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Amts- und Anzeigeblatt lüe bea Abonnement Semk des Amtsgerichts Cibenstock tag und Sonnabend. In- < /<? ten, sowie bei allen ReichS- sertionSprei«: die kleinsp. . . «» Postanstalten. » -und dessen Ztmgevung. Verantwortlicher Redacteur: E. Hanncbohn in Eibenstock. —— SL. Aasrga»«. ' 8. Donnerstag, den 19. Januar 1888. Französische Zustände. Der französische Ministerrath hat am Dienstag vor. Woche beschlossen, den Untersuchungsrichter Vig- neau seine« Amte« zu entheben. Da« Telegramm, welche« diese Nachricht überbrachte, fügt dieser Meld ung hinzu: „Vigneau hat die Untersuchung gegen Wilson geführt und im Uebermaß de« Eifer«, so sagt man, hochstehende Personen bloßgestellt." Diese Meldung hat eine sehr ernste und eine sehr lächerliche Seite. Die ernste ist, daß man überhaupt einen Untersuchungsrichter absetzt. Abgesehen von dem — hier übrigens nicht vorliegenden — Falle, daß ein Richter feine« hohen Amt« nachweislich ge wissenlos wallet, gilt bei allen zivilisirten Völkern — die Franzosen ausgenommen — die Unabsetzbarkeit der Richter a!« Fundamental-RechtSzrundsatz. Der Richter soll nicht von der Regierung abhängig sein, sondern den Gesetzen und seinem Gewissen gemäß ohne Ansehen der Person Recht sprechen bezw. da« Recht zu ergründen suchen. Dieser hohen Aufgabe würde der Richter nicht in allen Fällen nachkommen können, wenn er fürchten müßte, daß etwa sein höheren Ort« nicht angenehmer Rechtsspruch ihn persönlich in Ungelegcnheiten, womöglich um Amt und Brot bringen könnte. In Deutschland beispielsweise hat man da« oberste Tribunal, da« Reichsgericht, nicht in Berlin, sondern in Leipzig errichtet, um so gewisser maßen auch die rein gesellschaftliche Einwirkung der hohen ReichSverwaltnngSbeamten aus die Mitglieder des höchsten Gericht«, allem Volke erkennbar, au»zu- schließen. In Frankreich dagegen, in der Republik, hat die jeweilig am giuder befindliche Regierung in diesem Falle nicht zum ersten Male einen Richter abgesetzt. Im Jahre 1882 wurde der gesammte fran zösische Richterstand durchgesiebt und mehrere Hundert Richter, deren republikanische Gesinnung zweifelhaft war, wurden „in Ruhestand" versetzt. Da« ist die ernste Seite der Meldung. Wir kommen nun zu der lächerlichen: Herr Vig- neau hat im Uebereifer mehrere hochstehende Personen bloßgestellt. Er wäre nicht lächerlich, wenn darin eine Bestätigung de« Sprichwort« zu finden wäre, nach welchem man die kleinen Diebe hängt, die großen aber laufen läßt. So liegt die'Sache aber in Wirk lichkeit nicht, denn im vergangenen Jahre hat man in Paris einen Grasen und Senator und einen Ge neral (d'Andlau und Caffarell) ohne Rücksicht auf ihre hohe Stellung von Gerichtswegen und mit Zu stimmung der Regierung an den Pranger der öffent lichen Verachtung gestellt. WaS sind denn in Frank reich „hochstehende Personen" ? Wer kann unter dieser Bezeichnung im vorliegenden Falle verstanden werden? Die Mitglieder der kaiserlichen und der königlichen Familie, welche über Frankreich geherrscht haben, nicht! Denn erstens sind sie auSgewiesen und zweitens würde die republikanische Regierung gar keinen Anlaß haben, sie zu schonen. Sollten vormalige Minister gemeint sein, deren e« in Frankreich weit über hundert giebt? Ebensowenig! Denn wer augenblicklich in Frankreich Minister ist, schont keinen Vorgänger, der ja immer noch Nebenhuhler ist. Boulanger schonte Lewal nicht, Ferron schonte Boulangcr nicht! Grevh ist schon während seiner Präsidentschaft nicht geschont worden! Ist ihm doch neben vielem andern von radikaler Seite der Vorwurf gemacht worden, daß er gegen reichliche Geldentschädigung von seinem Begnadigungsrechte Ge brauch gemacht habe. Wer also in aller Welt sind nur jene „hoch stehenden Personen"? Wenn man in Frankreich die höchste Staat-person, den Präsidenten ungestraft mit Svth bewirft, wenn man den Schwiegersohn diese» Präsidenten bezichtigt, seinen Einfluß in schnöder und schamloser Weise zu zweideutigen Geschäften mißbraucht zu haben, wenn man einen General überführt, mit einem verkommenen Frauenzimmer Durchstechereien und Wechselschiebungen verübt zu haben, wenn man einen Grafen und Senator überführt zu haben glaubt, daß derselbe OrdenSschacher getrieben — dann sollte man doch wahrhaftig nicht so prüde sein und einen Untersuchungsrichter entlassen, weil dieser mit fester Hand und wie e« seine- Amte- ist, in ein Wespen nest greift! Tagesgeschichte. — Deutschland. Die europäische Lage und die Krieg«- und FriedenSauS sichten sind sel ten so gründlich erörtert worden, wie in den letzten Wochen. DaS ist schon an und für sich ein bedenk- f liche« Zeichen. Denn da« Wort, da- von den Frauen gilt, hat auch auf den Frieden Bezug, daß nämlich jener Friede der beste ist, der am wenigsten von sich rede» macht. Wir haben aber jetzt einen Frieden, dessen Niemand recht froh werden kann. Darüber können alle sorglich in Schießbaumwolle eingehüllten Friedensbetrachtungen nicht hinweghelfen. — Da« Eintreffen dcS Fürsten Bismarck in Berlin, welche« für die Mitte dieser Woche in Aussicht gestellt war, scheint noch weiter hinauSgeschoben zu sein. Dem Erscheinen de« Reichskanzler« im Reichstage sieht man mit um so größerer Erwartung entgegen, al« man hofft, über die in mancher Beziehung ganz un verständliche Situation aufgeklärt zu werden. Die diplomatischen Rälhsel aufzulösen, die dem Publikum jeden Tag von Neuem vorgelegt werden, wird dasselbe je länger je weniger im Stande; wenig erfreulich ist auch die Lage der Industrie, welche sich auf die Cam pagne deS Sommers und Herbstes vorbereitcn soll und die gegenüber dem Geflimmer widersprechender Nachrichten ihren Weg immer schwerer zu finden vermag. — Au« San Remo wird gemeldet: Den som merlichen Tagen der vorigen Woche ist Winterwettcr mit Sturm und Regen gefolgt und demgemäß ist der Kronprinz, dessen Befinden übrigens den Verhält nissen entsprechend ein befriedigendes ist, einige Tage nicht ausgegangen. Doch melden bereit« Depeschen vom 16. Januar: Seit gestern liegt auf den Bergen Schnee, heute ist klarer Himmel. Der Kronprinz unternahm Vormittag« einen Spaziergang und em pfing Mittag« die Offiziere eine« heute angekom menen Avisovampfer«. — Da« Sozialistengesetz, welche« dem Reichstage zugegangen ist, beantragt die Verlängerung bis zum 30. September 1893 und außerdem folgende Verschärfungen de« bestehenden Gesetze«: Die Ver breitung einer verbotenen Druckschrift soll fortan mit Geldstrafe di« zu 1000 Mark oder Gefängniß bi« zu einem Jahre bestraft werden. Gegen Personen, welche sich die sozialdemokratische Agitation zum Geschäft machen, ist auf Gefängniß nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Neben der Freiheitsstrafe kann auf die Zulässigkeit der Einschränkung ihre« Aufenthalts er kannt werden. Auch wegen Betheiligung an einer geheimen sozialdemokratischen Verbindung kann auf Zulässigkeit der Einschränkung de« Aufenthalt« er kannt werden und zugleich aus Entziehung der StaatS- Angehörigkeit. Durch ein solches Erkenntniß erhält die Centralbehörde de« Heimathsstaate« des Verur- theilten die Befugniß, den letzteren seiner Staatsan gehörigkeit für verlustig zu erklären und aus dem Bundesgebiete auszuweisen. Da« Erkenntniß begrün det gleichzeitig für die Lande«poli;eibehörde die Be fugniß zur Beschränkung de« Aufenthalt« de« Ver- urtheilten. Personen, welche ihrer Staatsangehörigkeit in einem Bunde«staat verlustig erklärt worden sind, verlieren dieselbe auch in jedem anderen Bundesstaate und können ohne Genehmigung de« BundeSralh« in keinem Bundesstaate die Staatsangehörigkeit von neuem erwerben. Wer ohne Erlaubniß zurückkehrt, wird mit Gefängniß von einem Monat bi« zu drei Jahren bestraft. Die Betheiligung eine« Deutschen an einer sozialdemokratischen Versammlung außerhalb de« Bundesgebiet« ist mit Gefängniß zu bestrafen. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Zulässigkeit der Entziehung der Staatsangehörigkeit erkannt werden. — Die Motive zum Sozialisten-Gesetz weisen darauf hin, daß die sozialdemokratische Partei nach wie vor streng geschlossen geblieben ist. Die derselben au« dem Au-lande namentlich au« den Bereinigten Staaten von Nordamerika reichlich zuge flossenen Geldmittel legten offenbar den Zusammen hang der deutschen Sozialdemokraten mit den Um sturzparteien der anderen Länder dar. Nirgend« wären Anzeichen bemerkbar, daß sich au« der Sozialdemo kratie eine auf dem Boden der bestehenden StaatS- und Gesellschaftsordnung stellende Resormpartci her- auSbilden werde. Trotz aller Anstrengungen war e» bisher unmöglich, der Verbreitung sozialdemokratischer Druckschriften entgegen zu treten. Die hiergegen zu treffenden Maßregeln dürften nicht blo« diejenigen treffen, welche au« dem Vertrieb der sozialdemokratischen Zeitungen ein Geschäft machen, sondern in gleicher Weise auch diejenigen, welche Verbindungen angehören, deren ausgesprochener Zweck darauf gerichtet ist, der Parteipresse unter den Arbeitern Eingang zu verschaffen. Die vorgeschlagene ExpatriirungSmaßregel wird damit motivirt, daß die nach dem Sozialistengesetz Au«ge- wiescnen ihre Agitationen am neuen Aufenthaltsorte oft in verstärktem Maße wieder ausnehmen und die selbe damit häufig in Gegenden verpflanzten, welche bisher von der Propaganda wenig oder gar nicht be rührt worden sind, und daß diejenigen, welche die Existenzbedingungen de« Staate« verneinen und für den Umsturz der Staat«- und Gesellschaftsordnung berufsmäßig wirken, nicht beanspruchen dürfen, noch weiter Angehörige eines Staate« zu sein. Als Cautel gegen eine zu weitgehende Anwendung der Maßregel sei es anzusehen, daß die Expatriirung nur dann be schlossen werden darf, wenn auf Zulässigkeit derselben durch den ordentlichen Richter erkannt wird. — Die „Hamburger Nachrichten" glauben, als „symptomatisch bemerkenswerth registriren zu müssen", daß der „Reichsanzeiger", der sonst niemals Aus lassungen über die auswärtige Lage in seine Rubrik „ZeitungSstimmcn" ausnehme, daselbst einen Artikel der „Schlesischen Zeitung", betitelt „Ver trauen in den Frieren" abgedruckt habe. — In diesem Artikel war das dem Fürsten Bismarck in den Mund gelegte Wort „Lassen Sie sich nicht verblüffen" zitirt, und des Weiteren auSgefübrt, daß die Lage der Dinge wahrlich dazu angethan sei, das Vertrauen in den Frieden zu befestigen. Die „Schlesische Zeitung" ist wie jedes andere Blatt berechtigt, ihre Ansichten über die Lage zu haben und au«zusprechen, doch tritt die „Nordd. AUg. Ztg." auf Grund von ihr eingezogenen Erkundigungen der Auffassung der „Hamburger Nach richten", welche au« dem Umstande, daß der „Reichs anzeiger" den Artikel der „Schlesischen Zeitung" re- provuzirt hat, folgern will, die Auslassungen der „Schlesischen Zeitung" seien von amtlicher Seite sanktionirt woroen, entgegen. — Bulgarien. Die säbelrassclnde Ansprache, welche Prinz Ferdinand am NeujahrStage in Sofia an da« Osfizierkorp« gerichtet, hat überall und auch in Wien einen ungünstigen Eindruck gemacht, der begreiflich ist, besonder« wenn die LeSart richtig ist, daß der Prinz davon gesprochen habe, möglicher weise noch in diesem Jahre da« Schwert ziehen zu müssen. Man sollte meinen, daß Prinz Ferdinand, wenn er nicht die Verhältnisse vollkommen verkennt und sich der Illusion htngiebt, daß irgend eine Macht um seiner Person willen sich in einen Krieg einlassen könnte, alle Ursache hätte, derlei herausfordernde Reden zu vermeiden. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 18. Januar. Die gestern Abend stattgehabte Vorstellung de« Hypnotiseur Albin Krause halte ein zahlreiche« Publikum angelockt, da« dem Vorträge und den Experimenten desselben mit großem Interesse folgte. Zum Unterschied von den Hansen'schen Darstellungen gab Herr Krause zu allen seinen Experimenten die nöthigen Erklärungen, welche jeden Zweifel darüber «»«schließen, daß die Vorführungen de« genannten Herrn mit irgend wel chem' Geheimnisse umwoben seien. Um die Sinnes organe der Versuchspersonen einzuschläsern, bediente Herr Krause sich auch nicht der prismatischen Gläser, sondern ließ jedem Einzelnen die Wahl unter irgend einem ihm gehörigen Gegenstände, welcher eine ähn liche Wirkung hervorzubringen im Stande ist. Nach dem die Starre der Gesichtsnerven und KvrpermuS-