Mittel zu gering veranschlagt, so bleibt ihm doch das unbe streitbare Verdienst, die Finger in die klaffende Wunde gelegt, ja ihren Umfang, ihre Ausbreitung aller Welt klar vor Augen gerückt zu haben. Ob und welche Mittel die Reichsregierung er greifen wird, um die kaiserlichen Schutzbriefe, welche verschiedene deutsch - ostafrikanische Handelsvereinig ungen besitzen, zur Wirksamkeit zu verhelfen, ist zur Stunde noch nicht bestimmt. In abenteuerliche Politik, wie sie Frankreich in Tonkin und Anam, in Kochinchina und Combodja trieb und treibt, wird sich Deutschland keinesfalls einlassen. Halbe Maßregeln sind nicht nach dem Geschmack unserer leitenden Kreise. Was aber auch geschehen möge, man darf überzeugt sein, daß es nicht nur einigen Kaufmannsfirmcn, sondern der ganzen Kultur zu gute kommt. Der frühere Sultan von Sansibar, der erst vor Kurzem gestorbene Bargasch bcn Said, war selbst kaum etwas anderes als ein Sklaven-Großhändler. Er war der Agent Arabiens und Kleinasiens. Schwer nur und unwillig gab er das glänzende Geschäft auf, um mit Engländern und Deutschen Handelsgeschäfte in anderen „Maaren" zu machen. Sein Nachfolger ist ein aufgeklärter Man», der wohl eher mit den Weißen in guten Beziehungen bleiben möchte, aber — will er seine Autorität bei den Aufständischen nicht ganz einbüßen — dann muß er mindestens den Mantel nach dem Winde hängen. Wohl ist es wahr, daß wir im eigenen Hause noch manche Mißstände auszurottcn, manchem Mangel abzuhelfen haben, aber das darf unser Herz gegen über fremden Leiden nicht verhärten. Deshalb nimmt auch die ganze zivilisirtc Welt lebhaftes Interesse au den ostafrikanischcn Vorgängen und erhofft de» end lichen Sieg für die Zivilisation, welche dem schmäh lichen Sklavenhandel ein Ende bereiten will. Hagesgeschichte. — Deutschland. Die ungnädigen Worte, welche der Kaiser an die ihn begrüßende Berliner Magistrats- und Stadtverordnetcu-Depukation richtete, weil ein Theil der Presse in ungehöriger Weise die Familicnvcrhältnissc des Kaisers besprochen hatte, ga ben Anlaß zu der Bitte um deu authentische» Text dieser Rede. Der letztere ist nun im „Reichs«»zeiger" erschienen und ist darin gegenüber den bisher bekannt gewordenen Lesarten nur die folgende Stelle von Interesse: „Bor allem bäten Se. Majestät sich aus, daß das fortdauernde Citircn Allerhöchst Ihres seligen Vaters gegen Ihre Person endlich unterbleibe. Es verletzt Ihn als Sohn auf das Tiefste und sei un passend im höchsten Grade." — Hamburg, 29. Oktober. Der Kaiser ist heute Mittag 12 Uhr hier eingetroffen und an der Lombardsbrücke von einer Deputation des Senats unter Führung des Oberbürgermeisters IN. Versmann und des Senators i)r. Petersen empfangen worden. Die Fahrt durch die Stadt nach dem Festplatze glich einem Jubelzuge. Wiederholt wurden Blumen von Kindern überreicht. Der Enthusiasmus von Hundert tausenden war unbeschreiblich. Der Kaiser grüßte immerwährend. Nachdem der Kaiser die Tribüne bestiegen hatte, hielt l>r. Versmann eine Ansprache: Majestät »vollen den Dank des Senats und der Ein wohnerschaft Hamburgs dafür entgegennehmen, daß es Majestät gefallen habe, die Stadt durch Ihre Gegen wart zu ehren und der Feier durch die persönliche Theilnahme die rechte Weihe zu geben. Hierauf ward die Schlußstcinurkunde verlesen, in welcher die Be deutung, Entstehung und Vollendung des großen 7jährigen Werkes des Zollanschlnsses geschildert wird. I>r. Versmann schloß: Mit Majestät gnädiger Er- laubniß wird die Inschrift des Steines noch den spätesten Geschlechtern unserer Nachkommen Kunde geben. Sodann ward dem Kaiser Kelle und Hammer überreicht. Mit den Worten: Zur Ehre Gottes, znm Besten des Vaterlandes und zum Wohle Hamburg's, führte der Kaiser den Mörtelwurf und die Hammer schläge aus. Es folgten Moltke, i)r. Versmann, Petersen, Bötticher. Nach Beendigung der Feier fand eine Hafen-Elbefahrt statt. Hierauf reiste der 2No- narch zum Reichskanzler nach Friedrichsruh, woselbst er Abends nach 7 Uhr eintraf und übernachtete. — Die kürzlich von verschiedene»» Blättern ge brachte Mittheilung, daß Kaiser Wilhelm die Ab sicht habe, auch den Höfen in Madrid und Lissabon einen Besuch abzustatten, können »vir dahin ergänzen, daß die gleiche Absicht in Bezug auf den Sultan besteht. Während seines Wiener Aufenthaltes hat Kaiser Wilhelm dem dortigen türkischen Botschafter gegenüber sein herzliches Bedauern darüber ausge drückt, daß die Zeit es ihm nicht erlaube, seine Reise bis nach Konstantinopel auszudehnen, daß er aber das Versäumte demnächst nachzuholen hoffe. Uebcr den Zeitpunkt dieser dritten Rundreise des deutschen Kaisers ist natürlich noch Nichts festgesetzt. Sie wird vor dem nächsten Frühjahr sicher nicht stattfinden und dann höchst wahrscheinlich auf dem Wasserwege zurückgelegt werden. — Die Stadt Hünfeld im Regierungsbezirk Kassel ist am 29. Oktober von einem schweren Brand unglück heimgesucht worden. Durch dasselbe sind 300 Gebäude d. h. drei Viertel der Stadt in Asche gelegt. Hersfelder Militär und dreißig Feuerwehren aus der ganzen Umgegend waren ausgcboten, das Rathhaus, die Reichspost, alle Schule»» und Apo theken sind eingeäschert. Die Kirchen sind unversehrt. Alle Scheunen waren vollgepfropft. Die Verwüst ungen, die das Clement angerichtet, sind entsetzlich, vaS Elend nnbeschrciblich. Mangel an Lebensmitteln stellt sich ein. 2000 Menschen sind obrachlos. — Aus zuverlässiger Quelle hören die „Berl. Pol. Nachr.", daß bei dem Statthalter in Elsaß- Lothringen zahlreiche Gesuche von franzö sischen Offizieren wegen Ertheilnng der Er- laubniß zum Aufenthalt ii» Clsaß-Lothringen cingehen. Diese Gesuche werden gewöhnlich damit motivirt, daß die Betreffenden Verwandte in den Reichslanden be suchen wollen. — Frankreich. Die Vermählung der Tochter des Generals Boulanger »nit einem Hauptmann der Armee hat am 29. v. Mts. stattgcfunden. Seit 9 Uhr Vormittags hatten sich große Menschcnmassen vor dem Hause Boulangers versammelt. Die Rue Chaillot, in der die Kirche liegt, wo die Trauung abgehalten wurde, war poli zeilich abgesperrt worden. Tausende belagerten die Zugänge der Straße. Bereits um 11 Uhr war die Kirche überfüllt. Gegen 1 Uhr erschienen Boulanger i»» Generalsuniform »nit dem Bande der Ehrenlegion, seine Tochter neben ihm zu Pferde, die Reit peitsche in der Hand, den Myrthen- kranz iin Haar. Tausendstimmiger Jubel be grüßte Beide. Die Zeremonie verlief im Ganzen ruhig. Boulanger und die Hochzeitsgäste verließen gegen 4 Uhr die Wohnung des Generals. Unter wegs wechselten Hochrufe mit Zischen und Pfeifen. Die Polizei trat indessen sehr nachdrücklich aus uud verhaftete etwa 20 Personen. Bei der Rück kehr vom Standesamt veranlaßte die Polizei de»» Hochzeitszug, eine»» andern Weg als den ursprünglich gewählten zu nehmen. Die Offiziere, welche der Feier in Uniform anwohnten, gehörten der Reserve an. General Saussier hatte nämlich einen Corps befehl erlassen, der den Offizieren streng untersagte, der Hochzeit von Boulanger's Tochter beizuwohnen. — Rußland. Uebcr ein geplantes Attentat auf den Czaren während dessen Besuch iin Kau kasus wird über London gemeldet. Der Czar sei in Kutais mit genauer Roth der Gefahr cutgangen, ermordet zu werden. Wenige Minuten vor seiner Ankunft wurde iu der Volksmenge ein Kosak vom Kuba»» in Offiziersuniform verhaftet, der Dynamit bombe»» bei sich trug. Derselbe ist Mitglied einer südrussischen revolutionären Gesellschaft und beauf tragt, den Kaiser zu ermorden. Bei seiner Verhaftung leistete er keinen Widerstand, versuchte aber gleich nachher, sich zu vergiften, was jedoch verhindert wurde. — Ob obige Nachricht beglaubigt ist, kam» nicht verbürgt werden; dagegen zeigt die folgende Meldung, daß aus der Czarenfahrt nicht alles so in Ordnung war, wie es sein sollte: Auf der Strecke Kursk-Asow entgleiste die zweite Lokomotive und vier Waggons des kaiserlichen Extrazugcs. Der Kaiser und sei»» Gefolge blieben unversehrt. Die Vermuthung, daß ein Bubenstück die Entgleisung herbcifijhrte, liegt nahe. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 1. November. Gestern Abend gegen 9 Uhr wurde Hierselbst in der Richtung nach Oberschönheide ein F e u e r s ch e i n beobachtet. Wie »vir erfahren, soll das Feuer in Rothenkirchen gewesen und Wirtschaftsgebäude und Scheune des Gutsbesitzer Herm. Baumgärtel niedergebrannt sein. — Eibenstock. Wie aus dem Jnseratentheil ersichtlich, hält der hies. Kreuzbrüderverein am 4. 'November im Saale des „Deutschen Hauses" sein diesjähriges Stiftungsfest ab. Erfreulich ist es zu sehen, daß in diesem Verein das Streben für werk- thätige Nächstenliebe ein immer reges bleibt. Schon manche Roth und Armuth ist im Stillen vom Kreuz brüdertisch gemildert worden. Viele Hilfsbedürftige erhalten vom Verein nicht nur zu Weihnachten Geld geschenke, sondern die Kreuzbrüder sind auch außer der Zeit stets gerne hilfsbereit. Die Mittel hierzu bringen die Mitglieder hauptsächlich unter sich selbst und durch Ucberschüsse, welche bei Vereinsvergnügen