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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.05.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191005290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100529
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100529
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-05
- Tag 1910-05-29
-
Monat
1910-05
-
Jahr
1910
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BezugS-Preiö liir U»i»,>, un» ü-ororl» durch a»«r« trtgrc und tzproneure 2m«I täglich in» Hau» qedrachl: UV »> monarl., L.70uk »lertcllthri vrl uu>rrn Nilialrn u. «n» »aumkllcllri, »bgcbolii 7L TZ monaU., ii.iiS «'«neliäbrl. Lurch di« »oft innerdald teuilchiunds und der »«iittchrn Kolonien mericl,äl>rl. !t.-v ^tt. monail. <.<0 autichl. 'posidrsiellgeid. ferner 'N Belgien, Länemark, den Donausluulen, 9ia!>en, Uuremburg, »'edrrlande, dtir- inegen, Oeslerreich-Ungarn. Rußland, Schweden, «chwei, u. Spanien In allen übrigen Siaaten nur dirktt durch di« che'chtllsuelle de» Blatte» crdäliiich. len« Ueivgige« taqedlatt er>»e>r.i 2mal iagUch, Sonn-a Fci riag» nur nwrgen». r'Nionne.. rui-Lnnanmr. Vuguilutvlatz 8, tei unlere» Tragern, Filialen, Spedireuren und Annahuiellellen, lowie BollLmrern uud Brielirägern »i ngeld«- kau» >'pro« »e, M»rg«n» rutgabe 10 «er bendautgade II «t» Sirdaktion und GeschäfrSfteltei Iobannisgasie s. qernlprecher: 14802. I46L.N 1488». KWlgcrTagMM Handelszeitung. Ämtsölatt Les Rates und des Rokizeiarntes der Ltadt Lewzig. Anzeigen-). reis lür Inleraie au» Vewiig unv Umgebung d,e Sgelvattene 80 mw breit» Petit,eil, 2b TZ, dl» 74 mi» breu» «eNamegeile l «on auswärts 80 Reklamen I.Ll Inlerate d»n Bebbrden IM amillchen Teil dl» 74 mw breit« Pelttzetl« 4" 0>«>chäilSan,eigl n mit Piatzoorlchrilten und in der Abendausgabe im tireile erbdni. viadall nach Lar>i. Äcilagegebübr 5 ». Tauienb exkl. Poltgebübr. Fefterlellie Auiträg« können nichi ,uruä. gezogen werben, ssür da» Eriche,neu an dettimmlen Tagen und Plätzen wird keme ularanti» übernommen Anzeige», ünnadinri Sugullu«platz », bei jämtllchen Flllale» u. allen Annoncen» ltrpeditionen de» Zu. und Änölande». Hanpr-Slllale «erlla: Carl Daucker, Her,ogt. B>br. Hosbuch» baudlung, Liitzowstiage!L lT-.evhon VI, Rr. 4M3). H-upt.Zlllal« Lrellden: k««llrabe -. 1 (Telephon 4821). Nr. 14S. Sonnisg, üril 2S. Msl ISIS. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Die Einigungsverhandlungen im Baugewerbe sind so weit gediehen, das; die Un- parteiisäen das gesamte vorliegi-nde Material cii^r nochmaligen Prüfung unterziehen und dann über die strittigen Punkte eine Einigung herbci- zusührcn suchen werden. sS. Letzte Den ) * Der Bund der Fe st besoldeten hält an heutigen Sonntag seinen ersten Bundestag ab. sS Dtschs. R.) * Das Auseinandergehen des preußi schen Abgeordnetenhauses erwartet man für Mitte Juni. * Oberleutnant Hofrichter wurde vom Kriegs gericht zum Tode verurteilt. Dem Urteil wurde die Bitte um Begnadigung aus 2ll Jahre Kerker bcigesügt. (S. d bes. Art.) * Nach dem Befund eines Tauchers ist anzu nehmen, do> die Le' r tz v i g di s französischen Untcr« seebootes „Pluviose" gleich nach dem Zusammen stoß mit dem Postdampser „Pas de Calais" er trunken ist. jS. Ausl.) * Der Herausgeber der ..Deutschen Zuristen- Zeitung" Iuftizrat Dr. Stranzist in Berlin g e - starben. (S. Feuill.) * Koloman Mikszath, der bedeutendste Nepräsentant der ungarischen Literatur, isl Ksijährig in Pest gestorben, ss. Feuill.) Das Zentrum sls Volkspartei. Man kann den preußischen Konservativen wegen ihrer Haltung zu der nunmehr glück licherweise erledigten preußischen Wahlrechts vorlage manchen Vorwurf machen. Als wich tigsten den, daß sie die Zeiten völlig verkannt haben, daß sie eine verständige Entwicklung des Wahlrechts in modernem Sinne vereitelt und sich dadurch um die Anerkennung, ja den Ruhm als einsichtsvolle Politiker, als vorausschauende Vaterlandsfrcunde gebracht haben. Es ist ihnen am Freitag sogar vorgeworfen worden, sie trieben mit ihren Anträgen nur Spott mit den Forderungen des Mittelstandes, und diesen schweren Vorwurf haben sie nicht abzuwehren vermocht. Aber eins kann man ihnen nicht vor werfen, daß sie bei ihrer Haltung sich in Wider spruch mit ihren programmatischen Tendenzen gesetzt hätten. Vielmehr muß ihnen das Zeugnis ausgestellt werden, daß ihre Politik vom einseitig-konservativen Standpunkt aus konsequent und wohlbegründet war. Die preußischen Konservativen wollen überhaupt keine wesentliche Aenderung des ihnen durchaus genehmen Wahlrechts, sie waren zu Konzessionen nur so weit bereit, als diese den Charakter des geltenden Wahlrechts nicht wesentlich zu beein flussen geeignet waren, und sie haben die Vor lage lieber scheitern lasten, als daß sie nachge geben hätten. Man kann das als kurzsichtig und volksunfreundlich ausgeben und bedauern, aber auch die konservative Ansicht verdient trotz ihres brutalen Egoismus den Respekt, den jede Ueberzeugung fordern kann. Und einen An spruch auf eifrige Wahrung der Volksrechte er heben die Konservativen nicht, wie sie denn überhaupt sich nur insofern als eine Volkspartei gerieren, als sie das Wohl der unmündigen Maste durch väterliches Wohlwollen am besten wahren zu können behaupten. Nun aber das Zentrum! Es ist geradezu ungeheuerlich, was diese Partei sich in In konsequenzen, in Verleugnung aller soge nannten Grundsätze, in Nichtachtung aller Volksrechte geleistet hat. Und es ist mindestens ebenso beschämend nicht nur für die politische, sondern auch für die allgemeine, kul turelle und ethische Reife der Zentrumswähler, daß sie sich einen solchen Hohn gefallen lassen. Man muß bei Betrachtung der Zentrumshaltung davon ausgehen, daß diese Partei zu ungezählten Malen und in feierlichster Form die Ueber- tragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen gefordert hat, daß sie auf diese Forderung zum wesentlichen Teil ihren Anspruch, eine Volks partei zu sein, begründet, und daß sie überhaupt in demagogischer Herabsetzung der Leistungen der liberalen Parteien und in Glorifizierung der eigenen volksfreundlichen Haltung das Menschenmögliche leistet. Und bei diesen so genannten Grundsätzen bringt es dieselbe Partei fertig, einem Wahlrechtsvorschlag zuzustimmen, der eine Farce war, der die indirekte Wahl be stehen ließ und die geheime Wahl nur für die Wahlmännerwahlen einführte, also eine Scheinkonzession in schönster Form bedeu tete. Nun könnte man ja auch diese Hal tung mit dem schönen Wort Realpolitik recht fertigen oder wenigstens entschuldigen. Man könnte also sagen, auch alle übrigen Parteien haben große und kleine Konzessionen gemacht, warum soll nicht auch das Zentrum von seinen Forderungen eine große Portion abstreichen, um wenigstens den winzigen Vorteil für die Maste der Wähler hcrbeizuführcn? Dieser Einwurf stimmt aber nicht, denn dem Zentrum stand es durchaus frei, mit der gesamten bürgerlichen Linken eine Majorität zu bilden. Auf die Frage des nationalliberalen Abgeordneten Friedberg im preußischen Abgeordnetenhause an die Fortschrittliche Volkspartei: „Würden Sie einer Vorlage zustimmcn, die uns die direkte und geheime Wahl bringt?" ist ein deutliches und vernehmliches „Ja" erfolgt. Und der volks parteiliche Abgeordnete Fischbeck hat in seiner Rede dies noch ausdrücklich bestätigt, indem er sagte: „Wenn wir eine Abschlagszahlung an nehmen sollen, so muß sie mindestens das geheime Wahlrecht in Verbindung mit der direkten Wahl enthalten. Das Herrn Friedberg als Antwort auf seine Frage." Daß die National liberalen das direkte und geheime Wahlrecht fordern, hat nicht nur der Magdeburger Partei tag ergeben, darüber haben ihre Parteiführer auch keinen Zweifel gelassen. Es war also dix Möglichkeit, daß sich eine große Koalition im Abgeordnetenhause für die Einführung der ge heimen und der direkten Wahl aus den Natio nalliberalen, der Volkspartei und dem Zentrum zusammenfand, vielleicht hätten sich ihr alle übrigen Gruppen, vielleicht sogar in einem An fall von Erkenntnis die Sozialdemokraten an geschlossen, so daß nur die Konservativen übrig geblieben wären. Diese Möglichkeit war noch im letzten Moment gegeben, als über den nationalliberalen Antrag auf Wiedereinführung der ja von der Regierung selbst vorgeschlagenen direkten Wahl abgcstimmt wurde. Mit den nationalliberalen Antragstellern erhoben sich die Freisinnigen, die Sozialdemokraten und die Polen. Das Zentrum aber — blieb sitzen. Mit dem Zentrum, das hier doch einen seiner wichtigsten Programmpunkte realisieren konnte, wäre dieser Antrag angenommen worden, und diese Annahme wäre eine Kundgebung von überwältigendem Eindruck geworden, dem sich auch die Regierung nicht hätte entziehen können. Es war sicher einer der besten taktischen Züge der nationalliberalen Fraktion, daß sic diesen Antrag auf Wiedereinführung der direkten Wahl eingcbracht und zur Abstimmung geführt hat. Denn hierbei mußte die unwahre volksfeindliche Politik des Zentrums auch den geistig Armen klar werden. Und es wurde ferner klar, daß diese ganze Wahlrechtsbehandlung auf konser vativ-klerikaler Seite ein abgekartetes Spiel war, ein Plänchen, dem zu Liebe das Zentrum die Volksrechtc in Scherben schlug. Es gibt keinen parlamentarischen Ausdruck, um die Un aufrichtigkeit und Hinterhältigkeit dieser ganzen Zentrumspolitik gebührend zu bezeichnen. Es wiederholte sich das Schauspiel aus der Beratung der Reichsfinanzreform, in der das Zentrum seine eigenen Vorschläge niederstimmte, um seine parteitaktischen Ziele zu erreichen, um den Kanzler zu stürzen, und wenn dabei auch das Volk bluten mußte. Noch bei der sog. kleinen Rcichsfinanzreform des Freiherrn v. Stengel erklärte ein Zentrums führer im Reichstage, es sei sehr zu erwägen, ob die Erbschaftssteuer nicht wenigstens bei größerem Vermögen auf Deszendenten und Ehe gatten auszudehnen sei. Und als diesem Wunsche in der Reichsfinanzreform durch Einbringung der Erbschaftssteuervorlagc Rechnung getragen wurde, stimmte das Zentrum seine eigene An regung, ohne zu erröten, in Grund und Boden. Was das Zentrum hier getrieben hat, was es immer und überall getrieben hat im Reichs tage wie in den Einzelparlamenten, ist der j Ausfluß einer jesuitischen Moral, die allem Anstand ins Gesicht schlägt, die diese Partei auch dem katholischen Staatsbürger direkt zu wider machen muß. Besonders aber den Kon servativen, die doch auf gute Sitten, auch auf gute politische Sitten, so viel Wert legen, daß sie die drakonischen Maßregeln zur Wahrung des äußerlichen Anstandes für notwendig halten, sei dieses Bild des Zentrums vorgehalten, damit sie sich einmal die Frage vorlegen, ob cs bei einem Bundesgenossen, mit dem man sich täglich zu Tisch setzt, neben der Wahrung der äußeren Formen nicht auch auf die notdürftigste Wah rung innerer Wahrhaftigkeit und wahrer an ständiger Gesinnung ankomme. Im übrigen aber hoffen wir, daß überall in deutschen Gauen den Posaunisten, die den Ruhm des Zentrums als Hüter der Volksrechtc auszublasen haben, ein Hohngelüchter entgegenschallt. ist Nach dem Scheitern der Wahlrechtsoorlage. O. Berlin, 28. Mai. sPrivattelegramin.s Wie die liberale Seite des preußischen Abgeord netenhauses über die letzten Staatshandlungen des Ministerpräsidenten von Bcthmann Hollweg denkt, hat sie durch Beifall bei der Zurückziehung dör Vor lage ausgedrückt. Anderseits ist kein Zweifel dar über gelassen worden, daß inan es als schweren Fehler angesehen hat, daß der Ministerpräsident zu Anfang der Aktion die Zügel am Boden schleifen ließ. Da durch war es möglich, daß Zentrum und Konservative sich zu einem so festen Bunde zusammenschließen konnten, den nachher zu lockern nicht mehr gelingen wollte. Der Ministerpräsident wird selbst eingcsehen haben, daß er mit den Parteien die politischen Ge schäfte nicht so führen kann, wie ein Rechtsanwalt, der seine schriftlichen Zustellungen an das Gericht macht. Der leitende Staatsmann muß dauernd die Zügel in der Hand behalten; er muß die Parteiführer zusammenberusen und mit ihnen die politischen Ar beiten besprechen. Im übrigen gilt es als sicher, daß Herr von Bethmann Hollwca im Amte bleibt. Da gegen wird wohl noch im Laufe des Jahres Herr von Moltke einen Nachfolger bekommen. Er selbst dürfte sich im Königsberger Oberpräsidium wohler gefühlt haben als im Ministerium des Innern, und klebt nicht an diesem Amte. Wann eine neue Wahl- rcchtsvorlage eingebracht wird, soll wesentlich auch von der Wahl und den Eigenschaften des neuen Mi nisters abhängig sein; bisher fft jedenfalls ein Ent schluß über den Zeitpunkt der Neuordnung noch nicht gefaßt worden. Als Nachfolger Moltkes wird der Oocrpräsident von Schorlemer genannt, und auch von Windheim; doch dürfte cs sich dabei nur um Ver mutungen handejn Als wesentliches parteipolitisches Moment tritt immer deutlicher die Rücksichtnahme der Konserva tiven auf das Zentrum hervor. Haben beide Parteien in der letzten Sitzuno auch nicht zusammengestimmt, so war doch der Drittelungsantrag der Konservativen durchaus ein neues Entgegenkommen gegen das Zentrum. lieber die Haltung der Nationalliberalen wird i» der Folgezeit weiter debattiert werden. Daher sei folgendes klargcstellt: Wie in den Kreisen der Partei leitung versichert wird, und wie auch Abg. Friedberg in seiner Plcnarredc andeutetc, herrscht in der Frak tion Einigkeit darüber, daß der 8 6, der die Steuer- drittclung vorsieht, in der Fassung des Herrenhauses anzunehmen sei. Ebenso war man darin einig, in der Gesamtabstimmung das Gesetz abzulehnen. Auch diejenigen Mitglieder, die an sich die Acndcrungen, die der Antrag Schorlemer brachte, für wesentlich hielten, betrachteten doch weitere Ergänzungen als durchaus nötig. Als Ziel für eine eckte und be friedigende Wahlreform betrachtete die gesamte Frak tion die Einführung der direkten und geheimen Wahl. Eine offiziöse Stimme. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt über das Schei tern der Wahlrcchrsvorlage. cs sei im Interesse des Landes tief bedauerlich, daß kein posi- tivesResultat erzielt wird. Sie wirft einen ge schichtlichen Rückblick auf den Werdegang der Vorlage und führt weiter aus, daß, nachdem die Staatsregie rung den Parteien so weit entgegengekommcn sei, ihr niemand den Vorwurf machen könne, das Scheitern verursacht zu haben. Sie protestiert gegen die demokratische Behauptung, die Regierung hätte aus Rücksicht aus ihre Autorität zu einer gegen die Kon servativen gerichteten Auflösung des Abge ordnetenhauses schreiten muffen. Sie schließt: Es handelt sich um eine einschneidende Aenderung der Verfassung Solche Fragen pflegen nicht auf den ersten Anhieb gelöst zu werden. Sachliche Halt barkeit der Lösung ist für die Regierung und das Land wichtiger als Schnelligkeit. Die üeuMe llnterrichts- suslteUung in Brüllest sDon unserem Brüsseler «-Korrespondenten.) «rüffel, 27. Mai. Alle Nationen haben aus ihren Ausstellungen auch eine Abteilung für das Schulwesen. Aber meistens liegt sie abseits vom Wege, und man wird z. B. in der belgischen Sektion leicht an der Unterrichtsabtei lung vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Ganz anders aus der deutschen Sektion. Im aller ersten Teil der Ausstellungsräumlichkeiten, unmittel bar nach Pasfierung der Abteilung für dekorative Kunst, trifft man die Halle für das llnterrichtswesen. Das ganze Arrangement ist so interessant, daß es gar nicht anders möglich ist. als anzuhalten, alles zu betrachten und zu staunen über die Sorgfalt, die man aus diese Darbietung von Schulmaterial, von Demonstrationsapparaten und Schülerarbeiten ver wandt hat. Ich habe mehrere Stunden dort zuge bracht und eine Unzahl Bekannte getroffen, welche an sich ebensowenig wie ich ein Spezialintercsse für das Unterrichtswesen hatten, aber gleichwohl von dem Gebotenen gleich mir sich fesseln ließen. Der erste Saal enthält eine Bibliothek mit einer merkwürdigen Einleitung. Sie zerfällt in drei Partien: eine Schülerbibliothel, eine Lehrer- und eine Universitäisbibliothek. Letztere umfaßt die wissenschaftlichen Werke aller Fakultäten, die Lehrer bibliothek dient dem Lehrpersonal der Elementar- und Mittelschulen. Weitaus am interessantesten für mich war aber die Schülerbibliothel, die nach dem Alter der Kinder und den Schulklassen geordnet isl, beginnend mit den Vorklaffen und fortlaufend bis zur Prima. Märchen- und Fabel-, Kinder- und Bilder bücher eröffnen in den Elementarschulen die Reihe. Langsam vollzieht sich dann der Uebergang zu ernsterer Lektüre. In der fünften Klasse finden wir schon die Ilias in Ucbersetzung vor. Ich finde dieses System geradezu musterhaft, denn die Aende rung der Lektüre ist genau der Sinnesänderung an gepaßt, die sich mit den Jahren vollzieht. In der fünften Klasse haben eben die Schüler das Verständ nis für das homerische Heldentum erlangt, begeistern sich für die Epik, träumen von Wunden und Heldentod und verehren in Buffalo Dill den größten Helden d r Neuzeit. Die Lektüre der Heldentaten von Achill und Hektor bewirkt indessen, daß sogar besten Ruhm noch in den Schatten tritt. Auch die Erzählungen von Dickens bilden für diese Klaffen schon Lesestoff. In der Bibliothek der vierten Klasse habe ich ein Buch gesunden: „Wat Erolmoder verteilt", worin die Sagen der Holsteiner Märchen in Plattdeutsch ausge zeichnet sind. Langsam vollzieht sich dann die Ueberleitung zu den Klassikern, den Geschichrswerken und der wissen schaftlichen Lektüre. Die Kulturgeschichte seit ihrer Urzeit — die Entwicklung der menschlichen Kultur seit den Zeiten, wo man an Riesen, Zwerge und Götter glaubte, bis zur Entdeckung der Urstozfe, bes Magnetismus und all der Dinge, an die man jetzt glaubt und die doch vielleicht einst wieder durch neue Wahrheiten ersetzt werden — all das wird dem Ver ständnis der Schüler durch ausgezeichnete Werke über mittelt, in denen die Fürsten der Wissenschaft und der Literatur vertreten sind. Ringsum gruppieren sich die andern Säle, etwa zwanzig^ darunter die Modelle zweier Schulzimmer. Ihre Einrichtung ist komfortabel und zugleich sehr praktisch, die Beleuchtung ausgezeichnet — Tageslicht aus beiden Seiten —. die Reinlichkeit musterhaft Die Ausstattung ist sehr reichlich. An allen Wänden geographische Karten und überall Demonstrationsapparate für Naturgeschichte, Astro nomie und Physik. Besonders letztere sind teilweise geradezu ingeniös — dies Gebiet ist ja auch eine deutsche Spezialität. Ueberall trifft man auf Mo delle und Pläne von Schulbauten, auf Photographien von Schulen und Schnlszenen. Auch der Spork ist nicht vernachlässigt. Sehr interessant ist eine kleine Reproduktion der Charlottenburger Waldschule, die bekanntlich den Kindern das Arbeiten in frischer Waldeslust ermöglicht. Unier den zahlreichen ausgestellten Schülerarbeiten erwecken die Handarbeiten und die Arbeiten aus den Zeichenschulen das Hauptinteresse. Der deutsche Unterricht mißt der Ausbildung der Handfertigkeit besonderen Wert bei. Die Arbeiten beweisen das. Mit den einfachsten Materialien, altem Zinn, Papier, Nadeln, Stahlfedern, Korken, Zündholzschachteln und ähnlichem sind primitive physikalische Apparate hergestellt, dann auch Bilder aus dem praktischen Leben, z. B. ein Stall und eine Schmiede mir Pferden, Arbeitern. Herden, Werk zeugen — ein kleines Meisterwerk, aufgebaut aus alten Schachteln, Zündhölzern, Stroh und Lehm, das aber von den Kinderhänden eine staunenswerte Präzision verlangt, die kleinen Köpfe mit praktischen Kenntnissen füllt und die Augen lehrt. Form und Be wegung aufmerksam zu beobachten. Dabei fühlt man heraus, daß das Kunstwerk von feinen jungen Meistern mit brennendem Eifer und Ehrgeiz ge schaffen wurde. In den höheren Klaffen konstruiert man kompli zierte wissenschaftliche Apparate in derselben Voll endung und technischen Geschicklichkeit, wie sie eben einmal ein Charakteristikum der deutschen Produktion überhaupt ist. In einer eigenen Abteilung für den Zeichcnunter- rickt liegen die Zeichenhefte von Schülern im Alter von 9 bis 15 Jahren auf mit geradezu bewunderns werten Leistungen. Sie beweisen, daß man in Deutschland richtig erkannt hat, wie das Zeichnen ein beinahe ebenso wichtiges Ausdrucksmittel ist wie die Schrift, und daß es im heutigen praktischen Leben ebenso nötig ist. eine Form in Linien wie einen Ge danken in Worten wievcrgeben zu können. Man erkennt aus den Arbeiten klar die Tendenz des Unterrichts: Gewöhnung des Schülers an die Fähigkeit, wiedcrzugeben. was er gesehen hat und wie er es gesehen hat. Aber auch die Phantasie soll zu ihrem Rechte kommen, denn außer Zeichnungen nach dem Gedächtnis und der Natur läßt man auch reine Phantasiebildcr schaffen. Dabei hat man bei aller Vielfältigkeit der Sujets immer darauf Be dacht genommen, daß das Kind nicht nur arbeitet, sondern sich für den Stoff der Arbeit auch interessiert und darüber auch amüsiert. Schneemänner, Feder vieh. Rüben, Stiefel, Hüte. Schlüssel bilden den Vor wurf für die kleinen Künstler Gewiß handelt es sich nicht um eigentliche Kunstwerke, aber alles beweist ein hohes technisches Interesse und eine schon be wundernswerte Geschicklichkeit der Wiedergabe. Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, daß da der Same ausgcstreut wird, aus dem für die künftige deutsche Kunstentwicklung eine reiche Frucht hervor sprießt. Ich will gewiß nicht behaupten, daß all das Geschaute etwas ganz Neues und in andern Ländern gänzlich Unbekanntes wäre. Aber das Charakteri stische an der deutschen Schulabteilung ist der Tdrea- platz, den man ihr in der ganzen Sektion eingeräumt hat. und das Interesse, das sie bei allen Besuchern erregt. I-ixi. Aber was ick Ihnen da berichtet habe, war diesmal nicht mein Origrnalwerk, sondern die U der sctzung eines vor wenigen Tagen in der „Gazette' er schienenen Artikels eines der hervorragendsten Brüs seler Publizisten. Ich wollte Ihnen einmal zeigen,
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