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Ein illustrirtes Eachjournal für die Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie Herausgeber und Chefredakteur: Theodor Martin. sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei und Appretur. Adresse für Postsendungen: Redaktion u. Verlag: Leipzig, Turnerstr. 17. Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie, Leipzig. TTo-nn 11 nmr.'kn-n iin/T OK n-P-nnrl r» Wn« -n • T U a rl a m ** - - - — Vertreter filr Grossbritannien : Für Telegramme : Redakteur Martin, Leipzig. 11613118^6 uöT UHU. 0116116(131^1)6111 • I 1160 UOT Ivl 3 T L I F) a John Butler Manchester, Virgilstreet 13. Organ (les Vereins Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner. Leipzig, 5. Mai 1887. Nachdruck aus dieser Monatsehrift nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. II. Jahrgang. N°- 4. Mittheilung. Um in den nachfolgenden Artikel zugleich einen Bericht über die am 4. Mai er. stattgefundenen Verhandlungen des „Vereins deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner“ aufnehmen zu können, haben wir die Ausgabe der vorliegenden (am 30. April c. fällig gewesenen) Nummer bis heute verschoben. Leipzig, 5. Mai 1887. Die Redaktion. Zur Frage des Zolles auf gekämmte Wolle. Von Theodor Martin. I. Beleuchtung des Kanitz’schen Antrages und seiner event. Folgen. Der Antrag des Grafen Kanitz, den Zoll auf gekämmte Wolle von 2 Mk. auf 20 Mk. pro 100 Kilo zu erhöhen, ist bekanntlich Nie mandem überraschender gekommen, als den Nächstbetheiligten selbst, den deutschen Wollkämmern, und dem Grafen Kanitz ge bührt das Verdienst, die bekannten Worte Ben Akiba’s zu Schanden gemacht zu haben, denn dass man einen mächtigen Industriezweig mit einem Zollschutz beglücken will, ohne die jenigen, welche beglückt werden sollen, vorher zu befragen, dies dürfte nach un serer Ansicht bisher noch nicht dagewesen sein! Aber auch in anderer Beziehung ist das Auftreten des Herrn Grafen bemerkenswert!!, indem die seinem Anträge beigegebene Begrün dung*) zeigt, wie man mit Zahlen blenden kann! Um nun die (von Graf Kanitz mit circa 5 Millionen Kilogramm bezifferte) Einfuhr gekämmter Wolle, sowie die inländische Pro duktion derselben richtig zu beurtheilen, muss man zunächst in Berücksichtigung ziehen, dass die Kammgarnspinnerei in zwei Theile, näm lich Fein Spinnerei und Grobspinnerei, zerfällt. Erstere verspinnt bekanntlich gekämmte Me rinowolle, die Grobspinnerei dagegen nur grobe englische, französische und andere ge kämmte Wollen. Die Feinspinnerei ist in Deutschland ganz bedeutend überwiegend und für sie wur den s. Zt. die ersten deutschen Lohnkämmereien errichtet. *) Siehe Nr. 17, pag. 131 unserer Wochenberichte. Was dagegen die Grobspinnerei anbe langt, so hat sich diese — im Gegensatz zu England und Frankreich — bei uns noch nicht derartig entwickelt, dass man mit Aussicht auf entsprechenden Gewinn Lohnkämmereien für grobe Wolle errichten könnte! Für die Grobspinner, welche meist keine eigene Kämmerei besitzen, ist somit die Ein fuhr von gekämmter Wolle eine Nothwendigkeit und die vom Grafen Kanitz beantragte Zollerhöhung ist demzufolge für sie nahezu eine Existenzfrage. An groben und feinen gekämmten Wollen wurden in Deutschland eingeführt: 1881 1885 1886 3 l / 2 5 6 8 / 4 Mill, kg Abzüglich der groben (nach) genauer Ermittelung bei! l'/ 2 2 2 8 / 4 „ „ Händlern und Spinnern) J Mithin Einfuhr gekämmter [ „ 3 4 Mill k >• Merinowollen: | Die deutschen Lohn kämme-1 reien aber producirten an > 3 9 10*/ 2 —11 „ gekämmter Merinowolle:) Diese Zahlen liefern den Beweis, dass die inländische Produktion an gekämmter Wolle in weit stärkerem Grade zunimmt als der Import, welcher sich bei dieser Sachlage lediglich als ein Regulator im schwankenden Bedarf der Kammgarnspinner erweist. Prüfen wir nun, welches die direkten Folgen der beantragten Erhöhung des Zolles auf gekämmte Wolle sein würden, so ergiebt sich: 1) die deutsche Kammgarn-Grobspinnerei würde durch diese Zollerhöhung in ihrer Ent wickelung gehemmt werden, 2) die Kammgarn- Feinspinnerei hätte keinen Nutzen davon, 3) die deutsche Wollkämmerei würde dadurch zweifelsohne in die Ueberproduktion getrieben werden. Dass der Antrag des Grafen Kanitz nicht im Interesse der deutschen Kammgarnspinner und Wollkämmer gestellt sein kann, dürfte nach Obigem wohl klar sein, und so bleibt uns nur noch zu untersuchen, ob die beantragte Zoll erhöhung vielleicht der deutschen Schaf zucht zu Gute kommen könnte. Sehen wir die einschlägigen Verhältnisse etwas genauer an, so gelangen wir zu dem Er- gebniss, dass auch die deutsche Schafzucht keinen Nutzen von der gedachten Zollerhöhung haben würde, da einerseits die betreffende Ein fuhr ausschliesslich Colonialwollen repräsen- tirt und andererseits die deutschen Wollkämmer nur ein verschwindend kleines Quantum deutsche Wollen verarbeiten. Was ist also der Zweck des Kanitz’schen Antrages? Die Antwort auf diese Frage wird der Leser in dem folgenden Abschnitt, ent haltend das Referat über die Generalversamm lung des „Vereins deutscher Wollkämmer und Kamingarnspinner“ finden. II. . Beschluss des „Vereins Deutscher Woll kämmer und Kammgarnspinner“. Der „Verein Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner hielt gestern Mittwoch, den 4. Mai c., eine Generalversammlung ab, auf deren Tagesordnung als wichtigster Punkt die Berathung über die Stellungnahme des Vereins zu dem Antrag des Grafen Kanitz gesetzt worden war. Wie nicht anders zu erwarten, hatten sich die Mitglieder des Vereins zu dieser Versammlung sehr zahl reich eingefunden. Nachdem der Vorsitzende, Herr Franz Dietel-Cossmaunsdorf, die Versammlung er öffnet und die Erschienenen begrüsst hatte, wurde auf seinen Vorschlag hin der oben erwähnte Punkt 4 der Tagesordnung als erster gesetzt, entsprechend der Wichtigkeit des Gegenstandes. Herr Dietel constatirte nun, dass er es für