Volltext Seite (XML)
Amts- und Anzeigevlatt für den Bezirk des Amtsgerichts Eibenstock und dessen Umgebung «8 18S1 Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Jn- sertionspreiS: die kleinsp. Zeile lO Pf. Abonnement viertel,. 1 M. 20 Pf. (incl. Jllustr. Unterhaltbl.) in der Expedition, bei unfern Bo ten, sowie bei alle» ReichS- Postanstalten. Verantwortlicher Redakteur: E. Hannebohn in Eibenstock. »8. I-Hrg«««. Donnerstag, den 11. Juni Gras-Versteigerung. Die diesjährige GraSnutzung auf den Kunstwiesen, und zwar: i) vom Auersöerger Wevier: 11t. s. am Zimmersacher, 11t. k. (Roßbach-, Reichel- und Colditzwiese), 11t. x. (Reichelwiese), 11t. r. (TammSwiese, Granpners Grund und Götzwiese); 2) vom Sosaer Wevier: 11t. UL. an der kleinen Bockau und 3) vom Wockauer HLevier: 11t. u. rechts der Mulde an der Spitzleithe Donnerstag, den 18. Juni 1891 gegen sofortige Bezahlung und unter den vor Beginn der Auktion be kannt zn gebenden Bedingungen meistbietend versteigert werden. Zusammenkunft: früh 8 Uhr am sogenannten Kunz'schen Gute bei Eibenstock, Borm. 11 Uhr am Zimmersacher, Nachm. 4 Uhr an der Spitzleithe bei Blauenthal. Jngleichen soll die Grasnutzung vom Auersöerger Werner: 11b. u. (Großmanns Wiese nnd Großmannsankauf) Freitag, den 19. Juni 1891 Nachmittags 4 Uhr zur Versteigerung gelangen. Zusammenkunft r Großmannswiese. Königliche Verwaltung der Kunstwiescn und Königliches Forstrcntamt Eibenstock, Gläsel. am 8. Juni 1891. Wolsframm. Nachträgliches zum Ueberfall auf den Orientzug. Die von den türkischen Räubern fortgeschleppten deutschen Passagiere des geplünderten Orientzuges l'ind nunmehr endlich frei. Diese freudige Nachricht ist Montag Nachmittag in einem Telegramm der kaiserlichen Botschaft in Konstantinopel nach Berlin gelangt. Es ist hinzugefügt, daß sämmtliche Gefangene befreit sind und sich auf dem Wege nach Kirkilisse befinden. Wie ein vorher eingetroffene« Telegramm besagt, wäre der Maschinist Freudinger bereits Sonn abend Nachmittag ans Kirkilisse mit vier Begleitern abgeritten, um durch Uebergabe des Lösegeldes die Gefangenen zu befreien. Die Verhandlungen mit den Räubern scheinen sich nun glatt abgewickelt zn haben, denn Freudinger konnte mit den Räubern frühestens Sonntag zusammengetroffen sein. Die Rückkehr Freudinger'S mit den Befreiten nach Kirki lisse wurde für Dienstag Abend erwartet. Dieser ungewöhnliche Vorfall hat in Deutschland und über dessen Grenzen hinaus das größte Aufsehen erregt und theilen wir aus den Vorkommnissen, wie sie sich während des Ueberfalles und nach demselben gestaltet haben, unfern Lesern noch folgendes mit: Von dem Ueberfall des Orientzugs selbst konnten am Sonnabend Nachmittag im „Amalienhof" in Dresden die Gäste Näheres von einem Augenzeugen hören und zwar von einem Mitglicde der Stangen- schen Reisegesellschaft, Herrn Mehlis aus Zörbig, den verschiedene Herren aus Blasewitz begrüßten.und beglückwünschten. Derselbe erzählte interessante Ein zelheiten von dem Ueberfall. Der Capitano recte Räuberhauptmann sei ein schöner Mann von impo- nirender Gestalt. Der Ueberfall war ganz ausge zeichnet arrangirt, selbst die erforderlichen Pechfackeln waren in Menge vorhanden. Als die Reisenden dem Capitano ihre Uhren und Ketten einhändigten, ließ dieser jede einzelne derselben durch die Hand gleiten und gab sie dann seinem Begleiter. Doch behielt man nur die goldenen ; silberne wurden zurückgegeben, auch Geld nahmen die Räuber nicht. Der Capitano sah nur flüchtig hinein in die seitens der Reisenden überreichten Börsen, dann gab er sie zurück. Die größeren Summen hatten die Reisenden übrigen« bei der Entgleisung und nachdem sie sofort geahnt, was les sei, in innere Taschen der Kleidung, ins Hutfutter, in Strümpfe und Schuhwerk versteckt. Nach der Uhrenabnahme ließ der Capitano den Reisenden durch den Condukteur zur Stärkung einen Cognac anbieten, der auch von den Herren gern angenommen wurde und ganz vorzüglich war. Vier volle Stunden lag der zum Entgleisen gebrachte Zug in stockdunkler Nacht, ehe die neue Maschine kam. Erschütternd wirkte da- Fortbringen der Geißeln auf die Zurück bleibenden. Die Räuber stellten erstere anfänglich ganz nahe der Bahnstrecke auf, brachten sie dann eine kleine Strecke weiter und so fort. Die Zurückbleiben den mußten in die KoupeeS, deren Thüren verschlossen wurden. Zu den Geißeln gehörte bekanntlich auch Herr Kotz sch au« Zörbig, der Reisekamerad de« Er zähler- und der zweite, Herr Gerlach aus Berlin hatte seine Frau mit, welche ganz trostlos war und sich schlechterdings nicht beruhigen ließ. Der Erzähler lobte die vorzügliche Art und Weise, in welcher seitens de« RciseunternehmcrS überall für die Bequemlichkeit der Mitreisenden gesorgt gewesen sei, schilderte das lebhafte Geschäftstreiben in den Straßen von Adria- nopel und berichtete auch von dem Empfange bei dem Sultan, sowie den unvergleichlichen landschaftlichen Reizen Konstantinopels. Beim Sultan wurde den Damen Thee und Gebäck, den Herren Kaffee, Liqueur und Cigarretten gereicht, auch sahen sie eine Parade, sowie verschiedene HaremSdamen im Wagen, während der Großherr der Türkei in der Moschee sein Gebet verrichtete. Herr Mehlis schloß seinen Bericht mit der Erklärung: .Eine Reise nach dem Orient und Balkan ist gewiß schön und interessant, aber dort leben möchte ich um keinen Preis der Welt!" Der von den Räubern ebenfalls verschleppt ge wesene, aber wieder freigelassene Koch Kiak ist in Wien eingetroffen und hat seine Erlebnisse in aus führlicher Weise erzählt. Nach dem .Wiener Jll. Extrablatt" lautet die Entführungsgcschichte wie folgt: Von den 28 Passagieren des Zuges — so erzählt Derr Kiak — wurden ich nnd vier andere Herren, deren Namen bereits bekannt sind, als Geißeln, und der Lokomotivführer als Dolmetsch der griechischen Sprache sortgeschleppt. Sieben Räuber eskortirten uns, die übrigen Banditen blieben zurück. Wir dachten zuerst, daß die Briganten uns gründlich durch suchen wollten, und boten ihnen unser ganzes Geld an. Der Anführer der Räuber erwiderte jedoch durch den Dolmetsch: Es handelt sich um ein hohes Lösegcld. Nach einem Marsche in der Dauer von nur wenigen Mi nuten wurde in einem Walde Halt gemacht, und einer meiner Schicksalsgenosse» mußte aus Kommando des Räuherhaupt- manns aus einen Zettel schreiben, daß wir erschossen werden würden, wenn nicht ein Lösegeld von 200lXX> Franks bezahlt werde. Dieser Zettel, den die Räuber zur Bahnstation schickten, war das erste Aviso. Nun solgte ein Marsch, an den ich mein Lebtag denken werde. Es war stockfinstere Nacht, man sah nicht zehn Schritte vor sich. Wir wußten nur, daß wir in einem Walde waren. Zwei und eine halbe Stunde mußten wir unaus gesetzt gehen, so daß uns fast nach all der Aufregung die Füße den Dienst versagten. Endlich gestatteten uns die Ban diten eine kurze Rast. Sie breiteten ihre Mäntel auf dem feuchten Boden aus und gaben uns jene Säcke, in denen sie die geplünderten Sachen verwahrt hatten, als — Kopskissen. Diese Handlung ließ uns die Räuber unter den gegebenen Verhältnissen als höfliche Leute erscheinen. Nach der kaum halbstündigen Ruhepause ging es wieder unausgesetzt vorwärts bis in den grauen Morgen hinein. Wir sahen Wald und Berge, der Boden war sehr sumpfig, und wir versanken saft bis zu den Knöcheln im Moraste. Physisch auf das Aeußerste erschöpft, ließ ich den Anführer durch den Dolmetsch sragen, ob denn der Marsch nicht bald zu Ende gehen werde, da ich nicht mehr weiter könne. Ich erhielt di« erschreckende Antwort: „Wenn Sie nicht gehen können, so schneiden wir Ihnen den Hals -bl" Der Dolmetsch setzte aus Eigenem hinzu: Es ist besser, wenn Sie nicht die geringste Bemerkung machen. Wenn Sie wirklich nicht mehr gehen können, müssen Sie dies ohne viel Worte zu gebrauchen markiren und zu Boden fallen. Ich war jedoch durch die Todesdrohung so eingeschüchtert, daß ich meine Müdigkeit vergaß und rüstig weiiermarschirte. Endlich, es mochte 8 Uhr früh sein, gab es wieder eine Haltestation. Wir befanden uns aus einer Ebene, weit nnd breit waren keine menschlichen Behausungen oder auch nur Spuren menschlicher Thätigkeit zu sehen. Die Räuber traten zu einer Besprechung zusammen und musterten uns. Der Anführer trat auf mich zu, klopfte mich auf die Schulter und ließ mir durch den Lokomotivführer sagen: „Sie werden das Geld holen!" Nun osserirte sich zu diesem Dienste der Berliner Kaufmann Israel, der ein Bild des Jammers bot. Dem korpulenten Manne rann der Schweiß stromweise aus allen Poren und er athmete mühsam Herr Israel ließ den Banditen mittheilen, daß er in Kon stantinopel einen Bankier kenne, der sicher das Lösegeld be schaffen werde. Die Räuber waren einverstanden, daß Herr Israel und ich zur Beschaffung der Gelder sreigelassen werden. Die üb rigen Gefangenen beschworen uns unter Thränen, die Wünsche der Banditen zu erfüllen und dadurch ihre Befreiung zu ver anlassen. Wir gaben in feierlicher Weise dieses Versprechen. Nun führte uns der Räuberhauvtmann sbei Anwendung dieser Bezeichnung muß man unwillkürlich an längst außer Mode gekommene Schauerromane denken, und doch ist jedes hier erzählte Wort reine Wahrheit) auf einen Hügel und zeigte »ns die Richtung, die wir zu nehmen hatten. Aus den Tele graphendraht weisend, sagte der Brigantenführer: „Wir haben die Te l egraphcn-Leitung absichtlich nicht zerstört, damit Sie von der nächsten Station so gleich telegraphiren können, um das Schicksal der Gefangenen bekannt z» geben." Herr Israel holte aus seiner Tasche ein kleines Opern glas und besichtigte die Gegend. Dieses Glas wurde ihm von dem Räuber sofort mit den Worten abgenommen: „Das kann ich selbst gut brauchen." Nachdem noch die Modalitäten der Ausfolgung des Löse geldes festgestellt waren und uns eingeschärft wurde, daß beim Erscheinen des Militärs die zurückgebliebenen Reisenden geköpft würden, wurden wir freigelassen. Der Ansührer bekreuzigte sich, eine Handlung, die er auch schon beim Schreiben des ersten Zettels zu Beginn der Eskortirung vor nahm. Ich und mein Begleiter waren zum Zusammenbrechen müde, aber von dem Augenblicke der Freiheit angesangen, fühlten wir uns so gestärkt, daß wir mit Riesenschritten aus dem Bereich der Räuber kamen. Einmal erschraken wir noch heftig, als uns ein zerlumpter Kerl entgegentrat. Wir dachten, wieder einen Räuber vor uns zu haben, indeß der Mann entpuppte sich als ein gut- müthiger Italiener. Nach mehrstündigem Marsche langten wir aus dem Bahn körper an und fuhren schließlich nach Konstantinopel, um unfern Auftrag auszurichten. Wir hatten keinen Kreuzer mehr in der Tasche. Hagesgeschlchte. — Deutschland. Vertrauliche Erkundigungen haben ergeben, daß die leitenden RegierungSlrcise dem Plan einer in Berlin zn veranstaltenden, großen internationalen Industrie-Ausstell ung sehr freundlich gegenüberstehen. Insbesondere wird versichert, daß sich der Kaiser dafür mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit interessire. Indessen ist man dort der Ansicht, daß vor dem Jahre 1898 an eine nach jeder Richtung glänzende und befriedigende Verwirklichung dieses gewaltigen Unternehmens nicht zu denken sei. Als selbstverständliche Voraussetzung gilt dabei, daß außer dem Reich auch der preußische Staat und die Stadt Berlin beträchtliche Zuschüsse bewilligen werden. Die von Preußen verlangte Summe würde damit begründet werden können, daß den preußischen Staatsbahnen durch eine Berliner Weltausstellung ganz bedeutende Mehreinnahmen zu fließen würden. — Am Dienstag ist im Reichsamt des Innern zu Berlin eine Handwerkerkonferenz zusammen getreten, welche als die Frucht der vorjährigen Audienz angesehen werden kann, die der Kaiser einer Depu tation des deutschen JnnungStages bewilligte. In jener Audienz wurde ein Immediatgesuch überreicht, welche« die Niedersetzung einer Kommission zur Prüf ung der Forderungen der Handwerker verlangte. Von