Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 13.02.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191002137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100213
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100213
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-13
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezuqS-Prei- Lei-jig und Vorort« durch unser, Träger und Sprdiieure iu« Hau« gebracht: 80 monatl., 2.70 vlerteljihrt. «ei unlern Filiale» u. Annabmellellen adgrholt; 7S monatl. 2.25 vieneliäbrl. D»rch die Voft: iunerbald Deutschland» und der de»eschen Kolonien vierteliäürl. -t.Ttt monatl. 1.28 au«schl. Postdeftellaeld. Ferner >n Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, tluremburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich Ungarn, Rußland, Schwede», Schweiz ». Spanien. In allRi übrigen Staaten nur direkt durch die GejchästLilelle de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger Tageblatt erscheint wöchent lich 7 mal und zwar morgen:-. Adonnenlent-Snnadme: Buguslulplatz 8, bet unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern uuo Brtesttägern. Die einzelnc Stummer kostet 10 Redaktlon und Geschäftsstelle: Johannisgaste 8. Fernsprecher: 1469^ 14683, I46S4. Nr. 43. WpMcrTaMllN Handelszeitnng. Ämtsölatl des Rates und des Rolizeiamtes der Lladt Leipzig. Anzeigen-Prei» Er Inserate au« Leipzig und Umgebung dt» 6gespaltene Petitzeile 25 stnanzielle Anzeigen 30 Reklamen 1 von auswärts 30 H, Reklamen 1.20 ,F ooai Aulland 50^, stnanz. Anzeigen 75«^ ReNamen 1.50 Inserate». Behörden im amtlichenTeilM^. »eilagegebübr 5 p. Tausend exkl. Post, gebühr. «eschä!tsanze,ge>i an bevorzugter stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tori Festerteilte Austtäge können nicht zurück- gezogen werden. Für-da« Erscheinen an bestimmten Togen und Plätzen wird keine Garantie übernommen Anzeigen. Annahme-. Sugustu-vlatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoneen- vrpeditwnen de« In- und Ausländer. Haupt-Filiale Berlin Tarl D >ncker. Her-ogl. Bohr Hofbuls^ Handlung, Lützowst aßc 10. (Telephon Vl.. Nr. 4» >3). Haupt-Filiale Dresden: keestraße 4,1 (Telephon 4621). m. Jahrgang. Sonntag 13. Februar 1910. Das wiehttgste. * In der Aula der technischen Hochschule begann am Sonnabend vormittag unter großer Beteiligung die Sitzung des .Hygieniker- tages für die Internationale Hy g i e u c a u s st e l l u n g Dresden 1911. (S. des. Art.) * Der Geschäftsführer eines D r o g c n g c s ch ä f t s in der Bayer scheu Straße in Leipzig wollte gestern früh von einem Unbekannten im Gcschäftslokal überfallen sein, um uusgeraubt zu werden. Später gestand er ein, den lieber» salI fingiert zu habcn. sS. des. Art.) * Im Reichstag wurde am Sonnabend die zweite Lesung deS Militäretats beendet. sS. Ncichstagsber.) * Im preußischen Abgeordneten Hause wurde am Sonn- abend die erste Lesung der Wahlrechtsreform beendet. Die Regierungsvorlage wurde einer Kommission uon 28 Mitgliedern überwiesen. sS. des. Art. und SitzungSber.) * In dec Spannung zwischen dem Sultan von Marokko und Frankreich ist eine leichte Besserung cingetretcn. sS. Ausl.) *) Bei der gestrigen Abstimmung im Northumberlander Grubenrevier wurde die für einen Streik notwendige Zwei drittelmehrheit nicht erreicht. sS. Ausl.) * Nach amtlichen Mitteilungen sind bei dem Untergang des Dampfers „General Ehanzy" 161 Personen »ms Leben gekommen. Weiteres s. Art.) * Nach Pariser Depeschen ist die Seine in den letzten 24 Stunden u m w e i t e r e 22 Z c n t i m e t c r g est i c g e n. Es regnet leicht. Seit gestern Nacht lagert ein dichrer Nebel über Paris, der seit Mittag lang sam weicht. * Aus zuverlässiger Quelle ist in Tanger die Nachricht ein. getroffen, daß RaisuIi durch Gift getötet worden ist. Lretzpredrat. Bismarck und Bethmann Hollwez — kann man sich größere Gegen sätze denken? Bismarck: das sprühende Leben, ein Mann mit Leiden- ichaften, geläutert durch reinste Vaterlandsliebe, mit ungeheurem Wage mut, gebändigt und begrenzt durch schärfsten Verstand. Edelste Lebenssührung der Mannesjahre bis an deS Lebens Ende nach durch» tollrer Jugend. Bethmann Hollweg: ein Mann mit der Parole: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Ein Minister, der die Korrektheit iu des Wortes bureaukratischster Bedeutung als höchste menschliche Qualität schätzt. Ein lebensferner, philosophisch bis zur Müdigkeit abgeklärter Geist, dem jede Erregung Pein macht. Sicherlich wird nie von ihm dem Volke ein Aneldotenschatz überkommen. Seine Konduite weist keinen Schönheitsfehler auf. Ein Mann, ei« Aszet, zum Bußpredigen ge schaffen. Und er erfüllet seinen Beruf und prediget Buße. In seiner langen Wahlreformbegründuug vom Donnerstag im Preußischen Abge- ordnetenhause predigte Herr v. Bethmann Hollweg nach der »Nord deutschen Allgemeinen Zeitung" also: »Welchen Anteil nimmt denn aber das Volk an der lausenden sachlichen Arbeit unserer Parlamente? Die Presse hat die Mode aus genommen, Stimmungsbilder von den parlamentarischen Verhand lungen zu bieten, bei denen man häufig den Eindruck nicht abweffen kann, als bandele eS sich um Theatervorstellungen. (Heiterkeit.) Ver läuft die Sitzung sachlich, und mag es sich auch um die wichtigsten Gegenstände handeln — wir haben das jetzt eben erlebt, als im Reichs tag die Strakprozeßreform zum eisten Male gelesen wurde —, dann heißt es im Stimmuugsbilde, daß öde Langeweile über dem Hause brütete. (Heiterkeit.) Aber wenn es ein sogenannter Großer Tag ist, dann wird geschrieben, welche Krawatte, oder welche Weste der Minister ankatte (Heiterkeit), dann werden seine Handbewegungen unter die Lupe liebevoller Kritik genommen — was er sachlich sagt, wird von oben herunter schnell abgetan, und lustig wird es, wenn berichtet werden kann, daß der Abgeordnete so und so temperamentvolle An griffe gegen den Minister richtete, wobei er kräitige und energische Töne fand und womöglich einen OrdnungSrus erhielt. (Lebhafte Heiterkeit.) Sie lache» darüber, ich halte eS für eine sehr ernste Sache. So wird die große Masse des zeitunglesenven Publikums allmählich dazu verführt, die Sensation als den Kernpunkt des politischen Lebens anzuseben. Ich übe damit selbstverständlich keine Kritik an unseren Parlamente«, aber ich muß mich doch fragen, ob die Behauptung noch zu rechtfertigen ist, daß unsere Parlamente das Zentrum leien, von dem poltiliscbe Kultur und poliwche Erziehung au, die Masse des Volkes ausstrablt, und ob nicht umgekehrt demo kratische Entwicklung deS Parlamentarismus zur Verflachung und zur Verrohung des politischen Sinnes führt, also gerade den Entwicklungs prozeß hemmt, den wir brauchen, den wir dringend brauchen, der von einer demokratilcheu Reform des Wahlrechts erwartet wird." Wir sind Sünder allzumal und mangeln des NuhmS, und eS sei ferne von uns zu behaupten, in der deutschen Presse sei alles so zum Bellen bestellt, wie Herr v. Betbmann Hollweg das von Preußen glaubt. Aber der tief schürfende, politische Philosoph, den eines Kaisers und König« Gnade dem deutschen Volke als Kanzler und dem preußische» als Ministerpräsident beschert hat, vergaß zweierlei: er vergaß zu diffe renzieren und vergaß nach den Gründen der von ihm beklagten Erscheinungen zu forschen. Und das machen wir, die zur Buße Ermahnten, dem Pre diger zum schärfsten Vorwurf. Denn das von ihm gemalte Bild ist falsch und die Ursachen der Mängel, der unbestreitbar groben Schäden der deutschen Presse, gehen in erster Linie zu Laste« der von Herrn». Belh- mann Hollweg vertretenen Regierung. Das wird zu beweisen sein und soll hier bewiesen Werken. Gibt eS wirklich im Deutschen Reiche nur Zeitungen der von Herrn v. Bethmann Hollweg skizzierten niedrigen, auf Aeußerlichkeiten gerich teten Art? Wir sagen: daS ist nicht wahr. Noch gilt eS in einer großen Anzahl deutscher Blätter für nicht zulässig, ja für stilwidrig und degradierend, daS rein persönliche Element in den politischen Ereignissen, insbesondere das Aeußerliche und Körperliche der agierenden Persönlich keiten zur Argumentation zu benutzen, und das ist das Wesentliche. Wenn in den von Herrn v. Bethmann Hollweg so übel vermerkten Stimmungsbildern wirklich hie und da auch einmal, vielleicht sogar in ernsthafteren Zeitungen, der Rahmen der politischen Dinge überwertet worden ist, wenn wirklich auch einmal dem Parlamentsvertreter eines seriösen Blattes die Feder ausgerutscht ist und am nächsten Tage die Leser erfahren haben, daß ein Redner eine gelbe Weste bei seinem miß glückten Debüt im Reichstage getragen hat, so ist das noch kein Unglück. Wir stellen dem Herrn Ministerpräsidenten frei, das als Taktlosigkeit zu buchen, mehr aber ist eS nicht. Und nun kommen wir zum zweiten Manko der Bethmannschen An klage, zu der Schuld der in Preußen-Deutschland Regierenden an den wirklichen Schäden der Presse. Ja, es gibt eine schlechte Presse in Deutschland. Es gibt Hunderte von Zeitungen, die von der Erfüllung ihrer ethischen, vaterländischen und kulturellen Pflicht so weit wie nur irgend möglich entfernt sind, die gar nicht daran denken, daß sie außer den Verlegerinteressen auch noch höhere zu betrauen haben. ES gibt Zeitungen, die über die ganze große Wahlreform in Preußen ihren Lesern nicht eine Zeile eigener Meinung vorgesetzt haben. Es gibt Zeitungen, große Zeitungen, für die sich das Leben, das große öffentliche Leben, iu Aeußerlichkeiten erschöpft. Es gibt Zeitungen, die aus der Ausstellung der Dessous einer Prin zessin auf der ersten Seite ihres Blattes in Cperrschrist eine Haupt- und Staatsakiion machen, die jedes Niesen eines Regierenden, eines Staatsmannes, eines Notablen in alle Welt hinauörufen. Es gibt Zeitungen, für die LaS ganze öffentliche Leben sich in Stimmungsbildern er- cchöpst, die für den Kern der Dinge weder VerständuiS noch Zeit noch Raum haben. Es gibt Zeitungen, die sich politische Redakteure aus schließlich zu dem Zweck halten, damit auch nicht eine Zeile Politik, auch nicht eine politische Anspielung zum Druck komme. Und diese Presse war und ist das Schoßlind der Berliner Regierung, an deren Spitze Herr v. Bethmann Hollweg steht. Wir brauchen keine Namen zu nennen, selbst dem weltfremden Herrn v. Bethmann Hollweg nicht, um diese Behauptung zu beweisen und zu illustrieren. Oder ist es viel leicht ein Geheimnis, daß ein Berliner Blatt mit Recht den Spitznamen „Kleiner Reichsanzeiger" führt, und daß dieses Blatt an dem Streit der politischen Meinungen, an den wichtigsten Lebensfragen der deutschen Nation vorübergeht, als seien eS Pappenstiele, daß eS aber aus dem Häuschen gerät, sobald eine Hofjagd ist, sobald ein Mord die niedrigsten Leidenschaften erregt, sobald eS bei solchen Gelegenheiten zur Illustration übergeht und das Messer abbilvet, mit dem ein Zuhälter gestochen hat? Und daS ist die Presse, von der in ungeheurer Verblendung an hoher preußischer Stelle das Wort gesprochen wurde: sie schütze Berlin vor hunderttausend sozialdemokratischen Stimmen. Sittlichen Ernst verlangt also Herr v. Bethmann Hollweg und er hat Grund und Recht, ihn von der Presse zu fordern. Aber tut denn die Regierung daS geringste, um das Gefühl der Verantwortung in der deutschen Presse zu stärken? Wird nicht immer noch das alte Rezept Zuckerbrot und Peitsche im Auswärtigen Amte verschrieben? Wird daS geringste getan, um das Ansehen und da- Urteil einer un abhängigen Presse zu stärken? Oder wird nicht immer noch jede Infor mation als Belohnung für Wohlverhalte» erteilt? Hat man je davon gebört, daß ein deutscher Journalist als Gast eines deutschen Bot schafters in fremdem Lande ausgenommen und in der Staatskarosse des Botschafters an den Hof des Monarchen geführt wurde, wie das erst jüngst dem Vertreter der »Times" in Japan zuteil wurde? Hat nicht der amerikanische Botschafter den Herausgeber der »New Aorker StaatSzeitung" beim Kaiser eiugeführt, und ist ein solcher Vorzug schon je einem deutschen Journalisten in den Bereich der Möglichkeit gerückt worden? So steht es um daS Verhältnis zwischen Regierung und Presse in Berlin, und wenn Herrn v. Betbmann Hollwez wirklich diese Dinge zu Herzen gehen, so kann er sich leicht er kundigen, welches Berliner Blatt den Inhalt der preußiichen Wahlrechts vorlage allein, als Sensation, veiöffentlichen konnte, nachdem am Tag vorher der Herr Ministerpräsident die Parteiführer empfangen und sich Stillschweigen batte geloben lassen. Alle diese Dinge sind reichsbekaunt, und wen» Herr v. Bethmann Hollweg die Teilnahmlosigkeit der Bevölkerung an den parlamentarischen Vorgängen beklagt, wenn er sich über daS Ueberwuchern der StimmungS- bildmalerei beschwert, so hat er die Pflicht, eS auszusprechen, daß leine Regierung gerade auf diese Presse der forcierten Aeußerlichkeit schwört, daß seine Regierung in erster Linie mit Schuld hat an den Zuständen im deutschen Preßwesen. Die Presse ist hier in der Verteidigung, denn Herr v. Bethmann hat angesaugen. Er hat den Streit vom Zaune gebrochen; denn daß diese Attacke der Empfindsamkeit auf die Presse in einer staats männischen Rede zur Begründung der preußischen Wahlrecht-Vorlage keinem Gebot der Notwendigkeit, auch keiner sittlichen Pflicht entsprang, daß sie völlig au- dem Rahmen fiel und au-schließlich persönlichen Empfindungen Rechnung trug, da- ist der Eindruck der Leser, war der Eindruck der Hörer. Nun wohl, ,s soll un- lieb sein, wen» die hier skizzierte Aera der Protektion aller rückgratlosen, aller sensations hungrigen, aller kleiderjournaiistischea Blatter ihr Ende erreicht hat, wenn Herr von Bethmann Hollweg in Konsequenz seiner Rede nunmehr aufraumt mit dem Wahn, al- liege in der Negligierung der politisch ernsthaften Dinge das Mittel zur Erzielung staats treuer Gesinnung, als sei Ignoranz besser als politisches Interesse. Wir darren der verbeißenen Dinge und hoffen von dem zweifellos grundehrlichen Wollen deS preußischen Ministerpräsidenten, daß er die von ihm beklagten, aber in ihren Ursachen nicht erfaßten Erscheinungen studiert und für Besserung sorgt. Herr von Bethmann Hollweg weiß vielleicht gar nicht, wie mächtig er in der Beziehung ist. Aus einen Widerruf seiner ungerechten und unrichtigen Anschuldigung verzichten wir feierlich. Uns liegt an der Sache mehr als am Schein. Je ernsthafter Herr von Bethmann an diese Aufgabe herangeht, je sicherer kann er überzeugt sein, daß die Farbe seiner Weste iu der Presse nur noch die ihr gebührende Beachtung findet. / * Der -ritte Sag -er preußischen wahlrechtr-ebatte. (Stimmungsbild.) ll. Berlin, 12. Februar. (Privattel.) DeS Wahlrechtskampfes dritter Tag, sein letzter noch lange nicht. Der Sprecher der Freisinnigen Dr. P ach nicke stellt sich ganz aus den Boden der Zcntrumssorderung: DaS Wahlrecht, wie wir es für daS ganze Necch haben, auch für Pi rußen! Von einem Weltgew sie» spreche eS, daS alle Länder, selbst Japan und Rußland, zur geheimen Wahl in- Ipiriert habe. In Preußen setze man dieser Selbstverständlichkeit die „preußische Eigenart" entgegen. WaS ist denn diese Eigenart? Pachnicke sieht sie darin, daß das preußische Parlament kein Volkshaus, sondern ein Ständehaus ist. Was der Ministerpräsident zur Begründung der öffentlichen Wahl gesagt habe, sei das Welt fremdeste, was je gebört worden sei. Nur für eine Partei siebt der Freisinnige einen Vorteil darin: für die Sozialdemokratie, denn dicker sei damit die gefährliche Waffe der Agitation in die Hand gegeben worden. Wenn nicht lür jetzt, einmal muß für Preußen auch ein Wahlrecht zustande kommen, daS allen Teilen gerecht wird. Seine Parteigenossen stimmen ihm iu dieser Hoffnungssreudigkeit lebhaft zu, und man muß gestehen, daß die Worte Pachmckes einen starken Eindruck im ganzen Hauke hinterlassen. Damit ist die Reihe der Redner erster Garnitur .«schöpft. Ehe jedoch die zweite an die Reihe kommt, nimmt Herr von Bethmann Hollweg das Wort zu einer kurzen Verwahrung gegen den Vorwurf des freisinnigen Abgeordneten. Dir Vorlage bilde kein Rückzugs gefecht der Regierung, wie eS Dr. Pachnicke hingestellt habe. Er sei doch nicht zum Spag da! Wenn er gesagt habe, die Staatsregierung stehe mit ihrer vollen Verantwortung binter dem Entwurf, so verlange er auch ernst genommen zu werden. Auf der Rechten des Hauses er kennt man diele Forverung der Loyalität rücksichtslos au, links hat man nur eine herzliche Heiterkeit dafür. WaS Malkewitz (Kons.) sagt, ist nur eine Polemik gegen seine Vorredner aus dem Hause. Er ipricht trotz lebhafter Zurufe: „Lauter! Lauter!" „aus Gesundheitsrücksichten" vom Platze auS. Aber auch von hier aus beherrscht er mit scharfer durchdringender Stimme den Raum vollständig. Des Ministerpräsidenten Feldzug gegen die Stimmungs bilder scheint ibm den Mut zu geben, ein ernstes Wort mit der Presse zu sprechen. Stereotypes „Sehr richtig", tönt ihm von den Sozialde- molraten entgegen, als er verschiedene abfällige Kritiken der Reform aus Tageszeitungen verliest. Dann kommen die einzelnen Redner vors Messer. Neues hätten sie sagen sollen und nicht die alten längst abgetanen Phrasen aus aschgrauer Zeit wieder ans Tageslicht ziehen! Aber der Redner bringt ja im Grunde selbst nicht« Neues vor. Nur eines war bisher iu der Reden Ausführlichkeit noch nicht gehört, die Verwahrung, die der Konservativ- einlegt, gegen die Kritik der anderen Bundesstaaten. Die Vorlage sei eigenste Sache Preußens, und die übrigen Staaten gebe daS, kurz gesagt, garnichts an. Seinen und seiner Partei Standpunkt präzisiert er dahin: Beibehaltung der öffentlichen Wahl, aber Vermeidung jeg licher Schwächung des Mittelstandes. Zum Schluß wird er, ebenso wie Ströbel (Soz.) am Vortage paihelijch und sichert sich so die Zustimmung seiner Parteigenossen, in die hinein durchdringendes Zischen der Sozial demokratie ertönt. Hatte Dr. Pachnicke bebaupt-t, die Vorlage bringe nur der Sozial- demolatie Vorteile, io sieht Dr. Krau se-KönigSberg (Nail.) den Vorteil auf der anderen Seite, bei den konservativen. „Die Spatzen pfeifen die Bevorzugung der Konservativen in der Verwaltung von den Dächern", da sei es kein Wunder, wenn die Landwirte sogar wichtiger wären wie die Minister, und die Folge davon sei wieder das Anwachsen der Sozialdemokratie. Eine liberale Verwaltung würde da gegen Vieser Partei starken Abbruch tun. Es müsse bei der Reform auch eine rein nalionale Gesinnung rniisprechen, sonst sei sie uuannebmbar. Für die Hannoveranffchen Bauern spricht von Woyua (Freikons.) Er ist sehr eingenommen von dem Ueberzeugungsmul seiner engeren Lands leute, die es garnicht verstehen könnten, wenn sie nicht in der öffentlichen Wahl vor aller Welt ihre pol'tiiche Gesinnung kundtun dürften. In gewissem Sinne begrüßt Fischbeck (Freis. Vpt.) die Vorlage. Sie hatte wenigstens einmal all die Mißstimmungen im Volke an die Oeffentlichkeit gezogen. Das sei jedoch kein Grund, ein Wahlrecht zu schaffen, das immer noch mehr Unmut hervorruien würde. Doch diese Mißstimmung richte sich nicht etwa gegen den Monarchen, sondern nur gegen den T>oß, den er um sich habe, die Konservativen. Von diesen Parasiten sollte sich das Königtum freimachen, dann werde es auch einlckcu, wenn di- agitatorischen Einflüsterungen dieser Leute lein offenes Ohr mehr fänden, auf welcher Seite die echte nationale Ge sinnung zu iuchen sei. Damit ist die Zahl der Redner, auch die der zweiten Garnitur erschöpft, und der Antrag Richrhoken auf Ueberweisung der Vor lage an eine Kommlssion von 28 Mitgliedern findet allge meine Zustimmung. Die Kommission wird folgende Zusammensetzung haben: S Kon servative, 6 ZentrumSlcute, 4 Freikoniervaiive, 4 Nationallibkrale, 3 Freisinnige und je einen Polen und Soziawemokraten. Zum Vor sitzenden der Konimiksion wird voraussichtlich Abg. Dr. Krause- Königsberg (natl.) gewählt werden. Vie Be-e Bethmann HoUrveg» un- -as Zlurlan-. Die Rede über die Wahlrecht-Vorlage, die der preußische Minister präsident am Donnerstag gebaten Hal, charakterisiert die Wiener „Neue Freie Preise" wie folgt: „Der neue Reichskanzler ist nicht ein Bürger kommender, sondern längst vergangener Zeiten, und seine Sprache klingt, als hätten wir sie in den alten Geschichtsbüchern gelesen. Vermutlich iu den
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite