Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100317017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910031701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910031701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-17
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis !ür Leixzlg >md Boron« durch untere Träger und Svedneure 2mal »Lalich in» r>au« gebracht: UV monall., 2.70 merteliidr:. Bet untern skiliaten u. Lu» nahmettellen abneboli- 7S monall., 2.SS viertel,Lbrl. Lurch die Poft: tnnerbald Leuitchlanb» und der deuttchen Nolonieu vienetläbrl OSO monall. I.ätt audtchl. Bostdestellaeld. ferner .n Belgien, Tanemarl, den Donaustaaten, Italien, Luremburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Rußland, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Getchätttnelle de« Blatte» erhältlich. Ta» Leivziger Tageblatt erscheint 2 mal täglich, Sonn- u. Fririag« nur morgen«, ülvonne.. eni-Lnnaomri Auguüulplatz ft, bei unseren Tragern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern uav Briefträgern. Linzelveekaukepret« »er Morgen» «uSgabe 10 der ichendiurgad« S »t. Redaktion und tSeschäft-skelle: Johannitgasse 8. Fernsprecher: 14692. I46R. ,4891. Morgen-Ausgabe. MtipMcrTagMM Handelszeitung. Ämtsölatt des Aales und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. Nnzeigen-PreiS Ar Inserate au» i_'ewug »nd Umgebung d>« 6geivalten« SO mm brette Petitzelle 2L 2Z, di« 74 mm breite Reklamezeile l von au«wärt! ao ReNamen l.2l> Inserat» von Behörden 'm amtlichen Teil die 74 mm drrtte Petitzeil« 4>) cheschäftianzeigen Mit P ahoorschriften UN» in der AdeildauSgabe >»> Preise erhöht. Rabatt »ach L-rst. Beilagegebübr ü p. Lausend ezkl. Postgebühr. Hefter!eilte Auftrage können nicht zurück gezogen werden. Iür da» iärschnnen an deftimuttea Tagen und Plätzen wir» lein« iÄaranti« übernommen. Anzeigen-Annahme: Auguikusplatz ft, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoucru- itrpcditionea de» In- uud AuSlanüet. »auvk-lttltale verklar Karl Diiucker Heriogl. Bihr. tzofbuch- handlung, Lützowstiaße lL tTelevbon VT. Nr. 4»B). Haupt-Filtale Dreidrin Seeltratze T (Telephon 462l). vonnerstsg. üen 17. März 1910. Nr. 75 l04. Ishrgsng. Das Wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Mittwoch einige Kapital des ordentlich en und des ausserordentlichen Etats sowie mehrere Eisenbahnpetitionen. (S. Landtagsber.) * Die Zweite Kammer nahm am Mittwoch nach Abgabe einer Erklärung des Präsi denten Dr. Vogel über die Angelegenheit der Pfuirufe" die Schlußberatung über den Antrag Hettner. Verjährung öffentlich-recht licher Ansprüche, vor, stimmte dann den Depu tationsanträgen zu dem Dekret über das Pfand- leihgewerbe-Gesetz zu und ging dann zur Beratung der das Justizwesen betreffenden Ka pitel des Etats über. (S. Landtagsber.) * Der Reichstag verabschiedete am Mittwoch den Etat des Auswärtigen Amts und des Rcichsschatzamts. (S. Reichstagsbcr.) * Das preussische Abgeordnetenhaus hat die Wahlrechtsvorlage nach den Beschlüssen der 2. Lesung mit einigen unwesentlichen Aenderungen angenommen. Dafür stimmten 238, dagegen 168 Abgeordnete. Dagegen stimmten 6 Konser vative. die Freikonfervativen mit 2 Ausnahmen, die Rationalliberalen, die Fortschrittliche Volkspartei, die Polen und die Sozialdemokraten. (S. Lcitart.) * König Albert von Belgien besuchte gestern die Brüsseler Ausstellung und beglück wünscht« den deutschen R e i ch s k o in m i s - sar zur deutschen Abteilung. * Durch die Anerkennung der Intervention des Präsidenten Taft ist der Str eik auf den amerika nischen westlichen Bahnen zunächst abgewen- det. Die strittigen Punkte werden einem Schieds gericht unterbreitet. (S. Ausl.) pyrrhus. Und abermals nimmt Herr v. Bethmann Holiwcg ein Kapitalgesetz aus der Hand der konservativ-klerikalen Majorität entgegen und beugt sich dem parlamentarischen Regime, weil cs konservativ-klerikal ist. Das erste Mal war es der Kanzler, der die Reichsfinanzreform nach dem willen der Bülow-Frondeure akzeptierte. Nunmehr, um dem Namen Preußen-Deutschland einen neuen Inhalt zu geben, sagt der preussische Ministerpräsident zu den Beschlüssen des neuen Blocks Ja und Amen. Es ist kein Zweifel mehr, das Regiment der verbündeten Konser vativen und Klerikalen wird bis aus weiteres im Deutschen Reiche wie in seinem grössten und mächtigsten Bundesstaat die Gesetze diktieren. Denn die gemeinsame Arbeit, die gemeinsame Ver antwortung und der gemeinsam zu tragende Zorn aller Gegner wird diese beiden Parteien in Zu kunft noch fester aneinanderschliessen, als ver schämte Liebe es bisher zu tun vermocht hat. Und Herr v. Bethmann, der Philosoph der Ab hängigkeiten, gibt seinen Segen dazu. Die letzte Möglichleit für die Konservativen, die klerikale Umarmung zu lockern und einen Weg zu eigner freier Entfaltung und Entwicklung und zur harmonischen Arbeits- und Verantwortungs verteilung auf die übrigen Parteien zu öffnen, ist vorbei. Der fromme Bund ist doppelt be siegelt, die Aera der Autoritativen und der Buchstabensrommen ist in voller Schönheit herausgezogen. Armes Deutschland! Armes Preussen! Nein, nun erst recht! Nachdem die Lage so geklärt ist, soll der Kampf erst recht beginnen. Wer jetzt nicht sieht, was uns droht, ist blind. Denn nie ward in ähnlicher Klarheit einem Volke sein Schicksal vor Augen geführt. Es ist von allerhöchster Bedeutung, dass auch nicht eine fremde Stimme an diesem preussischen Wahlrechtsgesetz mitgewirkt hat, dass Konser vative und Zentrum ganz allein für das Gesetz gestimmt haben, dass nicht einmal die Freikon servativen ihr Geschick an dieses Gesetz zu ketten den Mut hatten. Und die Konservativen wissen was ihnen droht. (Bei den Reichs tagswahlen sehen wir uns wieder.) Bis in die letzten Stunden gingen die Versuche, die Nationalliberalen als Sündenböcke für das Ge setz zu gewinnen. Und wir wissen uns eins, nicht nur mit den Nationalliberalen in Preussen und im Reiche, wir wissen uns eins mit allen freiheitlich gesinnten deutschen Männern im j Gefühl ehrlichen Dankes für die preussische i Landtagsfraktion, dass sie in tapferer und loyaler Haltung, in meisterhafter Taktik, in Entschlossen- I heit und Vornehmheit alle Lockungen weit von I sich abgewiesen, die Sünden der Gegner vor I allem Volke aufgcdeckt und in ihrer stolzen I Sicherheit die Hoffnung auf Freiheit an I diesem Unglückstage neu hat erstehen lassen. I Freikonservative, Nationalliberale, Freisinnige, I Polen und Sozialdemokraten haben geschlossen I gegen das Gesetz gestimmt. Das bedeutet, dass I eine parlamentarische Majorität, die eine numerische, kulturelle und wirtschaftliche Minder heit in Preussen ist, dem Lande die Gesetze geben darf. Es kann kein ärgeres Urteil über das preussische Wahlrecht in seiner jetzigen und künf tigen Gestalt geben, als dass dieser Unsinn mög lich wurde. Und wir bedauern den Staatsmann, der glaubt, eine Volksbewegung von der unge heuren, seit Dezennien nie gesehenen Wucht, die weit über Preusscns Grenzen ihre Wirkungen aussendct, mit einer solchen brüchigen Truppe zum Stillstand bringen zu können. Blind muss der Mann sein, der das Geschick des modernen Preußens, des modernen Deutschen Reiches von dem Willen der Agrar-Konservativen und der Ultramontanen abhängig werden läßt, um aus einer unbequemen Situation herauszukommen. Bedarf es großer Weisheit, um die Gefahren dieser Lage zu erkennen? Was trieb Bülow zum Bruch mit dem Zentrum und zur Gründung des Blocks, wenn es nicht die Erkenntnis der Unmöglichkeit war, mit dem Zentrum den Osten des Reiches zu sanieren! Fürst Bülows beste Tat war die der Ueberleitung zu einer starken Polenpolitik, und die war mit dem Zentrum nicht zu machen. Sie ist auch heute nicht mit dem Zentrum zu machen. Wer mit dem Zentrum regieren will, muß die Ostmark preisgeben. Und das wird auch Herr v. Bethmann Hollweg müssen. Damit ist diesem Kanzler das Schicksals wort gesprochen. Preußen wird nicht zur Ruhe kommen, bis es ein anderes, freieres, seinen kulturellen und wirtschaftlichen Kräften entsprechenderes Wahl recht besitzen wird. Und da das neue Wahl gesetz, dem Herr v. Bethmann zweifellos zu stimmen wird, diesen Anforderungen Hohn spricht, so wird die Wahlrechtsbewegung erst jetzt mit aller Schärfe einsetzen. Und die Be wegung wird sich nicht auf die Sozialdemokratie beschränken, es werden ihr alle nicht zum schwarzen oder blauen Heerbann schwö renden bürgerlichen Politiker zuströmen. Für diese Periode der Unruhe und der Zwie tracht trägt die preußische Regierung in erster Linie die Schuld. Sie kann sich wahrlich nicht mit unerfüllbaren Forderungen von Intran sigenten entschuldigen. Mit Ausnahme des be deutungslosen Häufleins der Sozialdemokraten haben die Parteien des preußischen Abgeord netenhauses das Motto „Alles oder nichts" pein lich vermieden. Sie haben nur nicht mittun wollen bei einer Gesetzmacherei, deren Ruhm man neidlos dem Bethmannschen Block über lassen kann. Herr v. Bethmann hat in seiner Vorlage die indirekte Wahl ge opfert, um dieses schöne Wort zu ge brauchen, und sein Block stellt sie wieder her, Herr v. Bethmann hat die öffentliche Wahl für tabu erklärt und sein Block wirft sie um. Und da sage noch ein Mensch, mit der preussischen Regierung sei kein Umgehen. Umspringen lässt sic mit sich, wohl gemerkt von den Konser vativen und Klerikalen. Sie ist von rührender Selbstlosigkeit und proklamiert nicht nur gott gewollte Abhängigkeit, sondern streift sich selbst die Fesseln der neuen Herrscher in Preußen über die Gelenke. Das war kein Meisterstück, Octavio! * SilwmungsbUü aus üem preutzllchen üvgeorünetentlsute. 0. Berlin, 16. März. (Priv.-Tel.) Hin und her manövrierende Truppen und am Schlüsse beim entscheidenden Schlage eine andere Gruppierung, als man bisher angenommen, so ist die Signatur der dritten Lesung der Wahlrcchlsresorm. Es war heute nicht so, wie sonst häufig, daß bei de* dritten Lesung bloss die Beschlüsse der zweiten Lesung bestätigt zu werden brauchten. Es gab Stadien, wo alles in Unsicherheit getaucht war. Diese Unsicherheit war diesmal herbeigeführt durch die Freikonser vativen Ihr verbältnismäßig energisches Auftreten eröffnete zwar nicht unbegrenzte Möglichkeilen, aber I doch die Aussicht, dass noch etwas anderes werden könnte, als in zweiter Lesung geschaffen war. Sie I stellten durch Frhrn. v. Zedlitz Bedingungen ,ür ihre Zustimmung! in erster Linie verlangten sie die Einführung der Drittelung in der Gemeinde, dann auch Aenderungen in der Maximierung uud endlich ! eine vernünftige Privilegierung. Da die Deutsch- I konservativen nicht sofort in schroffer Form den Wünschen ein Nein entgegensetzten, musste man mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Entgegenkommen stattfindrn würde. Die Vertreter der Mehrheits parteien v. Heydebrand (Kons.) und Herolo (Ztr.) erklärten in der Generaldebatte zunächst dis Zustimmung zu den Beschlüssen der zweiten Lesung. Der Redner der Rationalliberalen, Friedberg, setzte umgekehrt diesen Beschlüssen ein klares Nein entgegen und teilte mit, dass wegen Scheiterns der bisherigen Verhandlungen man auf die Stellung von Anträgen verzichten werde. Dass die Fortschrittliche Volkspartei, die Polen uud die Sozialdemokraten die Beschlüsse der zweiten Lesung ablehnten, war selbst verständlich. Mitten hinein in diese Parteiknndgebungcn siel eine Erklärung des Ministerpräsidenten v. Beth mann Hollweg. Man darf glauben, dass keiner so schwer die Schwäche der Regierungsstellung in der Frage der Wahlrechtsreform empfindet, wie Herr v. Bethmann Hollweg selbst, die anderen preussischen Minister und ihre Gehilfen. Daher verweilen wir auch heute nicht dabei, den Widerspruch zwischen der Regierungsvorlage und den Beschlüssen der Mehrheit im einzelnen zu markieren. Herr v. Bethmann Holl weg kam heute der Mehrheit weiter entgegen als das letztemal. Nur eine erhebliche Mehrheit verlangt er noch, um die Beschlüsse seinerseits im Namen der Regierung anzuerkennen. Was ist das: erhebliche Mehrheit? Hat er sich mit diesem Ausdruck doch noch einer ganz festen Vinkulierung entzogen? Die Abstimmung brachte bis zu 8 5 die Annahme der Beschlüsse zweiter Lesung durch eine Mehrheit, in der auch die Freikonservätivcn enthalten waren. Beim 8 6 kam der Minister vonMoltkeden Ver ständigungsbemühungen entgegen, indem er sich mit dem freikonservativen Wunsch aus Drittelung in der Gemeinde einverstanden erklärte; also die Regierung will den Parteien der Mitte den Zugang zu dem Kompromiß eröffnen. Aber es half nichts mehr. Das Zentrum erlaubte den Deutsch-Konservativen nicht, für die Aenderung zu stimmen, und so erklärte denn Freiherr von Richthofen in gewundener Rede die Ablehnung. Der Antrag der Freikonser- vatioen wurde dann mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Damit wird es wahrscheinlich, dass die Frcikonser- vativen gegen das ganze Gesetz stimmen. Em anderes kleines Zugeständnis wird ihnen freilich gemacht, die Maximierüngssumme wird auf 10 600 von 3000 er höht. In der Privilegierung kommt gar nichts Neues zustande. Auch die Freikonservativen haben die Vergeblichkeit weiterer Aenderungsversuche ein gesehen und bringen keine Anträge mehr ein. So bleibt es denn bei der Erhebung der Abiturienten aus der dritten in die zweite Wahlabteilung. Der Rest wird in kurzer Folge angenommen mit der ge wöhnlichen Mehrheit. Bei der namentlichen Abstimmung er hält das ganze Gesetz von 106 abgegebenen Stim men 238, nämlich die der Konservativen, des Zentrums und zweier Freikonservativer, 168 Abgeordnete stimmen mit Nein, nämlich die Freikonservativen bis auf 2, sämtliche Nationalliberalen, Fortschrittliche, Polen und Sozialdemokraten, dazu sechs Deutschkonservative. Ueber die Motive dieser Minderheit dürfte man nicht abstimmen, sie sind ganz verschieden. Die paar Deutschkonservativen stimmen gegen das ganze Gesetz, weil es ihnen viel zu weit geht, und die Freikonservativen haben sich, wie anfangs ebenfalls Freiherr von Zedlitz ver kündet hatte, auch einen Weg nach rechtshin offen gelassen, die öffentliche Wahl wünschen sie nach wie vor beizubehalten. Die Resolutionen auf Aenderungen der Wahl- krciseinteilunq wurden selbstverständlich in den Orkus geschickt; soweit ist die Entscheidung klar, nur eins fragt sich noch: Ist eine „erhebliche Mehrheit" im Sinne Bethmann Hollweqs erreicht? Das Haus zer bricht sich darüber nicht den Kopf, sondern geht als bald in die Osterferien, aus denen es am 7. April heimzukehren gedenkt, um dann die Abstimmung, weil eine Aenderung der Verfassung vorliegt, zu wieder holen. * Sitzungsbericht aus üem preußischen Llbgeorünetenhsule. Berkin, 16. März. (Tel.) Haus und Tribünen sind voll besetzt. Am Minister tisch: Bethmann Hollwcg. — Rach Erledigung einiger kleiner Punkte der Tagesordnung trat das Haus in die dritte Lesung der Wahlrechtsvorlage ein. Abg. v. Heydebrand (Kons.): Erne Anzahl meiner Freunde wird gegen das Gesetz stimmen, weil sie eine Aenderung des bestehenden Wahlrechts über haupt nicht wollen. Wenn die übrigen Mitglieder auf den Boden der Vorlage treten, so geschieht das nicht, weil wir die Notwendigkeit der Aenderung des Gesetzes, das sich vollkommen bewährt hat, ein sehen, sondern aus dem Grunde, weil die Reform des Wahlrechts in der Thronrede in Aussicht gestellt wurde. (Bravo.) Wir wollen den Ver tretern der Mittelparteien die Zustimmung zum Gesetz sehr gern ermöglichen und werden den An trägen in dieser Richtung zustimmen, wenn wir die Sicherheit haben, dass dadurch eine Mehrheit für das Gesetz zustande kommt. Aus den Beifall der Massen rechnen wir nicht. Wir sind der Ueber- zeugung, dass an dem Tage, wo wir den Beifall der Massen haben, es um die Zukunft Preussens geschehen I ist. (Lebhafter Beifall rechts.) Herold (Zentr): Wir machten weitgehende Zugeständnisse, um eine Verbesserung des be- I stehenden Wahlrechts herbeizuführen. Wenn wir den l Beschlüssen der zweiten Lesung zustimmen so glauben l wir dadurch dem Naterlande einen Dienst zu leisten. Friedberg (Natl): Wenn der Träger der Krone I eine Reform des Wahlrechts in Aussicht stellte, so t hatte er dabei die Interessen des Landes im Auge. Wir bedauern, daß eine Verständigung mit der Mehr heit unmöglich war. Daß eine solche Verständi gung nicht erreicht wurde, liegt daran, daß die Regierungsvorlage in das Gegenteil verkehrt wurde. Unsere Wünsche auf eine Erweiterung der Kreise, aus denen die Wahlmänner entnommen werden, sind leider nicht berücksichtigt worden. Wenn wir in der letzten Zeit nicht positiv mitgearbcitet haben, so ist es deshalb nicht geschehen, weil unsere Anträge keine Aussicht auf Annahme gehabt hätten und weil wir keine leere Demonstration machen wollten. Wenn wir so wahrscheinlich zu einem ablehnen den Votum kommen werden, so wird uns voraus sichtlich der Vorwurf gemacht werden, dass wir einen Abmarsch nach links vollziehen. Die Herren, die diesen Vorwurf erheben, mögen bedenken, dass wir eine selbständige Partei sind. Bedauerlich sind Angriffe, die die „Kölnische Volkszeitung" in letzter Zeit gegen uns richtete. Wir werden unbeirrt durch derartige Angriffe und unbeirrt durch die Angriffe der Anhänger des gleichen Wahlrechts den Weg gehen, den unsere Pflichten gegen das Vater land und unsere Parteigrundsätze uns vorschreiben. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Freiherr v. Zedlitz (Frcik.): Wir werden unbeirrt durch die Kritik der grossen Massen den Weg der Vaterlandsliebe gehen. Der weitaus grösste Teil der Freikonservativen steht auf dem Standpunkt, dass die öffentliche Abstimmung für weit besser an zusehen ist. Zwei Gründe sprechen gegen die geheime Wahl, erstens begünstigt sie zweifellos die Sozialdemokratie, zweitens die Polen. Ebenso kommt die Drittelung nach Urwahlbezirken gerade den Teilen der Bevölkerung zugute, welche den sozial demokratischen und polnischen Fahnen folgen. Es liegt im Interesse des Dreiklassenwahlrechts, wenn wir den Antrag einbringen, wiederum zur Drittelung nach Gemeinden zurückzukehren. Auch uns liegt daran, das Gesetz mit einer möglichst grossen Mehr heit zustande zu bringen. Werden unsere sachlichen Bedenken beseitigt, dann sind damit die Bedingungen erfüllt, unter denen wir uns auf den Standpunkt stellen können, dass es möglich sein wird, für die indirekte Wahl bei ge heimer Erwählung der Wahlmänner einzutreten. Wir werden dann das Gesetz mit jeder Mehr heit zustande bringen, andernfalls werden wir sämtlich gegen das Gesetz stimmen. Wir bleiben mit diesem Vorgehen getreu unserem alten Stand punkt: Das Vaterland über die Partei. (Bei fall rechts.) Ministerpräsident v. Bethmann Hollweg: Nachdem die Herren Vorredner die Absichten ihrer Parteien für die Abstimmung klar gelegt hoben, gebe ich namens der Staatsregierung folgende Erklä rung ab: Die königl. Staatsregierung ist bei Ausarbei tung der Vorlagen von der Auffassung ausgegangen, daß an dem System des abgestuften Wahlrechts grundsätzlich festgehalten werden müsse und das direkte und geheime Wahlrecht gleichzeitig nicht gegeben werden könne. Sie hat sich aus den Gründen, die ich bei Einführung der Vor lage hier darzubringen die Ehre hatte, dahin entschieden, die indirekte durch die direkte Wahl zu ersetzen, die Oeffentlichkeit der Wahlhandlung aber aufrecht zu erhalten. Die königliche Staatsregierung hält diese Lösung auch heute noch für die zweckmässigste. Wenn sich in dessen eine erhebliche Mehrheit dieses Hohen Hauses dahin entscheidet, die indirekte Wahl aufrecht zu erhalten, und die geheime Stimmabgabe für die Wahlen der Wahl- männer vorzusehen, so wird die königliche Staats regierung diese Lösung annehmen, ohne sich im übrigen an alle einzelnen Bestimmungen des Entwurfs in seiner jetzigen Gestalt zu binden. Abg. Fischbeck (Fortschr. Vpt.): Wenn wir eine ablehnende Haltung einnehmen, so geschieht es, weil das geheime Wahlrecht, das wir grundsätzlich vertreten, abgelehnt wird, weil ferner die For derungen nach Abschwächung des plutokratischen Charakters des Wahlrechts zurückgewiesen werden. Selbst die indirekte Wahl, die die Regierung als nicht mehr zeitgemäss bezeichnete, wurde wieder in das Gesetz hineingebracht. Wir werden nicht auf hören, weiter zu kämpfen, bis wir das all gemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht er reicht haben; wir werden im nächsten Jahre wieder einen solchen Antrag cinbringen. (Beifall bei den Freisinnigen.) Jazdzewski (Pole): Solange die geheime Wahl in dem Gesetz nicht enthalten ist, hat es keinen Wert für uns. Wir werden dagegen stimmen. Liebknecht (Soz.): Der Reichskanzler hat in seiner Rede bei der ersten Lesung die Dreiklassenschmach unter göttlichen Schutz zu stellen versucht, indem er von einer gottgewollten Abhängigkeit sprach. Ich kann es nur als Blasphemie be zeichnen, das göttliche Prinzip zum Schind j acker der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu machen. (Vizepräsident Porsch bittet den Redner, das Thema etwas zarter zu behandeln.) Abg. Lieb knecht fuhr fort: Wenn man sieht, wie bei dieser Vorlage mit Anträgen gefeilscht und geschachert wird, so kann man das Haus nuralseineTrödler- bude bezeichnen. (Grosse Unruhe. Vizepräsident Porsch ruft den Redner in erregtem Tone zur Ordnung. Anhaltende Bewegung. Rufe: Raus, raus! Unverschämtheit!) Liebknecht fährt fort: Die Sehnsucht der Konservativen und des Zentrums nach Mitarbeit der National liberalen bei der Vorlage ist weiter nichts als ein Suchen nach Mitschuldigen an diesem Schänd I werk. (Großer Lärm. Bizepräsident Krause erteilt I dem Redner den zweiten Ordnungsruf.) Abg. Bell (Zentrum): Der Vorwurf, dass wir aus I parteipolitischen Gründen den Beschlüssen der zweiten I Lesung zustimmten, ist durchaus unbegründet. Die Verbesserungen der Vorlage sind wesentlich I der Zentrumstaktik zu verdanken. Wir hiel I ten es für unsere patriotische Pflicht, mitzuwirkcn I zur Erfüllung des Versprechens der Thronrede. Damit I schließt die allgemeine Besprechung. In der Spezialberatung i werden die Paragraphen eins bis drei (aktives und I passives Wahlrecht) mit redaktionellen Aenderungen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite