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Amts- und Anzeigeblntt für den Erscheint , >4^ e Abonnement LSLL-- «eyrk des Amtsgerichts Libenjlock WM- sertionSpreiS: die kleinsp. ten, sowie bei allen ReichS- Zeile io Pf und dessen Amgeöung. P°st-nst-lten Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. 35. Jayrgang. 111 Donnerstag, den 20. September 1888. Löscher Bg. Bekanntmachung. Am 30. d. Mts. sind die Einkommensteuer« auf den zweiten und die Landrenten auf den dritten Termin d. I. fällig und sind erstere bis spätestens zum 22., letztere bis spätestens zum 6. October d. I. bei Vermeidung der gesetzlich vorgeschriebenen Zwangsmittel in hiesiger Stadtsteuer-Ein nahme zu bezahlen. Eibenstock, am 19. September 1888. Dkl Tslkkksl'llsb Das verderbliche Wesen der Börsen spekulation, die Entartung des Geld- und Waarenhandels, ist schon wiederholt gekennzeichnet worden. Das sogen. Termingeschäft ist ein Glücks- und Zufall-Spiel ge worden und ein wahrer Fluch für unseren Handel und Allem, was davon abhängt. Der glückliche Spie ler streicht den Unterschied, die „Differenz" des Bör- senwerthes, den am Verfalltage, „Termine", die ge- oder verkaufte Waare gegen den Geschäftsabschluß des Meinungs-Kaufs oder Meinungs-Verkaufs hatte, als Gewinnst ein, der unglückliche Spieler bezahlt den Unterschied, den dauernden Schaden hat der Na tionalwohlstand, die wahren Verluste trägt die große Menge. Man spekulirt mit Massen von einem Pa pier oder einer Waare, ganz gleichgiltig, ob Papier oder Waare vorhanden oder nicht. Zeitweilig giebt es auf allen Börsenplätzen oder auf der ganzen Erde bei Weitem nicht so viel Stück Aktien oder Kilogramm Getreide, als an einem einzigen Ultimo ge- oder ver kauft werden. Dieses Börsenspiel des Terminhandels blüht schon lange auf dem Effektenmärkte (im Geld handel); von den Maaren (Produkten) unterlag na mentlich das Hauptnahrungsmittel des Volkes, das Getreide, den wilden Preisschwankungen, die mit dem Termingeschäfte verbunden sind; in geringerem Maße auch Raps, Petroleum u. s. w. Kaffee war bis vor einigen Jahren in Deutschland wenigstens von dieser Art der Terminspekulation verschont geblieben. Diese hatte ihren Sitz im Auslande, in Paris, New-Jork und vornehmlich in Havre, wo sich infolge dessen auch zahlreiche deutsche Kaffeefirmen ansässig gemacht hatten. In Hamburg, wo seit Jahrhunderten ein auf sicherem Grunde beruhendes, sehr gedeihliches Kaffee geschäft bestand, fing man an, sich mit dem guten und reichlichen Gewinne desselben nicht zu begnügen. Die Hamburger Kaffeegeschäste sanden es zu umständlich, ihre Spekulationen telegraphisch in Havre vorzuneh men; sie richteten in Hamburg eine eigene große Kaffeebörse ein. Im Juni vorigen Jahres wurde die „Maaren-Liquidationskasse" in Hamburg eröffnet. Sofort erreichten mittels des Termingeschäftes die Umsätze in Kaffee eine schwindelnde Höhe. In der Zeit vom 11. Juni bis 19. Novbr. 1887 wurden in Hamburg 5,147,500 Säcke Kaffee gehandelt, während in derselben Zeit in den Vorjahren ver solide Kaffee handel nur einen Umsatz von 694,000 Säcken er geben hatte. In den beiden letzten Monaten des Vorjahres betrug der durchschnittliche Tagesumsatz in Terminkaffee 60,900 Säcke, der wirkliche nur 2,600. Diese gewaltigen Massen zum Handelsge genstand gemachten, aber nicht vorhandenen Kaffees werden von Spekulanten künstlich geschaffen durch eine Nachfrage, die über die Bedürfnisse des Ver brauchs weit hinausgeht. Damit wurde eine er staunliche Steigerung des Kaffeepreises hervorgebracht. Diese Spielwuth hat sich besonders auf die billi geren Kaffeesorten gestürzt, die für den Massen bedarf des Volkes bestimmt sind. Hier ein Beispiel. Am 5. Juli hatte der Santos- Kaffee einen Preis von 59 Pfg. pro Pfund, am 3. September stand er auf 81 Pfg. und 4 Tage später wurde er auf 185 Pfg. hinaufgetrieben, also in einem Vierteljahre mehr als verdreifacht. An dem einen Tage, dem 6. Sept., schnellte er von Mittags, wo er zu 92 notirte, bis zum Abend auf 130 empor. Eine solche Kurserhöhung bedeutet auf das kleinste gehan delte Quantum von 500 Säcken eine Differenz von über 21,000 Mark. Man wird zugebcn müssen, so schreibt selbst die „Hamburger Börsen-Halle", daß bei solchen Schwankungen von einem Tage zum andern von einem Geschäft gar nicht mehr die Rede sein kann, sondern daß hier nur noch die Bezeichnung einer „wilden Conjuncturbewegung" übrig bleibt. Der Grund für diese beispiellose Hausse besteht darin, daß kolossale Mengen Kaffee per September in Blanko verkauft, man nennt es: gefixt worden sind, welche jetzt eingedeckt werden müssen; es geschah dies schon in den letzten Augusttagen mit den erheblichsten Opfern seitens des Baissiers, und seit Begin» diese Monats scheinen die Bassiers nicht blos Geld, sondern auch den Kopf zu verlieren. Es fand in Kaffee Das statt, was der Börsen-Rothwelsch „eine Schwänge" nennt, d. h. diejenigen Spekulanten, welche Kaffee verkauft hatten, den sie nicht besaßen und die ihn am Verfall tage in natura liefern sollen, müssen, da sie das nicht können (weil es ja gar nicht so viel Kaffee auf Erden giebt, als sie verkauften), Alles, was sie an Kaffee bekommen können, zusammenkaufen, koste es, was es wolle. Daher wurden mehrere Waggons bereits in Hamburg nach Kassel verkauften und versteuerten Santos-Kaffees zu verdoppelten Preisen zurückverkauft und gingen per Eilfracht nach Hamburg zurück. Die Spekulationskäufe an sich vertheuern nicht blos den Preis des Kaffees, der Kaffee wird noch theurer durch die gewaltigen Beträge von Provisionen und Unkosten aller Art, welche das Termingeschäft verursacht. Bei einem Durchschnittspreise von 70 Pfg. verursacht der Kans und Verkauf von 1000 Säcken Terminkaffee 1477 Mark Provisionen und Unkosten. Da nun jährlich auf diese Weise 10—12 Mill. Sack nicht vorhandenen Kaffees ge- und verkauft werden, hat man die dadurch entstehenden Unkosten auf 17 bis 18 Mill. Mark zu veranschlagen. Etliche Dutzend von Personen besitzen also die Macht, auf den Kaffee einen Zoll von über 17 Mill, zu legen. Das Volk hat diese neue Steuer zu bezahlen, ohne daß es auch nur darum gefragt würde. Wir sind mit den „Dr. Nachr." der Ansicht: Wenn das Reich den Kaffeezoll um diesen Betrag erhöhte, welches Geschrei würde sich in den deutschfreisinnigen und sozialdemo kratischen Blättern erheben! Und doch käme der Ertrag nur der Gesammtheit der Steuerzahler zu Gute; das Reich machte doch davon nur einen nützlichen Gebrauch für das allgemeine Beste. Hier aber, wo nur ein halbes Schock Börsianer dem Volke eine neue Kaffeesteuer auflegt, schweigen diese edlen Zeitungen darüber mäuschenstill. Der Staat sollte schleunigst einschreiten und dieses Kasfee-Termingeschäst einfach verbieten. — Hagesgeschichle. — Deutschland. Die Romfahrt Kaiser Wilhelms steht jetzt im Vordergrund der Betracht ungen. In ganz eigenartiger Weise soll, wie der „Popolo Romano" meldet, der deutsche Kaiser bei seinem Besuch am Tiber überrascht werden: Man hat die Absicht, ihm zu Ehren eine besondere archäologische Ausgrabung auf dem Palatin zu veranstalten, und zwar in der Weise, daß der Monarch auf dem hochinteressanten Aussichtspunkte, der vor Jahrtausenden den Lieblingsaufenthalt des Kaisers Augustus bildete, selbst den ersten Spatenstich thun soll. Die Planirungsarbeiten an der südlichen Seite des Palatin werden noch in aller Eile in An griff genommen. Der Präfekt von Rom und der Oberbürgermeister Marquis von Guiccioli haben sich mit dem Kunstministerium schon darüber verständigt. An der Stelle, wo der deutsche Kaiser den Spaten stich im Interesse von Kunst und Wissenschaft thun wird, soll ein Marmordenkmal mit einer sinnigen Aufschrift errichtet werden, und zwar gewidmet von der „6itta Ltorna all' Imperator« Ouglielmo II." Der Vorschlag stammte von dem italienischen Exmi nister Guido Baccelli, dem größten, jetzt lebenden Arzte Italiens. Inzwischen hat das italienische Kriegs ministerium das Programm für die Kaiserrevuc end gültig fcstgcstcllt. Es werden daran thcilnehmen 322,000 Mann mit 4656 Pferden, 126 Geschützen, darunter 108 Feld- und 18 Gebirgsgcschützc. Ebenso ist bereits das Programm für die Flottenrevue in Neapel genehmigt worden. Zu derselben wird das gesammte levantinische Geschwader, welches jetzt im Piräus liegt, zurückberufen. Außervcm soll das ko lossale Panzerschiff „Italia" mit einer starken Tor- pedoflottc zur Stelle sein. Inzwischen wird offiziös bestätigt, daß der Kaiser sich jedwede Festlichkeit, welche nicht ernster Natur ist, mit Rücksicht auf seine Trauer verbeten hat. Außer dem großen Empfang auf dem Kapitol wird auf der Piazza del Popolo ein großes Monstrekonzcrt mit Fackclzng stattfinden. Unter dem mächtigen Obelisken, welcher diesen uralten Platz über ragt, wird die kaiserliche Tribüne, die ganz mit Pur pur ausgcschlagen wird, erbaut, und zwar mit der Aussicht auf den herrlich gelegenen, terrassenförmig cmporsteigendcn Monte Pincio. Ferner werden Fo rum Romanum uuv Colosseum, sowie die sieben histor ischen Hügel bengalisch beleuchtet werden. Die sog. Girandöla auf der Engclsburg dagegen wird aus fallen. — Der österreichisch-ungarische Minister des Aeußern, Graf Kalnoky, ist zu einem mehrtägigen Besuch des Fürsten Bismarck in Friedrichsruhe eingetroffen. Hierzu bemerken die „B. P. N.": „Die Reihe der diesjährigen Staatsmänner-Zusammcnkünfte dürfte durch den Besuch des Grafen Kalnoky in Friedrichsruhe aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ab schluß erhalten. Mit Recht wird aus der regelmäßigen alljährlichen Wiederkehr dieser Zusammenkunft der Schluß abgeleitet, daß sie einem naturgemäßen Bedürf- nisscdes persönlichen Gedankenaustausches der am Ruder des Weltfriedens stehenden verantwortlichen Leiter der mitteleuropäischen Politik entspringen, daß sonach durch aus kein zwingender Anlaß, jetzt so wenig als zu irgend einem früheren Zeitpunkte vorhanden ist, nach außerge wöhnlichen Triebfedern zu forschen. Wohl sind im Laufe gerade dieses Jahres schwere Schickungen speziell über Deutschland hereingebrochen, Schickungen, die, wenn das Gebäude unserer nationalen Einheit und Macht minder fest gefügt gewesen wäre, die Aufrechterhalt ung des Friedens vielleicht in Frage zu stellen ver mocht hätten; dank dem stetigen und einheitlichen Entwickelungsgange der inneren wie der äußeren Aktion des Reiches inmitten einer nur durch höchste Vorsicht zu bewältigenden Konjunktur gelang es, das Fahrzeug der deutschen Staatskunst in seinem nor malen Laufe fortzustcuern. Heute darf der Politiker wie der Laie voller Genugthuung auf die Leistungen der letztverflossenen Monate blicken. Der mittel europäische Friedensbund hat seine internationalen Aufgaben während der kritischen Periode des laufen den Jahres glänzend gelöst und sich für kommende Tage ein sehr stattliches Konto moralischen Kredits eröffnet. Was immer auch zwischen dem Reichskanzler und seinem illustren Gast in Friedrichsruhe besprochen werden möge, man darf sicher sein, daß cs nichts von Zweifeln an der Leistungsfähigkeit des Friedens bundes oder von der Sorge um seine Bewährung auch in der Zukunft an sich tragen wird." — Aus Bähe rn schreibt man der „N. A. Ztg.": In der Geschichte Bayerns wird der Besuch der Pfalz durch den Prinz-Regenten Luitpold